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II. Stiftung und Wachstum des Jesuitenordens.

.Im Verlaufe der Kämpfe des Reformationszeitalters hatte die protestantische Richtung eine solche Ausdehnung gewonnen, daß ihrer römischen Gegnerin bange werden, daß ihr geradezu der Sturz ihres geistlichen Weltreiches als furchtbares Phantom vor Augen schweben mußte. Da hieß es für sie: Sein oder Nichtsein, Handeln oder Untergehen. Zum Handeln bedurfte es aber einer Macht, und zwar einer mit Waffen des Geistes angreifend vorgehenden. Diese Macht konnte nicht das Papsttum sein; denn sowohl die Päpste, welche unmittelbar vor, als Jene, welche während der Kirchentrennung regierten, hatten durch ihre Schwäche, Frivolität, Habsucht und Charakterlosigkeit den Stuhl Petri vor der Christenheit um alles Ansehen gebracht. Die Waffen gegen die Fortschritte des Protestantismus mußten daher einem andern Zeughause entnommen werden, als jenem an der Tiber. Und dasselbe fand sich in dem glaubensvollen Spanien, das so eben einen achthundertjährigen Kampf gegen die Feinde der Christenheit glücklich beendet hatte und daher in seinem Eifer noch frisch, in seinem Glauben noch nicht von der Zweifelsucht der neuen Zeit angefressen war. Das fromme Rittertum dieses fanatischen Landes erzeugte den Helden, dem eine Wiederbelebung des Katholizismus, eine Rückeroberung vieler seiner verlorenen Provinzen, eine neue Befestigung des wankenden, römischen Stuhles vorbehalten war, – wenn auch nicht seiner Person, – doch seiner Schöpfung.

Wenn der in dem Gehirne des Miguel Cervantes de Saavedra geborene scharfsinnige Junker Don Quijote de la Mancha, der Ritter von der traurigen Gestalt, wirklich gelebt hätte und es ihm gelungen wäre, ein neues Rittertum nach seiner Phantasie zu begründen, das durch realistischere Nachfolger eine praktische Gestalt angenommen hätte, – diese Erscheinung wäre nicht wunderbarer gewesen, als die Stiftung der Gesellschaft Jesu, d. h. die Wiedererweckung des durch die Reformation begraben geglaubten Mönchtums in einer neuen, zeitgemäßem Gestalt. Der Träger dieser Stiftung, Don Inigo (Ignaz) Lopez de Recalde, geboren 1491 auf dem Schlosse Loyola in der baskischen Provinz Guipuzcoa, und danach benannt, wurde im Jahre 1521 als Soldat bei der Verteidigung von Pampelona gegen die Franzosen schwer verwundet und blieb infolge einer gefährlichen Operation am zerschmetterten Beine hinkend. Hierdurch kriegsuntüchtig geworden, verwandelte ihn auf seinem Schmerzenslager das Lesen des Lebens der Heiligen in einen Krieger Gottes und der Jungfrau. Es ist sehr natürlich, daß er bei dieser aufregenden Lektüre im Wundfieber Visionen hatte, in denen ihm die Jungfrau mit dem »Jesuskinde« erschien. Da gab er zu ihren Gunsten alle Weltlust auf und widmete sich einem heiligen Leben. Als Ritter Mariens wachte er eine Nacht vor ihrem wundertätigen Bilde auf dem Berge Montserrat bei Barcelona, hängte am Morgen sein Schwert am Altar auf, verschenkte sein weltliches Kleid und sein Geld, umhüllte sich mit einem »Sacke« und umgürtete sich mit einem dicken Seile. Dann lebte er als umherziehender Bettler, fastete, betete, peitschte sich, legte eine eiserne Kette und einen Dornengürtel um den Leib und brachte es durch diese Kasteiungen dahin, daß er in der Messe, als der Priester die Hostie erhob, in derselben deutlich den Leib und das Blut Christi erkannte. Er hatte Ekstasen und Gesichte in Menge, predigte vor dem Volke, bekehrte Sünder, nahm die berühmte Losung: ad majorem Dei gloriam (zur größern Ehre Gottes) an, wallfahrtete nach dem heiligen Lande, begann nach seiner Rückkehr, obwohl schon 33 Jahre alt, lateinisch zu lernen, und studierte in Alcala Philosophie und in Salamanca Theologie. Allein die Wissenschaften störten mit dem in ihnen verborgenen »Gifte« seine Frömmigkeit, und sein religiöser Eifer brachte ihn bei der Inquisition in den Verdacht eines Ketzers und an seinen beiden Studienorten in das Gefängnis, aus dem er jedoch nach einigen Wochen entlassen werden mußte, weil nichts gegen ihn entdeckt wurde. Er mußte finden, daß in dem aller Neuerung feindlichen Spanien für ihn nichts zu wirken sei und begab sich daher zu Fuß nach Paris, wo er seine Lernzeit noch einmal von vorne begann (weil dort die Anforderungen strenger waren als in Spanien), und wo er zwar ebenfalls bei der Inquisition der Dominikaner verzeigt, aber nicht in Untersuchung gezogen wurde. Er sammelte nun sechs junge Männer um sich, drei Spanier, einen Portugiesen, einen Navarresen und einen Savoiarden, welche er für seinen Plan gewann, nach Jerusalem zu gehen, wenn dies aber nicht möglich sei, sich dem Papste anzubieten, daß er sie hinsende, wohin er wolle. Gemeinsam verpflichteten sie sich dann 1534 am Feste der Himmelfahrt Mariens in der unterirdischen Kapelle der Kirche von Montmartre, nach Einnahme des Abendmahles und Ablegung der drei mönchischen Gelübde, zur Ausführung jenes Planes. Das war die feierliche und geheimnisvolle Stiftung des Jesuitenordens. Rastlos begannen seine Stifter ihr Werk mit Befestigung der Katholiken im Glauben, Zurückführung der Zweifelnden in den Schoß der Kirche und Stärkung derselben gegen die »häretische Pest der Zeit,« wie der Geschichtschreiber und Lobredner der Jesuiten, Professor Buß, die Reformation nennt. Die Mittel zum Leben und Wirken gaben ihnen, wie Loyola's Briefe zeigen, spanische Freunde und Freundinnen in Hülle und Fülle. In Venedig trafen sich dann die Genossen, durch einen Savoiarden und zwei Franzosen auf zehn vermehrt; sie hatten auf dem Wege alle Tage die Messe gehört und kommuniziert und trugen stets den Rosenkranz um den Hals, um in ketzerischen Gegenden ihren Glauben offen zu bekennen. Die Kriegsereignisse der Zeit verhinderten ihre Reise nach dem heiligen Lande; sie stellten sich daher Paul III., dem ersten Papste seit der Kirchentrennung, welcher wieder ein wirklicher Papst war, vor, welcher sie ermutigte und unterstützte. Sie ließen sich, soweit sie es nicht schon waren, zu Priestern weihen, zogen aber zerlumpt in Italien umher und zeichneten sich vor der damaligen Masse der Geistlichen durch ein äußerst strenges Leben aus. Im Jahre 1537 beschlossen sie, sich in Rom niederzulassen, und Loyola gab nun seiner Gesellschaft den Namen »Compagnie Jesu«, womit er ausdrücken wollte, daß sie eine Schaar geistlicher Krieger im Dienste Jesu und seines irdischen Statthalters werden solle. In Rom durchaus nicht günstig aufgenommen und von dem üppigen Klerus verfolgt und angefeindet, ja als Ketzer beschuldigt, wußten sich die ersten Jesuiten durch die Energie und Redegewandtheit ihres Stifters gegenüber allen ihren Neidern geltend zu machen und empfingen von Paul III. hohe Beweise der Gunst, worauf sie den gewöhnlichen drei Gelübden ein viertes, das der unbedingten Hingabe an den Papst beifügten. Noch hatten sie Feinde unter den Kardinälen; aber fürstliche Gönner wirkten für sie, und am 27. Sept. 1540 bestätigte der Papst durch die Bulle »Regimini militantis ecclesiae«, die von Loyola entworfene Verfassung der Gesellschaft. »Der Zweck derselben war,« sagt ein neuerer Schriftsteller, »Der Kampf gegen die Ketzerei mit allen nur möglichen Mitteln: Predigt, Unterricht, litterarischen, gelehrten und politischen Schriften, List und Gewalt, Einfluß der Großen und Mächtigen, Kerker und Scheiterhaufen.« Loyola sagte: »Ich glaube nicht den Kriegsdienst verlassen, sondern nur ihn auf Gott übertragen zu haben.« Natürlich wurde er sofort zum ersten General des Ordens gewählt. Er selbst gab bei der Wahl ein weißes Blatt ab und war sicher genug, daß seine formelle Ablehnung nicht angenommen wurde. Er lebte ganz seinem Ziele und warf jede andere Rücksicht von sich. Sein sittenreiner Charakter ahnte zwar nicht jene äußersten Grundsätze, die später von so vielen seiner Jünger verkündet wurden, legte aber doch den Grund dazu durch seinen Ausspruch, »Vorzügliche Klugheit, vereint mit mittelmäßiger Heiligkeit ist mehr wert, als größere Heiligkeit mit minderer Klugheit.« Denn er war nicht nur ein idealer Schwärmer, sondern auch ein kluger Praktiker, der bei der Aufnahme neuer Mitglieder, wie sein Sekretär Polanco sagt, mehr auf die Festigkeit des Charakters und Geschicklichkeit für die Geschäfte, auf Verstand, Lebensklugheit und angenehmes Äußere sah, als auf Güte und Frömmigkeit, und in seinen späteren Jahren die Kasteiungen des Körpers nicht nur aufgab, sondern sie auch seinen hervorragenden Mitarbeitern in entschiedenster Weise abriet.

Die »Gesellschaft Jesu« nahm nach ihrer Bestätigung rasch zu. Loyola gab ihr sofort einen durchaus internationalen Charakter. Kein Mitglied ließ er in seinem Vaterlande; ein jedes sandte er in die Fremde, wo es keine Bande der Verwandtschaft oder Freundschaft fesselten. Sechs Jahre nach der Stiftung zählte der Orden bereits mehrere hundert Mitglieder und war in allen Ländern vertreten, so hart er auch in vielen derselben mit der durch die Eifersucht der übrigen Orden und der Weltgeistlichkeit erregten Abneigung der Bevölkerung zu kämpfen hatte.

Selbst in dem Vaterlande des Stifters, in Spanien, traf der Orden auf entschiedenen Widerstand. Die Dominikaner nannten die Jesuiten, von denen sie ihr Ansehen als Inquisitoren bedroht glaubten, die Vorläufer des Antichrists. Alcala und Salamanca eiferten gegen die Stiftung ihres Schülers. Der Kardinal-Erzbischof von Toledo untersagte die Beichte bei ihnen, und in Saragossa erhob sich ein Volksaufstand gegen sie. Erst Franz Borja, Herzog von Gandia, der dem Orden selbst beitrat, versöhnte Spanien mit seinem Kinde.

In Frankreich verdammte die Sorbonne (theologische Fakultät von Paris) 1554 den Orden und nannte ihn »gefährlich für den Glauben, dazu angethan, den Kirchenfrieden zu stören, die Mönchsorden umzustürzen und geeigneter zu zerstören als aufzubauen.« Endlich aber erkannten die katholischen Franzosen in den Jesuiten die besten Bundesgenossen gegen den Protestantismus und ließen sie zu.

Die Zahl der Angehörigen das Ordens war in der Bestätigungsbulle auf 60 beschränkt; aber Loyola hielt sich nicht daran, sondern verstand darunter nur die Professen, den obersten Grad. Aber bereits 1543 hob der wohlwollende Papst, der diese Armee gegen die Reformation zu würdigen wußte, jene Beschränkung auf und häufte seitdem auf den Orden ein Privilegium nach dem andern.

»Im Jahre 1545 übertrug er dem Orden die ausgebreitetsten Vollmachten zur Verwaltung der Eucharistie, der Beichte und Absolution in allen Teilen der Welt, sowie zur Predigt. Zwei Jahre später befreite er die Jesuiten auf ewige Zeiten von der Verpflichtung, die Frauenklöster zu überwachen. Am 18. Oktober 1549 gewährte er ihnen durch die Bulle »licet debitum« ein für allemal sämtliche Privilegien der Mönchsorden, besonders dasjenige, für alle Vergehen, die nach kanonischem Rechte dem heiligen Stuhle vorbehalten waren, allen ihren Angehörigen und Untergebenen Ablaß zu erteilen. ... ab omnibus et singulis eorum peccatis ... necnon a quibus vis excommunicationis, suspensionis et interdicti, aliis que ecclesiasticis et saecularibus sententiis, censuris et poenis ... absolvere. Bullarium romanum tom. I. p. 782, § 8.Diese letztere Vollmacht erlosch sonst während der Dauer des Jubeljahres – aber Papst Julius III. setzte eine Ausnahme für die Jesuiten fest, für welche diese Beschränkung niemals vorhanden sein sollte. Im Jahre 1551 bedrohte er mit der großen Exkommunikation und allen Strafen, die aus derselben erflossen, diejenigen, welche die Einrichtungen, Rechte und Privilegien der Gesellschaft angreifen, oder ihre Mitglieder in der gesetzlichen Ausübung ihrer Funktionen behindern würden.« (M. Philippson, Westeuropa im Zeitalter von Philipp II. u. s. w., Berlin 1882, Einleitung, S. 36 und 37. Vergl. Cretineau-Joly, Geschichte der Gesellschaft Jesu, deutsche Ausg. Bd. I. S. 114 und 115 N. 10).

Durch Versprechungen der Hilfe des Ordens, sowie durch Schmeicheleien und unterwürfiges Benehmen, wie der Jesuit Orlandino, der Geschichtschreiber des Ordens sagt, gewann der Stifter die Gunst der katholischen Fürsten und Machthaber. Seine Briefe zeigen, daß er sich nicht scheute, den Mächtigen eine Teilung von Gütern anderer Orden zwischen ihnen und seiner Gesellschaft vorzuschlagen und bei ihnen zu betreiben, so in Baiern und bei Karl V. bezüglich Spaniens, wo aber das Unternehmen bei der Abneigung dieses Monarchen gegen alle seine Oberherrschaft beeinträchtigenden Bestrebungen nicht glückte. In der Mitte des Jahrhunderts entstand am Sitze des Generals die erste Lehranstalt des Ordens, das Collegium romanum, das schon nach fünf Jahren hundert Schüler in alle Welt sandte. In der Zwischenzeit war auch das Collegium germanicum gegründet worden, mit dem Zwecke, durch Deutsche in Deutschland gegen die reformatorische Bewegung zu wirken, die bereits neun Zehntel des Reiches ergriffen hatte.

Bei dieser Sachlage mußte Deutschland das Hauptziel des Kampfes der Jesuiten für die Wiedererhebung des alten Glaubens werden. Freilich gelang ihnen dieses Unternehmen weder vollständig, noch in kurzer Zeit, noch allein, sondern nur zum Teil, sehr langsam und mit Hilfe anderer geistlichen, vorzüglich aber weltlichen Waffen.

Der Orden war noch jung; der Schwärmer Loyola lebte noch (er starb 1556) und kein Escobar, Sanchez, Vasquez und Busembaum hatten noch ihre eigentümlichen Morallehren niedergeschrieben, als die neue Stiftung in Deutschland Fuß faßte, wo man sie auf katholischer Seite in guter Treue als die Stütze der Kirche ansah. Im Jahre 1551 gründeten die Jesuiten unter dem Schutze des römischen Königs Ferdinand I. das Kollegium zu Wien, 1554 bis 1556 diejenigen zu Köln, Ingolstadt und Prag, 1559 das zu München, 1561 die zu Trier und Mainz, und 1566 hatten sie, vorzugsweise durch die rastlose Thätigkeit des Holländers Peter de Hondt, genannt Canisius, ein bedeutendes Netz über ganz Baiern, Tirol, Franken, Schwaben, über den größten Teil Österreichs und der Rheinlande gesponnen und waren im Begriffe, sich auch in Ungarn einzunisten. Ingolstadt wurde der Mittelpunkt ihrer die Kurzsichtigen blendenden Wissenschaft. Sogar Protestanten ließen sich bethören und sandten ihnen ihre Söhne. Wo sie Platz griffen, führten sie sofort die beinahe außer Gebrauch gekommenen Reliquien, Rosenkränze, Fastengebote und Wallfahrten wieder ein. Es war ein Kriegszug des romanisch-katholischen Geistes in das Gebiet der deutschen und protestantischen Kultur.

Die Früchte zeigten sich zuerst in Baiern. Der Herzog Albrecht V., vorher geneigt, seinem größtenteils protestantisch gewordenen Lande Zugeständnisse zu machen, wandte sich seit dem Ende des Konzils von Trient plötzlich gegen die Protestanten, sandte die Jesuiten als Bekehrungstruppen unter sie, und vertrieb sie überall dort, wo sie ihrem Glauben treu blieben. Die auf dem Index stehenden Bücher wurden massenhaft verbrannt und dafür jesuitische verbreitet. Der Herzog beschränkte sich aber nicht auf sein Land. Seinen Mündel, den Sohn des in Frankreich in den Reihen der Hugenotten gefallenen Markgrafen Philibert von Baden-Baden, Philipp II., ließ er katholisch erziehen und dessen Land durch seine Jesuiten in den Jahren 1570 und 1571 zum alten Glauben bekehren. Zugleich wurde Canisius umhergesandt, um die katholischen Fürsten zum Zusammenhalten, zur unbedingten Annahme der Trienter Beschlüsse und zur Verweigerung jedes Zugeständnisses an die Protestanten zu bewegen. Sein Wirken war mit Erfolg gekrönt; Seminarien tauchten überall auf; an den katholischen Universitäten, zuerst in Dillingen, wurden keine Grade mehr erteilt ohne Ablegung des Glaubensbekenntnisses von Trient. Das letztere mußten im Erzbistum Trier auch alle Schullehrer unterschreiben. Die früher so schlaff gewordenen geistlichen Fürsten versäumten keine Prozession, keine Vesper mehr. Der vorher duldsame Kurfürst von Mainz, Daniel Brendel, ging nun mit jesuitischer Hilfe erobernd vor, verjagte aus seinen sächsischen Besitzungen im Eichsfelde die protestantischen Prediger und setzte Jesuiten an ihre Stelle. Dasselbe that der Abt von Fulda. Kaiserliche Vorrechte, welche die Protestanten vorwiesen, wurden nie berücksichtigt. Das reizte sie zum Widerstande. Im Fuldaischen wurde 1576 der strenge Abt von seinem Adel überfallen und zur Abdankung gezwungen; ja einen merkwürdigen Widerstand gegen das katholische Streben, welcher wahrlich Mut brauchte, versuchte der 1577 auftretende Erzbischof von Köln, Gebhard Truchseß, der offen protestantische Neigungen an den Tag legte, keine Messe las und mit dem Gedanken umging, sein Kurfürstentum kurzweg in ein weltliches und erbliches zu verwandeln. Wirklich erklärte er, Protestant werden und heiraten zu wollen, Pfalzgraf Johann Kasimir unterstützte ihn; aber beide unterlagen 1583 den Maßregeln des Papstes und den Truppen Baierns und Spaniens, und Truchseß mußte fliehen und dem bairischen Prinzen Ernst, einem jungen Mann von lockeren Sitten, der aber bereits 4 Bistümer besaß, Platz machen. Heinrich von Lauenburg, Bischof von Paderborn und Osnabrück, der sein Beispiel hatte nachahmen wollen, starb 1585 an einem Sturze vom Pferde. Jesuiten überschwemmten, von Waffengewalt unterstützt, Beider Stiftsgebiete, und darauf auch Münster in Westfalen, Hildesheim und andere Lande. Der Bischof Julius von Würzburg bekehrte seine Hauptstadt und sein Gebiet mit Gewalt zum Katholizismus. Ihm ahmte der von Bamberg nach. In beiden Stiftern füllten sich die Klöster wieder. In der freien Stadt Köln wurde der Besuch der protestantischen Predigt mit Kerker und Geldbuße bestraft, in Augsburg und Regensburg die Protestanten kurzweg verbannt. Ja, der römische Nuntius, die Jesuiten und ihre Helfershelfer machten nun auch Versuche, protestantische Fürsten in Sachsen, Hessen und der Pfalz, und mit ihnen ihr Land zu bekehren, und eifrig arbeitete man daran, das Reichskammergericht von seinen protestantischen Mitgliedern zu säubern. Schüler der Jesuiten stiegen nach und nach zu den Stellen der Kirchenfürsten empor und räumten dann mit fürchterlicher Gewissenhaftigkeit alle Reste des Protestantismus hinweg.

Am schwierigsten erwies sich die Durchführung dieses Systems, wurde aber auch mit der blutigsten Rücksichtlosigkeit durchgeführt in Österreich. Die Reformation hatte hier eine mächtige Verbreitung gefunden, und die Universität Wien war für den Süden Deutschlands ebenso ein Hauptherd derselben geworden, wie Wittenberg für den Norden. Hohe Beamte huldigten ihr, und die Klöster wurden in Menge verlassen. Umsonst waren drakonische Erlasse der von den Bischöfen aufgestachelten Regierung, welche mit Wasser- und Feuertod drohten. Der Landtag Österreichs wurde fast ganz protestantisch; in Steiermark, Kärnten und Krain beförderte der Adel die neue Lehre eifrig, welche stark überhand nahm. Ja, in Tirol artete die Neigung zu derselben sogar in einen wilden, wiedertäuferisch gefärbten Bauernaufstand aus, wurde aber auch, am frühesten in den »Erblanden«, blutig und mit dem Scheiterhaufen unterdrückt. Der in Böhmen fortglimmende Husitismus verwandelte sich in entschiedenstes Luthertum, strebte aber mit eben solchem Eifer, wie den Sieg der neuen Lehre, auch den der tschechischen Sprache an.

In der Mitte des 16. Jahrhunderts war in Österreich kaum mehr der zehnte, ja in Oberösterreich kaum der zwanzigste Teil der Bevölkerung noch katholisch. Klöster erteilten sogar Stipendien an in Wittenberg studierende Landessöhne. Es muß zwar bemerkt werden, daß der österreichische Protestantismus einen beschränkten, unduldsamen und buchstabenknechtischen Charakter trug. Doch schufen seine Organe viel Gutes in den Gebieten des Unterrichtes und der Wohlthätigkeit. Der schwäbische Humanist Nikodemus Frischlin wirkte in Laibach segensreich, wenn auch nur kurze Zeit.

Ein Schlag für diese Bewegung war der Tod Kaiser Maximilians II., welcher sie anfangs begünstigt, später aber sich gegen sie gewandt hatte, ohne sie jedoch zu unterdrücken. Die während seiner Regierung zurückgedrängten Jesuiten errangen ihren frühern Einfluß von neuem und gingen nun mit Hilfe des blendenden Apparates ihrer Predigten und Bruderschaften, und unterstützt von den eifrigst katholischen Erzherzogen und dem gelehrten und kunstsinnigen, aber den Volksgeist nicht fassenden Kaiser Rudolf II. an die rücksichtlose Bekämpfung und Unterdrückung der Reformation. Die Universität Wien wurde 1578 dem Protestantismus gewaltsam entrissen und nach hartnäckigem Widerstande 1610 geradezu den Jesuiten übergeben. Mit roher Gewalt wurde das Volk, mit ziemlicher Langmut aber der Adel zur Bekenntnis der Lehre Roms nach dem Katechismus des Jesuiten Canisius gezwungen.

Zahlreiche Bauernaufstände erhoben sich am Ende des 16. Jahrhunderts gegen den Glaubenszwang, wurden aber blutig niedergeschlagen. Der Geist des verwandten spanischen Herrscherhauses war im österreichischen völlig herrschend geworden, und sein Wüten erlitt nur eine kurze Unterbrechung, als im Bruderstreite Matthias – aus Politik – den Protestanten wieder Duldung gewährte, um die Huldigung von ihnen zu empfangen.

Entscheidend wurde der Sieg des Jesuitentums in Österreich durch den Schüler und unbedingten Anbeter dieses Ordens, den nachmaligen Kaiser Ferdinand II.; er besuchte als Erzherzog von Steiermark Rom, versprach dem Papst 1598 fußfällig, die katholische Religion zur alleinherrschenden zu machen und hielt sein Wort, worauf er sich in der Kapuzinerkirche zu Graz als Erzengel Michael abbilden ließ, der den Teufel in der Gestalt – Luthers besiegt. Kärnten und Krain folgten nach. Man nannte das Niederreißen protestantischer Kirchen und das Vertreiben ihrer Prediger, sowie die Zerstörung der Schulen gleichen Bekenntnisses und die Verbrennung der Schriften desselben damals »Reformation.« Kaiser Rudolf that seit 1601 dasselbe in Ober- und Niederösterreich, ja sogar in den mit eigenen Rechten begabten Königreichen Böhmen und Ungarn. Einem italienischen Augustinermönche gelang es, den Kaiser an der Erfüllung der Bitte seiner protestantischen Fürsten zu verhindern, daß den Jesuiten verboten werde, gegen den Religionsfrieden von 1555 zu schreiben, so daß die Protestanten den Reichstag 1608 verließen und die »Union« gründeten. Ihnen gegenüber vereinigten sich im folgenden Jahre die katholischen Fürsten zur »Liga,« und so war der Grund gelegt zu dem unheilvollen dreißigjährigen Kriege. Den Todesstoß erlitt die Sache der Reformation in Böhmen durch die Niederlage am weißen Berge (8. Nov. 1620) und in Österreich selbst durch diejenige des Bauernaufstandes unter Stephan Fadinger gegenüber dem katholischen Heere der »Seligmacher.« Hunderttausende von Österreichern aber, ja die besten Elemente des Landes, Edelleute, Städter und Landleute, entgingen den erwähnten Gräueln durch Auswanderung nach Sachsen, Brandenburg, der Schweiz und anderen Ländern. Im Lande blieben nur Jesuiten, bigotte Soldateska und niedergetretenes, in krassen Aberglauben versinkendes Volk.


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