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IX.

Verwicklungen.

Loïck schwieg.

Die Erzählung des Ranchero war lang gewesen; Don Jaime hatte ihm, ohne ihn zu unterbrechen, mit kaltem, gleichgültigen Gesicht, aber blitzenden Augen zugehört.

»Habt Ihr nun Alles berichtet?« fragte er, indem er sich zu Loïck wandte.

»Ja, Alles, Herr.«

»Auf welche Weise seid Ihr von den geringsten Einzelheiten dieser schrecklichen Katastrophe unterrichtet worden?«

»Dominique selbst hat mir das Ereigniß mitgetheilt; er war halb närrisch vor Schmerz und Wuth, und da er wußte, daß ich mich zu Euch begab, so hat er mich beauftragt, es Euch zu sagen ...«

Don Jaime unterbrach ihn rasch.

»Es ist gut, hat Euch Dominique keine Botschaft für mich gegeben?« sagte er, ihn mit flammendem Auge anschauend.

Der Ranchero wurde verwirrt.

»Herr,« stammelte er.

»Zum Henker mit dem Britten,« rief der Abenteurer, »warum wirst Du verlegen? Laß hören, sprich.«

»Herr,« begann entschlossen der Vaquero, »ich fürchte, eine Dummheit begangen zu haben.«

»Ei, das vermuthete ich, Deine Miene widerspricht dem nicht; welche Dummheit ist es denn?«

»Die Sache ist folgende: Dominique schien so verzweifelt, Euch nicht auffinden zu können, und ein solches Bedürfniß zu haben, mit Euch zu sprechen, daß ...«

»So daß Du nicht schweigen konntest und ihm verrathen hast ...«

»Wo Eure Wohnung ist, Herr, ja.«

Nach diesem Geständniß beugte der Ranchero demüthig das Haupt, als hätte er die innere Ueberzeugung, ein großes Verbrechen begangen zu haben.

Es trat ein kurzes Schweigen ein.

»Natürlich hast Du ihm auch gesagt, unter welchem Namen ich mich in diesem Hause verborgen halte,« fing Don Jaime nach einer Weile wieder an.

»Freilich,« antwortete Loïck naiv, »wenn ich es nicht gethan hätte, würde er in großer Verlegenheit gewesen sein, Euch aufzufinden, Herr.«

»Das ist allerdings richtig; also wird er kommen?«

»Ich fürchte es.«

»Es ist gut.«

Don Jaime ging im Zimmer auf und nieder und überlegte, dann näherte er sich dem noch immer auf seinem Platze harrenden Loïck.

»Seid Ihr allein nach Mexiko gekommen?« fragte er ihn.

»Lopez begleitet mich, Herr, aber ich habe ihn in einem Branntweinladen an der Barrière von Belem zurückgelassen, dort erwartet er mich.«

»Gut, so holt ihn, aber sagt ihm nichts; in einer Stunde, nicht früher, kommt Ihr mit ihm hierher, vielleicht werde ich Eurer bedürfen.«

»Seid unbesorgt, Herr,« erwiderte der Andere, indem er sich die Hände rieb, »wir werden nicht fehlen.«

»Jetzt lebt wohl.«

»Verzeiht, Herr, ich habe Euch noch einen Brief zu übergeben.«

»Einen Brief! Von wem!«

Loïck griff in seinen Dolman, zog ein sorgfältig versiegeltes Papier daraus hervor und überreichte es Don Jaime.

»Hier ist er,« sagte er.

Der Abenteurer warf nur einen Blick auf die Aufschrift.

»Don Estevan!« rief er freudig aus und erbrach rasch das Siegel.

Das obwohl sehr kurze Billet war in einer Zeichensprache geschrieben, und lautete folgendermaßen:

»Alles geht nach Wunsch; unser Mann kann der ihm dargereichten Lockspeise nicht widerstehen. Sonnabend, Mitternacht, peral.

»Hoffnung!«

Cordoue.«

Don Jaime zerriß das Billet in winzige Stückchen.

»Welchen Tag haben wir?« fragte er Loïck plötzlich.

»Heute?« entgegnete dieser, durch diese unerwartete Frage bestürzt.

»Dummkopf! wahrscheinlich handelt es sich weder um gestern noch um morgen.«

»Das ist wahr, Herr, wir haben Dienstag heute.«

»Konntest Du das nicht gleich sagen?«

Sobald Don Jaime durch Freude oder durch Zorn bewegt war, dutzte er Loïck; dieser wußte es, und die Art und Weise, wie der Abenteurer mit ihm sprach, war für ihn ein unfehlbarer Barometer, in welchem er sich niemals irrte.

Wieder ging Don Jaime nachdenklich im Zimmer auf und nieder.

»Kann ich mich entfernen?« wagte endlich Loïck zu sagen.

»Du könntest schon zehn Minuten fort sein,« antwortete er barsch.

Der Ranchero ließ sich das nicht zweimal wiederholen. Er grüßte und entfernte sich.

Don Jaime blieb allein, aber wenige Augenblicke später ging die Thür auf und die beiden Damen traten wieder ein.

Ihre Gesichter waren unruhig, sie näherten sich furchtsam dem Abenteurer.

»Hast Du schlechte Nachrichten erhalten, Don Jaime?« fragte Donna Maria.

»Leider ja! meine Schwester,« antwortete er, »sogar sehr schlechte.«

»Kannst Du sie uns nicht mittheilen?«

»Ich habe durchaus keinen Grund, daraus ein Geheimniß zu machen, überdies betreffen dieselben Personen, welche Ihr liebt.«

»Himmel!« rief Donna Carmen indem, sie die Hände faltete, »Dolores vielleicht?«

»Dolores, ja, mein Kind,« erwiderte Don Jaime, »Dolores, Eure Freundin; die Hacienda del-Arenal ist von den Juaristen überfallen und niedergebrannt worden.«

»Oh! mein Gott!« riefen die beiden Damen schmerzlich aus, »arme Dolores! und Don Andrès?«

»Don Andrès ist schwer verwundet.«

»Gott sei gelobt, daß er nicht todt ist.«

»Es wird nicht viel besser sein.«

»Wo sind sie in diesem Augenblick?«

»Nach Puebla geflüchtet, wo sie unter der Escorte einiger ihrer Peonen, unter Leo Carral's Leitung, angekommen sind.«

»Oh! Leo Carral ist ein treuer Diener.«

»Ja, aber ich glaube, daß wenn er allein gewesen, es ihm nicht gelungen wäre, seinen Gebieter zu retten; glücklicherweise hatte Don Andrès zwei französische Edelleute, den Grafen de-la-Saulay ...«

»Der, welcher Dolores heirathen soll?« unterbrach ihn lebhaft Donna Carmen.

»Allerdings, und den Baron Charles de-Meriadec, Attaché bei der französischen Gesandtschaft bei sich. Es scheint, daß diese beiden jungen Leute Wunder von Tapferkeit vollbracht haben, und Dank derselben unsere Freunde dem schrecklichen Schicksal, welches sie bedrohte, entgangen sind.«

»Gott segne sie!« rief Donna Maria, »ich kenne sie nicht, aber schon habe ich ein Interesse für sie, als wären es alte Freunde von mir.«

»Den Einen von Beiden werdet Ihr bald kennen lernen.«

»Ah!« machte neugierig das junge Mädchen.

»Ja, ich erwarte jeden Augenblick den Baron von Meriadec.«

»Wir werden ihn auf's Beste empfangen.«

»Ich bitte Euch darum.«

»Aber Dolores kann nicht in Puebla bleiben.«

»Das ist auch meine Meinung; ich gedenke, mich zu ihr zu begeben.«

»Warum kommt sie nicht zu uns?« meinte Donna Carmen; »sie würde hier in Sicherheit sein und ihrem Vater die nöthige Pflege nicht fehlen.«

»Du hast ganz Recht, Carmen; vielleicht würde es besser sein, wenn sie einige Zeit bei Euch bliebe; ich werde darüber nachdenken. Vor allen Dingen muß ich Don Andrès sehen, um zu beurtheilen, ob er in dem Zustand, in welchem er sich befindet, eine Reise vertragen kann.«

»Ich bemerke, mein Bruder,« sagte Donna Maria, »daß Du von Dolores und ihrem Vater gesprochen, aber Don Melchior nicht erwähnt hast.«

Bei diesen Worten verfinsterte sich das Gesicht Don Jaime's.

»Sollte ihm ein Unglück geschehen sein?« rief Donna Maria.

»Wollte Gott, daß es so wäre!« antwortete er mit einer Trauer, die nicht frei von Zorn war, »sprich niemals wieder von diesem Menschen, er ist ein Ungeheuer.«

»Mein Gott! Du erschreckst mich, Don Jaime.«

»Ich habe Euch doch erzählt, daß die Hacienda del-Arenal von den Guerilleros überfallen worden ist, nicht wahr?«

»Ja,« antworteten sie mit klopfendem Herzen.

»Wißt Ihr, wer die Juaristen anführte und ihnen als Führer diente? Don Melchior de-la-Cruz.«

»Oh!« riefen die beiden Frauen entsetzt.« »Später, als es Don Andrès und seiner Tochter gelang, in Folge eines Vertrags ungehindert sich zu entfernen, um sich nach Puebla zu begeben, lauerte ihnen ein Mann in geringer Entfernung von der Stadt auf und griff sie verrätherischerweise an. Dieser Mann war abermals Don Melchior.«

»Oh! das ist abscheulich!« riefen Beide, indem sie ihr Gesicht in den Händen verbargen und in Schluchzen ausbrachen.

»Nicht wahr?« fuhr er fort, »um so abscheulicher, als Don Melchior den Tod seines Vaters kalt berechnet hatte, sich durch einen Vatermord des Vermögens seiner Schwester bemächtigen wollte, ein Vermögen, auf welches er kein Recht hat und dessen ihn die demnächstige Heirath Donna Dolores', wie er wenigstens glaubt, vollständig beraubt.«

»Dieser Mensch ist furchtbar,« sagte Donna Maria.

Die beiden Damen waren durch diese Eröffnung ganz niedergeschmettert worden. Ihre Freundschaft mit der Familie de-la-Cruz bestand seit langer Zeit, die beiden jungen Mädchen waren fast miteinander erzogen worden. Sie liebten sich wie zwei Schwestern, obwohl Donna Carmen etwas älter als Donna Dolores war; so hatte denn auch die Nachricht von dem Unglück, welches so plötzlich über Don Andrès hereingebrochen war, sie mit Schmerz erfüllt. Donna Maria bestand eifrig darauf, daß Don Andrès und seine Tochter nach Mexiko gebracht und in ihrem Hause Wohnung nehmen sollten, wo Donna Dolores Pflege und Trost in ihrem Unglücke finden würde.

»Ich werde sehen,« antwortete Don Jaime, »und will es versuchen, doch wage ich noch nichts zu versprechen; ich gedenke noch heute nach Puebla abzureisen, und wenn ich nicht den Besuch des Baron's von Meriadec erwartete, würde ich sogleich aufbrechen.«

»Es wird das erste Mal sein,« sagte Donna Maria sanft, »wo ich Dich fast ohne Bedauern werde scheiden sehen.«

Don Jaime lächelte.

In diesem Augenblick hörte man die Hausthür öffnen, und gleich darauf vernahm man den Schritt eines Pferdes in der Vorhalle.

»Das ist der Baron,« bemerkte der Abenteurer, und er ging seinem Besuche entgegen.

Es war in der That Dominique, welcher anlangte.

Don Jaime reichte ihm die Hand und ihm einen bedeutsamen Blick zuwerfend, sagte er in französischer Sprache, welche die beiden Damen vollkommen sprachen:

»Seid willkommen, mein lieber Baron, ich sah Eurer Ankunft mit Ungeduld entgegen.«

Der junge Mann sah ein, daß er vorläufig sein Incognito bewahren mußte.

»Ich bin untröstlich, daß ich Euch warten ließ, theurer Don Jaime,« erwiderte er, »aber ich komme direct von Puebla und es ist nichts Neues für Euch, wenn ich Euch sage, daß dies ein sehr weiter Weg ist.«

»Ich kenne ihn,« erwiderte lächelnd Don Jaime, »aber laßt uns nicht länger hier verweilen, kommt, damit ich Euch den beiden Damen vorstelle, welche Euch kennen zu lernen wünschen.«

»Meine Damen,« sagte Don Jaime, als er in das Zimmer trat, »erlaubt nur, Euch den Baron Charles de-Meriadec, Attaché der französischen Gesandtschaft, einen meiner besten Freunde vorzustellen. Mein lieber Baron, ich habe die Ehre, Euch mit meiner Schwester Donna Maria und meiner Nichte Donna Carmen bekannt zu machen.«

Obwohl der Abenteurer wahrscheinlich absichtlich nur die Vornamen der beiden Damen genannt hatte, schien dennoch der junge Mann nicht darauf geachtet zu haben und begrüßte sie ehrerbietig.

»Nun,« begann Don Jaime heiter, »da Ihr unsere spanische Gastfreundschaft kennt und Ihr in der Familie seid, so gebt uns Eure Wünsche zu erkennen, wenn Ihr etwas bedürft.«

Man setzte sich und plauderte, während Erfrischungen herumgereicht wurden.

»Ihr könnt vollkommen offen sprechen, Baron,« sagte Don Jaime, »die Damen haben von dem schrecklichen Ereigniß in Arenal gehört.«

»Schrecklicher, als Ihr vielleicht vermuthet,« entgegnete der junge Mann, »und da Ihr Euch für die unglückliche Familie interessirt, fürchte ich. Euren Schmerz noch vergrößern zu müssen und ein Bote schlechter Nachrichten zu sein.«

»Wir sind innig mit Don Andrès de-la-Cruz und seiner liebenswürdigen Tochter befreundet,« antwortete Donna Maria.

»So verzeiht mir, Madame, wenn ich nur traurige Dinge Euch mitzutheilen habe.«

Der junge Mann hielt inne.

»Oh! sprecht, sprecht.«

»Ich habe nur wenige Worte zu sagen: Die Juaristen haben sich Puebla's bemächtigt, die Stadt hat sich bei der ersten Aufforderung übergeben.«

»Die Feiglinge!« rief der Abenteurer und schlug mit der Faust auf den Tisch.

»Ihr wußtet es nicht?«

»Nein, ich glaubte sie noch in der Macht Miramon's.«

»Die erste Sorge der Juaristen war, nach ihrer unveränderlichen Gewohnheit, die Fremden und hauptsächlich die in der Stadt wohnenden Spanier gefangen zu nehmen; einige sind sogar erschossen worden ohne irgend einen Proceß; und da die Gefängnisse überfüllt waren, sah man sich genöthigt, mehre Klöster zur Einkerkerung der Gefangenen zu benutzen; der Schrecken herrscht in Puebla.«

»Fahrt fort, mein Freund ... und Don Andrès?«

»Don Andrès ist, wie Ihr ohne Zweifel wißt, schwer verwundet.«

»Ja, ich weiß es.«

»Sein Zustand laßt wenig Hoffnung. Der Gouverneur der Stadt hat, trotz der Vorstellungen der Notabeln und der Bitten aller rechtschaffenen Leute, Don Andrès als des Hochverraths verdächtigt, – dies sind die Ausdrücke in dem Verhaftsbefehl – fortführen und ungeachtet der Thränen seiner Tochter und aller seiner Freunde in den Kerker der Inquisition werfen lassen. Das von Don Andrès bewohnte Haus ist geplündert und gänzlich demolirt worden.«

»Aber das ist entsetzlich, das ist grausam.«

»Oh! das ist noch nichts!«

»Wie, nichts?«

»Don Andrès ist vor Gericht gebracht worden und da er seine Unschuld, trotz aller Bemühungen der Richter, ihn zu einer Selbstanklage zu bringen, betheuerte, ist er zur Tortur verurtheilt worden.«

»Zur Tortur!« riefen die Zuhörer mit Entsetzen.

»Ja, dieser verwundete, sterbende Greis ist an den Daumen aufgehängt worden und hat zu zwei verschiedenen Malen Stockschläge bekommen. Trotz dieser Marter ist es seinen Henkern nicht gelungen, ihm das Geständniß der Verbrechen, die sie ihm zuschreiben und an denen er unschuldig ist, zu entlocken.«

»Oh! das überschreitet alles Glaubliche,« rief Don Jaime, »der Unglückliche ist ohne Zweifel gestorben?«

»Noch nicht, oder vielmehr war er bei meiner Abreise von Puebla noch am Leben; er ist nicht einmal verurtheilt, die Henker haben keine Eile, ihnen gehört die Zeit, sie spielen mit ihren Opfern.«

»Und Dolores!« rief Donna Carmen, »arme Dolores! wie sehr muß sie leiden;«

»Donna Dolores ist verschwunden, sie ist entführt worden.«

»Verschwunden!« rief Don Jaime, »und Ihr seid hier, es mir zu sagen!«

»Ich habe Alles gethan, um mein Leben zum Opfer zu bringen,« erwiderte er einfach, »es ist mir nicht geglückt.«

»Ah! ich werde sie wieder finden!« bemerkte der Abenteurer; »und der Graf, was macht er?«

»Der Graf ist in Verzweiflung, er forscht nach ihr, worin ihn Leo Carral unterstützt; ich dagegen habe Euch aufgesucht.«

»Ihr habt wohl daran gethan; Ihr könnt auf mich zählen. Der Graf und Leo Carral sind also in Puebla geblieben?«

»Nur Leo Carral; der Graf ist genöthigt gewesen, vor den Nachstellungen der Juaristen die Flucht zu ergreifen, er hat sich mit seinen Dienern in den Rancho geflüchtet. Täglich kommt sein jüngster Diener, ich glaube Ibarrù heißt er, in die Stadt, um sich mit Leo Carral zu verständigen.«

»Seid Ihr aus eigenem Antriebe zu mir gekommen?«

»Ja, allein ich habe mich vorher mit dem Grafen berathen, ich wollte nicht ohne seinen Rath handeln.«

»Ihr habt recht gethan; meine Schwester wird für Donna Dolores ein Zimmer bereit halten.«

»Ihr werdet sie also herführen?« riefen beide Damen aus.

»Ja, oder ich werde nicht mehr am Leben sein.«

»So brechen wir auf?« fragte der junge Mann ungeduldig.

»In einem Augenblick, ich erwarte Loïck und Lopez.«

»Loïck ist hier?«

»Er war es, der mir die Nachricht von dem Ueberfall der Hacienda gebracht hat.«

»Ich hatte ihn Euch gesandt.«

»Ich weiß es. Euer Pferd ist ermüdet, Ihr werdet es hier lassen, man wird dafür Sorge tragen und Euch ein anderes geben.«

»Es sei.«

»Ihr habt ohne Zweifel die Hauptverfolger Don Andrès' nennen hören?«

»Es sind drei; der erste ist der Secretair, die verdammte Seele des neuen Gouverneurs, er heißt Don Antonio de Cacerbar.«

»Ihr habt eine glückliche Hand gehabt,« sagte der Abenteurer ironisch: »es ist derselbe Mann, dem Ihr so menschenfreundlich das Leben gerettet habt.«

Der junge Mann stieß einen Wuthschrei aus.

»Ich werde ihn tödten,« entgegnete er.

Don Jaime warf ihm einen erstaunten Blick zu.

»Ihr haßt ihn wohl?« fragte er ihn.

»Selbst sein Tod wird mich nicht befriedigen; die Handlungsweise dieses Mannes ist seltsam, er ist unvermuthet zwei Tage später als die Armee in die Stadt gekommen, um sogleich wieder zu verschwinden und hat wie man sagt, hinter sich eine lange Blutspur zurückgelassen.«

»Wir werden ihn wiederfinden; wer ist der zweite?«

»Habt Ihr ihn nicht schon errathen?«

»Don Melchior, nicht wahr?«

»Gut, so weiß ich, wo ich Donna Dolores zu suchen habe; er ist es, der sie geraubt hat.«

»Und der dritte?«

»Der dritte ist ein junger Mann von schönem, anmuthigem Gesicht, sanfter Stimme und ausgezeichneten Manieren, er allein ist schrecklicher als die beiden Anderen, wie man berichtet; er scheint über eine große Macht zu gebieten und gilt für einen geheimen Agenten Juarez'.«

»Sein Name?«

»Don Diego Izaguirre.«

Das Gesicht des Abenteurers klärte sich auf.

»Gut,« sagte er, »die Sache ist nicht so verzweifelt, als ich fürchtete, es wird uns gelingen.«

»Glaubt Ihr?«

»Ich bin dessen gewiß.«

»Der Himmel erhöre Euch!« riefen die beiden Damen, indem sie die Hände falteten.

Seit der Ankunft des sogenannten Barons war indessen Donna Maria außerordentlich nachdenklich geworden; während der junge Mann mit Don Jaime plauderte, blickte sie mit seltsamer Starrheit auf ihn. Sie fühlte ihre Augen sich mit Thränen füllen, ihre Brust war gepresst, ihr war die Bewegung, in welche sie der Anblick und der Ton der Stimme des jungen Mannes versetzte, den sie dennoch zum ersten Male sah, unerklärlich. Vergeblich suchte sie in ihren Erinnerungen, wo sie diese Stimme schon vernommen, deren Ton für sie etwas Sympathisches hatte und ihr zu Herzen drang. Sie studirte das Gesicht des Vaquero, als suchte sie eine flüchtige Aehnlichkeit mit einer Person, die sie früher gekannt, wieder zu finden. Aber es schien sich eine unübersteigliche Schranke vor ihr emporzurichten, wie um ihr zu beweisen, daß sie sich durch eine thörichte Hoffnung beherrschen ließ und der Mann, der vor ihr stand, wirklich ein Fremder sei.

Don Jaime folgte aufmerksam den verschiedenen Empfindungen, welche sich auf dem Gesichte Donna Maria's spiegelten, aber welches auch seine Meinung über diesen Gegenstand sein mochte, er blieb kalt und scheinbar gleichgültig bei den Entwicklungen dieses geheimen Drama's, welches ihn dennoch auf's Höchste interessiren mußte.

Loïck traf mit Lopez ein; ein frisches Pferd wurde für Dominique gesattelt.

»Laßt uns aufbrechen,« sagte der Abenteurer, indem er sich erhob, »die Zeit drängt.«

Der junge Mann nahm Abschied von den Damen.

»Ihr werdet wieder kommen, nicht wahr, mein Herr?« fragte ihn Donna Maria freundlich.

»Ihr seid so gütig, Madame,« versetzte er; »daß es ein großes Glück für mich sein wird, Eurer freundlichen Einladung Folge leisten zu dürfen.«

Sie gingen hinaus. Donna Maria hielt ihren Bruder am Arm zurück.

»Ein Wort, Don Jaime,« sagte sie mit zitternder Stimme.

»Sprich, meine Schwester.«

»Du kennst diesen jungen Mann?«

»Sehr gut.«

»Ist er wirklich ein französischer Edelmann?«

»Er gilt für einen solchen,« antwortete er, sie scharf anblickend.

»Ich war thöricht,« murmelte sie mit einem tiefen Seufzer, indem sie den Arm losließ, den sie bis jetzt fest gehalten hatte.

Don Jaime lächelte, ohne etwas zu erwidern.

Bald darauf vernahm man draußen den Hufschlag der vier Pferde, die sich im schnellsten Trabe entfernten.

 

Ende des zweiten Teils


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