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Monologe


Der Ober

Ich Jean Czernohlavek, Großzahlmarqueur und
Erboberkellner vom Café Fanal,
Bin ein armes Hascherl.
Ins Untergymnasium ließ man mich gehn,
Doch von den Stiefeln wich die Wichse,
Es kam Konkurs.
Nun steh ich hier und leide
Abzüge, wenn Gebäck fehlt.
Andere sagen's, ich aber fühl es,
Wie sehr nach Salz das fremde Brot schmeckt!
Und ewig kommen Gäste.
Monokel zerschellen der schielenden Schieber;
Knaben, die noch ihr Bett beschlafen, schleichen
Her, mit sehnenden Augen bestreichen
Sie die zweischenkligen Mädchen.
Schlürfenden Blicks.
Bartfrohe danken schon den Göttern, die ihnen
Die sanften Gruben gruben,
Der breiigen Weiber, die sich gern unterbreiten.
Wie Schmutz liegen unter den Augen ihnen
Grau die süß verbrachten Nächte.
Was haben wir davon?!
Höchstens pumpen sie mich an,
Die Schlankeln, die Literaten,
Die mit Manuskripten hausieren.
Ich bin halt doch ein guter Kerl!
Ich freu mich
Mit den Liebe verheißenden Augen,
Ich freu mich mit den Gewinnern aller Spiele,
Ich freu mich mit den sicheren Dieben,
Wenn sie nach langer Mühe ernten den
Geld und Wärme spendenden Pelz.
Hie und da schwillt von der Stadtbahn her
Der ruhmredige Pfiff einer Lokomotive.
Dann möcht ich ins Freie.
Schön wär's schon, in Ischl oder Aussee
Eine Filiale zu haben, pardon, ein eignes Café.
Doch nicht von derer Welt ist mein Reich –
Ich komm sofort, bitte sehr, bitte gleich!

 

Geschrei der Tonfilmdiva Oliva van Zaehlendorff

Lieber Gott, der Du in Hollywood doch allmächtig bist und überhaupt in den bessern Vereinigten Staaten, laß mich nicht verkommen als Star nebbich in Dresden, hilf meiner phantastischen Tonfilmbegabung! Hab Mitleid mit mir! Schau: ich spiel immer nur die Passantinnen, verlassenen Gouvernanten, Krankenschwestern und die stupid lächelnde Freundin. Mach Schluß damit, schenk mir zum Geburtstag endlich die Hauptroll, sonst verblöd ich noch ganz prominent. Ich liebte den Geist, ich war Dynamit: Ich sprengte mich selbst in die Luft; zerrissen bin ich, kann mich nicht mehr erholen. Jung war ich überhaupt ein anständiges Mädchen. Aber mit Seele macht man privat schlechte Geschäfte: davon kriegt man bloß Kinder, Falten und Grauhaar. Ich will nur öffentlich das Körpertier mit Seelenschmalz mästen, ich arme, zweimal geschiedene, zigjährige Witwe – ich will keinen Ehering, sondern Brillantengestirne. Nicht so! Die alten Onkel widern mich an: sie erfüllen all meine Wünsche. Einst wußt ich: Agenten sind faul, Regiebonzen egoistische Trottel, nun weiß ich – auch Mädchenhändler sind Esel. Was sollen mir Männer und Frauen? Zuhälter sind alle, Erpresser, unstillbar hungrige Bettler, wollen nur Macht über mich, Geld oder gepeitscht sein. Mephikles Bschury, mein Regisseur, ist ein Tineff. Alle halten diesen levantinischen Eintänzer für den letzten Dreck. Aber ich brauch den Gigolo – noch! Der Parvenu kostet zuviel. Woher schnell Geld? Meine Liebhaber zögern feig mit der Reklame: sie bringen sich nicht rasch genug um. Das nennen sie auch noch Verehrung und Liebe! Vergebens verleugn ich meine ältesten Freunderln; die Lumpen wollen aus Bosheit, hartherzig justament nicht krepiern! Frech überlebt mich mein schafigster Freund: Baron Cheviot. Der heißt so, weil er ein schäbiger Idiot ist. So darf das nicht weiter! Ohne Palazzo! Lieber Gott, glaub nicht, daß es mir jetzt schon zu gut geht! Schmecks nennt mich die junge Hex mit dem Geldkomplex, aber ich hab nichts. Gewiß: jeder Tepp von der Zeitung, alle Theaterschlieferln schleimen mir enorme Kritiken, apportieren mir blind den Bockmist aller Nationen, mein Kamin stinkt nach verbrannten Liebesbriefkilopaketen! Sie lieben alle Perücken meiner Seele und geben nie Ruh. O, das Telephon mordet mir täglich den Schlaf, meine Geheimnummer ist Poseidon Nullnull, das Theater mordet mir nächtlich den Schlaf, und das ewige Lampenfieber, die Angst vor dem Durchfall und gar vor dem Altern. Parufamet, ich rufe Dich! Zertrümmer meinen lausigen Ford, anstandshalber müßt ich vier Rolls-Royce besitzen, aber wer zahlt das? Darum, lieber Gott, geh in Dich und sei endlich vernünftig! Was soll ich mit tausend Reichsmark im Monat? Ich brauch Dollarmillionen und Yachten. Der letzte Dreck ist heutzutag Diva, einer jeden gebührt der Iffland-Gummiring. So eine kleine Lustbeamtin heißt Pia van Noutty, heiratet abessinische Prinzen, ist höchstens ein Chamäleon und hält sich für den weiblichen Filmnapoleon. Schau, lieber Gott, ich mein's gut mit meinen Kolleginnen, ich hab Erbarmen mit der schiechen Talentlosigkeit – ich laß ihnen Europa, mehr verdienen sie nicht. Lieber Gott, der Du in Hollywood allmächtig bist und überhaupt in den bessern Vereinigten Staaten, der Du die Paramount Pictures erschufst und Metro-Goldwyn und Reinhardt, wozu hast Du Kolumbus erfunden, wozu hat man ausgerottet die Indianer? Eine wird sein, die wird das alles ersetzen, wenn sie endlich in Hollywood landet!

 

Der Zauberer

Ich bin der Gewaschene,
Ich bin der Entrückte,
Ich bin der Besessene
Des zweiten Lebens,
Der die gegessene
Erde erkennt.

Totbiß meine Wut-Nacht
Mondtolle Hyäne,
Ich schmauste Rotfleisch.
Ich fraß meine Weiber
Überschwemmt vom Blutwolf.

Ich zermalme die Götzen,
Wenn es mich juckt.
Heran heul ich Hungersnot,
Faulernte ins Feld.

Mir Sturmfahrer im Boot
Blitzt, wenn ich will,
Gewitter vom Himmel.
Ich trage den Donnerring.

 

Der Häuptling

Ich war der lagerumbrüllende Löwe,
Ich war ein Reißstrom.
Mein Speer stak stark
Im Feind wie ein Trauerbaum,
Der sein Ufer behütet.
Ich würgte den Weißen,
Auf totem Termitengebirge Oryxantilope.
Vor mir beschrak es die Schlange,
Abfiel der Turban
Den Brunnenvergiftern.
Nun knarr ich mit der gealterten Hütte,
Wie Binsen wipp ich im Wind.
Die Erde duftet mir nicht,
Ich schrumpf ein,
Ganz kleine Mücke,
Ich fliege fort.

 

Der Gefangene

Die Erde bereu ich, ich bereue den Mond!
Generalgewaltiger, Weltwebel im Geldall,
Befrei mich aus leeren Sphären,
Wo mich unterm Wehmutbaum
Eine Einfalt kocht.
Meine Hände greifen in die Luft,
Einsam zischt die Seele ihren Weg,
Mit seiner Weiße geizendem Reiz:
Mädchensilberschlangen in den Grautag nach.
Seh rüstige Gebärerinnen
Verreckende Verehrer minnen.
Soll ich mich zerschmettern an der Wand,
Endlich greifen mit dem würgenden Griff?
Immer erleb ich den herbsten Herbst.
Vor des Glücks gehauchten Morgenröten
Wird der plumpste Tod mich töten.

 

Der Selbstmörder

Ich bin einer der Versunkenen,
Die durch tausend Wälder schweigen,
Ich bin einer der Ertrunkenen,
Die kein Leid je wieder zeugen.

Ihr aber freut euch des Schiffs,
Verekelt mit Segeln den See.
Ich will tiefer zur Tiefe.
Stürzen, schmelzen, erblinden zu Eis.

O Sirupsprache der Gletscher!
Was soll mir der Gipfel –
Die Sonne betrat ihn!
Am Berge lockt mich der Abgrund,
Der Entspanner, Erlöser, Empfänger.

Bahnen, wohltätige Bahnen!
Niederfährt eiserne Kraft
Unselige Menschen.

Ich grüße den Tod.
Denn Sein ist Gefängnis,
Im Hirn haust die Qual,
Das Auge verengt Welt,
Und schlecht ist Geschlecht,
Es vermehrt sich.

Schön ist es, ein Skelett zu sein oder Sand.

 

Der Fremde

Niemand liebt mich,
Niemand haßt mich.
Zu Häupten euch,
Zu Füßen mir
Rollen blinkend Sonne und Mond.
Ich bin die tote Macht,
Euch aber gebiert der Tag die gute Nacht.
Selbst den Schatten umscheint euch die Sonne!
Kein neues Land schenkt mir der Wind.
Ich seh nur von fern
Der Andern Abendstern:
Das Wangenwunder weiß und rot,
Der Männer Blindekuhspiel.
Außer jedes süße Geschick
Stellt mich ein Dämon,
Mir dämmert kein Glück,
Niemand liebt mich.

 


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