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Bittere Beichte

Mein Gott, mein Gott, was ist aus mir geworden:
der Widersacher meiner eignen Art!
Ich treibe fühllos in dem großen Morden,
und einst war doch mein Herz empfindlich, zart,
und litt mit jedem Leid auf dieser Erde
und hat sich, wurde ich verschont, geschämt;
nun spür' ich, daß ich immer stumpfer werde,
lieblos verkomme, von der Zeit gelähmt.
Ich habe keine Tränen mehr zu spenden,
mich früher um Geringes leer geweint,
was kann sich noch für mich zum Guten wenden,
bin ich mir selber doch der ärgste Feind!
Ich blicke auf die fremde schwarze Fliege,
die hier mit mir im gleichen Raum sich fing,
wo ich auf meinem Bette rastlos liege
nach einem Tag, der ganz in Angst verging.
Ihr Summen scheint zu mir jetzt gut zu passen,
es klingt wie Irrsinn oder träges Nichts:
zwei Wesen, nur sich selber überlassen
in der Entsetzlichkeit des Weltgerichts,
begierig, sich zu tränken und zu nähren
und sonst sich weiter nicht bewußt zu sein,
solange noch die Augenblicke währen,
die leidlich linden hier beim Lampenschein.
Das Todesurteil ist mir doch gesprochen.
Schiebt man noch einmal die Vollstreckung auf?
Bis wann? Mein Lebensmut ist längst gebrochen:
gleichgültig nehme ich, was kommt, in Kauf.
Es toben rings die toll gewordnen Horden,
und ich verlernte, andren wohlzutun.
Mein Gott, mein Gott, was ist aus mir geworden?
Ich war einmal ein Mensch. Was bin ich nun?


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