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Dem ewigen Olymp


Tod des Elpenor

Siech hängt Bleichmond ins Zimmer herein,
Saugt mich aufs taumelnde Dach.
Du welkes Licht,
Nicht bin ich gierig nach dem Schnee des Todes.
Hermes, ich opfer dir Polyphem,
Meinen großen einäugigen Widder.
Was wirfst du meine Trunkenheit
Vom First zu Boden?
Leicht rauschest du Dämon
Abwärts im sturzlosen Fall –
Gebrechlich ist mein Rückgrat.
Dazu hab ich euch Göttern
Meinen Körper fromm genährt,
Daß schon die heimliche Quelle
Meines Blutes blutet?
Es ist nur Wein.

Im tiefen Wald,
Im blassen Tal
Seufzt die Seele
Noch einmal.

 

Antinoos

Vor mir das krumme Horn der weißen Ziegen
Wuchs ich sanft auf,
Trank Milch und schmauste Nüsse.
Die blauen Gesänge des Meeres
Lullten mich ein am Abend,
Morgendlich schwamm ich im klaren,
Ein Frühling unter den Stürmen.
Es wuchsen Kräfte des Leibes
Stadtwärts, wo hinter lockenden Schleiern
Drohend Penelope lohte.
Es warb um sie mein Aug,
Es flammte mein Haar zu ihr.
Der schwarze phönikische Räuber Odysseus
Entwürgte dem Hals mein Leben.
Es schwand dahin mein Blut,
Und wurde Meer und trieb.
Nur einmal noch hob ich mich auf vom Boden,
Und wurde neu.
O reiner Atem des Meeres,
Als Sklave des Kaisers
Treib ich schlammig dahin auf dem Nil!
Nicht frommt die Schönheit meinem Antlitz.
Es rauben immer dem Griechen
Phöniker und Römer den Körper.
Fern allem Leben
Entgleit ich Hadrians Kahn.
Schon entträgt mich der träge Nil,
Nicht kehr ich wieder,
Die blauen Gesänge des Meeres
Lullen mich Schwindenden ein.

 

Homer

Ich schwieg die Stille
Des buchtumwaldeten Sees;
Und ich schrie die Gesänge
Der rot aufschlitzenden Rache,
Aber zu mir gesellte sich niemand,
Steil, einsam
Wie die Zikade sich singt,
Sang ich mein Lied vor mich.
Schon vergeht mein Schritt ermattend
Im Sand der Mühe.
Vor Müdigkeit entfallen mir die Augen,
Müde bin ich der trostlosen Furten,
Des Überschreitens der Gewässer,
Mädchen und Straßen.
Am Abgrund gedenk ich nicht
Des Schildes und Speeres.
Von Birken umweht,
Vom Winde beschattet,
Entschlaf ich zum Klange der Harfe
Anderer, denen sie freudig trieft.
Ich rege mich nicht,
Denn alle Gedanken und Taten
Trüben die Reinheit der Welt.

 

Klagegesang

Frei nach Petronius und Heinse

Zu Ende dein Spielen.
Es fielen
Die Locken,
Dein allgoldnes Gelock.
So rauh abschüttelt Raubwind
Frühlings silbrige Zier,
Lenzliches Blütengeflock.
Stirn – deine Strahlenzier
Herabgefallen! Dir entwallen
Die Flaumlocken, die Flocken.
Lichthaar sank zu den Schatten.
Ach, die Schläfen so kahl!
Die mit Sonnenlocken sonder Zahl
Ins Glück verzückt uns hatten!

Warum welken die Nelken?
Warum geschieht, verweht alles Geschehn?
Warum muß das Schöne so geschwind
Vergehn?
Kaum ist die Knospe zur Rose geboren,
Frühlingskind,
Hat von einer Sonne
Sie die Schönheit verloren.

Nackter als Erz oder ein Schwämmlein,
Das im Regen aufwächst, kahlt dein Scheitel.
O, wie dich die Mädchenrotten verspotten!
Schüchtern vor Leiden,
Eitel, weinerlich wirst du sie meiden.
Schon das Schönste vom Schöpfchen
Ist dir gestorben.
Siehst du, lieber Knabe, den Tod?

 

Bellerophon

Der Mörderknab ließ strömen
Urbrunnen des Blutes,
Der Mannkönig ließ dröhnen
Wälder der Keulen wider die Nabel der Schilde;
Die Richter wetzten das Schwert.
Der morgens die Chimaira schlug –
Sein Speer erlahmt am Neid der Götter:
Ochsenhäutereichstem Streitschild;
Aus der blutstarrenden Hand
Schwand ihm die Axt im Irrfeld.
Als nun so der Abendliche
In den Tod gesunken war,
Endlich einordnend sich
Und Gleichem dienend –
Napoleon, den letzten Kaiser der Chimaira, trug
Das Holz des alten Helden nach Helena:
Bellerophon.

 

Julian

Sonne, goldener Diskos des Titanen Helios!
Helios, der du knietief watend im grauen
Schleuderst die goldene Scheibe!
Ich klettere wund an des Gebets Mastbaum
Nach fernem Himmel.
Weinte ich nicht, und waren die Tränen,
Gott, dir kein Schrei?
Opfernd vergoß ich mein Blut,
Den trostlosen, rot schluchzenden Mohn.
Licht: betend starrt ich dich an,
Bis im gelben Sonnengespinst die Augen
Mir starben.
Nun entsinkt nicht silberner Punkt,
Zitterlicht keines Sternes der Nacht.
Aus zermorschtem, wipfellosem, erdarmem
Stamm streckt mich ein Ast
Auf verfaulter, taufrierender Rinde:
Des kahlen Holzes letztes umwintertes Blatt.

 

Nausikaa

Hirtin milder Gestade,
Ich liebe dich,
Langen Atems, in nachtbitterer Sehnsucht.
Dein Anblick ist mein Trost,
Einziges Licht über sandtrauerndem Strand.

Blind müdspült mich die Woge.
Ertränkt mich kalt das graue Schicksal?
Ringens satt ist mein Leib, verzückt nur sehe,
Gehe ich dem Glück wehenden Tanz deines singenden Schritts nach.
Ewig. Ich friere verkümmert, verläßt du mich.
Ruhe, Frieden, Seligkeit gib meiner Seele.

 

Eros

Der rote Bogner Eros loht,
Auf seiner Insel jauchzt er hoch –
Glücklich gleiten die Männer
Lautlos, mit lockern Tauen,
Über die Wellen des Sees,
Baden hell in den Bächen der Frauen,
Der streichelnswerten,
In weißem Leuchten glänzenden;
Umfangen auch von deinen
Ambrosische Lust kredenzenden
Kupfernen Sonnenbräuten, Atlantis,
Oder den grünen Wiesenleibern der Triften.

Aber, bitterer Wind!
Es kam der fleischlose Tag:
Christenmönche des neidischen Wehs
Wider die Siebenseligkeit rüsten.
Ist der Schäumende gestorben?
Rafft ihn hin ein Zorn der Erde?
Eignes Eigentum ward holde Sklavin,
Sehnt sich gelb nach Gold und Grafen –
Am verzückten Abendhimmel
Aphrodites Sterne sich zu Tode schlafen.

 

Orestie

Orest dorischer Wandervogel

Ich bin Orest. Du starbst, Aigisth! Grüß mir
Cerber- und Tartarus! Ersticht ihn

Aigisth peloponnesisch röchelnd

Zum Hades hatschend quält mich bloß,
Daß ich Dich nie besaß! Stirbt sich aus

Orest
sich mit blasiertem Dolch die mykenischen Zähne stochernd

Ai, Ai! O Oheim – mies ist dies,
Doch bleibt uns noch Nekrophilie! Betet
O Vater, der du als iliotischer Held
Die Schlachtbank des Schicksals ziertest!

Klytaimestra
nackte Bauch- und Schlangentänzerin, bricht herein

O Sohn, der du die dem Mutterweib
Heildräuende Tat vollführtest! Schändet ihn jach

Orest

Dies ist dem Pylades! Halt ein!
Erbarmen! Io! Iokaste!

Klytaimestra inzüchtig

Ick blühe!

Orest

löst sich, tantalisch seufzend, allzufrüh vom Feinde

O, wär ich noch im Mutterleib!
Mutter, gib mir die Wonne!

Klytaimestra enttäuscht, fordernd

Knabube! Entartet mürber Sklav, nie armst du
Iphigenien! O Rest! Atrid! Triff zweimal,
Wenn du kannst!

Orest der Mutterfurie geknickt entfleuchend

Leb wohl!

 

Kypros

Als uns Fortunati Wunschhütlein
Nach Famagusta trug,
Saßen wir fleißig schon früh um halb neun
Beim Cyperwein
Und tranken aufs Wohl der schwanken
Palmenkamele,
Deren Vorbeimarsch an Moscheenbazaren
Der rundreisedeutsche Kreuzpharaone
Orient nennt.
Wir berauschten uns tief.
Denn als mit geborstener Stimme
Persephoneia entwich
Vor den Goalstangen am türkischen Friedhof,
Waren vorlängst verschwunden
Die anderen Götter,
Ithyphallisch lieber bereit einzugehn
In der Kypris heiligen Venusberg,
Dessen stolze olympische Locke
Vom Eiland floh,
Als roh die erste christliche Glocke
Klang.
Kartoffeln
Sind der Hauptausfuhrartikel von
Paphos und Amathunt.
In den Lüften kein Geturtel –
Tief unter dem Turm und Kirchenruinen
Umschwirrenden Kreischen der
Dohlen, Falken und Raben
Ist Othello begraben.
In den Lüften Windmühlen der eisernen Zeit –
Ohne die liebe Windmüllerin;
Flug auch altmodisch nordwärts ziehender
Schwalben:
Soviel Fliegen kriegen sie nirgends!
Auf den Landstraßen
Die vor Sonne, Staub, Männern und Mücken
Verschleierten Weiber der lautlos grinsenden
Venerischen Göttin.
Pluderhosig,
Elefantenhintern im Gange kopierend,
Türken und Kyprioten.
Schotten mit exhibitioniertem Knie
Vertreten die schaumgestorbene Nacktheit hie,
Stürmen im Auto den prähistorischen
Tennisgrund und
Schmauchen Produkte der
Späthellenistischen Tabakindustrie,
Einer wohl Zigaretten mit Goldmundstück:
Der goldenen Aphrodite zu Ehren.
Aus dem Museum schreit eine archaische Eselin
Nach ihrem sehnsüchtig saugenden Eselchen;
Aber es antwortet nur ihres Stils Entdecker:
Einsam – eine Diasporade –
Dionyselt die betreffende
Großberliner Kunstschnauze
Pseudominoisch im stoischen Meer.

 

Akropolypen

Ich alpträumte wach von weißen Affentieren,
Die gern auf griechischen Ruinen urinieren.

Ein Gesangverein
Der Alt-Oberlehrer zwischen Rhein und Main
Wollt noch ältre Altertümer in Athen besehn;
Ex-Tyrannen der Grammatikhallen
In attische Salztümpel fallen.
Oh, das waren bessere Pestzeiten, ach,
Als Alkibiades zu Sokrates
»Jetzt gehn ma saufen« sprach.

Kaum sie des Piräus Shell-Reklamen näher sahn,
Den Nestoren leibhaftig sich die Parzen nahn:
Ein Strich luetischer Hetären von Athen
Wollt mit den Barbaren klassisch schlafen gehn.
Oh, das waren bessere Hurenzeiten, ach,
Als Aspasia zu Perikles
»Du Säule!« sprach.

Mit den miesen Mädeln: Eulen von Athen
Stramm Hellenenwandervögel pfadfinden gehn.
Einem schien es kalter Tag,
Weil des Kriegers Schatten auf der Erde lag.
Oh, das waren bessere Zeiten, ach,
Als Diogenes zu Alexander
»Geh aus der Sonne!« sprach.

 


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