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XIII. Der schöpferische, der schaffende, der geschichtliche Geist.
§§ 74-76.

§ 74. Erläuterungen.

1. Unter schöpferischem Geist verstehe ich eine das Gesamtleben gestaltende Wesensart, welche weder durch Merkmale eines besonderen Schaffens oder Leistens noch durch solche des Wissens oder Verstehens zu erfassen, sondern nur als einfaches Sein zu erläutern ist, worin angedeutet liegt, daß es sich nicht um gesellige Beziehungen der Kultur, sondern um eine vielleicht auch in einsamer Wüste lebendige höhere Art des Lebens handelt. Ob, wie weit und in welcher Weise diese auch gegenständlich sich versinnlicht, das ist eine Frage zweiten Ranges; auch ist es unwahrscheinlich, daß das schöpferische Wesenselement in der Geschichte Spuren hinterläßt, wofern nicht zufällig die sekundären Eigenschaften des schaffenden oder geschichtlichen zu dem schöpferischen Vermögen hinzutreten.

2. Unter schaffendem (produktivem) Geist verstehe ich jede Art außerordentlichen Könnens und Leistens, insbesondere in den schönen Künsten, in der Poesie, in den Wissenschaften, wobei das Individuum hinter einem gegenständlich gewordenem Werke oder Werte zurücktreten, ja als bloßer Träger großer Werke und Werte, die sich ihrem Schöpfer gegenüber verselbständigen, wirksam werden kann.

3. Unter geschichtlichem Geist ist alles zu begreifen, was weder schöpferisch-eigenlebendig noch schaffendes Auswirken, sondern im engeren Sinne Arbeit ist (z. B. Experimentieren, Aufsammeln, Einordnen, Beschreiben, Erforschen in den Erfahrungswissenschaften, nicht minder alle altertümelnde, antiquarische, genetische, historische Einstellung). Ich benutze hier das Wort historisch (ἱστορέω, ἱστορέομαι, erkunden, wissen) mit einer denominatio a potiori im Sinne von wissenschaftlich überhaupt. Die Quelle dieser dritten Art Geistigkeit ist Übermächtigungswille. Er übermächtigt nicht in Art des schaffenden Geistes (nachbildend, verdichtend, symbolisierend), sondern indem er logisch-ordnet, verstandesmäßig-zurechtweist.

Die gemeinten Gegensätze mag man mit anderen Begriffen umschreiben; wichtig ist nur, daß sie gesehen werden.

§ 75 Über die Fragwürdigkeit des Schaffens.

Zum Verständnis des sehr wichtigen § 75 sei verwiesen auf ›Europa und Asien‹ Kap. V u. VI.

Wir achten oft bei aller Freude an dem Werke seinen Schöpfer gering, gleich wie Farben und Purpurstoffe uns wohlgefallen, während wir doch die Farbenköche für gemein und niedrig halten.‹

Plutarch, Perikles c. 1.

Wäre es möglich, daß das schöpferische Element des Lebens den gewaltigen Werkzeugapparat der Kultur erschafft, dieser aber seinerseits das schöpferische Lebenselement selber überwächst und aufzehrt?

Wäre es möglich, daß die Summen zahlenmäßig einzuschätzender Sachwerte den Einzigkeitswert lebendiger Seele so überwuchern, daß der in Genossenschaft und Geschlossenheit gleichsam eingekäfigte Zivilisationsmensch allmählich für allgemein-gesellschaftliche Zwecke verbraucht wird?

Wäre es möglich, daß aus dem Schöpfer alles Wertes zuletzt der bloße Träger von Werten werden kann? ...

Es gehört zu den erschütterndsten Erfahrungen, die das Leben in der Welt des schönen Geistes uns aufspart, daß wir zuletzt entsetzt bekennen müssen, daß die unreine Verächtlichkeit, Dürftigkeit, ja Nichtswürdigkeit persönlichen Menschentums ohne weiters dort übersehen und geduldet wird, wo die Person als schaffende, könnende, erfolgreich-wirkende auf bedeutende Leistungen verweisen kann, so daß insbesondere auf allen Gebieten, die zur Unterhaltung oder veredeltem Genusse des Menschen dienen, schließlich die zweifelhafteste Persönlichkeit als Hersteller ganz vortrefflicher Werke, ja sogar seelenlose Seele als Träger seelenvoller Ware sich auftun kann.

Man könnte daher die inhaltsschwere Frage aufwerfen, ob die sogenannte Kultur als Träger ihrer erhabensten Sachwerte nicht etwa grade ausgelaugter Menschen benötige, indem ein Leben das aus sich selber nicht viel offenbart, erst von seiten sachlicher Allgemeingültigkeiten eine Würde empfängt. Daß grade die sachlichste Sphäre am sichersten der Einzigkeitsbedeutung des Persönlichen entraten, ja der Person sich nur als vertretenen Symboles bedienen kann, haben wir S. 30 u. 128 dargelegt. Vgl. dazu auch § 18 S. 31. Ferner ›Philosophie als Tat‹ S. 91.

Es wäre möglich, daß zwischen den sicheren sachlichen Werten einerseits und den zweifelhaftesten Seelentümern andrerseits eine gewisse fatale Wahlverwandtschaft bestünde. Jedenfalls darf man nicht das von einer Person Geleistete ohne weiters als Ausdruck ihrer Eigen- und Wesen-heit hinnehmen. Vielmehr hätte man zu erfragen, ob etwa ein Wunschbild, ein Wille zum Gegenich, ein Selbstausheilungsbedürfnis, ein Vorgang innerer Ökonomie, eine Selbstbestätigung, Selbstsicherung hinter ihrer objektiven Geistes- oder Bewußtseinsleistung zu suchen sei. Auch gibt es Seelen, die an ihren Leistungen verbluten und grade bei Geistern von höchstem Range, wie z. B. bei Kant, gewinnt man die quälende Erkenntnis, daß sie als menschliche Persönlichkeit durch ihr eigenes Werk schließlich erdrückt oder aufgebraucht worden sind. §50 S. 133.

Über dieses Auseinanderfallen von Wert und Träger täuscht wohl die Tatsache, daß jedermann als öffentlicher Mensch sich auf Persönlichkeit sozusagen stündlich einstellen muß. Ein Individuum, welches sich in seinen Verrichtungen oder öffentlichen Amtierungen als heldenhaft, kraftvoll, harmonisch und so fort darbietet, braucht darum die von ihm dargebotenen Eigenschaften nicht als einfältige Seele zu besitzen. Wer die nahe Bekanntschaft öffentlicher Größen, berühmter Schriftsteller, Gelehrten, Politiker usw. macht, wird nur in den wenigsten Fällen in den Menschen die Erfüllung und Bestätigung ihrer Werke finden. Nur in seltenen, echten, genialen Naturen (deren Erkenntnis oft unmöglich ist) ist das Schaffen und Formgeben eine von frühan notwendige unmittelbare Preisgabe ursprünglicher Natur; im allgemeinen jedoch machen diese Talentierten und Gebildeten eigentlich alles: nicht nur ihre Werke, sondern sogar ihre Ichs.

Für diesen wunderlichen Tatbestand gilt ein bitteres Wort Oskar Wildes: Wo zwei Europäer einander begegnen, da sagen sie › how do you do?‹ (Was machen Sie?); gerade als ob alles gemacht würde. Übrigens ist bezeichnenderweise im gegenwärtigen Deutschland die schnoddrige Formel m. w. (machen wir) zum Grußwort gewisser Kreise geworden; neben dem Worte ›Mahlzeit‹ offenbar der passendste Nationalgruß. Hierher gehört auch jene komische Art von Lob, die bedeutenden Könnern, Künstlern, Gelehrten mit Vorliebe gespendet wird: Dieser Autor hat ein Werk geschaffen, das er nicht mit sich selbst gestört hat.

Käme es auf sachliches Werken an, so wäre grade für die tiefsten, schönsten Menschen alle Wirkungsmöglichkeit ein für allemal verbaut. Wer ein ganzes Leben lang geschrieben, geredet, gelehrt, geschaffen, gearbeitet, gedient hat, der steht zuletzt, mag er noch so wesenhaftes Werk hinterlassen, vor der selbstverneinenden Erkenntnis, daß er sich selber vielleicht besser erfüllt und geehrt hätte, wenn er überhaupt nichts geleistet hätte, und daß es durchaus entscheidend ist, daß grade die tiefsten, höchsten Menschen auf Erden (Jesus, Buddha, Sokrates, Laotse) nicht eine einzige geschriebene Zeile hinterließen, ja vielleicht überhaupt nicht schaffen, leisten und im öffentlichen Sinne wirken konnten.

Auch das Vortrefflichste, Bedeutsamste und Wertvollste ist schon in tausenden Werken gesagt, geleistet und geschaffen worden. Die vorhandenen Wissenschaften und Künste des Abendlandes stehen, was bloßes Können und Leisten anbetrifft, auf letztem Gipfel der Leistungs- und Werkfähigkeit.

Wie aber Düfte einer Duftstofffabrik beschämt verblassen vor einem unscheinbarem wurzeleigenem Veilchen, so sinkt die Kulturwelt ungeheuerlicher Leistungen, deren eine immer die andere in sich aufzuheben trachtet, kläglich zusammen, sobald schöpferisches Leben nichts mehr will als sich selbst. Und grad die Unbedeutendheit oder Primitivität von Leistung kann zum Echtheitszeichen schöpferischer Kräfte werden. Ja, die Tatsache, daß jemand überhaupt nichts zu ›schaffen‹ vermag, könnte ein Gipfel von Geistigkeit, Klugheit, hoheitsvoller Überlegenheit sein, da zum Schaffen, zumal auf Gebieten der schönen Künste, immer eine rechte Enge, ja, um es grob zu sagen, eine natürliche oder künstliche Dummheit notwendig ist.

Wie wenig geleistetes Werk gegenüber der Einfalt schöpferischen Lebens zu bestehen vermag, zeigt jeder Vergleich hoher und eigenwertiger Naturen mit den Verdiensten der bloß Schaffenden.

In der Philosophie sind die Werke Platos, Spinozas, Schopenhauers im Vergleich zu manchen modernen Leistungen von geradezu klobiger Begrifflichkeit. Dennoch werden Plato, Schopenhauer, Spinoza mit vollem Rechte unsterblich weiterleben, wenn alle der Scharfsinn, die Begriffstechnik, die Zerlegekunst und Feinwirkerei vieler besser-ausgerüsteter und schärfer-unterscheidender Köpfe längst verschollen ist. Und warum? Einzig darum, weil bei jenen schöpferischen Naturen ihr Stück persönlichster Notwendigkeit schlicht gestaltet, dargelebt, geoffenbart ist, während diese weit Bedeutenderen und Widerspruchsloseren ihr Stück Natur im Dienste geistigen Zwecks mißbrauchten und verbrauchten.

Es wäre aber auch möglich, daß die lebendige Offenbarungskraft von Kunstwerken oder Systemen überhaupt nichts mit logischen, ethischen, wissenschaftlichen oder sonst welchen Bedeutungen ihrer Schöpfer zu tun hat, so daß möglicherweise die tiefsten Dämonen, weltbeherrschenden Kräfte, elementaren Gewalten der Erde in den Formen des Irrtums, der Schwäche, der Sünde, der Armut, des Unsinns, ja des Wahnsinns sich auswirken.

Wie immer dem nun sei, keinesfalls kann man den Sinn des Menschenlebens darin suchen, daß der Mensch den Gipfel der Selbstenteignung zugunsten von Leistungen erreicht. Vielmehr sollte angesichts alles Geschaffenen die Frage gelten: Hat der Mensch das aus sich selber herausgestellt? Oder spricht daraus sein Beruf, sein Gelese, sein Kopfwerk, sein Gesellschaftskreis, seine Sprache, sein Zeitalter? Wenn man so fragt, dann entdeckt man, daß die meisten eben die Sklaven von Leistungen sind. Betrachten wir diese ewige Leisterei und Könnerei, so gewinnen wir den Eindruck, als ob alles darauf ankomme, sich selbst zugunsten der sogenannten großen Dinge dahinzugeben.

Wo immer Bedeutung gesucht wird, da verkörpert der Mensch die entsagende Richtung auf Träger- und Lehnsmannschaft gegenüber objektiver Wertwelt und Verfestigung des unsicher schwankenden Ichs im Übertragbarem sachlichen Kulturguts.

Lassen wir uns über die bittere Tragik dieses Wertverhältnisses nicht täuschen durch den ruchlosen Individualismus europäisch-amerikanischer Prägung. Im Gegensatz zu Asien! (›Europa und Asien‹ Kap. IX). Es ist der Kern der Weisheit des Ostens, daß man dort den Wahn des Ichgedankens nicht kennt. Brahmanismus und Buddhismus sind erfüllt von der Scheinbarkeit der Person und der Außerweltlichkeit unsres wahren Wesens. Die Upanischaden kennen kein Ich und Du (fatwamasi); der Inder spricht nicht von einem besonderen Ich, sondern nur von dem Ich (attā). Die Sprachen Chinas und Japans haben kein Fürwort der ersten Person.

Grade das Pochen auf ›Persönlichkeit‹ ist illusionärer Ausgleich für die Verdinglichung der Seele in Raum- und Zeit-form. Das menschliche Gehirn kann nicht im gleichen Zeitmaß sich fortentwickeln wie seine Leistung. Die Hand, welche ein Auto, ein Flugzeug, eine Bobbinetmaschine, einen Bechsteinflügel meistert, ist keine andere Hand als die eines Urmenschen aus der Steinzeit. Die ›Organprojektionen‹ schreiten also rascher vorwärts als die Organe selbst. (›Philosophie als Tat‹ S. 31 ›Wissenschaft als Kraftökonomie‹.)

Man hat daher mit einigem Rechte behauptet, daß die Menschen immer in der selben Richtung an Geist verlieren, in welcher die von ihnen geschaffenen Werke geistvoller werden. Nicht das Seelische in verschämter Einzigkeit, sondern der Mensch als öffentlicher Nenner sachlicher Bewährung wird eingeschätzt. Wir ersticken schließlich unter einem Berge objektiver Werte wie unter dem Aschenregen verkohlten Lebens. Immer stirbt das Bessere am Übermaße des Guten. So wird die Seele des Abendlands Opfer der Kultur. Daher fühlen wir nicht, daß der Individualismus den Menschen unfrei macht, während der Weg zur Freiheit (nicht grundsätzlich, aber im konkreten Falle) über die soziale Gleichheit führt. Der von ›Persönlichkeit‹, ›Selbstbestimmung, ›Autonomie‹ ganz angefüllte Europäer würde glauben, ein wichtiges Stück eigensten Wesens dadurch preiszugeben, daß er an Stelle der heute bestehenden kraftvergeudenden Eigenbrödelei äußerer Wirtschaftsform neue kommunistische Wirtschaftsformen für Mann, Frau und Kind zu verwirklichen suchte. Grade das beweist Unpersönlichkeit! Er kennt nicht die Not tiefer persönlicher Sehnsüchte, die nur durch sozialisierende Regelung und bewußten Haushalt äußeren Lebens zu ihrer Befriedigung gelangen können.


Dem schönsten Augenblicke der europäischen Geschichte (4. August 1789) folgte ihr ruchlosester (4. August 1914). Da empörte sich Maschine gegen Maschine. Der Mensch wurde willenloses Füllsel! Sechzig Millionen, jeder schuldig an jedem, taten einander, was keiner wollte. Die bloße Tatsache, daß wir dieses Zeitalter überdauern, behaftet auch den schuldlosesten mit unaustilgbar brennender Scham.

Im Anschluß an § 75 seien endlich einige letzte, schon § 64 angedeutete Fragen erneuert.

Könnte die Welt der Werte Ersatz für fortschreitende Verarmung und Ernüchterung des Lebens sein? Ist das Dinglich-Gegenständliche das Grabmal des Lebendigen? Sind Werte möglicherweise Selbstausheilung eines Lebenssiechtums? Sind Ideale Ersatzmittel für erkaltenden Lebensrausch?

Kann das Bereich des logisch-ethisch-ästhetisch Wertvollen vom Leben sich abschnüren und das Leben so in sich aufheben, daß das Logische Rechtfertiger des Irrtums, die unsittliche Gesinnung zum Gerüst sittlicher Normen, das unschöne Leben zum Nutznießer der Schönheitswerte werden, daß mithin am Werthöchsten sich das Niedrigste, im Wertniedrigsten das Höchste offenbaren muß?

§ 76. Der geschichtliche Geist.

Während schöpferischer Geist nicht anders schafft als wie Vögel ihren Gesang, Blumen ihre Düfte verströmen; der Schaffende aber einem bewußten Baumeister vergleichbar ist, welcher nach vorgefaßtem Plane mit Zirkel und Richtscheit seine Gewölbe baut, ist der wissenschaftliche oder geschichtliche Geist nichts anderes als der treueste, fleißigste Handlanger. Darum eben ist das Feld der Wissenschaft unbegrenzt und der Verstand eines wissenschaftlichen Menschen ebenso uferlos, wie der des Schaffenden einseitig zu sein pflegt. Dem entspricht auch der wunderliche Hochmut der Wissenschaft, ein Hochmut der grenzenlosen Macht, welcher alle schöpferischen Seelen und schaffenden Geister am Bändel zu haben glaubt, weil er sie alle übersieht, von allen etwas weiß, ihrer aller Grenze nachweisen und ihre Formen zerbröseln kann.

Daß den Wissenschaften und wissenschaftlichen Geistern trotz alle ihrer Wichtigkeit gegenüber den beiden anderen Geistesarten etwas Niedriges anzuhaften scheint, ist wohl darin begründet, daß Wissenschaft im wörtlichen Sinne mittelmäßig, d. h. immer nur mit Herbeischaffung des menschlichen Organon, also im Dienste des Macht- und Lebens-willens beschäftigt ist. Der wissenschaftliche Mensch ist nur ein dienendes Glied der menschlichen Gesellschaft, weswegen sein Leben aus lauter funktionellen Verknüpfungen bestehen kann, daher man wohl meinen könnte, seine Größe beruhe darauf, daß einer mit einem Gehirne zuwege bringt, was man ohne seine Lebensarbeit sich wohl auch auf ein Dutzend Gehirne oder, in den Fällen der größten Leistung, auf ganze Generationen von Gehirnen verteilt denken könnte; dagegen kann man nicht unter die Büste des wissenschaftlichen oder historischen Menschen den Spruch setzen, den man unter Rousseaus Büste schrieb: ›Die Natur schuf ihn und zerbrach den Stempel.‹ Daher steht die Wissenschaft in einem gewissen Gegensatz zum religiösen, ästhetischen und künstlerischen, aber in Verwandtschaft zum sozialen, moralischen und ethischen Leben. Ja es haftet ihr ein gewisser demokratischer, gemeiner Zug an.

Befragt man einen für Geschichte kennzeichnend begabten Kopf nach wichtigen und großen Lebensfragen, so wird er sogleich aufs genaueste anzugeben wissen, was dieser und was jener und was ein dritter darüber geäußert, wer alles darüber ›gearbeitet‹ habe, und welche Bücher über den Gegenstand geschrieben sind; ja womöglich weiß er den Druckort, den Namen des Verlegers, das Jahr des Erscheinens und die Anzahl der Auflagen. Eine solche Geistesart findet man bei tüchtigen, energischen, auf Ehrgeiz und Leistung gestellten Naturen; aber sie ist arm an Anschauung und an Phantasie; eben darum wirft sie sich mit Vorliebe auf die schönen Künste; immer neue Büchereien anhäufend, ebenso gebildet, gediegen und bedeutend, als langweilig und im letzten Kerne unnotwendig.

Zum Schluß von Kap. XIII sei ausdrücklich gesagt, daß die Trennung des schöpferischen, schaffenden und geschichtlichen Geistes nichts als künstliche Handhabe für seelenkundliche Sinngebung ist; denn in jedem guten und glücklichen Falle ist der schaffende wie der wissenschaftliche Geist Ausdruck des dahinter blühenden Lebens und im erfreulichen, wohlgearteten Menschen sind die drei Geistesarten untrennbar vereint.


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