Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3. Die Skulptur in Rom. Denkmäler der Frührenaissance in Kirchen. Mino und seine Schule. Die Türen Filaretes am St. Peter. Grabmal Martins V. Römisches Monumentalprinzip. Monument Eugens IV. Grabmäler Nikolaus' V., Calixts III., Pauls II., Pius' II. Die bronzenen Monumente Sixtus' IV. und Innocenz' VIII. Grabmäler von Kardinälen. Statuen. Ehrenbildsäulen. Sixtus IV. stellt den bronzenen Marc Aurel her. Büsten. Medaillen. Geschnittene Steine. Juweliere. Die Pietà Michelangelos.

Aus Florenz kam nach Rom nicht nur die neue Architektur, sondern auch die neuitalienische Bildhauerkunst und Malerei. In derselben Zeit, wo Brunelleschi, Ghiberti, Donatello und Robbia eine reinere Formenwelt erschufen, besaß Rom selbst keine einheimische Kunstschule mehr von der Bedeutung jener der Cosmaten. Am Ende des XIV. und am Anfang des XV. Jahrhunderts bemerkten wir nur ein einziges römisches Talent von Auszeichnung, Paolo Romano. Aber das Leben dieses Bildhauers und seiner angeblichen Schüler Giancristoforo von Rom, Niccolò della Guardia und Pietro Paoli von Todi ist dunkel. Überhaupt sind die meisten Werke der Renaissance-Skulptur in Rom namenlos.

Florentiner arbeiteten hier im Dienst der Päpste schon seit Eugen IV. Unter ihm, der so lange Zeit im Exil zu Florenz gelebt hatte, waren Filarete und Simone beschäftigt, und selbst der große Donatello befand sich im Jahre 1431 in Rom; aber die eifrigste Kunsttätigkeit begann erst nach 1450 mit Mino von Fiesole. Seine und seiner Schüler Werke bilden die Hauptcharaktere der römischen Frührenaissance in der Skulptur. Daneben und nachher arbeiteten viele andere Meister, namhafte wie die Pollajuolo und Andrea von Verocchio und ungenannte, bis am Schlusse des Jahrhunderts Michelangelo sein erstes Meisterwerk in Rom aufstellte.

Die Skulptur der Renaissance bietet eine kaum mindere Fülle künstlerischen Lebens der Italiener dar als andere Gebiete der Kunst, doch sie hat sich nicht zu jener vollendeten Schönheit zu entwickeln vermocht, welche die Malerei erreichte. Sie hat herrliche dekorative Werke geschaffen, wie die Türen Ghibertis am Baptisterium in Florenz, aber selbst auf dem Gipfel ihrer Leistungen nichts hervorgebracht, was auf ewig gültige Klassizität Ansprüche machen kann. Es ist merkwürdig, daß schon in der Zeit ihrer jugendlichen Naivität, wie sie Mino besaß, neben der Sprödigkeit ihr Grundübel sichtbar wird, das manierierte Herausstreben aus der Natur und das unsichere Anlehnen an die Malerei. Die Bildhauerkunst blieb meist im Dienst der Architektur und hauptsächlich der kirchlichen: sie schmückte diese mit Ornamenten, sie stellte in den Kirchen Heiligenbilder, ihre undankbarsten Arbeiten, oder monumentale Grabmäler, ihre besten und häufigsten Werke, auf. Aber in dem christlichen Ideal blieb stets ein der Bildhauerkunst feindliches Prinzip zurück, welches ihre volle Entfaltung verhindert hat, oder in der Bildhauerkunst dauerte das heidnische Prinzip fort, welches dem Christentum nicht fügsam ward.

In allen jenen Richtungen besitzt Rom eine Menge von Werken, doch räumlich zerstreut und mit den Kunststilen anderer Epochen vermischt, so daß hier das Gesamtbild der plastischen Renaissance erst zusammengelesen werden muß. Man findet in Rom schöne Marmoraltäre und Tabernakel, Tribunen und Balustraden, Brunnen in Klosterhöfen, Sakramentshäuschen, Holzdecken in Kirchen, Portaleinfassungen, Kirchentüren, endlich Grabmäler, was alles eine Anschauung des Reichtums der Kunst in Rom darbietet, namentlich aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts, wo die Ornamentik phantasievolle Formen erzeugt und der klassischen Vollendung nahe kommt. Solche Werke, wie sie seit Mino unter Paul II. entstanden, finden sich in vielen Kirchen, besonders Wandaltäre mit Skulpturen auf der Vorderseite und mit schöngeschmückten Tabernakeln. Eins der ältesten ist das in S. Gregorio in der Capella Salviati vom Jahre 1469. Am reichsten ist damit S. Maria del Popolo ausgestattet, wo man schöne Tabernakel aus der Zeit der Rovere und das Meisterwerk dieser Gattung findet, welches Alexander VI. noch als Kardinal für den Hauptaltar der Kirche hatte machen lassen. Alle solche Arbeiten, die älteren vielleicht von Mino selbst, sind namenlos.

In der Sixtinischen Kapelle sind von der höchsten Vollendung die Marmorschranken am Presbyterium und die Sängertribüne aus der Zeit Sixtus' IV. Von marmornen Türeinfassungen bieten die besten Muster dar S. Marco, S. Maria del Popolo, S. Agostino und der Palast del Governo vecchio. Doch möchte kaum eine dieser Türen den feinen Portaleinfassungen des Schlosses in Urbino gleichkommen. Schöne Renaissance-Holzdecken sieht man in S. Marco aus der Zeit Pauls II. und in S. Maria Maggiore, wo sie Giuliano da Sangallo für Alexander VI. zeichnete. Wie man behauptet, wurde diese Decke mit dem ersten Golde überzogen, welches Columbus aus Amerika gebracht hatte.

Eins der ältesten Monumente der Frührenaissance sind die bronzenen Türen am St. Peter, dort am 14. August 1445 aufgestellt. Man könnte mit ihnen die Geschichte der Skulptur Roms im XV. Jahrhundert überhaupt beginnen. Unglücklicherweise war ihr Meister nicht Ghiberti, sondern Antonio Averulino, genannt Filarete, ein als Architekt und Bildhauer berühmter Florentiner. Eugen IV. übertrug ihm dieses Werk, nachdem die ersten Türen Ghibertis seinen Wunsch erregt hatten, den St. Peter noch schöner auszuschmücken. Aber die Arbeit Filaretes wurde ein hartes, profanes und mißlungenes Produkt. Sie hat nur geschichtlichen Wert, da in den Reliefs mancherlei Ereignisse der Zeit dargestellt sind, wie die Abfahrt des griechischen Kaisers und seine Landung in Ferrara, die Union beider Kirchen, die Krönung Sigismunds; denn Ruhmsucht verleitete Eugen IV., seine eigenen Taten auf dem Eingang des St. Peter zu verewigen. Noch auffallender ist hier die Vermischung des Heidnischen mit dem Christlichen, obwohl sie damals vollkommen naiv war. Denn der Anblick der Roma, eine Bildsäule des Mars in der Hand, der kindersäugenden Wölfin, des Ganymedes und der sich dem Schwan hingebenden Leda auf diesen Türen des heiligsten Doms der Christenheit konnte einem Zeitgenossen des Poggius nicht anstößig sein. Was der Papst Hildebrand, welcher die ersten Bronzetüren Roms mit ihren streng testamentlichen Figuren in St. Paul aufstellen ließ, als Blasphemie würde verdammt haben, fand ebenso unzweifelhaft den Beifall eines Papsts in dem irreligiösen Rom und in einer Zeit, wo die antike Kultur in ihre Rechte wiedereingesetzt war. Jene heidnischen Gestalten aus den Metamorphosen Ovids sind auf den Türen Filaretes unter Tier- und Pflanzenarabesken der Einfassung angebracht, nebst einigen Kaiserköpfen. Minder auffallen die Szenen aus der äsopischen Tierfabel vom Fuchs; von monumentaler Merkwürdigkeit endlich sind architektonische Figuren, wie die Pyramiden des Cestius und Romulus und das Grabmal Hadrians, nach der Ansicht des Künstlers. Das ganze Werk zeigt in seiner naturalistischen Weise vollständigen Mangel religiöser Empfindung. Vasari bemerkte zu seiner Zeit das unpassende Hereinziehen der heidnischen Mythologie natürlich nicht, er tadelte nur die banale Laune des Künstlers, sich und seine Gehilfen auf der Türe abzubilden, wie sie mit einem beladenen Esel nach einem Weinberge ziehen. Er verwarf das Werk überhaupt als mißgeformt. Daß es aber hohe Anerkennung fand, beweist das stolze Bewußtsein, mit welchem sich Filarete selbst als dessen Meister bezeichnete. Und auch Blondus fällte das Urteil, daß die figürliche Kunst auf diesen Türen mehr wert sei als die silbernen, aber bildlosen Pforten waren, mit welchen einst Leo IV. den St. Peter geschmückt hatte. Dasselbe Werk Filaretes ließ Eugen von einem Dominikaner Antonio di Michele von Viterbo auch in Holz schneiden. Ob und wo er diese Kopie aufstellen ließ, ist unbekannt. Sie hat sich nicht erhalten. Einem Mitarbeiter Filaretes in Rom, Simone von Florenz, schreibt Vasari das Grabmal Martins V. im Lateran zu. Die geringere Aufgabe, eine einfache bronzene Platte mit dem Porträt des Papsts im Flachrelief, glückte hier besser als die Anlage jener Bronzetüren.

Das Denkmal Martins eröffnet die kaum zählbare Reihe von Grabmälern der Renaissance in Rom. Leonardo Aretino verspottete diese eitle Sucht seiner Zeitgenossen, sich in solchen Denkmälern zu verewigen, aber er selbst hätte schwerlich auf das Monument verzichtet, welches ihm in Santa Croce zu Florenz errichtet wurde. In Rom, wo man die Via Appia vor Augen hatte, nahm die Renaissance des Gräberluxus noch größere Verhältnisse an, bis sie in dem kolossalen Plane Julius' II. für sein eigenes Grabmal den Gipfel erreichte. Hier waren es nur Päpste und Prälaten, die miteinander wetteiferten, denn in dieser Zeit findet sich nicht ein einziges Laiengrabmal von Auszeichnung in Rom.

Das römische Monumentalprinzip blieb traditionell, nur wurde eine reichere Figurenplastik entwickelt; das gotische Tabernakel nahm Renaissanceform an; die Mosaizierung wich der feinsten marmornen Arabeske. Die Mannigfaltigkeit dieser Grabmäler ist in den Einzelheiten sehr groß, aber im allgemeinen ermüden sie. Man wird sicherlich eine Reihe altchristlicher Sarkophage mit mehr Genuß betrachten als eine gleich lange von kalten Renaissance-Denkmälern. Den Sarkophag mit der liegenden Gestalt des Toten umgibt in der Regel ein Tabernakel von Rundbogen- oder Fronte-Form; die reich geschmückten Pfosten haben in Nischen Figuren von Schutzheiligen oder Tugenden; in der Lünette ist das Mosaikbild der Cosmatenzeit, die Jungfrau mit Engeln, in ein Relief ähnlicher Vorstellung verwandelt.

Außerdem fuhr man fort, auch Gräberplatten auf den Fußboden der Kirchen zu legen, teils mit Reliefgestalten, teils mit liniierten Figuren; und auch hier ist die dekorative Zeichnung oft bewundernswürdig.

Die meisten Grabmäler der Renaissance sah man im alten St. Peter, wo zumal den Päpsten seit Nikolaus V. kostbare Monumente errichtet wurden. Sie sind durch den Neubau des Doms meist schonungslos zerstört worden.

Das Grabmal Eugens IV. wurde von dort nach S. Salvatore in Lauro hinübergebracht: ein Marmorsarkophag mit der Totengestalt, in einem Tabernakel, das manierierte Werk des Isaia von Pisa. Von den Denkmälern Nikolaus' V., Calixts III. und Pauls II. sieht man nur noch Bruchstücke in den Vatikanischen Grotten. Sie waren sehr figurenreich, zumal das Pauls II., welches Mino mit großer Pracht ausstattete. Ganz erhalten sind die Denkmäler Pius' II., Sixtus' IV. und Innocenz' VIII. Das erste steht jetzt in S. Andrea della Valle, ein großes geistloses Werk mit vielen Figuren. Die Grabmäler der beiden anderen Päpste sind von Erz. Das Sixtus' IV. wurde im Jahre 1493 gearbeitet und im St. Peter aufgestellt; es steht dort heute in der Kapelle des Sakraments: ein bronzener Grabdeckel mit der Porträtfigur des Papsts, welche allegorische Figuren umgeben. Statt der Tugenden umringen nämlich die Theologie, Arithmetik und Astronomie, die Rhetorik, Dialektik, Grammatik, die Perspektive und Musik, die Geometrie und Philosophie sehr passend die Gestalt eines Papsts aus dem humanistischen Zeitalter, welcher der zweite Gründer der Vatikanischen Bibliothek war und Rom mit Bauten und Monumenten der Kunst erfüllte. Das Beste an diesem manierierten Denkmal ist das energische Porträt des Papsts von überzeugender Naturwahrheit.

Verkünstelt und weit kraftloser ist das bronzene Grabmal Innocenz' VIII., welches man im St. Peter an einem Wandpfeiler erhoben sieht: ein Sarkophag mit der liegenden Papstgestalt; darüber nochmals der Papst sitzend auf dem Thron, die heilige Lanzenspitze in der Hand. Diese beiden Monumente sind Arbeiten des Florentiners Antonio Pollajuolo, welcher wie sein Bruder Pietro Bildhauer und Maler zugleich und viel in Rom beschäftigt war. Hier starb er, reich geworden, im Jahre 1489. Die Grabbüsten beider Brüder sieht man noch am innern Eingange von S. Pietro in Vincula.

Alexander VI. erhielt kein Grabmal, ja nicht einmal ein Grab. Der Sarkophag, welcher heute als der seinige in den Vatikanischen Grotten gezeigt wird, soll der seines Oheims Calixt III. sein. Spanier, die ihrem Landsmann ein Monument errichten wollten, standen davon ab, und die Leiche des schrecklichen Borgia wurde nebst der seines Oheims nach S. Maria in Monserrato gebracht, wo sie unbeerdigt in einem hölzernen Kasten in einer Kammer verwahrt wurde. Erst im Jahre 1883 hat der König Alfonso von Spanien beide Päpste in einem marmornen Mausoleum in jener Kirche bestatten lassen.

Unter den Grabmälern der Kardinäle jener Epoche gibt es viele von schöner Durchführung. Es geschah selten, daß Kardinäle ein Denkmal verschmähten, wie Latino Orsini, der sich namenlos in S. Salvatore in Lauro bestatten ließ. Andere werden durch Schuld ihrer Erben darum gekommen sein. Ein Königssohn, der junge Kardinal von Aragon, der zu Rom im Jahre 1485 starb, erhielt hier kein Grabmal. Glücklicher war der Infant Jakob von Portugal, als er im Jahre 1459 in Florenz starb; denn kein Kardinal hat ein so schönes Denkmal als das seine in S. Miniato ist, ein Werk des Antonio Rosellino, vielleicht das schönste Renaissance-Grabmal überhaupt. Torquemada († 1468) hat nur einen Grabstein und eine eherne Gedächtnisbüste in der Minerva; der berühmte Cusa nur einen Grabstein mit seinem eingegrabenen Bilde auf dem Fußboden in S. Pietro ad Vincula; darüber stellt ein Relief an der Wand ihn selbst vor Petrus dar, dem er die Ketten überreicht. Diese Skulptur von hartem Ausdruck hatte der Kardinal im Jahre 1465 für den Altar jener Ketten machen lassen. Auch Bessarion hat nur eine Inschrift mit seinem Medaillon im Kloster der Santi Apostoli. So sucht man vergebens auch das Grabmal des Kardinals Prospero Colonna.

Keine römische Kirche gibt ein so vollkommenes Bild der monumentalen Renaissance als S. Maria del Popolo, deren Kapellen unversehrt geblieben sind. Dort findet man viele schöne Denkmäler aus der sixtinischen und noch späteren Zeit.

Überhaupt bewahrte fast jede Kirche in Rom bemerkenswerte Denkmäler der Renaissance aus verschiedenen Kunstschulen. Denn Paolo Romano, Filarete, Mino, Andrea da Verocchio, Pollajuolo, Isaia und viele andre Meister arbeiteten hier Grabmonumente.

So erfüllten sich die Kirchen mit Werken monumentaler Plastik, gegen welche die Skulptur von Freifiguren zurücktrat, obwohl auch hierin die Kunst tätig war. Paolo Romano arbeitete für die Sixtinische Kapelle Heiligenbilder von Silber; Mino machte zwei Statuetten Johannes des Täufers und St. Sebastians für eine Kapelle der Minerva. Am Eingang der Engelsbrücke steht noch die Marmorfigur St. Pauls, welche Vasari dem Paolo Romano zuschreibt, während die St. Peters daneben unter Clemens VII. von Lorenzetto gefertigt wurde. Die Peterstreppe wurde durch Pius II. mit den kolossalen Gestalten der Apostelfürsten verziert, welche dort bis zum Jahre 1847 standen und heute im Gang der Sakristei aufgestellt sind. Vor Ponte Molle ließ derselbe Papst die von Paolo Romano gefertigte Marmorfigur des Heiligen Andreas aufstellen, die noch heute dort steht.

Wir bemerkten schon, daß zur Zeit Eugens IV. der kühne Gedanke der Aufstellung einer Ehrenstatue durch Beschluß des Senats und Volks gefaßt wurde und daß Vitelleschi um diese Auszeichnung kam. Jenen Vogt der Engelsburg, welcher den Sturz des Kardinals vollzog, Antonio Rido, bildete man zu Roß über seinem Sarkophag in S. Francesca Romana ab, wo sein ziemlich rohes Denkmal noch dauert. Diese kleine Reiterfigur in Relief ist die einzige des Mittelalters der Art in ganz Rom.

Der Gedanke solcher Ehrenstatuen konnte durch die Reiterfigur Marc Aurels angeregt werden, und von ihr sind wohl auch die wenigen der Art ausgegangen, welche man im XV. Jahrhundert in Italien errichtete: so die erste von allen, die eherne Reiterstatue des venetianischen Feldherrn Gattamelata vor dem Dom Paduas, ein Werk Donatellos; sodann die des Condottiere Colleoni vor St. Johann und Paul in Venedig, von Andrea da Verocchio. Der bronzene Marc Aurel, der diese Wirkung in die Ferne ausübte, war in sehr schadhaftem Zustande. Sixtus IV. ließ ihn im Jahr 1473 restaurieren und auf ein neues Fußgestell setzen. Die Archäologie hatte bereits den Wahn zerstört, daß diese Reiterfigur die des Constantin sei.

Sixtus hatte für Rom so viel getan, daß er wohl selbst eine öffentliche Ehrenstatue verdiente: jedoch dies unterblieb, obwohl der Gedanke dazu leicht entstehen konnte, als der römische Senat das vergessene Standbild Karls von Anjou auf dem Kapitol im Jahre 1481 wieder aufstellen ließ, und dort ehrte man noch immer abtretende Senatoren durch eine Gedenktafel mit ihrem Wappenschilde. Aber vor Leo X. wurde keinem Papst eine Ehrenstatue auf dem Kapitol errichtet. Das ist um so auffallender, weil doch andere Städte Päpsten Bildsäulen aufstellten. Im Jahre 1467 errichtete die Gemeinde Perugia die bronzene Figur Pauls II., welche sich vor dem dortigen Dom bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts erhielt. Ihr Meister war Vellano von Padua, von dem auch die Marmorbüste desselben Papsts im Palast S. Marco herrühren soll. Auch Büsten aus jener Zeit sind in Rom sehr selten; vereinzelt ist hier jene der Teodorina Cibò, welche heute im Treppenhause der Villa Albani steht. Sie beweist, daß man im letzten Drittel des XV. Jahrhunderts die plastische Porträtierung auch in Rom betrieb, nachdem sie in Florenz in Aufschwung gekommen war. Auch die feine Kunst der Alten, in Karneol, Jaspis und Kristall Figuren einzugraben, lebte damals wieder auf, wo man mit Leidenschaft solche Antiken sammelte. Zur Zeit Alexanders VI. wird als Karneolschneider der Florentiner Pietro Maria gerühmt; man verkaufte eins seiner Werke, eine Porphyrschale mit drei Henkeln, mehrmals zu hohem Preise als antik. Auch der Bildhauer Cristoforo Romano, ein Schüler des Paolo, scheint sich in dieser Kunst ausgezeichnet zu haben.

Sehr bemerkenswert sind ferner die Denk- und Schaumünzen, welche durch die antiken Muster wieder in Gebrauch kamen und ganz besonders dem Ruhmbedürfnis der Menschen der Renaissance in ihrem Kultus der Persönlichkeit entsprachen. Berühmt als der erste Meister und wahre Fürst dieser Kunst war der Veronese Vittore Pisano, der bis zum Jahr 1451 lebte. In seinen Medaillen stellte er viele hervorragende Personen der Zeit dar, und aus seiner Schule gingen die ausgezeichnetsten Künstler Italiens hervor.

Mit Martin V., dessen Denkmünze er verfertigt haben soll, beginnt die Reihe der päpstlichen Porträtmedaillen überhaupt, worunter schon im XV. Jahrhundert sich vorzügliche befinden. Mit dieser schönen Kunsttätigkeit standen die Arbeiten der Goldschmiede und Juweliere in genauer Verbindung; sie waren das Lieblingsbedürfnis der Renaissance in Rom, wie überhaupt in ganz Italien die Bildhauer gerade aus den Werkstätten der Goldschmiede hervorzugehen pflegten. Die Pracht des Kultus, der Luxus der Päpste und Kardinäle mußte gerade diesen Kunstzweig sehr beleben; er begann in Rom schon unter Eugen IV., welcher viele Künstler dieser Art, namentlich Florentiner, beschäftigte und sich unter anderm von dem großen Ghiberti eine prachtvolle Tiara verfertigen ließ, deren künstlerischer und materieller Wert nicht seinesgleichen gehabt zu haben scheint. Doch keine künstlerischen Produkte waren ihrer Natur nach weniger dauerhaft als solche Gegenstände des kirchlichen Luxus, und zumal hat die Plünderung Roms im Jahre 1527 die hier aufgehäuften Schätze der Renaissance dieser Art zerstreut oder zerstört.

Im ganzen wird das Eigenartigste und Schönste, was die Skulptur jener Epoche geschaffen hat, mehr in dekorativen als in wirklich plastischen Werken zu suchen sein. Sie selbst durchdrang noch nicht das Leben, oder dieses bot ihr noch nicht hinreichend freie und menschliche Motive dar. Sie nahm den Inhalt des Darstellbaren noch wesentlich aus dem Reich der Kirche und widmete ihre besten Werke den Grabmälern; der Kreis ihres Vorstellens umschließt daher meist Gegenstände, in denen sich der Gedanke nicht in die Sphären heiterer und idealer Schönheit erheben kann. Die Künstler Griechenlands würden nur mit Ironie auf die Anstrengungen ihrer christlichen Nachfolger geblickt und ihnen gesagt haben, daß die Kunst des Phidias in Figuren von Heiligen, Märtyrern und toten Prälaten, von moralischen Tugenden und Engeln keine dankbaren Gegenstände finden könne. Sie würden dieses Urteil nicht einmal beim Anblick einer berühmten Marmorgruppe gemildert haben, welche gerade am Ende des XV. Jahrhunderts in Rom aufgestellt ward und eine neue Kunstepoche einleitete. Dies war die Pietà Michelangelos. Der fünfundzwanzigjährige Künstler fertigte sie im Jahre 1499 für den Kardinal La Grolaye, nachdem er schon im Jahre 1496 nach Rom gekommen und erst in die Dienste des Kardinals Raffael Riario getreten war. Dieses durch seine Kunst und Wahrheit gleich bewundernswürdige Werk machte Michelangelo sofort zum ersten Bildhauer Italiens, und so begann dieses Genie seine Laufbahn gerade in der Schreckenszeit der Borgia mit dem Gebilde des erschütterndsten Seelenschmerzes, dem höchsten Symbol des Christentums, welches, wie es in der Kapelle Santa Petronilla ein Jahr nach dem Tode Savonarolas aufgestellt ward, den stummen Protest gegen die Schändung der Religion unter Alexander VI. zu erheben schien.


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