Johann Nestroy
Judith und Holofernes
Johann Nestroy

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Johann Nestroy

Judith und Holofernes

Travestie mit Gesang in einem Akt


Personenverzeichnis

Holofernes
Feldherr der Assyrier
Idun,
Chalkol,
Zepho
Hauptleute der Assyrier
Achior
des Holofernes Kämmerling
Ein Herold
 
Der Gesandte von Mesopotamien
 
Oberpriester des Baal
 
Erster, Zweiter
Baalspriester
Jojakim
der Hohepriester in Bethulien
Joab
sein Sohn, Volontär in der hebräischen Armee
Judith
seine Tochter, Witwe
Mirza
Magd in Jojakims Hause
Assad,
Daniel, blind und stumm, Assads Bruder,
Ammon, Schuster,
Hosea,
Nabal,
Ben,
Nazael,
Heman , Schneider,
Nathan,
Rachel, Assads Weib,
Sara, Ammons Weib
Einwohner von Bethulien

Priester des Baal, Hauptleute und Krieger der Assyrier, Hebräische Krieger und Volk

Die Handlung geht teils im Lager von Holofernes, teils in Bethulien vor.

"Judith und Holofernes" von Friedrich Hebbel hatte am 1. Februar 1849 im Burgtheater seine Wiener Erstaufführung. Die Travestie von Nestroy, die die unfreiwillige Komik des Originals ausnützt, hatte ihre Erstaufführung am 13. März 1849; bis 1862 gab es siebenundsechzig Aufführungen. Der Theaterzettel gab noch an: Musik von Kapellmeister Michael Hebenstreit.


Judith und Holofernes

Das Lager des Holofernes, rechts dessen Zelt (Rechts und links vom Schauspieler)

ERSTE SZENE

Der Oberpriester und zwei Priester des Baal. Idun, Chalkol, Zepho und mehrere Krieger.
(Alle sind vor dem Zelte Holofernes' versammelt.)

Chor. Holofernes heißt der Held,
Vor dem die ganze Welt
Und alles, was drauf lebt,
Erzittert und erbebt.
Er ist der Feinde Schrecken, Schrecken, Schrecken,
Tut alles niederstrecken, -strecken, -strecken;
Blitzstrahl ist sein Grimm, Grimm, Grimm,
Donner seine Stimm', Stimm', Stimm'!
Weil er uns sonst niederhaut,
Preisen wir ihn alle laut!
(Mit dem Ende des Chores tritt Holofernes aus dem Zelte.)

ZWEITE SZENE

Die Vorigen. Holofernes.

Holofernes. Da bin ich, Jetzt kann's angehn.

Idun. Was meinst du?

Chalkol. Der Sturm?

Zepho. Die Schlacht?

Holofernes. Nix da, die Götzenopferei. An welchem unserer Götter is denn heut' die Tour?

Oberpriester. Baal hat am längsten kein Opfer gekriegt.

Holofernes. Gut also! Baal ist überhaupt ein charmanter Gott, der mit einigen Lampeln zufrieden ist.

Oberpriester. Baal wird dir ferner noch Sieg verleihn.

Holofernes. Solang" ich die Siege erkämpfe, ganz gewiß.

Oberpriester. Wenn er dich nicht beschirmte –

Holofernes. Is schon gut, ich halt' mich ja nicht auf, wenn's auch a paar Kalbein sind. (Leise.) Ich kenne den Rummel und weiß recht gut, wer die Opfertiere speist.

Oberpriester. Aufgeklärter Holofernes, das blöde Volk –

Holofernes. Muß an den Opferappetit der Götter glauben. Wenn du mir aber ein Götzen-X für ein Vernunft-U machen willst, so tu ich einmal deinen Göttern einen guten Tag an und lass' dich selber opfern.

Oberpriester. Herr –!

Holofernes. Kusch!

Oberpriester (zu den Hauptleuten). Er ist nicht gut zu sprechen.

Idun (leise). Mir sagte sein Kämmerling, daß er mit dem linken Fuß aufgestanden.

Chalkol (ebenso). An solchen Tagen ist immer seine rechte Hand zu fürchten.

Zepho (ebenso). Es ist eine schöne Kommission, in seiner Suite zu sein. (Alle ab bis auf Holofernes.)

DRITTE SZENE

Holofernes (allein).

Holofernes. Ich bin der Glanzpunkt der Natur, noch hab' ich keine Schlacht verloren, ich bin die Jungfrau unter den Feldherrn. Ich möcht' mich einmal mit mir selbst zusammenhetzen, nur um zu sehen, wer der Stärkere is, ich oder ich. (Nach dem Hintergrunde blickend.) Wer kommt dort in assyrischer Hoflivree? Ein langweiliger Bote von meinem faden Herrn und König.

VIERTE SZENE

Der Vorige. Der Herold.

Herold. Nebukadnezar, der da herrscht vom Orient bis zum Okzident, vom Kontinent bis zum –

Holofernes. Fikrament und kein End' –! Was will er, der Nebukadnezar?

Herold. Nebukadnezar will nicht, daß ferner andere Götter verehrt werden neben ihm.

Holofernes (für sich). Da kann man sehen, wie köbig die Könige werden, wenn sie Holofernesse haben, die ihnen die Welt erobern.

Herold. Nebukadnezar will, daß bei jedem Sonnenaufgang ihm geopfert werde.

Holofernes. Beim Sonnenaufgang? (Beiseite.) Der Mann wird billig, wir sind ja seine Untertanen, folglich seine Opfer zu jeder Stund'.

Herold. Dies ist der Wille des Königs der Könige.

Holofernes. Meine Empfehlung, es ist schon gut! (Der Herold geht ab.)

FÜNFTE SZENE

Holofernes (allein).

Holofernes. Recht eine gute Haut, dieser König der Könige, aber ein Glück für diese Haut, daß sie mit lauter Nebukadnezar ausgeschoppt ist. Heda! Sind keine falschen Priester da?

SECHSTE SZENE

Oberpriester. Zwei Priester. Der Vorige.

Oberpriester. Was befiehlst du, Holofernes?

Holofernes. Nebukadnezar ist von heut' an Gott, das heißt, von heut' an sagt er's laut, was er sich schon lang im stillen eingebildet hat.

Oberpriester. Herr, das begreif ich nicht.

Holofernes. Tut nichts, wenn du's nur dem Volke begreiflich machst.

Oberpriester. Sehr wohl! (Ah.)

Priester. Ich werde neue Zeremonien ersinnen.

Holofernes. Zwölf assyrische Louisdor sind dein Lohn.
(Die Priester gehen ab.)

SIEBENTE SZENE

Holofernes (allein).

Holofernes. Sixt es, sixt es, jetzt is der Nebukadnezar ein Gott! Und wer hat ihn dazu gemacht? Mein Spadi durch die Bastoni, die er den Feinden ausgeteilt. (Aufs Schwert schlagend.) Hier ist die Götterfabrik! Was in der neuen Zeit durch Bajonette geht, das richten wir, die grauen Vorzeitler, mit dem Schwert.

ACHTE SZENE

Achior. Der Vorige.

Achior. Es sind Abgesandte von einem König draußen; sie lassen bitten um ein bisserl a Audienz.

Holofernes. Von was für einem König?

Achior. Der Teuxel kann sich die Namen alle merken.

Holofernes. 's is wahr, die Menge König', die sich mir schon ergeben haben, 's wird ei'm völlig der Kopf dumm. Ich werd' nächstens in der Zerstreuung ein Land verheeren und ein Dutzend Stadt' verbrennen, und nadier wird's mir erst einfallen, daß es ein gutwillig unterworf'ner König war. (Zu Achior.) Herein mit die Gesandten! (Achior winkt, der mesopotamische Gesandte tritt mit Gefolge samt Idun, Chalkol und Zepho auf.)

NEUNTE SZENE

Die Vorigen. Der Gesandte. Gefolge. Idnn. Chalkol. Zepho.

Der Gesandte. Großer Holofernes –!

Holofernes. Wie heißt dein Prinzipal?

Der Gesandte. Er ist mit Dero Erlaubnis so frei, König von Mesopotamien zu sein.

Holofernes. Das werden wir erst sehn, ob ich's ihm erlaub'. Er is also ein damischer Gesandter, nämlich ein mesopotamischer?

Der Gesandte. Aufzuwarten!

Holofernes. So is's recht; die Völker müssen kuschen, die Gesandten aufwarten und die Könige müssen mir ihre Kronen apportieren. Ich möcht', daß die ganze Menschheit aufg'hängt war', um dann der einzige zu sein, der die Welt als wie einen Hund mit Füßen tritt. Ich bin ein großartiger Kerl.

Der Gesandte. Mesopotamien unterwirft sich ohne alle Bedingungen, auf Gnad' und Ungnad'; selbst die ungnad' is uns eine Gnad'.

Holofernes. Warum so spät? Was zieht ihr euch wie Strudelteige? Is es so weit von Mesopotamien bis daher? Warum habt ihr euch keinen Separattrain spendiert?

Der Gesandte. Ich erlaube mir, im Namen meines Königs vor deinem Grimm zu beben.
Holofernes. Ich hab' es geschworen, das Volk, was sich zuletzt unterwirft, wird aus'brennt wie die Schwaben.

Der Gesandte. Wir sind aber die vorletzten und tun gar schön bitten um Gnad', während die obstinaten Hebräer sich widersetzen; sie verschanzen sich und schlagen ihre verwegenen Stadttore einem Holofernes vor der Heldennase zu.

Holofernes. Wer sind diese Hebräer?

D er Gesandte. Die Hebräer sind ein merkwürdiges Volk.

Holofernes. Einen Merks will ich ihm geben. Wer ist ihr König?

Der Gesandte. Ihr Gott ist zugleich ihr König.

Holofernes. "Und woanders is der König zugleich der Gott, das kommt am End' auf eins heraus.

Der Gesandte. Künste und Wissenschaft lieben sie, Handwerk und Ackerbau ist ihnen verhaßt.

Holofernes. Kein Ackerbau? Ja, von was leben s' denn hernach?

Der Gesandte. Von Rebbach, ihre Nahrung besteht aus Vierteln, aus Achteln und aus Sechzehnteln, auch saugen sie aus allem Möglichen Perzente.

Holofernes. Is sie stark, die hebräische Armee?

Der Gesandte. Je nachdem. – Im Kämpfen sind sie schwach, wenn aber der Himmel für sie Wunder wirkt, da triumphieren sie über ihre Feinde, daß es eine Passion is.

Holofernes. Und sonst haben sie keine Schmerzen? Geh zu ihrem Oberpriester, er soll seinem Gott melden, der Holofernes is da! Mit so einem Helden hat er's noch nie zu tun g'habt, da is in ganz Wien, will ich sagen, in ganz Assyrien keiner, der mir 's Wasser reicht. (Der Gesandte ab.) Und ihr, meine Getreuen, folgt mir in den Kampf! Man sattle mir das buckligste meiner Kamele, auf nach – nach – wie heißt das Nest?

Idun. Bethulien.

Holofernes. Auf also, nach Bettituttien! (Kriegerische Musik ertönt. Allgemeine Bewegung im Lager. Dem Holofernes wird ein Kamel mit zwei großen Höckern vorgeführt, er besteigt es so, daß er zwischen den beiden Höckern reitet, und umkreist unter jubelndem Schlachtruf die Bühne.)

Verwandlung

Strada in Bethulien.

ZEHNTE SZENE

Ammon. Hosea.

Ammon. Was sagst du, Hosea, mein Freund!

Hosea. Was soll man da sagen, sie stehn draußen vor'n Tor.

Ammon. Aber werden sie stehnbleib'n draußen? Nein, sie werden dringen herein.

Hosea. Wir werden ihnen verschließen die Tore.

Ammon. Dann werden sie uns zernieren!

Hosea. Zernieren, was is das?

Ammon. Zernieren, das is a Manöver, wo die Kreuzersemmel steigt auf ein' Gulden; wo sie die Milch werden bringen auf die Bors' und aufwiegen mit klingendem Gold; wo 's Rindfleisch a solche Rarität wird, daß einer den andern möcht' schächten.

Hosea. Da können wir machen a Geschäft. Schießen wir zusamm'.

Ammon. Zusamm'schießen? Den Holofernes und sein' Armee?

Hosea. Was Holofernes! Wir schießen zusamm' unser Geld und kaufen alles auf, was is Eßbares in der Stadt; wenn dann wird kommen die Hungersnot, profitieren wir dreihundert Perzent.

Ammon. Da verhungern wir dann als reiche Leut'.

ELFTE SZENE

Assad. Die Vorigen.

Assad. Was steht ihr da ohne Waffen? Was is das?

Hosea. Waffen, zu was Waffen?

Assad. Alles muß sich bewaffnen, die ganze Bürgerschaft von Bethulien wird geteilt in zwei Glieder; ins erste Glied kommt der Besitz, ins zweite die Intelligenz. Mir hab'n s' eing'schrieben als Korporal, jetzt geh' ich mir kaufen ein' Säbel.

Ammon. Assad, du wirst opfern dein Leben, laß ab von der Kämpferei!

Assad. Wer sagt denn, daß werd' ich kämpfen? Der Säbel gehört zum Exerzieren.

Hosea. Exerzieren und versäumen die Bors' –? Schreckliche Zeiten, daß hab' ich müssen das erleben!

Assad. Ohne Ausnahm', exerzieren muß alls, sonst läuft einer dahin, der andere dorthin; so aber, wenn wird kommen die Hungersnot, dann verhungert die eine Kolonne halb links, die andere halb rechts.

Ammon. Mir fangt an zu kommen die Angst.

Hosea. Mir auch. Ich werd' mir streuen Asche auf das Haupt und mich stecken in einen Sack.

Assad. Zu was? Exerzieren is noch 's g'scheiteste.

Hosea. Da kommt der Hohepriester Jojakim.

Ammon. Der wird doch haben Trost für einen frommen Hebräer.

ZWÖLFTE SZENE

Jojakim. Die Vorigen.

Jojakim (von Seite links auftretend). Weh! Weh! Dreimal weh!

Ammon. Is das der ganze Trost, den uns die Priesterschaft gibt?

Jojakim. Wenn ihr auch alle solltet umkommen von den Schwertern der Feinde, so denkt, daß ihr's so verdient habt durch eure Sünden.

Hosea. Was sagen Sie zu dem Mann? Der lebt von unsern Abgaben, dem müssen wir zahlen den Zehent.

Jojakim. Und solltet ihr euch fühlen schuldlos, so denkt nur, der Herr bestraft die Sünden der Väter an den Kindern und Enkeln bis ins zehnte Glied.

Assad. Machen Sie keine beleidigenden Bonmots auf die ewige Gerechtigkeit. (Zu den beiden andern.) Kommts, gehn wir exerzieren, das is allweil noch 's g'scheiteste. (Geht mit Ammon und Hosea links ab.)

DREIZEHNTE SZENE

Der Hohepriester Jojakim (allein).

Jojakim. Der Zorn des Himmels fällt herab als feuriger Regen auf die Häupter der Gottlosen, doch so wie der Arzt Balsam in die Wunden, so träufle mein Wort Erquickung in die schmachtende Seele. Weh! Weh! Dreimal wehe!!! (Geht zur Seite rechts ab.)

VIERZEHNTE SZENE

Joab (tritt während dem Ritornell des folgenden Liedes von Seite links auf).

Joab.

1.

Krieg von allen Seiten, drum geht auch per se
Auf Urlaub die ganze hebräische Armee;
Der eine hat a Weib und fünf Kind'r in der Wieg'n,
Der andre wohl nicht, aber er kann s' Ja noch krieg'n.
Kurz, Jeder geht ham. – D' Völker, die 's nicht verstehn,
Spotten freilich, wenn s' uns sehn mit Waffen h'rumgehn;
Unsre Waffen sind nicht Luxus bloß, wie mancher meint,
Wir müssen doch was hab'n, was wir strecken vor'n Feind.

Unsere Leut'
Sind gar g'scheit,
Hab'n zum Kriegführ'n ka Freud'.

2.

Wie Gott freie Wahl unt'r all'n Völkern hat g'habt,
Hat er ohne viel B'sinnen auf d' Hebräer glei tappt.
Wir sind sein' Passion, drum werd'n wir auch reussier'n,
Ohne daß wir mit Schlachten uns abstrappizier'n.
Tut der Himmel aber auf unsern Fall spekulier'n,
Nutzt's uns nix, wenn wir 'n Feind und uns selbst malträtier'n;
Wir Hebräer hab'n Wunder g'nug in unsrer G'schicht',
Auf die Wunder der Tapferkeit leist'n wir Verzicht.

Unsere Leut'
Sind gar g'scheit,
Hab'n zum Kriegführ'n ka Freud´.

(Nach dem Liede.) Der Moses, der Moses, das war der wahre General! Überhaupt, d' größten Generale find't man in der biblischen G'schicht'. Schon der Adam hat gemacht die großartige Retirad' aus 'n Paradies; wie is gekommen der Engel mit 'n feurigen Schwert, wie schön hat er da gekommandiert: »Rechts um! Eva, links schwenkt euch! Marsch!« – Was war der Überschwemmungsheld Noah für ein Admiral, dieser sündflutige Kolumbus und Nelson in einer Person! – Was für ein Kommandierender war der Josua. »Halt!« hat er g'schrien, und die Sonne ist gestanden still und hat ihm mit die Strahl'n salutiert. Soll´s einer probieren jetzt, werd'n wir schon sehn. – Wie kolossal war das Belagerungsmanöver gegen Jericho! Tataratatatata, und d' Bastei is in Stadtgraben g'leg'n, und damals haben s' nicht einmal noch die Klappentrompeten gehabt. Jetzt erst der Moses! Unter dem seinen Kommando hat 's Rote Meer Spalier gemacht trotz der hannoveranischen Gard', bei seiner vierzigjährigen Wüstenrekognoszierung hat's Wachteln g'regnet und Preßburger Zwieback g'schneit, das halt' ich jedenfalls für das Nonplusultra der Strategie! (Nach rechts sehend.) Was is das!? Was seh' ich!? Der Tate –!

FÜNFZEHNTE SZENE

Jojakim. Der Vorige.

Jojakim. Joab, mein Sohn! Laß dich umarmen, mein Sohn Joab, mein tapferer Kadett! (Umarmt ihn.)

Joab (zu Jojakim). Tate!

Jojakim. Joab, in was bist du gekommen für einer abscheulichen Period'! Greu'l der Verwüstung in Israel, Erdbeben in der Handelswelt, die festesten Häuser stürzen übereinander, und vom Geschäftshimmel fallen die Sterne herab.

Joab. Sag' mir der Tate, wie stehn die babylonischen Metallique und die mesopotamischen Livoneser?

Jojakim. Joab, mein Sohn, wer wird jetzt denken an a Bors'? Die assyrischen Nordbahnaktien steigen von Stund' zu Stund', unser Lebenskurs steht pari mit dem Tod, der Holofernes wird kommen als Sensal und wird machen den Abschluß mit uns.

Joab. Sie sagen halt, wir kriegen Teuerung, Hungersnot, und da is am besten, wenn man nimmt Staatspapiere in die Kost. – Man sollt' ihm machen, dem Holofernes, einen Prozeß; er is nur General, und wie geht er um mit die König'?! Is das Supperdination?

Jojakim. Sie sind ihm alle zinsbar, die Könige der Erde.

Joab. Was zinsbar? Is er der Hausherr? Logieren sie bei ihm als Partei? Unter andern, Tate, sie sagen auch bei unsrer tapfern Armee, daß er a Menschenfresser is? Wenn er tafelt, sagen sie, verspeist er drei Jungfrauen, zwei als Tauben in einer Pasteten, und die dritte tunkt er ein in Kaffee.

Jojakim. Joab, mein Sohn, es wird alles übertrieben; wer weiß, was er oft verspeist, der große Holofernes, waih geschrien!

Joab. Aber umbringen tut er s' doch stark.

Jojakim. Konträr! Der starke Held hat nur zwei schwache Seiten, ein' guten Wein und ein schönes Geschlecht.

Joab. Gottes Wunder, wie schad' ist das, daß is unser Judith nicht da! Die hätt' jetzt können werden die Retterin von ganz Israel.

Jojakim. Was sagst du von deiner Schwester Judith? Die wohnt draußen in Gebirg' und weint um ihren Manasses.

Joab. Unser Judith is a Schönheit – und nicht wahr, Tate, ich seh' ihr gleich?

Jojakim. Du bist worden geschaffen nach ihrem Ebenbild.

Joab. Die Mämme hat immer gesagt, wenn die Judith nicht war' gekommen a Jahr früher auf die Welt, wir hätten können sein zwei Zwilling'. (Von plötzlicher Inspiration ergriffen.) Ha, Beleuchtung von oben –! Prophetische Einwirkung von unten –! Begeisterung von allen Seiten –! Schmeichelei – Einschläfere! – Betäuberei – Meuterei – Sablerei –!!

Jojakim (erschrocken). Joab, du bist ja besessen, mein Sohn! (Murmelt eine talmudische Formel über ihn.)

Joab. Is schon wieder vorbei, aber – wo is der Kammerschlüssel von der Judith?

Jojakim. Von der Judith?

Joab. Tate, Sie werden staunen, wenn werden Sie sehn, was er wird vollbringen, der Joab, der schöne Kadett! (Dringend.) Wo is der Kammerschlüssel von der Judith?

Jojakim. Auf meinem Betschemel, da wirst du finden das Buch Genesis, daneben liegt der Kammerschlüssel von der Judith. Aber was du vorhast, warum soll es nicht wissen dein Tate?

Joab. Warum? Darum! Wenn der Himmel will wirken a Wunder durch mich, so lassen Sie dem Himmel sein' Freud'!

Jojakim. Joab, schon' dein Leben – (In die Szene links blickend.) Da kommt das Volk von Bethulien, ich darf nicht vergessen meinen großen Beruf –! (Im Abgehen.) Weh! Weh! (Geht links im Vordergründe ab.)

Joab (allein). Mein Plan is ein Wunder des Himmels, wenn er gelingt –! Ja, wann er jetzt will wirken Wunder, der Himmel, so muß es schon sein was Aparts, denn was die Menschen ehmals gehalten hab'n für ein Wunder, das is jetzt was ganz Ordinäres.

1.

In Babylon hab'n s' wollen ein' Stephansturm baun,
Der hat soll'n unserm Herrgott in d' Fenster einischaun,
Kaum war'n s' ober der Uhr, war'n s' schon alle verwirrt,
Eins hat spanisch und 's andre chinesisch disk'riert.

Das hab'n d' Leut' unerhört
Für a Wunder erklärt.

Jetzt hab'n auch woll'n viele baun bis in d' Wolken hinauf,
Aber 's tut's nicht, d' G'schicht' löst in sich selber sich auf,
Denn beim Grundsteinleg'n hab'n s' schon ang'stimmt ein' Diskurs,
Geg'n den alles Babylonische verstecken sich muaß.

So was nennt man kein Wunder jetzt mehr heutzutage
Man find't's ganz natürlich, und kein Hahn kräht danach!

2.

Uns're Vorfahr'n war'n Dalk'n, hab'n sich g'worfen zur Erd'
Und ein goldenes Kalb hab'n sie göttlich verehrt,
Für den Frevel an g'sunder Vernunft hab'n sie büßen
Und ich weiß nicht wieviel Jahr' in Elend leb'n müssen;

Das hab'n d' Leut' unerhört
Für a Wunder erklärt.

Wie viele gibt's jetzt unter unsere Herrn,
Die a Gans mit viel Geld als a Göttin verehr'n;
Das Schicksal tut ihnen d' verdiente Straf geb'n,
In Simandlketten führ'n s' a elendigs Leben.

So was nennt man kein Wunder jetzt mehr heutzutage
Man find't's ganz natürlich, und kein Hahn kräht danach!

3.

Wie der Jonas ins Meer hinein'plumpst is, was geschieht?
Kommt ein Walfisch und schlickt 51 ihn vor laut'r Appetit;
Doch er muß ihm nicht g'schmeckt hab'n, 's war ein heikliges Viech,
Nach drei Tag'n gibt er 'n ganzen Propheten von sich.

Das hab'n d' Leut' unerhört
Für a Wunder erklärt.

Wir hab'n Politiker jetzt voll prophetische Gab'n,
Die bei all'n, was g'schieht, sag'n, daß sie 's voraus g'wußt hab'n;
Ohne daß sie wer schlickt, lieg'n s' allen Leuten in Magen,
Was kein Walfisch verdaut, müss'n oft Menschen vertrag'n.

Und man nennt das kein Wunder jetzt mehr heutzutag´
Man find't's ganz natürlich, und kein Hahn kräht danach!

4.

Der ägyptische Josef hat g'schmacht't in Gefängnis,
Da wendet ein Pharao-Traum sein Verhängnis,
Sie hab'n ihn hervor'zog'n aus kerk'rischer Nacht
Und gleich zum Minister des Innern gemacht.

Das hab'n d' Leut' unerhört
Für a Wunder erklärt.

Solche Sprünge g'schehn häufig in neuester Zeit,
Nur machen sie 's umgekehrt meistens, die Leut'.
Gleich im Anfang sehn sie sich als Minister ganz hoch,
Man hilft ihnen aus 'n Traum, und 's Finale is 's Loch.

So was nennt man kein Wunder jetzt mehr heutzutage
Man find't's ganz natürlich, und kein Hahn kräht danach!

5.

D' Salomonischen Sprüche, die sind weltbekannt,
Vorzugsweise hat man ihn den Weisen genannt;
Später hat er mit Götzendienst sich wohl blamiert,
's heißt, sein' Massa von Weibern hat ihn dazu verführt.

Trotzdem wurd'r unerhört
Für a Wunder erklärt.

Wieviel Männ'r hab'n wir jetzt, wo in Reden und Schrift
Gar mancher den Salomon weit übertrifft.
Sie leb'n in Ansehn als ruhmvolle Herr'n,
Nur wenn s' alt wer'n, wer'n s' dumm und tun Weiberknecht' wer'n.

So was nennt man kein Wunder jetzt mehr heutzutage
Man find't's ganz natürlich, und kein Hahn kräht danach!
(Durch den Hintergrund links ab.)

SECHZEHNTE SZENE

Jojakim. Volk von Bethulien, darunter Ben, Nazael, Daniel, Rachel, Sara (treten sämtlich von Seite links aus dem Vordergrunde auf; Rachel führt den blind-stummen Daniel).

Sara. Das is zu arg. Die Hungersnot kommt zu steigen, und wenn sie steigt, so wachst sie.

Rachel (zu Jojakim). Mann Gottes! Was wird denn geschehn fürs allgemeine Wohl?

Jojakim. Weh! Weh!

Sara. Das spüren wir ohnedem! 's Paar Hendln kost't sechsundneunzig Gulden.

Nazael. Für ein' kälbernen Schlögel geben s' a dreistöckigs Haus.

Rachel (auf Daniel zeigend). Mein blinder Schwager hat lassen fallen seine Hand auf ein' Maschanzger, hab' ich müssen zahlen zwei blanke Dukaten. (Daniel macht heftige Bewegungen, durch die er seine Indignation kundgibt, und ißt gierig den Maschanzger.)

Ben (zu Rachel). Warum hat er denn nicht g'sagt, daß er is blind?

Rachel. Weil er stumm is, das is ja das Unglück.

Sara (nach rechts in die Szene deutend). Da schau' die Frau Rachel hin, da kommen unsere Männer.

Rachel. Ich glaub' gar – beim Stab Mosis! Sie exerzieren –! Was für ein Geist is gefahren in die friedlichen Bürger von Bethulien!

Sara. Sie exerzieren –!

SIEBZEHNTE SZENE

Assad. Ammon. Hosea. Nahal. Die Vorigen. (Sie marschieren mit gezogenen Säbeln heraus.)

Assad (als Korporal, die andern drei kommandierend). Eins! Zwei! Eins! Zwei! Eins! Zwei! Halt!

Rachel. Und wie schön sie das machen!

Hosea. Das Herumkommandieren fangt mich an zu verdrießen.

Nabal. Is er mehr als wir?

Ammon. Is nicht ein Jüd' als wie der andere?

Assad (kommandierend). Marsch!

Hosea. Wohin?

Assad. Wer hat was zu fragen, wenn ich kommandier´?

Hosea. Pack' ein, g'hörst auch nur unter die klein' Leut'!

Assad. Supperdination! Habt acht!

Ammon. Ich bin neugierig, auf was.

Assad. Links g'schaut!

Hosea. Warum? Links is gar nix! Warum sollen wir schauen links? Was ist da zu sehn?

Assad. Da soll doch das polnische Donnerwetter –!

Jojakim. Weh! Weh! (Hosea, Ammon und Nabal stecken ihre Säbel ein.)

Ammon. Ich lass' mich ausstreichen.

Hosea und Nabal. Wir auch!

Hosea. 's Exerzieren macht Appetit, das könnt' man grad brauchen in der Hungersnot.

Assad. Krumm und lahm sollts ihr werden!

Volk (zu Jojakim). Hilfe, schaff Hilfe, Hoher Priester!

Jojakim. Der Himmel kann euch nicht helfen, ihr habt ihm die Hände gebunden durch eure Sünden.

Assad. Wunder müssen g'schehen, Wunder und Zeichen, sonst –

Hosea. Mein Nachbar, der Schlosser, hat g'sagt, wenn nicht bis zum Schabbes kommt Hilfe von oben, so wird er lassen seine Lehrbub'n braten.

Assad. Unser ganzer Widerstand is eine Dummheit, wir wollen lieber sein schön unterwürfig, dem Holofernes öffnen das Tor, ihm machen ein tiefes Kompliment und sagen: »Euer Exzellenz sind der Beglücker von ganz Israel!«

Daniel (plötzlich die Sprache gewinnend). Steiniget ihn! Steiniget ihn!

Alle (mit Staunen). Was war das? Der Stummerl red't?

Rachel. Das is nur bei besondere Gelegenheiten der Fall.

Assad. Für gewöhnlich is er stumm.

Jojakim. Er ist gottbegeistert, hört auf sein Wort!

Hosea. Auf die Art müßt' sein Bruder Assad gesteinigt werden.

Rachel. War' mir nicht lieb, mein Mann –!

Assad (zu Jojakim). Sie müssen ja nehmen, er is blind und sieht nicht, was er red't.

Jojakim (zu Assad). Du sollst frei ausgehen, aber dem Grimm des Herrn müssen Opfer fallen, des Stummen Mund wird sie bezeichnen.

ACHTZEHNTE SZENE

Nathan. Die Vorigen.

Alle. Da kommt der Nathan –!

Ammon. Ganz verstört schaut er aus –

Nathan (atemlos von Seite links aus dem Hintergrunde herbeieilend). Das is a Nachricht! Ich hab' a Stafetten bekommen, wenn ich die mach' bekannt, so fallen alle Papier' um fünfzig Perzent.

Alle. Schrecklich!

Rachel. Red' der Herr Nathan!

Hosea. Nein, schweig' der Herr Nathan!

Nathan (zu Hosea). Ich kann's nicht verschweigen –

Daniel (in heftiger Aufregung). Steiniget ihn! Steiniget ihn!
Mehrere aus dem Volke (Nathan packend). Fort mit ihm! Zum Richtplatz! (Sie schleppen Nathan fort nach Seite rechts.)

Hosea (ihnen folgend). Aber so laßt euch nur sagen –!

Jojakim. Er sei das Sühnopfer für die allgemeine Schuld!

Ammon (zu Jojakim). Der boshafte Stummerl hat's ja nur g'sagt, weil er spekuliert aufs Steigen und fürchtet, daß bekannt wird die Stafetten.

Sara (leise). Bist still, wenn er's hört! (Deutet furchtsam auf Daniel.)

Jojakim (zu Ammon). Er ist gottbegeistert, lästre ihn nicht!

NEUNZEHNTE SZENE

Heman. Die Vorigen.

Heman (von Seite links auf die Bühne eilend). Es is zu stark, die Teuerung wird immer ärger!

Alle. Der Meister Heman!

Ammon. Der Schneider.

Heman. Wo soll man hernehmen a Geld? Ka Mensch zahlt, ich muß einkassieren die ausständigen Schulden.

Nabal. Da fahr´ ich ab! (Läuft davon.)

Heman (Daniel erblickend und auf ihn losgehend). Aha, der Blinde da, der tut auch, als ob er mich nicht sähet; der Herr is mir den Anzug noch schuldig vom vorigen Jahr.

Daniel (im höchsten Affekt). Steiniget ihn! Steiniget ihn!

Heman. Was? Wär´ das mein' Bezahlung?!

Das Volk. Fort mit ihm! Fort! (Sie packen ihn.)

Heman. Waih geschrien!!

Jojakim. Der Stumme hat dein Urteil gesprochen, fort!

(Mehrere schleppen Heman nach Seite rechts fort.)

Jojakim. Die Fügung des Himmels ist wunderbar, ein Schneider ist das zweite Opfer!

Ammon. Ich bin dem blinden Dickschädl sein Schuster, ich werd' mich hüten, daß ich was red't.

ZWANZIGSTE SZENE

Hosea. Die Vorigen.

Hosea (von Seite rechts zurückkommend). Wo is der Daniel? (Zu Daniel.) Weißt, was er gesagt hat vor sein´ Tod, der Nathan? Der Daniel wird's bereuen, hat er gesagt, ich hab' ihm zu zahlen einen Wechsel von dreitausend Gulden, und all mein Geld hab' ich vergraben, kein Mensch weiß wo, kein Kreuzer is zu kriegen nach mein' Tod. (Daniel will in verzweiflungsvoller Wut zu sprechen anfangen, bringt aber nur ein unartikuliertes Gewimmer hervor.)

Assad. Jetzt hat's ihm wieder die Sprach' verschlagen.

Mehrere aus dem Volk. Recht g'schieht ihm, recht!

Assad. Und ich verstoß' ihn noch extra, so ein Gottbegeisterter könnt' mir g'stohl'n werden im Haus. (Daniel fällt zur Erde und schlägt sich mit den Fäusten den Kopf.)

Hosea. Und ich nehm' ihn zu mir. Da sperr' ich ihn in ein Zimmer, wo gar kein Möbel is als ein großer Nagel an der Wand; da geb' ich ihm dann einen Strick zum Spielen, vielleicht, daß ihn die Einsamkeit auf einen zweckmäßigen Gedanken bringt. (Nimmt Daniel mit sich fort.)

Assad (zum Volk). Und wir eilen zum Hohen Rat und sagen ihm, daß er dem Holofernes soll öffnen das Tor.

Volk. Ja, das wollen wir! Zum Hohen Rat! (Alle eilen links ab im Hintergrunde.)

Jojakim. Wehe! Wehe! (Ah.)

Verwandlung

Das Innere des Feldherrnzeltes.

Im Prospekt links der mit einem Vorhang geschlossene Ausgang ins Lager; im Prospekte rechts der Eingang in das Schlafzelt des Holofernes, ebenfalls mit einem Vorhang geschlossen. Im Vordergrunde links ein goldverziertes Ruhebette davor ein goldener runder Tisch und ein Taburett.

EINUNDZWANZIGSTE SZENE

Holo fernes, Idun, Chalkol, Zepho, Achior (treten aus dem Lager ein).

Holofernes. Wenn ich wieder rekognoszieren reit', so muß der Koch mitreiten. (Zu Achior.) Wein! (Achior winkt in die Szene, ein Sklave stellt eine goldene Kanne und Becher auf den Tisch links und geht ab.)

Idun. Fühlt mein Feldherr Appetit?

Holofernes. Hauptmann, für diese Frage degradier' ich dich zum Vizeg'freiten.

Idun. Ich dachte nur –

Holofernes. Das ist dein Verbrechen; ich allein denk', und wer sich Gedanken anmaßt, der begeht einen Einbruch in meinen Kopf. (Zu Achior.) Der Koch soll sich Bethulien anschaun, morgen zünd' ich's an und ich weiß nicht, ob's ihm Glut genug geben wird, ein´ Kartoffelschmarrn für mich zu schmoren. (Trinkt im Verlauf des Auftrittes zu wiederholten Malen.)

Achior. Sehr wohl, ich hab´ mir denkt, daß 's so was is.

Holofernes. Gescheiter Kerl! Da nimm dies Goldstück! (Gibt ihm Geld.) (Achior geht zum Ausgang in das Lager ab.)

ZWEIUNDZWANZIGSTE SZENE

Die Vorigen ohne Achior.

Idun (leise zu Chalkol und Zepho, mit Beziehung auf Achior). Der darf denken.

Chalkol (leise zu Idun). Ja, ein Kämmerling darf viel, was wir nicht dürfen.

Holofernes. Chalkol! Wie hat dir die Hebräermaid gefallen, die durch unser Lager zog? Chalkol. O unendlich! Bei ihrem Anblick fuhr mir's durchs Herz wie –

Holofernes. So vielleicht? (Durchbohrt ihn mit dem Schwerte.)

Chalkol. Ah! (Stürzt zusammen und stirbt.)

Holofernes. Ich wird´ dir's austreiben, auf Mädeln schaun, die deinem Feldherrn in die Augen stechen! Teuxel noch einmal! (Zu Zepho.) Man fange sie und gebe zehn gefangene Juden frei – und noch was drauf!

Zepho. Wozu, Herr? Wir fangen sie auch so!

Holofernes. Willst du mich zu einer Schmutzerei verleiten? Stirb! (Ersticht ihn.)

Zepho. Ah! (Sinkt zu Boden und stirbt.)

Holofernes. Nun, Idun, was sagst du? Ist die Hebräerin nicht reizend, packschierlich, schön?

Idun (beiseite). Jetzt leg' ich mir ein Bildl ein bei ihm. (Laut.) Schön? Hm – ich hab' sie eigentlich gar nicht angeschaut.

Holofernes. So wenig Ehrfurcht hast du vor dem Geschmack deines Herrn? Stirb, Elender! (Ersticht ihn.)

Idun. Ah! (Sinkt zu Boden und stirbt.)

Holofernes. Ich werd' euch Mores lehren – zwar nein -denen lern´ ich nix mehr.

DREIUNDZWANZIGSTE SZENE

Achior. Die Vorigen.

Achior (meldend). Die reich- und reizgeschmückte Hebräerin wünscht aufzuwarten.

Holofernes. Aha, kennimus nos! Laß aber erst 's Zelt ordentlich zusamm'räumen, überall lieg'n Erstochene herum – nur keine Schlamperei! (Achior winkt in die Szene, mehrere Sklaven kommen und tragen Idun, Chalkol und Zepho fort.)

Holofernes (zu Achior). Drei Stellen sind vakant, man verkünde im Heer das Avancement. Man bringe Wein und Speisen, aber nix Süß's, das Süße soll die Dirne selber sein. (Achior öffnet den Zeltvorhang links im Prospekte, und Joab, als Judith verkleidet, im reichen glänzenden Gewande, tritt, von der Magd Mirza begleitet, ein.)

VIERUNDZWAN2IGSTE SZENE

Judith. Mirza. Die Vorigen.

Judith (Joab) (zu Holofernes).
Ich hab' gebeten, daß man melden mich möcht'.
Den Herrn von Holofernes such' ich – geh' ich recht?

Holofernes. Wär' mir nicht lieb, wenn's außer mir noch einen gäbet. Ich hab' die Spiegeln abgeschafft, weil sie die Frechheit haben, mein Gesicht, was einzig in seiner Art is, zu verdoppeln. – Wie heißt du?

Judith (Joab). Aufzuwarten gehorsamst,
Judith bin ich bevornamst.
Ich bin eine jung' Alttestamentarische,
Wohl manchmal a Gretl, a narrische,
Aber Witwe aus ein' sehr guten Haus,
Und kenn' mich vor Unschuld gar nicht aus.

Holofernes. Unschuldige Witwen hab'n sie in Bethu-lien? Dahin hat es die assyrische Industrie noch nie gebracht.

Judith (Joab). Ich bin die einzige, durch ein Schicksal, ein rasses,
Und wer is schuld dran? Der Manasses.

Holofernes. Der Manasses? Ah, das is wohl der Selige?

Judith (Joab). Selig war er so wenig als ich;
Wenn's g'fällig is, hören Sie mich.
Erfassen wird Sie Entsetzen und Graus,
Und merkwürdig, auf d' Letzt' kommt gar nix heraus.

Holofernes. Eine ganz eigne Art, dem Interesse des Interessanten ein gesteigertes Interesse zu yerleihn. Erzähle!

Judith (Joab). Der Vater, zwei Beistand' und noch ein vierter
Brachten mich als so frisch kupolierter
Ins manassische Haus;
Ich war' gern wieder h'naus,
Denn mir sagte ein Ahnungsgesicht:
's schaut nix heraus bei der G'schicht'.
Alles ging, und wir waren allein,
Die Kammer erhellte Millykerzenschein;
Drei war'n's – er umschlingt mich und auslöscht die erste –
Vor Herzklopfen glaubt' ich grad, daß ich zerberste; –
Da küßt er mich und – 's geht ins Weite –
Im nämlichen Moment löscht auch aus die zweite;
Und trotz Flehn und jungfräulicher Bitte
Macht er einen Blaser – und aus war die dritte.

Holofernes. Mit dem Referenten einverstanden; so hätt' ich's auch gemacht. Bis jetzt bin ich auf 'n Manasses seiner Seite.

Judith (Joab). Der Manasses hüpft vor Wonne, und zärtlich grinst er:
»O Judith, ich sehe dich auch in der Finster.«
Nun ja, er konnte leicht mich sehn,
Denn der Mondschein schien schon schön.
Mich schwach nur sträubend, sink' ich in ein Fauteuil;
Da springt er zurück – rührt sich nicht von der Stell'.
Unbeweglich – mir graut –
's hat grad so ausg'schaut,
Als hätt' ihm ein Dämon von unten
Die Fuß' an ein'n Felsen an'bunden.
Ich denk' mir: was ist's denn, was treibt er?
Doch in seiner Stellung verbleibt er.
»Willst mich schrecken« – sag' ich – »genug des Spaßes,
Komm zu deiner Braut, du garstiger Manasses!«

Holofernes. Na, da wird er doch deutsch – will ich sagen, hebräisch verstanden haben?

Judith (Joab). Da sagt er mit schauerlich starrem Schafsgesicht
Zehnmal in ein' Atem: »Ich kann nicht!« –

Holofernes. Odu verflixter Manasses!

Judith (Joab). Weinend ring' ich die Hände vor Kummer,
Da umfing mich –

Holofernes. Aha! –

Judith (Joab). Nicht er – nein, nur ein Schlummer. –
Den ändern Tag war er still,
Und auch ich sprach nicht viel –
So lebten wir sechs Monat' in Frieden,
Aber grad so gut, als wär'n wir geschieden.

Holofernes. Es muß ja aber doch zur Sprach' gekommen sein: war er verhext oder hat man ihm einen Weidmann gesetzt oder –

Judith (Joab). Erst wie er zum Sterben war, hab' ich's übers Herz bracht,
Zu fragen: »Was war es denn in der Hochzeitsnacht?
« »Ja«, sagt er, »Jetzt will ich dir's sagen, du –
« Bumsdi, fall'n ihm die Augen zu;
Der Tod brach ihm die Stimm',
Des Rätsels Lösung starb mit ihm.
Ein ewig Dunkel bleibt's und niemand waß es,
Das eigentliche Bewandtnis mit 'n Manasses.

Holofernes. Das kommt jetzt auch nicht mehr auf. Erschlagen könnt' ich ihn, aber lebendig machen kann ich ihn nicht. Aber, auf Ehr', du bist gar kein übler Schneck. Ich krieg' Achtung vor Bethulien. Schad', daß ich alle Städte, die ich achte, anzünden muß. (Mittlerweile werden von Sklaven Speisen aufgetragen.) Was verschafft mir aber eigentlich das Vergnügen?

Judith (Joab). Man sagte mir, Menschenleben schonen Sie nie,
(schalkhaft) Sie sind eine kleine Bosheit, Sie!
Man sagte auch – ich kann's nicht glaub'n von so einem Herrn –
Daß Sie ein Judenfresser wär'n.

Holofernes. Es ist nicht so arg; ich hab' nur die Gewohnheit, alles zu vernichten. Setz' dich und speis' mit mir. (Legt sich in antiker Stellung auf das Ruhebett.)

Judith (Joab). Ich hab' Appetit. Mein'thalb'n, ich ess' mit.

Holofernes (auf Mirza zeigend). Die könnt' aber derweil in die Küchel gehn.

Judith (Joab). O laßt sie hier, sie kann mir nützen,
Ich hab' die Gewohnheit, mich öfters auf sie zu stützen.
(Sie lehnt sich in malerischer Stellung auf Mirza.)

Holofernes Wohlan – prenez place! (Setzt sich.)

Judith (Joab) (die Tafel musternd).
Aber sehr frugal speist der große Holofernes,
Nur ein Huhn mit Salat und ein Schnitzl, ein kälbernes.

Holofernes. Ich bin mehr Trinker. Nun dein Anliegen?

Judith (Joab) (hat sich aufs Taburett gesetzt).
Sehn Sie, mein Volk grabt sich selber sein Grab,
Sie g'wöhnen sich das Sündigen nicht ab;
Der Himmel, der leid't das nicht,
Jetzt hab'n wir s', die G'schicht'.

Holofernes (nach und nach benebelt werdend). Was heißt das, »Sündigen«?

Judith (Joab). Um so was müssen Sie mich nicht fragen;
Selbst wenn ich's wußt', tat' ich's nicht sagen.

Holofernes. Trink und sprich weiter!

Judith (Joab). Ich bitt', ich bin das nicht g'wöhnt,
Ich hab' ohnedem z'viel Temperament.
(Trinkt und verzieht das Gesicht.)
Hm, euren Wein dacht' ich süßer und würziger,
Das is sein Leb'n kein Guld'n, das is ein Achtundvierziger.

Holofernes. Judith, gib mir das erste Bussi!

Judith (Joab). Jetzt schon? Wie ungestüm!
Aber, Holofernes, Sie sind schlimm!
Ich muß sagen, daß der Schritt mich fast reut,
Mich werden s' weiter nicht ausrichten, unsere Leut'!

Holofernes. Wer kann dich ausrichten? Morgen um die Zeit gibt's gar keine Juden mehr.

Judith (Joab). Was sagst du!? Sieh, ich rück' mit meiner Bitte näher,
Schone, ach, schon' meine guten Hebräer!
Denk', Stolzer, mein Volk bild't sich viel zu viel ein,
Wenn es glaubt, deines Zornes würdig zu sein.

Holofernes. Guter Gedanken! Hätt' ich ihn gehabt, eh bien! – Aber er is von dir, und ich – steh' nicht an auf deine Gedanken, folglich – folglich wird dein Volk verbrennt – rein alles verbrennt.

Judith (Joab) (heftig vom Stuhl auffahrend).
Also keine Rettung für meine Nation?!
Meinen Ruf bracht' ich zum Opfer und hab' nix davon?!

Holofernes (für sich). Sie wird köbig! (Steht etwas wankend auf und ruft.) Kämmerling!

Achior (vortretend). Befehlen –?

Holofernes. Wo steckst du, wenn ich sag': »Kämmerling«!? (Leise.) Du, der trau' ich nicht.

Achior (leise). Ich trau' gar keiner.

Holofernes (leise). Du weißt, was mir einmal geträumt hat – du weißt –

Achior (leise). Ich weiß auch, welche Vorkehrung Dieselben treffen ließen.

Holofernes (leise). Ganz recht – muß heute vorgekehrt werden – die Vorkehrung, verstanden?

Achior (leise). Sehr wohl! (Geht nach rechts ins Schlafzelt ab.)

Holofernes (zu Judith, sich ihr nähernd). Bussi! Bei meinem Zorn, ein Bussi!

Judith (Joab). Zorn und Bussi, wie reimen sich diese Worte?
(Mit grimmiger Aufwallung.)
Geben S' lieber Obacht, daß ich Ihnen nicht morde.
Ja, Ja, so spricht sie, die Judith,
Denn sie kennt sich vor Wut nit –

Holofernes (lachend). Hoho! Hohoho! Ich soll mich fürchten? Da müßt' ich ein saubrer Holofernes sein! – Schad' – ich hab' jetzt meinen Schwindel – (Achior tritt von rechts aus dem Schlafzelt und läßt den Vorhang desselben offen; man sieht das reichverzierte Innere und das Bett des Holofernes. Achior geht links in die Szene ab.)

Judith (Joab) (zu Holofernes).
Schwindel? Die Unsern nennen 's einen Affen,
Und wer den fühlt, der legt sich schlafen.

Holofernes. Das tu' ich auch! – (Nimmt sein Schwert ab und legt es auf den Tisch links. Mit stolzem Hohn zu Judith.) Hier liegt mein Schwert – du kannst hier Schild-wach' stehn – (indem er nach rechts in das Schlafzelt wankt), damit dir die Zeit vergeht. – (Sich niederlegend.) Wenn ich ruf: »G'wehr aus!«, so gibst du mir – das Bussi. – Siehst du, hier lieg' ich mit dem Kopf. – G'wehr aus! – Bussi – (Läßt den Vorhang zufallen.)

Mirza (leise zu Joab). Ich zittere an allen Gliedern – was haben Sie gewagt, junger Herr! Ihr junges Leben –

Judith (Joab) (mit natürlicher Stimme). Als Frauenzimmer riskiert man hier nix. – Still – hast du nicht gehört – mir scheint, er schnarcht, der grausige Feldherr.

Mirza (horchend). Mir war auch so –, ja –

Judith (Joab). Der Rausch is ein Vogel, der leicht verfliegt. Auf was wart' ich –? G'schwind, gib das Zeichen zum Ausfall den Bethuliern, zünd' an das versteckte Raketl; wie es fliegt in die Luft, fallt der Holoferneskopf auf die Erd'.

Mirza. Dasmal tu' ich's, aber zeitlebens geh' ich mehr in kein Lager. Wie mich diese Krieger alle angeschaut haben, und ich ohne Schleier –

Judith (Joab). O , mache doch, daß du weiterkommst!

Mirza. Ich eile – (Ab.)

Judith (Joab). Ich soll hier Schildwach' stehn-? (Zieht das auf den Tisch links gelegte Schwert aus der Scheide.)

Ich bin avanciert,
Mit dem Feldherrnschwert wird kommandiert.
Es ist des Schicksals Beschluß –
Holofernes, Kopf bei Fuß!

(Eilt in das Schlafzelt ab und schließt den Vorhang hinter sich. Holofernes guckt mit listigem Lächeln an der rechten Seite des Vorhangs heraus. Von diesem Augenblick ab begleitet melodramatische Musik das Ganze bis zum Schluß.)

Judith (Joab) (tritt nach einer kleinen Weile mit einem dem Holofernes ähnlichen, aber größeren kaschierten Kopf in der linken Hand von rechts aus dem Zelt und ruft, das Schwert in der Rechten hoch emporhaltend).

Hat ihm schon!

Holofernes (für sich). Anpumt!

Judith (Joab) (zu dem in das Lager führenden Ausgang links eilend und den Vorhang öffnend, ruft mit lauter Stimme hinaus).

Seht, Assyrier! Hier halt' ich ihn beim Schopf,
Ihr habt einen Feldherrn ohne Kopf!

Stimmen (von außen). O Schrecken! O Graus!

Judith (Joab) (nach der Tiefe sehend). Was naht sich dort wie Lützows wilde, verwegene Jagd –?

Stimmen (von außen). Weh! Die Hebräer!

Holofernes (hat dem Achior, welcher von der ändern Seite kam, zugewinkt, sich Judith genähert und packt sie mit Achior zugleich). Haben wir dich erwischt!?

Judith (Joab) (über Holofernes´ Anblick aufschreiend und den Vorhang zufallen lassend). Ah –!! Was is das!? Welch ein Überfluß an Köpfen!?

Achior. Was hör' ich denn draußen für eine Bewegung! (Eilt zum Vorhang links und sieht ins Lager hinaus.)

Holofernes (grimmig zu Judith). Jetzt fallt dein Kopf! (Ruft.) Herein! Ein Karree von vier Regimentern!

Achior. Herr, nicht ein einzigs is da, alle laufen s' mit dem Schreckensruf: »Unser Feldherr hat den Kopf verlor'n!«

Judith (Joab) (triumphierend). Ha, auch der falsche Kopf hat die rechte Wirkung getan!

Holofernes (zu Achior). Sie sollen mich anschauen, die dummen Kerl'n!

Achior. Sie rennen und schaun sich nicht um.

Judith (Joab) (zu Holofernes).
Hörst du den Trubel?
Das is Israels Jubel.

(Hosea, Assad, Ben, Nazael, Nabal stürmen mit mehrerenHebräern herein.)

Assad. Nehmt ihn gefangen! Courage! (Auf Holofernes zeigend.) Er ist enthauptet, der Kopf gilt nicht!

Ben, Nazael, Nabal (über Holofernes herfallend). Haben wir dich? (Sie nehmen ihn gefangen und legen ihm Ketten an, welche ein Hebräer mitgebracht.)

Holofernes (sich vergeblich wehrend). Armee! Komm mir zu Hilfe! Wo steckst du, verdammte Armee?

Jojakim (in Begleitung mehrerer Bethulier, wovon einer den Daniel führt, hereineilend). Was hör' ich!? Joab, mein Sohn!

Judith (Joab). Tate!

Holofernes (wütend). Wie? Judith ein Sohn?

Judith (Joab). Ein Hebräerknabe hat dich überlistet!

Holofernes. Betrug! Verfälschung! Felonie!

Jojakim. Weh! Weh! Dreimal weh!

Daniel (gegen Jojakim, die Sprache bekommend). Steiniget ihn, steiniget ihn!

Hosea (zu Daniel). Das is ja der große Priester!

Assad (zu Jojakim). Wir haben den Holofernes besiegt!

Daniel (gegen Holofernes). Steiniget ihn, steiniget ihn!

Alle. Hoch lebe Judith! Triumph in Israel!! (Schlachtmusik. Der Zeltvorhang wird herabgerissen) so daß sich die freie Aussicht ins Lager öffnet. Man hebt Judith [Joab] auf einen Schild und trägt ihn im Triumph herum; vor ihm wird Holofernes in Ketten geführt. Während der Zug den 'Zeltraum umkreist, sieht man im Hintergrunde das Lager in Flammen aufgehn. Triumphgeschrei der Hebräer.)

Ende

Der Schluß folgt hier einzig der Fassung, die auf die Bühne gekommen ist und auch sonst stärker auf die Bühnenbedürfnisse abgestimmt ist. Eine andere Fassung, zeigt nach »Sie sollen mich anschauen, die dummen Kerl'n!« folgenden Schluß:

Achior. Zu spät!

Judith (Joab) (zu Holofernes). »Zuspät!« Hörst du das große Wort? »Zuspät!«

(Die hebräischen Krieger stürmen unterlärmender Schlachtmusik herein, nehmen Holofernes und legenihm eilig Ketten an; der Zeltvorhang wird herabgerissen, sodaß sich die freie Aussicht ins Lager öffnet. Jojakimtritt mit den Bethulier Bürgern ein, umarmt seinen Sohn, manhebt Judith [Joab] auf einen Schild und trägt ihn im Triumphherum; vor ihm wird Holofernes in Ketten geführt. Währendder Zug den Zeltraum umkreist, sieht man im Hintergrunde das Lagerin Flammen aufgehn. Unter dem Triumphgeschrei der Hebräerfällt der Vorhang.)