Ludwig Uhland
Lied der Nibelungen
Ludwig Uhland

Ludwig Uhland

Lied der Nibelungen

In Burgunden erwuchs Jungfrau Kriemhild, die schönste in allen Landen. Drei königliche Brüder haben sie in Pflege, Gunther, Gernot und der junge Giselher. Zu Worms am Rheine wohnen sie in grosser Macht; kühne Recken sind ihre Dienstmannen: Hagen von Tronje und sein Bruder Dankwart, der Marschalk; deren Neffe, Ortwin von Metz; Gere und Eckewart, zwei Markgrafen; Volker von Alzei, der Spielmann; Sindolt, der Schenke; Hunolt, der Kämmerer, und Rumolt, der Küchenmeister. In diesen hohen Ehren träumt Kriemhilden, wie ein schöner Falke, den sie gezogen, von zwei Aaren ergriffen wird. Ute, ihre Mutter, deutet dieses auf einen edeln Mann, den Kriemhild frühe verlieren möge. Aber Kriemhild will immer ohne Mannes Minne leben. Viele werben vergeblich um sie. Da hört auch Siegfried, Sohn des Königs Siegmund und der Siegelind zu Santen in Niederlanden, von ihrer grossen Schönheit. In früher Jugend schon hat er Wunder mit seiner Hand getan; den Hort der Nibelunge hat er gewonnen, samt dem Schwerte Balmung und der unsichtbar machenden Tarnkappe, den Lindwurm erschlagen und in dem Blute seine Haut zu Horn gebadet. Selbzwölfte zieht er jetzt aus, Kriemhilden zu erwerben, umsonst gewarnt von den Eltern vor der burgundischen Recken Übermut. Köstlich ausgerüstet, reitet er zu Worms auf den Hof und fordert den König Gunther zum Kampf um Land und Leute. Doch im Gedanken an die Jungfrau lässt er sich begütigen und bleibt ein volles Jahr in Freundschaft und Ehre dort, ohne Kriemhilden zu sehen. Sie aber blickt heimlich durch das Fenster, wenn er auf dem Hofe den Stein oder den Schaft wirft. Siegfried heerfahrtet für Gunthern gegen die Könige Liudeger von Sachsenland und dessen Bruder, Liudegast von Dänemark; beide nimmt er gefangen. Als Kriemhilden ein Bote meldet, wie herrlich vor allen Siegfried gestritten, da erblüht rosenrot ihr schönes Antlitz; reichen Lohn lässt sie dem Boten geben. Gunther aber bereitet seinen Helden ein grosses Fest, bei dem Siegfried Kriemhilden sehen soll; denn die Könige wollen ihn festhalten. Wie aus den Wolken der rote Morgen, geht die Minnigliche hervor; wie der Mond vor den Sternen, leuchtet sie vor den Jungfrauen, die ihr folgen. Sie grüsst den Helden, sie geht an seiner Hand; nie in Sommerzeit noch Maientagen gewann er solche Freude.

Fern über See, auf Island, wohnt die schöne Königin Brünhild. Wer ihrer Minne begehrt, muss in drei Spielen ihr obsiegen, in Speerschiessen, Steinwurf und Sprung; fehlt er in einem, so hat er das Haupt verloren. Auf sie stellt König Gunther den Sinn und gelobt seine Schwester dem kühnen Siegfried, wenn der ihm Brünhilden erwerben helfe. Mit Hagen und Dankwart besteigen die beiden ein Schifflein und führen selbst das Ruder. Sie fahren mit gutem Winde den Rhein hinab in die See. Am zwölften Morgen kommen sie zur Burg Isenstein, wo Brünhild mit ihren Jungfrauen im Fenster steht. Als die Helden an das Land getreten, hält Siegfried dem Könige das Ross, damit er für dessen Dienstmann gehalten werde. Sie reiten in die Burg, Siegfried und Gunther mit schneeweissen Rossen und Gewanden, Hagen und Dankwart rabenschwarz gekleidet. Brünhild grüsst Siegfrieden vor dem Könige. Die Kampfspiele heben an. Unsichtbar durch die Tarnkappe, steht Siegfried bei Gunthern; er übernimmt die Werke, der König die Gebärde. Brünhild streift sich die Ärmel auf, einen Schild fasst sie, den vier Kämmerer kaum hergetragen, einen Speer, gleichmässig schwer, schliesst sie auf Gunthers Schild, dass die Schneide hindurchbricht und die beiden Männer straucheln; aber kräftiger noch wirft Siegfried den umgekehrten Speer zurück. Einen Stein, den zwölf Männer mühlich trügen, wirft sie zwölf Klafter weit; über den Wurf hinaus noch springt sie in klirrendem Waffenkleid; doch weiter wirft Siegfried den Stein, weiter trägt er den König im Sprunge. Zürnend erkennt Brünhild sich besiegt und heisst ihre Manne Gunthern huldigen.

Brünhild wird nun heimgeführt und zu Worms herzlich empfangen. Am gleichen Tage führt Gunther Brünhilden, Siegfried Kriemhilden in die Brautkammer. Doch Brünhild hat geweint, als sie Kriemhilden bei Siegfried am Mahle sitzen sah; vorgeblich, weil ihr leid sei, dass des Königs Schwester einem Dienstmann gegeben werde; und in der Hochzeitnacht will sie nicht Gunthers Weib werden, bevor sie genau wisse, wie es so gekommen. Sie erwehrt sich Gunthers, bindet ihm mit ihrem Gürtel Füss' und Hände zusammen und lässt ihn so die Nacht über an einem Nagel hoch an der Wand hängen. Siegfried bemerkt am andern Tage des Königs Traurigkeit, errät den Grund und verspricht, ihm die Braut zu bändigen. In der Tarnkappe kommt er die nächste Nacht in Gunthers Kammer, ringt gewaltig mit Brünhilden und bezwingt sie dem Könige. Einen Ring, den er heimlich ihr vom Finger gezogen, und den Gürtel nimmt er mit sich hinweg.

Bald hernach führt er Kriemhilden in seine Heimat nach Santen, wo sein Vater ihm die Krone abtritt. Zehn Jahre vergehen und stets denkt Brünhild, warum Siegfried von seinem Lande keinen Lehensdienst leiste. Sie beredet Gunthern, den Freund und die Schwester zu einem grossen Fest auf nächste Sonnenwende zu laden. Der alte Siegmund reitet mit ihnen nach Worms. Beim Empfange blickt Brünhild unterweilen auf Kriemhilden, wie ihre Farbe gegen dem Golde glänzt. In festlicher Freude verbringen sie zehn Tage. Am elften, vor Vesperzeit, als Ritterspiel auf dem Hofe sich hebt, sitzen die zwei Königinnen zusammen. Da rühmt Kriemhild ihren Siegfried, wie er herrlich vor allen Recken gehe. Brünhild entgegnet, dass er doch nur Gunthers Eigenmann sei. So eifern sie in kränkenden Worten, und als man nun zur Vesper geht, kommen sie, die sonst immer beisammen gingen, jede mit besondrer Schar ihrer Jungfraun zum Münster. Brünhild heisst Kriemhilden als Frau eines Unfreien zurückstehn; da wirft Kriemhild ihr vor, Siegfried habe ihr das Magdtum abgewonnen, und geht in das Münster vor der weinenden Königin. Nach dem Gottesdienste wartet Brünhild vor dem Münster und verlangt von Kriemhilden Beweis jener Rede. Kriemhild zeigt Ring und Gürtel, die Siegfried ihr gegeben, und abermals weint die Königin. Umsonst schwört Siegfried im Ringe der Burgunden, dass er Brünhilden nicht geminnet. Hagen gelobt, ihr Weinen an Siegfried zu rächen, und er zieht die Königin in den Mordrat.

Falsche Boten werden bestellt und reiten zu Worms ein, als hätten sie von Liudeger und Liudegast, die man auf Treu und Glauben freigelassen, neuen Krieg anzusagen. Siegfried, der seinen Freunden stets gerne dient, erbietet sich alsbald, den Kampf für sie zu bestehen. Als das Heer bereit ist, nimmt Hagen von Kriemhilden Abschied. Sie bezeigt Reue über das, was sie Brünhilden getan, und bittet ihn, über Siegfrieds Leben in der Schlacht zu wachen. Deshalb vertraut sie ihm, dass Siegfried an einer Stelle, zwischen den Schultern, verwundbar sei, wohin ihm ein Lindenblatt gefallen, als er sich im Blute des Drachen gebadet. Diese Stelle zu bezeichnen, näht sie, nach Hagens Rat, auf ihres Mannes Gewand ein kleines Kreuz. Hagen freut sich der gelungenen List und kaum ist Siegfried ausgezogen, so kommen andre Boten mit Friedenskunde. Ungerne kehrt Siegfried um; statt der Heerfahrt soll nun im Wasgenwald eine Jagd auf Schweine, Bären und Wisente (wilde Ochsen) gehalten werden. Weinend ohne Mass, entlässt Kriemhild den Gemahl. Ihr hat geträumt, wie ihn zwei wilde Schweine über die Heide gejagt und die Blumen von Blute rot geworden, wie zwei Berge über ihm zusammengefallen und sie ihn nimmermehr gesehen.

Mit Gunthern, Hagen und grossem Jagdgefolge reitet Siegfried zu Walde. Gernot und Giselher bleiben daheim. Viel Rosse, mit Speise beladen, werden über den Rhein geführt auf einen Anger vor dem Walde. Die Jagdgesellen trennen sich, damit man sehe, wer der beste Weidmann sei. Siegfried nimmt sich einen alten Jäger mit einem Spürhund; kein Tier entrinnt ihm, Berg und Wald macht er leer, er gewinnt Lob von allen. Schon wird zum Imbiss geblasen, als Siegfried einen Bären aufjagt. Er springt vom Rosse, läuft dem Tiere nach, fängt und bindet es auf seinen Sattel. So reitet er zur Feuerstätte; herrlich ist sein Jagdgewand, mächtig der Bogen, den nur er zu spannen vermag, reich der Köcher, von Golde das Horn. Als er abgestiegen, lässt er den Bären los, der unterm Gebell der Hunde durch die Küche rennt, Kessel und Brände zusammenwirft, zuletzt aber von Siegfried ereilt und mit dem Schwert erschlagen wird. Die Jäger setzen sich zum Mahle; Speise bringt man genug, aber die Schenken säumen. Hagen gibt vor, er habe gemeint, das Jagen solle heut im Spessart sein, dorthin hab' er den Wein gesandt. Doch hier nahe sei ein kühler Brunnen. Zu diesem beredet er mit Siegfried einen Wettlauf. Sie ziehen die Kleider aus, Siegfried legt sich vor Hagens Füsse; wie zwei Panther laufen sie durch den Klee; Siegfried, all sein Waffengerät mit sich tragend, erreicht den Brunnen zuerst. Doch trinkt er nicht, bevor der König getrunken. Wie er sich zur Quelle neigt, fasst Hagen den Speer, den Siegfried an die Linde gelehnt, und schiesst ihn dem Helden durch das Kreuzeszeichen, dass sein Blut an des Mörders Gewand spritzt. Hagen flieht, wie er noch vor keinem Manne gelaufen. Siegfried springt auf, die Speerstange ragt ihm aus der Wunde, den Schild rafft er auf, denn Schwert und Bogen trug Hagen weg; so ereilt er den Mörder und schlägt ihn mit dem Schilde zu Boden. Aber dem Helden weicht Kraft und Farbe, blutend fällt er in die Blumen; die Verräter scheltend, die seiner Treue so gelohnt, und doch Kriemhilden dem Bruder empfehlend, ringt er den Todeskampf.

In der Nacht führen sie den Leichnam über den Rhein. Hagen heisst ihn vor Kriemhilds Kammertür legen. Als man zur Mette läutet, bringt der Kämmerer Licht und sieht den blutigen Toten, ohne ihn zu erkennen. Er meldet es Kriemhilden, die mit ihren Frauen zum Münster gehen will. Sie weiss, dass es ihr Mann ist, noch ehe sie ihn gesehen; zur Erde sinkt sie und das Blut bricht ihr aus dem Munde. Der alte Siegmund wird herbeigerufen; Burg und Stadt erschallen von Wehklage. Am Morgen wird der Leichnam auf einer Bahre im Münster aufgestellt. Da kommen Gunther und der grimme Hagen; der König jammert. »Räuber,« sagt er, »haben den Helden erschlagen.« Kriemhild heisst sie zur Bahre treten, wenn sie sich unschuldig zeigen wollen; da blutet vor Hagen die Wunde des Toten. Drei Tage und drei Nächte bleibt Kriemhild bei ihm; sie hofft, auch sie werde der Tod hinnehmen. Messopfer und Gesang für seine Seele rasten nicht in dieser Zeit. Als darauf Siegfried zu Grabe getragen wird, heisst Kriemhild den Sarg wieder aufbrechen, erhebt noch einmal sein schönes Haupt mit ihrer weissen Hand, küsst den Toten und illre lichten Augen weinen Blut. Freudlos kehrt der König Siegmund heim. Kriemhild lässt sich am Münster eine Wohnung bauen, von wo sie täglich zum Grabe des Geliebten geht. Vierthalb Jahre spricht sie kein Wort mit Gunthern und ihren Feind Hagen sieht sie niemals. Hagen aber trachtet, dass der Nibelungenhort in das Land komme. Gernot und Giselher bringen die Schwester erst dahin, dass sie Gunthern, mit Tränen, wieder grüsst; dann wird sie beredet, den Hort, ihre Morgengabe von Siegfried, herführen zu lassen. Als sie aber das Gold freigiebig austeilt, fürchtet Hagen den Anhang, den sie damit gewinne. Da werden ihr die Schlüssel abgenommen, und als sie darüber klagt, versenkt Hagen den ganzen Schatz im Rheine.

Dreizehn Jahre hat Kriemhild im Witwentum gelebt. Da stirbt Frau Helke, des gewaltigen Hunnenkönigs Etzel Gemahlin. Ihm wird geraten, um die edle Kriemhild zu werben, und er sendet nach ihr den Markgrafen Rüdiger mit grossem Geleite. Den Königen zu Worms ist die Werbung willkommen; Hagen aber widerrät. Kriemhild selbst widerstrebt lange: Weinen geziem' ihr und andres nicht. Erst als Rüdiger heimlich mit ihr spricht und ihr schwört, mit allen seinen Mannen jedes Leid, das ihr widerfahre, zu rächen, hofft sie noch Rache für Siegfrieds Tod und reicht ihre Hand das. Sie fährt mit den Boten hin, im Geleit ihrer Jungfrauen und des Markgrafen Eckewart, der mit seinen Mannen ihr bis an sein Ende dienen will. Ihr Weg geht über Passau, wo der Bischof Pilgrim, ihrer Mutter Bruder, sie wohl empfängt, dann über Pechlarn, wo sie in Rüdigers gastlichem Hause einspricht. Bei Tuln reitet König Etzel ihr entgegen mit all den Fürsten, die ihm dienen, Heiden und Christen. Die Hochzeit wird zu Wien begangen; zu Wiselburg schiffen sie sich auf die Donau ein. So kommen sie gen Etzelnburg, wo Kriemhild fortan gewaltig an Helken Stelle sitzt. Sie genest eines Sohnes, der Ortlieb genannt wird.

Aber in dreizehn Jahren solcher Ehre vergisst sie nicht ihres Leides; allezeit denkt sie, wie sie es räche. Sie klagt dem Gemahle, dass man sie für freundlos halte, weil ihre Verwandten noch niemals zu ihr gekommen. So bewegt sie ihn, ihre Brüder zu einem Fest auf nächste Sonnenwende herzuladen. Werbel und Swemmel, des Königs Spielleute, werden als Boten gesandt und Kriemhild empfiehlt ihnen, dass Hagen nicht zurückbleibe, der allein der Wege kundig sei. König Gunther bespricht sich mit seinen Brüdern und Mannen über die Botschaft. Hagen, des Mordes eingedenk, rät ab von der Reise; als aber Gernot und Giselher ihn der Furcht zeihen, schliesst er zürnend sich an, rät jedoch, mit Heeresmacht auszufahren. Rumolts, des Küchenmeisters, Rat ist, daheim zu bleiben, bei guter Kost und schönen Frauen. Als sie zur Fahrt bereit sind, hat Frau Ute einen bangen Traum, wie alles Geflügel im Lande tot sei.

Mit tausend und sechzig ihrer Mannen, dazu tausend Nibelungen, und mit neuntausend Knechten erheben sich die Könige; durch Ostfranken ziehen sie zur Donau, zuvorderst reitet Hagen. Der Strom ist angeschwollen und kein Schiff zu sehen. Hagen geht gewappnet umher, einen Fährmann suchend. Er hört Wasser rauschen und horcht; in einem schönen Brunnen baden Meerweiber. Er schleicht ihnen nach, aber ihn gewahrend entrinnen sie und schweben, wie Vögel, auf der Flut. Ihr Gewand jedoch hat er genommen und die eine, Hadeburg, verspricht ihm, wenn er es wiedergebe, das Geschick der Reise vorherzusagen. Wirklich verkündet sie, dass die Fahrt in Etzels Land wohl ergehen werde. Als er darauf die Kleider zurückgegeben, rät die andre, Sieglind, jetzt noch umzukehren, sonst werden sie alle bei den Hunnen umkommen, nur des Königs Kaplan werde heimgelangen. Noch sagen sie ihm, wenn er die Fahrt nicht lassen wolle, wie er über das Wasser komme. Jenseits des Stromes wohnt der Ferge des bayrischen Markgrafen Else; laut ruft Hagen hinüber und nennt sich Amelrich, einen Mann des Markgrafen; hoch am Schwerte bietet er einen Goldring als Fährgeld. Der Ferge rudert herüber, als er sich aber betrogen sieht und Hagen nicht vom Schiffe weichen will, schlägt er den Helden mit dem Ruder. Hagen greift zum Schwerte, schlägt dem Fergen das Haupt ab und wirft es an den Grund. Dann bringt er das Schiff, das von Blute raucht, zu seinen Herrn und fährt selbst, den ganzen Tag arbeitend, das Heer über. Den Kaplan aber schwingt Hagen aus dem Schiffe und stösst ihn, als er zu schwimmen versucht, zürnend zu Grunde; dennoch kommt der Priester unversehrt an das Ufer zurück. Hagen sieht daraus, dass unvermeidlich sei, was die Meerweiber verkündet; da schlägt er das Schiff zu Stücken und wirft es in die Flut, damit, gibt er zuerst vor, kein Zager entrinnen könne. Bald aber sagt er den Recken ihr Schicksal, davor manches Helden Farbe wechselt.

Über Passau kommen sie auf Rüdigers Mark, wo sie den Hüter schlafend finden, dem Hagen das Schwert nimmt. Es ist Eckewart, der mit Kriemhilden hingezogen. Beschämt über seine üble Hut, empfängt er das Schwert zurück und warnt die Helden. Zu Pechlarn erfahren sie die Gastfreiheit des Markgrafen Rüdiger und seiner Hausfrau Gotelind. Sie schöne Tochter des Hauses wird Giselhern verlobt; keiner von ihnen geht unbeschenkt hinweg. Rüdiger selbst mit fünfhundert Mannen begleitet die Helden zum Feste. Dietrich von Bern, der bei den Hunnen lebt, reitet mit seinen Amelungen den Gästen entgegen. Auch er warnt, dass die Königin noch jeden Morgen um Siegfried weine.

Kriemhild steht im Fenster und blickt nach ihren Verwandten aus, der nahen Rache sich freuend. Als die Burgunden zu Hofe reiten, fragt jedermann nach Hagen, der den starken Siegfried schlug. Der Held ist wohl gewachsen, von breiter Brust und langen Beinen; die Haare grau gemischt, schrecklich der Blick, herrlich der Gang. Zuerst küsst Kriemhild Giselhern; als Hagen sieht, dass sie im Gruss unterscheide, bindet er sich den Helm fest. Ihn fragt sie nach dem Horte der Nibelunge; Hagen erwidert, er hab' an Schild und Brünne (Brustharnisch), Helm und Schwert genug zu tragen gehabt. Als die Helden ihre Waffen nicht abgeben wollen, merkt Kriemhild, dass sie gewarnt sind; wer es getan, dem droht sie den Tod. Zürnend sagt Dietrich, dass er gewarnt. Hagen nimmt sich Volkern zum Heergesellen; sie setzen sich Kriemhilds Saale gegenüber auf eine Bank. Die Königin, durchs Fenster blickend, weint und fleht Etzels Mannen um Rache an Hagen. Sechzig derselben wappnen sich; als ihr diese zu wenig dünken, rüsten sich vierhundert. Die Krone auf dem Haupte, kommt sie mit dieser Schar die Stiege herab. Der übermütige Hagen legt über seine Beine ein lichtes Schwert, aus dessen Knopf ein Jaspis scheint, grüner denn Gras; wohl erkennt Kriemhild, dass es Siegfrieds war. Furchtlos sitzen sie da und keiner steht auf, als die Königin ihnen vor die Füsse tritt. Sie wirft Hagen vor, dass er ihren Mann erschlagen; da spricht Hagen laut aus, dass er es getan, räch' es, wer da wolle! Die Hunnen sehen einander an und ziehen ab, den Tod fürchtend.

König Etzel, von all dem nichts wissend, empfängt und bewirtet die Helden auf das beste. Zu Nachtruhe werden sie in einen weiten Saal geführt, wo kostbare Betten bereitet sind. Hagen und Volker halten vor dem Hause Schildwacht. Volker lehnt den Schild von der Hand, nimmt die Fiedel und setzt sich auf den Stein an der Türe. Süsser und süsser lässt er seine Saiten tönen, bis alle die Sorgenvollen entschlummert sind. Mitten in der Nacht glänzen Helme aus der Finsternis; es sind Gewaffnete, von Kriemhilden geschickt; doch als sie die Türe so wohl behütet sehn, kehren sie wieder um.

Morgens, da man zur Messe läutet, heisst Hagen seine Gefährten statt der Seidenhemde die Harnische nehmen, statt der Mäntel die Schilde, statt der Kränze die Helme, statt der Rosen die Schwerter. Etzel fragt, ob ihnen jemand Leides getan. Hagen antwortet, es sei Sitte seiner Herren, bei allen Festen drei Tage gewappnet zu gehen. Aus Übermut sagen sie dem König ihren Argwohn nicht. Nach der Messe beginnen Ritterspiele. Dietrich verbietet seinen Recken teilzunehmen; auch Rüdiger hält die seinigen ab, weil er die Burgunden unmutig sieht. Einem Hunnen, der bräutlich aufgeputzt daherreitet, sticht Volker den Speer durch den Leib. Die Verwandten des Hunnen rufen nach Waffen, Etzel selbst muss schlichten; er reisst einem das Schwert aus der Hand und schlägt die andern hinweg. Ehe sie zu Tische sitzen, sucht Kriemhild Dietrichs Hilfe; doch er verweist ihr den Verrat an ihren Blutsfreunden. Williger findet sie Blödeln, Etzels Bruder, dem sie das Land des erschlagenen Nudung und dessen schöne Braut verheisst. Mit tausend Gewappneten zieht er feindlich zur Herberge, wo Dankwart, der Marschalk, mit den Knechten speist. Nach kurzem Wortwechsel springt Dankwart vom Tisch und schlägt ihm einen Schwertschlag, dass ihm das Haupt vor den Füssen liegt. Das ist die Morgengabe zu Nudungs Braut. Ein grimmer Kampf erhebt sich. Die Hälfte der Hunnen wird erschlagen; aber andre zweitausend kommen und lassen nicht vom Streite, bis all die Knechte tot liegen. Dankwart allein haut sich zum Saale durch, wo die Herren sind. Eben wird Ortlieb, Etzels junger Sohn, seinen Oheimen zu Tische getragen. Da tritt Dankwart in die Tür, mit blossem Schwert, alle sein Gewand mit Hunnenblut beronnen. Laut rufend verkündet er den Mord in der Herberge. Hagen heisst ihn der Türe hüten, dass kein Hunne hinauskomme. Dann schlägt er das Kind Ortlieb, dass sein Haupt in der Königin Schoss springt. Dem Erzieher des Knaben schlägt er das Haupt ab und dem Spielmann Werbel, zum Botenlohne, die rechte Hand auf der Fiedel. So wütet er fort im Saale. Kriemhild ruft Dietrichs Hilfe an. Der Held, auf dem Tische stehend und mit der Hand winkend, lässt seine Stimme schallen wie ein Wisenthorn. Gunther hört im Sturme den Ruf und gebietet Stillstand. Dietrich verlangt, dass man ihn und die Seinigen mit Frieden aus dem Hause lasse. Gunther gewährt es. Da nimmt der Berner die Königin unter den Arm, an der andern Seite führt er Etzeln, mit ihm gehen sechshundert Recken. Auch Rüdiger mit fünfhunderten räumt ungefährdet den Saal. Einem Hunnen aber, der mit Etzeln hinaus will, schlägt Volker das Haupt ab. Was von Hunnen im Saal ist, wird niedergehauen. Die Toten werden die Stiege hinabgeworfen.

Vor dem Hause stehen viel tausend Hunnen. Hagen und Volker spotten ihrer Feigheit; umsonst beut die Königin einen Schild voll Goldes, samt Burgen und Land, dem, der ihr Hagens Haupt bringe. – Noch vor Abend werden zwanzigtausend Hunnen versammelt; bis zur Nacht währt der harte Streit. Da versuchen die Könige noch, Sühne zu erlangen. Kriemhild begehrt vor allem, dass sie ihr Hagen herausgeben. Die Könige verschmähen solche Untreue. Darauf lässt Kriemhild die Helden alle in den Saal treiben und diesen an vier Enden anzünden. Vom Winde brennt bald das ganze Haus. Das Feuer fällt dicht auf sie nieder, mit den Schilden wehren sie es ab und treten die Brände in das Blut. Rauch und Hitze tut ihnen weh; von Durst gequält trinken sie, auf Hagens Anweisung, das Blut aus den Wunden der Erschlagenen; besser schmeckt es jetzt denn Wein. Am Morgen sind ihrer noch sechshundert übrig zu Kriemhilds Erstaunen. Mit neuem Kampfe bietet man ihnen den Morgengruss. Die Königin lässt das Gold mit Schilden herbeitragen, den Streitern zum Solde.

Markgraf Rüdiger kommt und sieht die Not auf beiden Seiten. Ihm wird vorgeworfen, dass er für Land und Leute, die er vom König habe, noch keinen Schlag in diesem Streite geschlagen. Etzel und Kriemhild flehen ihn fussfällig um Hilfe. Jener will ihn zum Könige neben sich erheben; diese mahnt ihn des Eides, dass er all ihr Leid rächen wolle. Was Rüdiger lässt oder beginnt, so tut er übel. Er hat die Burgunden hergeleitet, sie in seinem Hause bewirtet, seine Tochter, seine Gabe ihnen gegeben. Land und Burgen, was er vom Könige hat, heisst er wiedernehmen und will zu Fuss ins Elend gehen. Doch er muss leisten, was er gelobt, steht auch Seel' und Leib auf der Wage. Weib und Kind befiehlt er den Gebietern und heisst seine Mannen sich rüsten. Kriemhild ist freudenvoll und weint. Als Giselher den Schwäher mit seiner Schar daherkommen sieht, freut er sich der vermeinten Freundeshilfe. Rüdiger aber stellt den Schild vor die Füsse und sagt den Burgunden die Freundschaft auf. Umsonst mahnen sie in aller Lieb' und Treue. Er wünscht, dass sie am Rheine wären und er mit Ehren tot; aber den Streit kann niemand scheiden. Schon heben sie die Schilde, da verlangt Hagen noch eines. Der Schild, den ihm Frau Gotelind gegeben, ist ihm vor der Hand zerhauen; er bittet Rüdigern um den seinigen. Rüdiger gibt den Schild hin, es ist die letzte Gabe, die der milde Markgraf geboten. Manches Auge wird von heissen Tränen rot, und wie grimmig Hagen ist, erbarmt ihn doch die Gabe. Er und sein Geselle Volker geloben, Rüdigern nicht im Streite zu berühren. Hinan springt Rüdiger mit den Seinen; sie werden in den Saal gelassen, schrecklich klingen drin die Schwerter. Da sieht Gernot, wie viel seiner Helden der Markgraf erschlagen, und springt zum Kampfe mit diesem. Schon hat er selbst die Todeswunde empfangen, da führt er noch auf Rüdigern den Todesstreich mit dem Schwerte, das der ihm gegeben. Tot fallen beide nieder, einer von des andern Hand. Die Burgunden üben grimmige Rache, nicht einer von Rüdigers Mannen bleibt am Leben.

Ungeheure Wehklage erhebt sich von Weib und Mann; wie eines Löwen Stimme erschallt Etzels Jammerruf. Helfrich bringt die Kunde, dass Rüdiger samt seinen Mannen erschlagen sei. Der Berner will von den Burgunden selbst erfahren, was geschehen sei, und schickt den Meister Hildebrand. Als dieser gehen will, tadelt ihn Wolfhart, dass er ungewaffnet gehe und so dem Schelten sich aussetze. Da waffnet sich der Weise nach der Unbesonnenen Rat. Zugleich rüsten sich, ohne Dietrichs Wissen, all seine Recken und begleiten den Meister. Hildebrand befragt die Burgunden und Hagen bestätigt Rüdigers Tod; Tränen rinnen Dietrichs Recken über die Bärte. Der Meister bittet um den Leichnam, damit sie nach dem Tode noch des Mannes Treue vergelten. Wolfhart rät, nicht lange zu flehen. Sie sollen ihn nur aus dem Hause holen, erwidert Volker; mit trotzigen Reden reizen sich die beiden. Wolfhart will hinanspringen, aber Hildebrand hält ihn fest, an Dietrichs Verbot mahnend. »Lass ab den Leuen!« spottet Volker. Da rennt Wolfhart in weiten Sprüngen dem Saale zu; zornvoll alle Berner ihm nach. Ein wütender Kampf beginnt. Niemand bleibt lebend als Gunther und Hagen und von den Bernern Hildebrand, der mit einer starken Wunde von Hagens Hand entrinnt. Blutberonnen kommt er zu seinem Herrn, der traurig im Fenster sitzt. Dietrich fragt, woher das Blut. Hildebrand erzählt, wie sie Rüdigern haben wegtragen wollen, den Gernot erschlagen. Als Dietrich den Tod Rüdigers bestätigen hört, will er selbst hingehen und befiehlt dem Meister, die Recken sich waffnen zu heissen. »Wer soll zu euch gehn?« sagt Hildebrand; »Was ihr habt der Lebenden, die seht ihr bei euch stehn.« Mit Schrecken hört der Berner den Tod seiner Mannen; das Haus erschallt von seiner Klage. Da sucht er selbst sein Waffengewand, Hildebrand hilft ihn wappnen. Dietrich geht zu Gunthern und Hagen, hält ihnen vor, was sie ihm Leides getan, und verlangt Sühne. Sie sollen sich ihm zu Geiseln ergeben, dann woll' er selbst sie heimgeleiten. Hagen nennt es schmählich, dass zwei wehrhafte Männer sich dem einen ergeben sollen. Schon als er den Berner kommen sah, vermass er sich, allein den Helden zu bestehen. Des mahnt ihn jetzt Dietrich. Sie springen zum Kampfe. Dietrich schlägt dem Gegner eine tiefe Wunde, aber töten will er nicht den Ermüdeten; den Schild lässt er fallen und umschlingt ihn mit den Armen. So bezwingt er ihn und führt ihn gebunden zu der Königin. Das ist ihr ein Trost nach herbem Leide. Dietrich verlangt, dass sie den Gefangenen leben lasse. Dann kehrt er zu Gunthern; nach heissem Kampfe bindet er auch diesen und übergibt ihn Kriemhilden mit dem Beding der Schonung. Sie aber geht zuerst in Hagens Kerker und verspricht ihm das Leben, wenn er wiedergebe, was er ihr genommen. Hagen erklärt, er habe geschworen, den Hort nicht zu zeigen, solang seiner Herren einer lebe. Da lässt Kriemhild ihrem Bruder das Haupt abschlagen und trägt ihn am Haare vor Hagen. Dieser weiss nun allein den Schatz; nimmer, sagt er, soll sie ihn erhalten. Aber ihr bleibt doch Siegfrieds Schwert, das er getragen, als sie ihn zuletzt sah. Das hebt sie mit den Händen und schlägt Hagen das Haupt ab. Der alte Hildebrand erträgt es nicht, dass ein Weib den kühnsten Recken erschlagen durfte. Zornig springt er zu ihr, nichts hilft ihr Schreien, mit schwerem Schwertstreich haut er sie zu Stücken. So liegt all die Ehre darnieder; mit Jammer hat das Fest geendet, wie alle Lust zujüngst zum Leide wird.