Nikolaus Lenau
Die Albigenser
Nikolaus Lenau

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Die Albigenser

Freie Dichtungen

von

Nicolaus Lenau.

Stuttgart und Tübingen.

J. G. Cotta'scher Verlag.

1842.

Daß alles Schöne muß vergehen,
Und auch das Herrlichste verwehen,
Die Klage stets auf Erden klingt;
Doch Todtes noch lebendig wähnen,
Verwirrt das Weltgeschick und bringt
Das tiefste Leid, die herbsten Thränen.


Nachtgesang.

I.

O gläub'ger Hohn! o bitterste Satire
Auf diese Welt voll Haß und Feindeswuth,
Wenn der Chinese sich dem grimmsten Thiere
Vertraut und sich begibt in seine Hut,
Wenn er für sich, die Seinen, Haus und Feld
Zum Schutzgeist den verstorbnen Tiger wählt.

Er schläft getrost, wenn still der Tigergeist
Als Hüter Haus und Feld bei Nacht umkreist;
Und wohl mag ihm sein Wahn zum Schutze taugen;
Denn wenn ein Feind sich schleicht in seine Nähen,
Der sieht im Glühwurm roll'n des Tigers Augen,
Der spürt im Nachtwind seinen Rachen wehen. –

O wäre solch ein Tiger mir Genosse,
Mit Geisterkrallen, unsichtbarem Rachen
Mir den Gedankenherd treu zu bewachen,
Den Einbruch wehrend meinem Feindestrosse!
Wenn mein einsames Herz Gedanken hämmert,
Daß ich die Welt und ihren Gram vergesse,
Wenn mir an seiner hellen Feueresse
Die Morgengluth des heil'gen Sabbaths dämmert,
Ha! Tiger! dann bewache meine Schranken,
Und kommen Störer, schlag in ihre Seelen
Als scharfe Schauer deine luft'gen Branken,
Daß sie sich scheu verzagt von dannen stehlen! –

Wenn Erdenwünsche kommen, mich zu locken,
So spring sie an, daß sie entfliehn erschrocken!
Und kommen klagende Erinnerungen,
Ermorde sie, bevor sie eingedrungen!
Auf eine aber stürze dich vor allen,
Zerreiße schnell mit deinen scharfen Krallen,
Verschling auf immer du in deinen Rachen
Ein Frauenbild, das mich will weinen machen! –
Send' ich ein Lied auf die Tyrannenfratzen,
So hilf ihm, Tiger, nach mit deinen Tatzen!
Schlag ihnen breite Wunden ins Gewissen,
Und Höllenträume hauche auf ihr Kissen!
Und wenn sie, aufgeschreckt, die Augen reiben,
Die Kerze zünden, zitternd auf sich setzen,
Blas aus das Licht, daß sie im Finstern bleiben,
Mach vor der Thür Geräusch wie Dolchewetzen!
Und will der Feige dann mit seinem Schrecken
Verkriechen sich, entreiß ihm seine Decken
Und wickle ihn in alle Flüche fest,
Die er getretnen Herzen ausgepreßt!
Sein Eingeweide schlag mit Schmerzensbissen,
Die wie Vergiftung durch den Leib sich ringeln,
Daß er auffährt, nach seinem Arzt zu klingeln,
Du aber hast die Glockenschnur zerrissen.

O Tiger, den Tyrannen quäle! quäle!
Bis er sich bessert, schüttre seine Seele!

Millionen wunde Herzen seh' ich bluten,
So viele Thränenströme seh' ich fluten,
Von frecher Willkür weit die Welt zerrüttet,
Der Menschheit Freudenschlösser rings verschüttet,
Ich seh' gepeitscht von hochgestellten Zwergen
Gefangne Riesen, knirschend ihren Schergen.

O Welt! aus allen Wüsten möcht' ich holen
Die Tigergeister dir zu Apostolen! – –

Wohin ließ ich von meinem Haß mich führen!
Ich wünschte mir den Tiger zum Genossen,
Schon ist in meinem Geist sein Hauch zu spüren,
Und durch mein Herz sein wildes Blut ergossen!

II.

Also schweiften mir die Nachtgedanken,
Bis die Sinne mir in Schlummer sanken,
Und dem Geist des Hasses Dolch entfiel.
Da begann ein Traum sein ernstes Spiel.

Einsam wandernd, mit dem Abendstrale,
Fand ich mich in einem fremden Thale.
Stumm, nach einem Laute bange schmachtend,
War die Wildniß, stumm der Himmel, nachtend.

In der Wildniß irrt' ich trüb alleine,
Und ich stieß auf einen Haufen Steine;
Aus den Steinen, stumm ein Loos beklagend,
Ragt' ein Bambusrohr ein Fähnlein tragend.

Schlaffes Fähnlein, nicht so stille zaudre!
Schwarz und weißes Fähnlein, flattre, plaudre:
Daß ein Wandrer, den die Seinen missen,
Hier von einem Tiger ward zerissen;
Daß er vor den schnellen Todesstreichen
Kaum die Zeit gefunden zu erbleichen. –

Und ich sah das Felsenthal sich dehnen,
Still und weit, wie satten Tigers Gähnen.
O wie ward die Erde mir so traurig!
O wie war mir die Natur so schaurig!
Furchtbar schweigend stand mir gegenüber
Die Natur, stets wilder, fremder, trüber.

Horch! da rief so liebevoll, so traut,
Wie noch nie mir klang ein Erdenlaut,
Tröstend rief mir eine Stimme leise:
»Guten Abend, Freund, und gute Reise!
Wolle nicht den wilden Geist beschwören,
Dem die Wüstenthiere angehören!
Wähle nicht zu deiner Herzensbraut
Die Natur, wenn sie dir winkt vertraut.

Hold und reizend kommt sie dir entgegen,
Liebesgluthen ihre Rosen scheinen,
Ihr Gesang, ihr sanfter Frühlingsregen
Scheinen sehnsuchtsvoll nach dir zu weinen.
Wenn du bist an ihre Brust gesunken,
Siehst du sie verwandelt, mit Entsetzen:
Ihre Nachtigallen werden Unken,
Ihrer Rosen Dornen dich verletzen,
Ihre Thränen sind zu Eis geronnen
Und verhageln alle deine Wonnen,
Todeshauche ihre Liebesreden,
Denn verloren ist auch ihr das Eden.
Nicht dem Tiger in den Rachen fluchen
Sollst du jene Unheilvollen, Bösen,
Denn es kann die Welt nur Gott erlösen,
Den ja brüllend selbst die Tiger suchen.

Wenn der Tiger schlau im Dickicht lauscht,
Vorspringt und ein Menschenbild zerreißt,
Blut trinkt, hat er sich in Gottes Geist,
Den er spüret, ahnungsvoll berauscht.
Flieh mit deinem Kummer nicht zu denen,
Die aus tiefrer Haft so wild sich sehnen.

Weltbefreien kann die Liebe nur,
Nicht der Haß, der Sklave der Natur,
Dem Dämonen in den finstern Stätten
Mit den Waffen schmieden seine Ketten.
Dort! sieh Golgatha! – Jehovahs Stunden,
Heil'gen Königstigers, sind verwunden.
– Also sprach der Unsichtbare leise –
Guten Abend, Freund, und gute Reise!«

Wieder stille war es in der Wüste,
Bis mich eine zweite Stimme grüßte,
Stark und voll und dringend klang die zweite:
»Hasse herzhaft! rüste dich zum Streite!
Liebe die Natur, die, treu und wahr,
Ringt nach Licht und Freiheit immerdar,
Wenn auch unter ihren heil'gen Füßen
Grau'n und Schmerz und Tod aufwirbeln müssen.

Waffen braucht die Welt; kein Liebeslächeln
Kann das Elend ihr von dannen fächeln,
Wär's ein Lächeln auch wie das vordem
Auf dem Kreuze zu Jerusalem.
Jener Tod hat nicht verfangen wollen,
Gott soll wieder in Gewittern grollen,
Blitze müssen in die Dächer fahren,
Schlachtgetümmel muß ihn offenbaren.

Wie die Faust einst Brand und Eisenruthen,
Muß der Geist sein Schwert, sein Feuer brauchen,
Bis die Herzen der Despoten bluten,
Und zerfallend ihre Burgen rauchen.

Menschheit will in Lüsten feig versiechen,
Die entnervend durch die Herzen kriechen;
Soll sie heilen schleichend faule Sünden,
Muß die alte Wunde sich entzünden.

Elend gibt's, wovon die Welt zu reinen,
Mehr als Thränen, um es zu beweinen.
Schiebe nicht den Trost ins Nebelweite!
Hasse herzhaft! rüste dich zum Streite!
Eh die Kräfte dir im Tode schlaffen;
Guten Morgen, Freund, und gute Waffen!«

Sturmwind rauschte jetzt wie Freiheitspsalm,
Trug von hinnen mir den Bambushalm,
Blies den Steinehaufen fort wie Flaum,
Weckte mich zurück aus meinem Traum.
Und zu singen in der stillen Nacht
Hob ich an die Albigenserschlacht.

Frühling.

Es läßt der Frühling über seine Welt
Ein stilles Meer von Blüthendüften wallen;
Ists auch ein Lenzhauch, was sich dreingesellt,
Der Moderduft von jenen die gefallen?

O Menschengeist, wie bist du zu beweinen!
Hättst du nicht so unselig und entschieden
Natur, dein Lieb, verlassen und gemieden,
So würde auch dein Lenz so hold erscheinen.
Wie würden deine Lieder wonnig rauschen,
Und Rosen aus geweihten Herzen sprießen;
Erwachen würde, wo sie sich erschließen,
Ein tiefes Athmen und ein selig Lauschen.
Nun aber ist dein Lenz ein tödtlich Pochen,
Verheerend ist dein Eisgang aufgebrochen.

Dem Einzlen ist was er versäumt, verloren;
Der Menschheit auch, was einmal sie verscherzt;
Kein Augenblick wird zweimal ihr geboren,
So herb es auch die Weltgeschichte schmerzt.
O Geist, ist deinem Lenz die Lust genommen,
Sey du der Welt in Schrecken auch willkommen!

Pierre von Castelnau.

Ist der krystallne Becher ausgeschwenket,
Wer sieht's ihm an, ob er mit süßem Wein
Ein Herz entflammt zu süßen Raserei'n,
Und mit Vergessen einen Schmerz getränket?
Ob er mit Gift den Zecher kalt gemacht,
Und tieferes Vergessen ihm gebracht?

Die helle Silberwolke wird nicht sagen:
Die Blüthen hat mein milder Thau besprengt,
Des Friedens Hütte hat mein Blitz versengt,
Mein Hagel hat im Wald den Lenz erschlagen:
So sieht am Rhonestrom der Wandrer nicht
Aus Peters klarem, heitern Angesicht,
Ob er den Segen in Toulous' gesprochen,
Ob er mit Fluch die Herzen dort gebrochen.

Doch, ist es auch im Antlitz nicht zu schauen,
Der Wandrer kennt des Pabstes strengen Boten,
Und als er ihm den Abendgruß geboten,
Eilt er vorbei mit ahnungsvollem Grauen.

Pierr' zieht fort, das Unglück weiter tragend,
Die Ketzer mit dem Banne zu ereilen,
Sein Aug' und Ohr ringsum nach Ketzern fragend,
Sein Hals ein Köcher voll von Fluchespfeilen.
Er ist ein Mann von den Unwandelbaren,
Rastlos, verachtend Freuden und Beschwerden,
Rasch, ohne Mitleid, trotzig in Gefahren,
Recht wie sie das Verhängniß braucht auf Erden.

Er wandert rüstig fort am Rhonestrand.
Daß er mit seinem Fluch das Glück zertrümmert
Der Stadt Toulous', den Frommen nicht bekümmert,
Er glaubt sich nur Werkzeug in Gottes Hand.
Kein Zweifel seinen Felsenglauben stört,
Ob Innocenz nicht selbst vielleicht bethört,
Der Kirche grimmes Haupt und strenger Rächer,
Die Welt verheert ein heiliger Verbrecher?

»Wohin? wohin? Pierr' von Castelnau!«
Ruft ihm ein Mann, des Weges hergeschritten,
Ein Troubadour, des Lieds und Schwertes froh,
Beim Grafen von Toulouse wohlgelitten.
»Pierr'! ich bin ein Ketzer!« ruft der Wandrer,
»Heraus mit Fluch und Bann! hei! donn're zu!
Doch sind wir nur selbander, ich und du,
Und deiner Sprüchlein achtet hier kein Andrer.
Nur die Natur ist Zeuge deiner Schrecken;
Den Bäumen aber und den frischen Quellen
Wirst du das alte Gastrecht nicht vergällen,
Daß sie die Frucht, den Trunk vor mir verstecken.

O zaubre hier voraus mich in die Tage,
Die jenseits noch jahrhundertbreiter Kluft,
Wo Pfaffenworte eine eitle Sage,
Und Niemand mehr erschüttern als die Luft.
Versuch's, mit deinem Sturm den Baum zu zwingen,
Daß seine Früchte meiner Hand entspringen
Und von den Zweigen in die Rhone tanzen!
Laß sich vor mir den Quell mit Eis verschanzen!
Versuch' es, ob, gehorchend deinem Zorne,
Das Moos mein Haupt zersticht mit scharfem Dorne?

Umsonst! hier steht der alte gute Brauch,
Mehr als dein Wort gilt jeder Windeshauch.
Pierr' von Castenau! die Vöglein lachen,
Befiehlt dein Bann, daß sie dem Ketzer grollen,
Und wenn mit ihm zu Wald sie Herberg machen,
Daß sie nicht singen und nicht beten sollen!«

So spottend folgt dem Mönche nach der Sänger;
Die Sonne tief im Westen sich verneigt,
Und, unbewegt von seinem kecken Dränger,
Blickt ihn der Mönch verachtend an und schweigt.

Unwerth der Antwort dünkt ihm all die Rede,
Hohl wie das murmelnde Gebraus der Rhone;
Der Spötter harrt, daß ihn der Mönch befehde,
Bis wieder er beginnt mit keckem Hohne:
»O Pfäfflein, hüte dich auf diesen Pfaden!
In dein Verderben jagte dich der Pabst,
Mit dessen Bann- und Fluchgeräth beladen,
Ein Saumthier du durch die Provence trabst.«

»Ich könnte wohl auf dich den Degen schwingen,
Und ein Stück Leid vielleicht der Welt ersparen,
Vielleicht jedoch ihr größres Unheil bringen,
Auch scheut mein Schwert vor deinen grauen Haaren.

Ich warne dich, kehr um, kehr um zur Stelle
Und flieh zurück in deine Klosterzelle,
Statt in der Herberg dort zu übernachten,
Wo sie dir möchten nach dem Leben trachten!«

Da spricht der Mönch gelassen ihm entgegen:
»Nie kehr ich um auf gottgebotnen Wegen.

Und fall' ich heute noch in Mörderhände,
Der Tod für Gott ist mein ersehntes Ende.

Du aber kehre um auf deinen Pfaden,
Und fleh zu Gott, daß er dich mag begnaden.

Du warnst den Leib, ich warne deine Seele,
Horch auf, daß ich ein Mährlein dir erzähle.

Nicht poche drauf, daß die Natur nicht höre,
Wenn ich den Kirchenbann aufs Haupt dir schwöre.

Auf die Natur darf Sünde nicht vertrauen;
Mein Mährlein läßt dich in die Zukunft schauen:

Ein Jäger kam vom Wald herausgeschritten,
Da hält ihn ein Zigeuner an mit Bitten:

»Geh, lieber Jäger, schieß uns ein paar Raben,
Weil heute wir noch nichts gegessen haben.

Am Straßenkreuze drüben, in der Gruben,
Dort liegt mein Weib und hungert mit den Buben.«

Da läßt der Jägersmann drei Pfeile fliegen
Und unterm Eichenbaum drei Raben liegen.

Und der Zigeuner ist zum Baum gesprungen
Und holt das Wild für's Weib und für die Jungen.

Er wünscht im Lauf dem Waidmann Glück und Segen,
Und pflückt die schwarzen Vögel unterwegen.

Um's Feuer jubeln jetzt die braunen Knaben,
Am Eisendrahte braten die drei Raben.

Der sammelt dürre Reiser für die Flamme,
Der bricht ein Stück vom morschen Kreuzesstamme.

Der Alte sieht's und dreht die Raben lachend;
Die Mutter schlägt den Schurz, das Feuer fachend.

»Es dämmert schon, mein Junge, heize! heize!
Sieht Niemand dich, brich noch ein Stück vom Kreuze.«

Der Alte spricht's und dreht die Raben lachend;
Die Mutter schlägt den Schurz, das Feuer fachend.

Der Knabe bricht vom Kreuze wo es modert,
Und wirft das Holz ins Feuer daß es lodert.

»Brich noch ein Stück, denn köstlich muß gerathen
Am Galgenholz der Galgenvogelbraten.«

Der Alte spricht's und dreht die Raben lachend,
Die Mutter schlägt den Schurz, das Feuer fachend.

Der Rauch steigt auf am Heiland, wie zum Hohne,
Und wirbelt ihm um seine Dornenkrone.

Der Schein des Feuers zittert, wie erschrocken,
Um's bleiche Antlitz, um die blut'gen Locken.

Die Raben sind gebraten und verschlungen,
Jetzt wird das Kreuz vom Grunde losgerungen,

Jetzt hat die Nacht geworfen schwarze Schleier,
Der Alte wirft das Crucifix ins Feuer.

Die Jungen schüren mit geschäft'ger Hand,
Der Alte spricht hohnlachend in den Brand:

»Die Juden haben dich an's Kreuz geschlagen,
Und die Zigeuner dich ins Feuer tragen.

Wir haben nichts von allen deinen Wunden,
Als daß dein Bild uns wärmet ein paar Stunden.

Nur unser Landsmann lindert unsre Noth,
Der älteste Zigeuner nur: der Tod,

Der heimathlos umzieht durch alle Lande
Und spielt sein traurig Lied mit seiner Bande.«

Jetzt lauscht der Alt' und fragt: »hört ihr nicht ächzen
Den Sturm im Wald? – hört ihr nicht Raben krächzen?«

Ja! Raben, Raben sind's, die also lärmen,
Sie brausen krächzend rings heran in Schwärmen;

Es rauscht wie Sturm von ihren Flügelstreichen,
Sie hacken die Zigeuner schnell zu Leichen.

Und als vorbei die Leut' am Morgen kommen,
So finden sie das Kreuz hinweggenommen.

Die Asche hat der Wind davongetragen,
Vom Sündertrupp weiß ihr Gebein zu sagen.

Doch in den Lüften seht ihr Raben schweifen
Zu Tausenden in zwei gekreuzten Streifen.

Das Kreuz, das frevle Menschenhand vernichtet,
Hat die Natur schwarz in der Luft errichtet.

Daß Christus hat, und auch für sie gelitten,
Hat sie sich eingedenk ins Herz geschnitten.

Hast du den Witz, mein Mährlein zu verstehen?
Wie den Zigeunern wird es euch ergehen.

Die Rabendrei, womit sich nährten Jene,
Ist euch die Lehre Almerichs von Bene,

Was euch der Meister heillos und verkehrt
Für göttliche Dreifaltigkeit gelehrt.

Ihr wollt mit frecher Lust das Kreuz gefährden,
Das Kreuz wird gegen euch gepredigt werden.

Da werden auf das Wehgeschrei der Frommen
Zu Tausenden die wilden Raben kommen,

Ein brausendes Gesindel wird sich schaaren
Und mordend wird es auf euch niederfahren.

Raubgier und Rache, Lust zu Abenteuern
Wird gegen euch ein grimmes Heer befeuern.

Der Glaube, daß hier jede Schuld sich sühne,
Bevölkert rasch des Mordens weite Bühne.

Dann wird zerfallen manches Menschenreich,
Dann wird dies Land von Blut und Thränen weich;

Dann wird dies Land von Gottes Strafgewittern
Als wie ein rothes Blatt im Herbste zittern.

Du eile, deinen Frevelwahn zu büßen,
Wirf weinend dich dem nächsten Kreuz zu Füßen,

Und bete, leide, ringe deine Hände,
Daß Christus seinen Trost ins Herz dir sende.

Dann wird der Fluch von deinem Haupt gewandt,
Durch den du bist verworfen und gebannt!« –

Der Troubadour antwortet dem Legaten:
»Dein Mährlein, Freund, ist schier zu lang gerathen;
Wohl ist was Schauerliches drin zu spüren,
So weit es mein zerstreuter Sinn verstanden;
Doch wird's mich nicht auf andre Wege führen,
Und nicht verstricken mich in euren Banden.«

Die Sonn' ist ab, es dunkelt schon die Nacht,
Und noch ein volles Stündlein bring' ich zu,
Bis meinem Lied die frohe Runde lacht
Beim süßen Becher Weines von Limoux,
Bis mich noch süß're Frauenblicke laben,
Und ich vergesse dich und deine Raben;
Indeß vielleicht das Leben dir entfloh.
Fahr wohl! fahr wohl! Pierr' von Castelnau!« –

Wie jetzt der Sänger sich gewendet schnell,
Ertönt die kleine Harfe lieblich hell,
Die hangend er an seiner Schulter trägt,
Und heimlich fühlt der Mönch sein Herz bewegt.
War's noch ein Hauch der süßen Lebenslust,
Den dieser Klang geweckt in seiner Brust?
War's dunkle Wehmuth? – selber weiß er's nicht,
Der rauh sein Herz gemahnt an strenge Pflicht.
Schon ist, erschrocken, wieder todestill,
Was sich im Herzen irdisch regen will.
Er blickt seitab und spricht kein Scheidewort,
Und finster zieht er seines Weges fort.

Er überdenkt getreu in seiner Seele
Des Pabstes Vollmacht, Lehren und Befehle,
Zu lösen überall im ganzen Lande
In Pabstes Namen die Vasallenbande,
Die an den Grafen von Toulouse heften,
Und alle Lehenseide zu entkräften.
Wer Harnisch trägt, und wer den Bürgerrock,
Burgherr'n und Grafen, Ritter und Barone,
Herab bis auf den letzten Mann der Frohne,
Und wer noch sonst im Lande Languedok
Dem Grafen von Toulouse zahlt und ficht –:
Sind los des Eides, ledig ihrer Pflicht.

Des Pabstes jede Miene, jedes Wort
Hat Petrus ins Gedächtniß sich gebohrt.
Als Innocenz geboten ihm zu scheiden,
Sprach er: »Sey fest bei Raimunds Angst und Leiden,
Sey unerschütterlich bei seinem Weh.
Brand wird mit Glut geheilt, der Frost mit Schnee,
So trinke denn Raimund, der Eidebrecher,
Zu seinem Heil des Treubruchs bittern Becher.
Er hat der Kirche Treue zugeschworen,
Und ist das Haupt der Sünder und der Thoren;
Er soll, wie er der Kirche abgefallen,
Verlassen seyn von Freunden und Vasallen.«

Und eisern stand der Mönch und sah erbleichen,
Dem bleichsten Todten gleich, den stolzen Grafen,
Als ihn der Kirche Donnerworte trafen
Und er gezittert unter ihren Streichen.

Schon sieht Raimund mit kummervollem Blicke,
Wie zagend rings ihn Freunde selbst verlassen,
Preisgebend ihn furchtbarem Kampfgeschicke,
Das ihn umzieht in schwarzen Wettermassen.
Schon sieht er fliehend flattern ihre Fahnen
Vor Kirchenbanns gewaltigen Orkanen;
Sie fliehn, gleich sturmverschlagnen Schmetterlingen,
Dahin, kein Ruf kann sie zurück mehr bringen.

Bei Mondschein ist der päbstliche Legat
Der Herberg an der Rhonefurt genaht.
Er pocht um Einlaß an das stille Haus,
Und öffnend tritt der scheue Wirth heraus.
Der sieht, beleuchtet von des Mondes Strahlen,
Den rauhen Mönch, baarfüßig in Sandalen,
Und im Habit des Ordens von Cisterz;
Da wird dem Mann beklommen um das Herz.
Er hat den Gast, so herb und unwillkommen,
Aus Furcht nur vor der Kirche aufgenommen.

Der Wirth, ein Ketzer, grüßt ehrfürchtig zagend,
Und führt den Gast in seine beste Stube,
Nur nöthige und kurze Rede wagend,
Wo ihn ein Wort kann stürzen in die Grube.
Er eilt, dem Mönch die Mahlzeit aufzutischen,
Und wünscht ihm »gute Nacht« in schweren Sorgen,
Entschuldigend, er habe Gäste morgen,
Und müsse Nachts noch in der Rhone fischen.

Der Fischer warf die Netze in die Flut;
Doch wenig denkt er an beglückten Fang,
Der Zukunft nur gedenkt er schwer und bang,
Die ob dem Lande schwebt in schwüler Brut.
Er starrt hinaus, vergessend seiner Netze,
Und bei der Büsche sausendem Geschwätze,
Und bei der Wellen dumpfem Murmelschlage
Wird noch unruhiger des Herzens Frage;
Denn ein bekümmert Herz wird es noch mehr,
Wenn viele Stimmen plaudern rings umher,
Doch theilnahmlos und nur von andern Dingen,
Als die das Herz um seine Ruhe bringen.

Nun aber hört er hinter sich im Hause
Den alten Mönch mit lauter Stimme beten,
Und was dem Ohr die Winde nicht verwehten,
Erfüllt das Herz mit ahnungsvollem Grause.
Und jetzt der Mönch am offnen Fenster singt,
In Liedern kühlt er seiner Seele Brand,
Der Bußgesang in düstern Weisen klingt
Hinaus ins mondbeglänzte schöne Land.
Provence! hörst du deine Nachtigall? –
Bald wird dich solch Gevögel überschwärmen,
Bald werden sie zu Tausenden hier lärmen,
Und viele Thränen locken wird ihr Schall;
Dann werden auch die Rosen aus nicht bleiben,
Sie werden überall hier blutig treiben.

Ein karges Mahl, ein feuriges Gebet,
Und kurzen Schlummer hielt der Kirche Streiter;
Und als der Hahn die Morgenstunde kräht,
Erhebt der Mönch sich rasch und wandert weiter.

Der Regen strömt vom Himmel, rings umzogen,
Und wandernd spricht der Priester seine Messe;
Die Rhone rauscht in hochgeschwellten Wogen,
Die Schwalbe fliegt und zwitschert durch die Nässe,

Pierr' das Pferdgetrappel nicht beachtet,
Das hinter ihm erschallt und näher trachtet.
Da ruft ein Mann: »Toulous'!« und in die Seite
Stößt er dem Mönch den Speer und sucht das Weite.
Hinstürzt Pierr' und stirbt; sein heißes Blut
Strömt fort, gewässert von der Regenflut;
Doch wird dies Blutmahl in ein Herz sich prägen,
Wo es verwaschen kann kein Regen.

Fulco.

»Wie kam es, daß der frohe Troubadour
Fulco sich hat gesellt dem Priesterorden,
Der Kirche Spür- und Hetzhund ist geworden,
Nachwitternd ohne Rast der Ketzerspur?
Ein Zauber mußte schlagen seinen Mund,
Die Nachtigall verwandeln in den Hund.

Im tiefsten Forste jagt die Pfaffenmeute,
Und Fulco's Lauf und hitziges Gebell
Verräth den grimmen Jägern ihre Beute,
Und ihre Todespfeile folgen schnell.
Mir thut es um den wackern Sänger leid,
Dem edle Frau'n, wenn seine Lieder rauschten,
Wie keinem sonst in der Provence lauschten;
Gib mir, wie er verwandelt ward, Bescheid.«

So stellt Roger von Beziers die Frage
Dem Freund, und dieser spricht im Ton der Klage:
Auch mir ist leid. Noch klingt mir's in den Ohren,
Und Fulco's Lied ist das Geringste nicht,
Was uns in diesem Sturme geht verloren;
Es ist verweht, wie manches Freudenlicht.

Denkst du des Abends noch in Carcassonne?
Als Fulco sang in kühler Linden Kreise,
Als edle Damen seine süße Weise
Gerührt zu stillem Schmerze, lauter Wonne?
Bei seinem sehnsuchtsvollen Minneliede
Entfloh aus mancher schönen Brust der Friede,
Der solchen Klang nicht kann ertragen,
Und wich der Sehnsucht schlummerlosen Klagen.

Er sang ein Lied voll tiefem Liebesgrame,
Er pries die Rosenwangen seiner Dame,
Und jeden Reiz, der ihn entzückend quäle,
Der Augen Gluth, in welcher seine Seele
Sich bang verzehrt und hoffnungslos versiegt,
Dem Bächlein gleich wenn es vom Schattenthale
Hinaus sich wagt zum heißen Sonnenstrahle
Und in die Luft als irrer Dunst verfliegt.
Doch Bächlein muß den Strahl der Sonne loben,
Weil sterbend es zum Himmel wird gehoben.

So sang er dort im Hauch der Lindenbäume,
Und auf die Wangenrosen holder Frauen
Sah man die Thränen leise niederthauen
Vom dunkeln Himmel ihrer Liebesträume.
Und wer im Herzen fühlte Liebeswunden,
War süß erleichtert, wenn auch nicht genesen;
Denn auch sein Leiden hatte Wort gefunden
In Fulco's wonnereichen Sirventesen.
Beglückt die Frau, der solche Feier gilt!
Der Sänger, dem sie von den Lippen quillt!
Ein schöner Abend war's an jenen Linden,
Wie wir vielleicht ihn niemals wiederfinden.

Nun aber will ich dir von Fulco sagen,
Wie's kam, daß er sein Saitenspiel zerschlagen,
Das Haupt sich schor, die Kutte nahm, und wild
Die Hölle malt, mit gleicher Leidenschaft,
Wie er gepriesen einst ein Frauenbild
Und jedes Herz in Sehnsucht hingerafft.
Nun schwelgt er in geschreckter Herzen Qualen,
In Bannesblitzen, so die Welt verheeren,
Wie einst in schöner Augen milden Strahlen
Und in des Beifalls schmeichlerischen Zähren.
Das eben war's, ein schöner Frauenblick,
Und seiner Liebe trauriges Geschick.

Warum ein Sänger zarte Frauen
Mit schönem Lied so mächtig rührt,
Daß er sie von der Freude grünen Auen
Zur Schwermuth, die dem Tode hold, entführt? –
Hört ihre Seele, wenn sie lauschen,
Im schönen Liede schon auf Erden
Die himmlischen Gewande rauschen,
Die sie, verklärt, umkleiden werden?
Spürt in des Liedes trunknen Reden
Ihr Herz die Hauche süß erschrocken,
Die schmeichelnd einst gespielt im Eden
Mit ihrer Ahnfrau goldnen Locken?
So daß ihr Herz hienieden bangt,
Und sich die Seele fortverlangt?
O Frauenherz! o zarte Seele!
Wer mag ergründen, was dich quäle? –

Hat sie dein Auge nie geschaut
Die schöne Gräfin Adelheid,
Dem Grafen Barral angetraut,
So sey es deinem Auge leid.

Wohl hast du ihrem Ruhm gelauscht,
Der weit durch die Provence wehte,
Als wie von einem Rosenbeete
Die Lüfte taumeln süß berauscht.
Doch Namen können dir's nicht sagen,
Wie sie gestrahlt im Tugendglanz,
Und in der Schönheit vollem Kranz;
Das kühnste Wort muß bleich verzagen,
Wie dir der Duft kann schildern nicht
Der Rose holdes Blüthenlicht.
Verwirrend war es sie zu schauen,
Die schönste, sittigste der Frauen,
Ein Blick, dem Herzen selig bitter,
Ins Paradies durch Eisengitter.

Auch Fulco sah sie und sie ihn,
Und ihre Ruhe war dahin.
Ein Augenblick, so schnell er flieht,
Ist g'nug, daß sich zwei Herzen nie vergessen;
Ein Blitz genug, die Zukunft zu ermessen,
Von Gram und Leid ein weites Nachtgebiet.

Die Gräfin von Marseille war
Von Fulco's Liedern tief bewegt;
Doch was ihr Herz für Leid gehegt,
Gab nie ein Wort ihm offenbar;
In ihrem Blick nur konnt' er lesen,
Wenn ihr ertönte sein Gesang,
Daß sie mit einer Liebe rang,
Von der noch nie ein Herz genesen.

Und Fulco rang mit heißen Schmerzen,
Zugleich mit Wonnen, schwer zu tragen;
Weh dir, wenn sich in deinem Herzen
Der Himmel und die Hölle schlagen!
Er hat in ihrem Blick erkannt,
Daß ihm ihr Herz sich zugewandt,
Doch auch, daß jede Hoffnung schwinde,
Und nie sein Herz Erhörung finde.

Da wurden seine Lieder dringend,
Der Dame bittern Vorwurf bringend.
In schmerzlich grollenden Canzonen
Bewahrt' er stets doch zartes Schonen,
Denn nie erklang darin der Name
Der wunderholden spröden Dame.
Sie hieß in seinem Lied »Magnet«,
Auch »Allezeit« in seinen Grüßen;
Weil ihn hinzog zu ihren Füßen
Die Macht der Liebe früh und spät.

Einst sang er kühn: »Zerbrich das Joch
Der strengen Pflicht! mich dünkt ja doch,
Daß du nach mir geheim dich kränkest
Und mein in süßer Huld gedenkest.
O könnt' ich mich durch Zauberei'n
Verwandeln in mein glücklich Bild,
Das oft vielleicht bei dir darf seyn,
Und still bei Nacht dir Küsse stiehlt!«
So klang das Lied des Allzukecken,
Vom Schlaf das Unheil aufzuwecken.

Ein Wandrer saß bei goldner Abendröthe
Im stillen Wald und blies die Flöte.
Da hört' er's leis' im Dickicht rauschen,
Und inne hielt sein Hauch erschrocken,
Denn auf der Flöte helles Locken
Kroch eine Schlange vor, zu lauschen.
So kam aus ihrer finstern Schlucht,
Gelockt von Fulco's Minnesange,
Plötzlich hervor die gift'ge Schlange,
Des Grafen Barral Eifersucht.
Sie flocht in wechselvoller Windung
Und immer neuer Qualerfindung
Sich um den Gatten fest und stach
Ihn mit dem Gift vermeinter Schmach.

Die Hölle klang in Fulco's Lied
Dem Grafen Barral, und nicht länger
Am Hof geduldet blieb der Sänger,
Und der Verwiesne trauernd schied.
Als Fulco stumm verließ das Zimmer,
Da rief ihm Barral nach: »Auf immer!«
Die schöne Gräfin blickte schweigend
Ihm nach, das Haupt in Trauer neigend,
Und ihr entfallen heiße Zähren,
Die sich ihr Recht nicht lassen wehren.
Barral gewahrt der Thränen Lauf
Und tritt mit einem Fluche drauf;
Am Estrich rauh verwischt sein Fuß
Der Liebe letzten stummen Gruß.

Fulco zieht stumm; er hat kein Recht,
Barral zu fordern ins Gefecht;
Ihn bat der Dame Scheideblick,
Zu tragen still sein Mißgeschick.

Er trug es still; – doch oft bei Nacht,
Wenn Mond und Stern am Himmel lacht,
Wenn süßen Duft die Blumen senden,
Als ob sie Liebe auch empfänden,
Wenn im Gebüsch der Vogel ruft
Den Sehnsuchtslaut in weiche Luft –
Da steht der Troubadour gebannt
Und blickt zum Schlosse unverwandt,
Wo Adelheidens Lichter brennen,
Und Qualen fühlt er, nicht zu nennen.

Da reißt ihn fort die Eifersucht
Von Bild zu Bild in heißer Flucht;
Sie lüftet ihm des Schlosses Mauern,
Ins Inn're ist sein Blick gedrungen,
Er sieht, wie Barral sie umschlungen;
Da faßt sein Herz ein wildes Trauern,
Abscheu und grimmiges Beneiden,
Und mit den Augen möcht' er schütteln
Das Schloß und es zusammenrütteln,
Begraben in den Schutt die Beiden.

Und wieder stimmt zu sanften Klagen
Erinn'rung aus beglückten Tagen
Den Sänger; seine Blicke legen
Sich mit der Liebe heißem Segen
Wehmütig an des Schlosses Zinnen,
Bis ihn der Morgen weckt aus tiefem Sinnen.

Die Zeiten schlichen seinem Grame
Freudlos vorbei; die theure Dame
Sah er nicht mehr seit jenem Tag,
Als bis sie auf der Bahre lag. –

Verworrnes Klaggeläute schallt,
Die Menge wandelt ernst und still
Zum Schloß, wo sie noch schauen will
Der Erde lieblichste Gestalt,
Bevor ihr letzter, bleicher Schimmer
Verschwunden ist auf immer.
Nur manche fragen trauernd sich,
Warum sie denn so früh verblich?

Der Eine meint: »Sie war zu gut
Für diese Welt, drum hat sie Gott entrückt
Und hat mit ihr sein Haus geschmückt;
Nun ist ihr wohl in seiner Hut.«
Ein Andrer meint: »der Liebe Schmerz,
Den sie verbarg, brach ihr das Herz,
Es ist die schöne Frau des Grafen
Bei Fulco's Minneliedern eingeschlafen.«

Der dies gesprochen, ahnte nicht,
Wie scharfes Wort ihm da entfuhr,
Denn seinen Schritten folgte dicht
Und unerkannt der Troubadour;
Der trug die Brust so schwer, so voll
Von ungeheurem Schmerz und Groll.

Der weite Saal ist schwarz verhangen,
Am Sarkophag die Wappen prangen.
Solch Prunken taugt, den Tod zu ehren,
Sein hohes Ansehn noch zu mehren,
Weil für das Aug so höhnisch bitter
An einer Bahre Erdenflitter.

Viel Kerzen um die Leiche brennen
Und lassen jeden Zug erkennen
Von hoher Schönheit, stillem Harme.
Und ernste Mönche murmelnd beten,
Daß Gott der Todten sich erbarme,
Als plötzlich Fulco eingetreten;
Fulco, der sie noch schauen will,
So bleich wie sie, nur nicht so still.

Er sieht sie todt! – da bricht entzwei
Sein Herz mit einem wilden Schrei;
So schmerzlich seine Stimme gellt,
Daß banger Schreck die Mönche bleicht,
Der Rosenkranz der Hand entweicht
Und rasselnd auf den Boden fällt.

Wenn jene Stimm' auf Ceylon ruft,
Tiefklagend plötzlich durch die Luft,
Wenn dort der Geistereremit
Aufschreit, den nie ein Wandrer sieht,
Doch keiner ohne Weinen hört,
So ist's ein Ruf, dem Schrei verwandt,
Der hier die Mönche aufgestört
Und sie zu Thränen übermannt;
Und jeder wünscht im Herzensgrund:
O Todte! könnt' ich dich beseelen
Und dem Unglücklichen vermählen!
Wie gerne wollt' ich segnen euren Bund!

Und Fulco starrt sie an – und weint.
Der Rosenschein auf ihren Wangen
Ist hingeloschen und vergangen;
Doch um die bleichen Lippen scheint
Für ihn ein süßes Wort zu schweben,
Ein Wort, das sie nicht sprach im Leben;
Die Augen, die allein gesprochen
Von seinem Himmel, sind gebrochen.

Das Leben schwand, die Schönheit nicht
Von diesem stillen Angesicht,
Als ob vor ihr der Tod sich scheue,
Als müßte der, vor so viel Reiz erschrocken,
In seiner grausen Eile stocken,
Zu spät erfaßt von bittrer Reue.

Vor Fulco's Leid den Mönchen graut,
Wie seine Augen auf der Leiche brennen,
In wilder Angst die Zähren rennen;
Der Schrei war seiner Liebe letzter Laut.

Geschieht's, damit der Tod noch herber quäle,
Wenn scheidend eine schöne Seele
So festen Schatten wirft auf Erden,
Daß ihre Züge und Geberden
Noch sichtbar sind, wenn sie entschwunden?
Damit noch heißer bluten unsre Wunden?

Wenn unglückliche Liebe, ganz umnachtet,
Am letzten Ziele, Angesichts
Der Leiche steht, sie stumm betrachtet,
Das schöne, starre, kalte Nichts,
Das grause Nichts, das taub und still,
Noch immer das Verlorne scheinen will:
Wer kann den dunkeln Weg wohl wissen,
Wer kann errathen wohl den Ort,
Wohin, von ihrer Leiche fort,
Die Liebe wird von ihrem Schmerz gerissen?

Und Fulco tritt zur Todten dicht
Mit heft'gem Schritt; die Mönche bangen,
Daß er sie küssend werd' umfangen,
Doch nein, o nein, er küßt sie nicht.
Was lebend sie so streng versagt,
Fulco noch minder jetzo wagt,
Wo duldsam sie es ihm vergönnte,
Und nicht mehr hold erröthen könnte.

Aus ihren Händen löst er sacht
Das Crucifix, das küßt er wild,
Und preßt an's Herz das Christusbild,
Und athmet tief, wie traumerwacht.
Doch scheinbar nur ist sein Besinnen,
Ein and'rer Traum zieht ihn von hinnen.

Sein Glück ist hin, damit ist's aus;
Doch eh des Schmerzes wilder Braus,
Ihn wirbelnd ganz hinabgedreht,
Hat ihn der Sturm noch angeweht,
Der jetzt die Völker treibt auf Erden:
Er will ein Streiter Christi werden.
Er schwingt empor das Crucifix,
Entschlossnen Muths, entflammten Blicks,
Und flieht vom traurigen Gemach,
Und jeder starrt ihm staunend nach.

Von Adelheidens Todtenbahr
Riß ihn der Wahnsinn zum Altar.
Wenn all sein Glück ein starkes Herz verloren,
Wenn seine Wund am tiefsten klafft,
Dann wird es vom Verhängniß gern erkoren
Und in den großen Sturm hinausgerafft.

Als Fulco stand am Sarg der Lieben,
War ihm ein Hoffen nicht geblieben,
Es finden sich jenseits der Thränen,
Die hier umsonst ans volle Herz sich sehnen?

Vielleicht hat ihn die Kirch' erworben,
Weil Adelheid in ihr gestorben,
Die fromme Frau, die, schon vergangen,
Das Bild des Heilands hielt umfangen.

Er haßt uns Andern, weil wir meinen,
Wer einen Todten liebt, soll weinen,
Denn sterben ist im Geist verschwinden,
Wir glauben an kein Wiederfinden.

Er hält am Wahn der frommen Thoren,
Daß uns die Todten unverloren,
Und grollt der Wahrheit kühnen Freiern,
Die sich das Menschenloos entschleiern,
Und keck den Blick durch heilige Nebel tauchen,
Die hüllend überm Abgrund rauchen.
Ein heimlich vor der Wahrheit Zittern
Mag gegen uns sein Herz so wild erbittern.

Der Traum.

Schlaf', Innocenz, schlaf' wohl, und flöße
Ein sanfter Traum ins Herz dir Frieden.
Doch nein, der Schmerz, der dir beschieden,
Wächst fort im Schlaf zu wilder Größe.
Du bist tief krank; sollst du genesen,
Muß erst dein Leib im Sarg verwesen;
Nicht heilt der Brand der dich verzehrt,
Weil er am Ewigen sich nährt.

Furchtbar zuweilen ist des Traumes Macht;
Er ängstigt, schmerzt, erschüttert, droht,
Und wenn der Schläfer nicht erwacht'
Im Augenblick, im nächsten wär er todt.
Hat man nicht oft den Abends noch Gesunden
Des Morgens auf dem Lager todt gefunden?
Sein stilles Antlitz kann es euch nicht sagen,
Ob ihn ein böser Traum erschlagen?

Ein Traum kann Uebermaß von Freude geben,
Daran das Herz nicht ward gewöhnt im Leben,
Und eilte nicht das Herz, sich selbst zu wecken,
Es stünde still in seinem Himmelsschrecken.

Solch banges oder frohes Traumgesicht
Ergreife dich mit zaubrischer Gewalt,
Und wenn dein Herz im höchsten Sturme wallt,
Dann, Innocenz, erwache nicht!

Noch wacht der Pabst in späten Nachtgedanken:
Dem Gifthauch der Irrlehre preisgegeben,
Seh' ich das Christenthum auf Erden schwanken,
Das Grundgestein der Kirche fühl' ich beben.

Die Seele und der Mittelpuls, das Herz,
Der Christenwelt durchwärmend alle Adern,
Bin ich durch Gott; drum quält mich tiefster Schmerz,
Daß krank die Glieder mit dem Herzen hadern.

Wenn Lucifer sein Schwert stets wilder schwingt,
Und wenn es dem Verderber wo gelingt,
Ein Glied vom Leib der Kirche abzuschneiden,
Durchzuckt es mich, o Gott, mit welchen Leiden!

Mein Wachen, Sorgen, ruheloses Ringen,
Das Christenthum zu halten und zu mehren,
Das Band des Glaubens um die Welt zu schlingen,
Die Welt im Strahl der Liebe zu verklären:
Dagegen stürmen rastlos böse Horden,
Sie wollen frech die Gotteseintracht morden.

Einsam hab' ich in mancher dunkeln Nacht
Der Kirche kranken Athemzug bewacht,
Und ihren Fieberträumen muß ich lauschen;
Und näher hör' ich ein Verhängniß rauschen.

Aus fernen Landen mir herübertönen
Die Ketzerstimmen, – wie sie lachen, höhnen!
O wie sie manches arme Herz verheeren!
Wie sie mit Wuthgeschrei die Tempel stürmen!
Die Bilder fallen schmetternd von Altären,
Die Glocken stürzen schreiend von den Thürmen.

O dunkle Nacht, vor Gott klag ich dich an,
Wenn du dich hüllend legst um ihre Bahn.
Ich liege hier, und die verderblich Schnellen
Sind auf, das Unheil durch die Welt zu tragen;
Ins weite Land hör' ich den Reiter jagen,
Den Schwimmer hör' ich rauschen durch die Wellen.
Allnächtlich stürzt er in den Strom und schwimmt,
Bis heimlich er den dunkeln Strand erklimmt;
Da harrt des Lehrers die bethörte Schule,
Und öffnet ihrem Liebling Schooß und Herz,
Wie einst am Hellespont des Griechen Buhle,
Bis ihn die Götter rissen abgrundwärts.

Wie ein gezücktes Schwert von ferne blitzt,
Ein Wetterstrahl die schwarze Wolke ritzt,
Hat ein Gedanke plötzlich mich erhellt:
Ich soll die Ketzer tilgen aus der Welt!
Wie manches blutverströmende Gefecht
Ward rühmlich für gekrönten Staub geschlagen,
Und soll mein Herz vor Schwert und Flamme zagen
Für Christi tiefgekränktes ew'ges Recht?!

Zum Kirchenhaupte fühl' ich mich erkoren
Von Gott dem Herrn; soll ich's geduldig leiden,
Wenn überall verbrecherische Thoren
Die Welt von Gott versuchen abzuschneiden?
Wenn jeder lehrt den Glauben den er dichtet?
Wenn ringsumher, Irrlehren auszuschenken,
Giftmischer ihre Buden aufgerichtet,
Die Welt mit süßem Heidenthum zu tränken?

Schon tobt der wilde Rausch von Land zu Land,
Der Taumelbecher kreist von Hand zu Hand,
Ein jeder Wahn hat seinen Predigerorden,
Und jede Mißgeburt verrückter Träume.
Es ist die Welt ein Labyrinth geworden,
Ein Wald verderblicher Erkenntnißbäume. –
So klagt der Pabst in nächtlich dunkler Stille.
Der Blutgedanke stürmt an seinem Herzen,
Mit Gluth und Schwert die Ketzer auszumerzen;
Noch weigert dem Gedanken sich der Wille.

Er sendet seinen Boten, tief bekümmert,
Nach in die Ferne segnend seinen Gruß;
In ihrer Treu' sein letztes Hoffen schimmert,
Im Kampf zu siegen ohne Blutverguß.
Und müd von Arbeit, Seelenstreit und Kummer,
Ist Innocenz gesunken jetzt in Schlummer.

Doch wer da lebt, die Erde zu gestalten,
Kann drauf nicht lang und tiefe Ruhe halten;
Nur wessen Loos die Erde zu genießen,
Mag vor dem Tod die Augen fester schließen.
Ein böser Traum ergreift den Kummervollen,
Und läßt von Bild zu Bild die Seele rollen:

Er hört im Traum ein banges Glockensummen,
Die Kirche läßt ihr letzt Geläut verhallen,
Ihm dünkt die Welt von Christus abgefallen,
Er lauscht und weint – die Glocken, ach! verstummen;

So wie die Klänge leis' und leiser beben,
Verzittert in den Tod das fromme Leben.
Das heilige Tau des Glaubens ist zerrissen,
Das diese Welt an ihren Gott gebunden,
Vom Nagethier dem Zweifel überwunden,
Vom Zahn der Höllenratte abgebissen.

Da liegt das Kreuz zersplittert und zerschlagen,
Und drüber hin sieht er den Satan jagen;
Und Satan überläßt, dem Herrn zum Spotte,
Die Welt ein Spielzeug seiner Höllenrotte.

Auf schwarzer Wiese tummeln sich die Schwärme
Mit Lust und Scherz und ungeschlachtem Lärme.
Sie spielen Ball, die Welt im Fluge braust,
Die Teufel schlagen sie von Faust zu Faust,
Und ihr entfährt auf ihren tollen Wegen
Ein Staubgewölke von den harten Schlägen
Und senkt zum schwarzen Grund sich ins Verderben,
Das sind die Seelen derer die da sterben.

Und weiter treibt sein Traum zu neuer Qual
In ein verdüstert einsam Felsenthal;
Dort hört er plötzlich eine Stimme klingen,
Sie füllt sein Herz mit Leide zum Zerspringen:
»Bei euch verbleib' ich bis ans End' der Tage
Als Trauerblick und als verlorne Klage!«

Und jetzt der Traum mit ihm zum Strande schießt,
Dort an der Rhone liegt ein Mönch getödtet,
Das bleiche Angesicht vom Blut geröthet,
Das aufs geneigte Haupt hernieder fließt.
Vom Haupte des Erschlagnen rauscht empor
Ein Geier und umflattert ihn und kreischt:
»Gib mir zu trinken!« rastlos ihm ins Ohr,
Wie er vom Araber Blutrache heischt,
Dem Haupte des erschlagnen Freunds entstiegen,
Indeß die Rosse mit den Mördern fliegen.

Der Geierschrei hat Innocenz geweckt,
Er richtet sich empor und starrt erschreckt,
Ergossen ist durch seine Schlummerzelle
Wie Mondesdämmern eine sanfte Helle.

Da steht ein Mönch, das Haupt vorunter neigend,
Wie reisemüd, gedankenvoll, und schweigend.
Und Innocenz erkennt Pierr', den Frommen,
Und ruft ihm zu: »o sey gegrüßt, willkommen!
So bist du schon zurück von deiner Sendung?
Und eilst, zu künden mir die frohe Wendung?

O Freund, wie gut, daß du gekommen bist,
Viel Arbeit harret dein zu dieser Frist.
Die Briefe dort und manche ernste Kunde
Vertrau' ich deinen Händen, deinem Munde.
Gott segne dich mit seinem Gnadenlichte!
Wie steht's in der Provence? schnell berichte!«
Doch traurig schweigt der Mönch, als ob er weine,
Und ist verschwunden sammt dem hellen Scheine. –

Nach schlimmer Nacht noch schlimmre Morgenstunde;
Fulco's Gesicht im heißen Zorneslicht
Herein wie eine Rachesonne bricht,
Er bringt dem Pabst von jenem Mord die Kunde:

»Zur Kreuzfahrt, Vater! sprich dein Machtgebot!
In tausend Bannern laß die Rache flattern!
Schon schlagen sie dir die Legaten todt,
Wie auf dem Waldweg giftgeschwollne Nattern!

Weil sie so gräulich sind zurückgefallen,
Will Christus rettend selbst zurücke wallen,
Er will noch einmal als Jehovah schalten,
Ein zornig Blutgericht auf Erden halten.

Sey du sein Schwert und seine Zunge,
Sein Donner und sein Blitz zugleich,
Und triff vor ihrem letzten Mördersprunge
Die Höllenkatze mit dem Todesstreich.
Die Häresie mit immer kühnern Sätzen
Springt durch die Welt; erwache deinen Pflichten!
Du fängst sie nimmermehr mit Liebesnetzen,
Soll sie zur Ruhe, mußt du sie vernichten!«

So Fulco sprach, des Hasses Feuer schürend,
Der einst von Liebe sang so süß und rührend.

Er schweigt und harrt des Pabstes Wort entgegen;
Doch dieser spricht erst seinen Morgensegen,
In seinen Zügen ist er fest und stille,
Wie Steingepräg' in jedem Zuge steht
Entschluß und unerschütterlicher Wille;
Und ausgesprochen hat er sein Gebet.

Von Innocenz wird Fulco angeblickt,
Daß der, so kühn er ist, ins Herz erschrickt.
Bezwungen ist er von der Macht des Bannes
Im Zornblick eines großen Mannes.
Es ist derselbe Blick, der schon so lang
Als Herr die Wirren einer Welt durchdrang,
Der tausend Feinde in den Staub gestochen,
Vor dem sich zitternd Könige verkrochen.

Nun spricht der Pabst: »ha! welcher Wahnsinn lieh
Dir seine Rede, daß du so vermessen
Des Amts mich mahnst, als hätt' ich sein vergesssen,
Zu züchtigen mit Macht die Häresie?

Als ich den schlimmen Mord durch dich vernommen,
Stand mein Entschluß geharnischt und in Waffen,
Zur That bereit, ganz fertig und vollkommen:
Die Ketzer von der Erde fortzuschaffen.
Getödtet haben sie den Friedensboten
Und also selbst zerhau'n den finstern Knoten.«

Die Höhle.

Im Wald ist eine Höhle tief und still,
Wohin kein Strahl gelangt, kein Windhauch streicht,
Wohin das matte greise Wild sich schleicht,
Wenn es im Dunkeln heimlich sterben will.

Dort steht ein Mönch, den Blick zum Boden senkend,
Wo Knochen viel zerstreut, und also denkend:
Ist's Reinlichkeit und angeborne Zucht,
Daß sterben geht das Wild in dunkle Schlucht?
Und möchte nicht die Seele die sich trennt,
Verscharren gern die Leich', ihr Excrement?

Schämt sich das Wild des Tods? ein Ahnungsschein,
Daß Tod nicht war im Paradieseshain,
Als es gewandelt noch in Gottes Huld,
Und dämmert traurig ihm die Erdenschuld? –
Es wäre mehr vielleicht als von den Sternen,
Vom Thier in seiner Todesnoth zu lernen.

Dominicus, der strengste Mönch von allen,
Die mit der Welt und ihrer Lust zerfallen,
Von heiliger Askese bleich und hager,
Sucht für die Nacht im Walde sich ein Lager.

Er zog von Ort zu Ort, wo Ketzer weilen,
Bemüht zu seinem Glauben sie zu heilen,
Viel Tage lang, viel schlummerlose Nächte
Hielt er mit ihnen heiße Wortgefechte;
Bei Manchen ist dem Mönch ein Sieg gelungen,
Die Meisten blieben starr und unbezwungen.

Nun ziehn den Müden endlich seine Glieder
Erschöpft zum langentbehrten Schlafe nieder.
Doch dünket ihm des Waldes Moos zu weich,
Der Vöglein Schlummerlied zu wonnereich;
Erst in der Höhl', auf harten Thiergebeinen
Streckt er zu kurzer Ruhe hin die seinen.

Er gönnt die Ruhe nur dem armen Leibe,
Daß er ihn bald zu neuen Qualen treibe;
Und darf sein dürrer Mund zum Quell sich senken,
So will er nur den Schmerz des Leibes tränken;
Die karge Kost soll die Entsagung stärken,
Und rüsten nur zu neuen Kampfeswerken.
So drückt er seinen Leib als ein Tyrann,
Und nährt ihn doch, daß er nicht sterben kann.

Kaum aber war der finstre Mönch entschlafen,
Als weckend ihn verworrne Töne trafen;
Er fährt empor, es murmeln dumpfe Stimmen,
Er sieht im Grund der Höhle mattes Glimmen,
Und leise schleicht er nach dem Licht, dem Schalle,
Und steht am Eingang einer weiten Halle.

Die Hall' erleuchtet heller Fackelbrand,
Inmitten ist ein hoher Greis zu schauen,
Der hält die Bibel hoch in seiner Hand,
Und ihn umlauschen Männer rings und Frauen.

Er spricht: »In diesen Blättern ist enthalten
Des Heiles viel und manche Gotteskunde.
Nicht am Altar sollt ihr die Hände falten,
Die Predigt höret nicht aus Sünders Munde,
Ihr sollet keine Kirche mehr betreten,
Nicht trinkt das Wort aus schmutzigen Geschirren.
Der helle Glockenschall darf euch nicht kirren,
Die Glocken sind des Teufels Felddrommeten.«

So klang die Rede aus des Greises Munde,
Da stürzt der Mönch gewaltig in die Runde,
Er streckt sein Cucifix empor und ruft:
»Der führte mich in eure finstre Schluft,
Wenn ihr ihn ehrt so folget seinem Licht!«
Und jeder lauscht dem Mönche wie er spricht:

»Gieng ein Mann allein zur Morgenzeit
Tief und tiefer in den Wald; die Glocken
Hört er fernher in die Kirche locken,
Doch er flieht zur tiefsten Dunkelheit.

Sonntags war's, zur Kirche rief das Erz,
Doch er schlug, die Glocken nicht zu hören,
Mit dem Stabe mächtig an die Föhren,
Laute Flüche donnerte sein Herz.
Fromm war sonst des Mannes That und Spruch,
Doch die Priester haßt' er, weil in Sünden
Sie dem Volk das Wort des Herrn verkünden,
Ihrer Predigt sandt' er seinen Fluch.

Als er umirrt in der Waldesnacht,
Als im fernen Dickicht seinen Ohren
Gieng der letzte Glockenlaut verloren,
Überfällt ihn heißer Durst mit Macht.
Brennend, glühend ist des Durstes Qual,
Im bekannten Forst nach allen Winden
Ist kein Bächlein nirgendwo zu finden;
Horch! Da rauscht es doch mit einem Mal!

»Wunderbar!« – so ruft er – »ist's ein Quell?«
Und er folgt mit sehnsuchtsvollem Lauschen
Eilig nach dem wonniglichen Rauschen;
Sieh! da springt ein Bächlein silberhell.
Seine Seele spricht ein Dankgebet,
Schmachtend ist er an den Quell gesunken,
Und er hat sich freudig satt getrunken,
Als vor ihm ein schöner Jüngling steht.

Himmlisch ist des Jünglings Angesicht,
Und er winkt dem Mann, ihm nachzuschreiten,
Von woher die Wellen niedergleiten,
Endlich hält der Jüngling still und spricht:
»Sieh ein Aas hier liegen in der Flut;
Durch das Aas kam dir der Quell gegangen,
Doch du hast ihn freudenvoll empfangen,
Und er kühlte deines Herzens Glut.«

Fließt für uns des Heilands Wort zu Thal,
Geht ihm durch die Sünder und die Thoren
Doch die Gottesfrische nicht verloren,
Und die Kühlung heißer Erdenqual.
Staunend blickt der Mann zur Flut hinein,
Dann empor, den Jüngling zu erkunden,
Doch schon ist der Engel ihm verschwunden,
Sammt dem Aas und Bächlein hell und rein!«

Betroffen läßt der Greis die Bibel sinken:
»Weh uns! die letzte Zuflucht ist verrathen;
Doch wisse, Mönch, und sag es dem Prälaten:
Wir wollen oberhalb des Aases trinken!
Gerad ins Herz will unser Gott uns fließen,
Nicht durch den Mund des Lasters sich ergießen.«

Da murmelt's in der Menge: »bindet ihn!
Er liefert uns zum Tod, erschlagt den Pfaffen!«
Gewaltig ruft der Alte: »laßt ihn ziehn,
Befleckt euch nicht, wir haben andre Waffen!«

Dominicus fanatisch niederkniet,
Zerreißt, die Brust entblößend, sein Habit
Und ruft: »gebt mir den Tod! o laßt mich sterben!
Hier einsam, nur im Angesicht der Feinde,
Und unbejubelt von des Herrn Gemeinde,
Will ich den höchsten Kranz erwerben!«
Er ruft's und seine Augen schießen Blitze
Und suchen rollend eines Dolches Spitze.

Umsonst! sein heißes Blut bleibt unvergossen
Nur in den Winkel wird der Mönch gestoßen;
Und wieder schließt der Kreis sich um den Alten,
Und ruhig wird die Feier abgehalten.

Zum Greise jetzo tritt der »ältre Sohn« sich neigend,
Darauf der »jüngre Sohn«, gebückt, ehrfürchtig schweigend.
»Der Helfer« naht zuletzt und führt an seiner Hand
Zur Weih' den Schüler ein, der trägt ein schwarz Gewand.

Dem hält der Greis aufs Haupt das Neue Testament,
Und mahnt ihn feierlich: sprich was dein Herz bekennt!Der Name der Albigenser war ein gemeinsamer, unter welchem die katholische Kirche jener Zeit die verschiedenartigsten, moralisch und dogmatisch divergirendsten Ketzersecten zusammenbegriff. Sie glaubten nicht Alle einen Dualism; auch sollen überhaupt durch das nachstehende Bekenntniß nur ohngefähr die äußersten Linien ihrer Abweichung vom kirchlichen Dogma angedeutet werden.

Wer ist der Grund der Welt? kannst du die Frage lösen?
»Die Geister sind von Gott; die Körper sind vom Bösen.«

Glaubst du ein Auferstehn? – »Wenn's Holz geschlagen worden,
So wie es fällt, so liegt's, nach Süden oder Norden.«

Was ist der Seelen Loos? – »Sie sind von Gott gefallen,
Und müssen ihren Weg durch Noth und Sehnsucht wallen,

Bis sie der Heiland läßt die Luft der Heimath trinken,
Und selbst vergessend sich, in Gottes Herz versinken.«

Bekenne noch, eh wir die Weih' an dir vollenden,
Wie du die Kirche siehst und ihre Gnadenspenden?

»Der Kirche sey der Geist entgegen und zuwider,
Sie läutet ihm zu Grab und singt ihm Sterbelieder.

Der Kirche Abendmahl ist nur gebacken Brod,
Die letzte Oelung kann nichts ändern an dem Tod.

Das Sacrament der Eh ist meist nur Buhlerei,
Wenn sie auch vor der Welt hingeht der Schande frei;

Denn selten einmal blüht die Liebe den Genossen,
Die Himmelsblüthe noch, wenn schon die Früchte sprossen.

Die Taufe netzt das Kind, – den Pflanzenkeim der Regen, –
Sie mahnt uns, der Natur das Kind ans Herz zu legen.

Ich schwöre keinen Eid, denn nichtig sind die Schwüre,
Im Zeitenwetter bald zermorschen solche Schnüre;

Verachte jeglich Bild, zumeist das Kreuzeszeichen,
Das uns nicht frommt, noch Gott zur Ehre kann gereichen.

Gott gleicht nicht einem Knecht, der kundig nicht der Schrift,
Statt seines Namens malt ein Kreuzlein mit dem Stift. –

Nach langem Schlafe regt sich forschend der Gedanke,
Doch trübt ihn noch und hemmt die Zeit und ihre Schranke.

Mag, was wir meinen, auch sich spalten noch und trennen,
Die freie Forschung ist's, wozu wir uns bekennen.

Wir lassen uns den Geist nicht hemmen mehr und knechten;
Es gilt, das höchste Recht auf Erden zu verfechten.

Auf! wecken wir vom Tod die heilige Geschichte,
Die erst lebendig wird im Geist und seinem Lichte;

Mit dieser Leuchte soll der Mensch den wunderbaren
Und heilig tiefen Schacht, des Heilands Herz, befahren.

Der volle Christus ist erschienen nicht auf Erden,
Sein göttlich Menschenbild muß noch vollendet werden.

Einst wird das Heil der Welt, Erlösung sich vollbringen,
Wenn Gott und Mensch im Geist lebendig sich durchdringen.

Mag auch das Jesusbild, der Wiederschein den Sinnen,
Im regen Strom der Zeit verzittern und zerrinnen;

Wenn alle Zeugnisse von Jesus auch zerschellten,
Der Gottmensch ist der Kern, das Herzlicht aller Welten.

So nehmet mich nun auf in euren Bund, ihr Freien
Ich lasse mich von euch, sey's auch zum Tode weihen!« –

So sprach der Neophyt; der Greis in Freuden stand,
Und gab die »Tröstung« ihm mit aufgehobner Hand;

Und siebenmal er spricht mit feierlichem Sinn
Vom Evangelium Johannis den Beginn;

Und siebenmal der Greis das Vaterunser spricht
Und hauchet ihm dazu den Odem ins Gesicht.

Indeß Dominicus im Winkel qualvoll steht
Und auf die Schaar von Gott den Blitz herunterfleht.

Wer nahm hier Ketzerweih'? wer sprach der Kirche Hohn?
Es ist ein Troubadour, der Mönch von Montaudon.

Die Harfe jetzo nimmt, die Feier zu beschließen,
Der Sänger, läßt sein Herz in Reimen überfließen:

»Um euch das Pfaffenthum, das Höllending zu schildern,
Muß ich nach Indien ziehn, nach grausen Schreckensbildern.

Mit schwarzem Angesicht, mit Augen aufgerissen,
Die selbst sich leuchten wild in öden Finsternissen,

Bewaffnet mit dem Schwert, Dreizack und Blutgeschirre,
Die Schlangen um den Leib, ein wallendes Gewirre,

So fliegt die Göttin hin mit tödtlicher Geberde,
Die Amadurga heißt, auf einem Höllenpferde.

Die große Göttin ist's der mörderischen Zeiten,
Seht ihr sie zornig dort durchs Erdenleben reiten?

Wohin der Göttin Roß mit seinen Hufen haut,
Dort bricht der Boden ein, worauf der Mensch gebaut;

Wohin den Sturmeshauch des Rosses Nüstern wehn,
Da muß die grüne Saat der Hoffnungen vergehn.

Die Menschen sterben rings, die Sünder und die Reinen,
Mit Greisen Kinder früh, noch eh sie konnten weinen;

Eh sie den Tag begrüßt mit freudigen Gesängen,
Eh sie der Sonne zu die Gangesfluten sprengen.

Die Göttin reitet fort; vom scharfen Ritt geschüttelt,
Ward eine Schlange los aus ihrem Gurt gerüttelt;

Die Schlange fiel zur Erd' und kriecht durch weite Strecken,
Als Pest mit leisem Biß zu tödten und zu schrecken.

Und eine zweite sank, gelöst vom Gürtelbund,
Die richtet dort ein Volk als Hungersnoth zu Grund;

Und eine dritte ward geschleudert, zischt und fährt
Durch Menschenheere fort, die sie als Krieg verzehrt.

Die vierte aber fiel, die allerschlimmste Schlange,
Und zog vom Morgenland nach Sonnenuntergange;

Sie heißet Pfaffentrug und sticht auf ihrer Bahn
Der freien Lust an Gott ins Herz den gift'gen Zahn.

Dominicus enteilet, wuthzerrissen,
Und sinkt zur Erd' in Waldesfinsternissen.
Er klagt dem dunkeln Wald sein Leid mit Macht,
Und klagt nicht irr, sein Leid gehört der Nacht.

Sein Herz erfüllt ein namenloses Grollen,
Und heiße Thränen auf den Boden rollen.
Die Tropfen sind dem Unheil nicht verloren,
Ein schwarzes Unthier ward daraus geboren.

Aus seinen Zornesthränen ward ein Molch,
Wogegen hold wie Engel Gift und Dolch,
Wogegen Liebesketten alle Schlangen,
Die aus dem Gurt der Amadurga sprangen.
Gottlob! es lebt nicht mehr, es ward zunichte;
Doch dem Entsetzen zeigt noch die Geschichte
Sein Bild, des Unthiers Bau, Gestalt und Glieder;
Die Menschheit schlägt davor die Augen nieder;
Vergessen möchte sie den Schreckenston,
Des Molches Namen: Inquisition.

Das Interdict.

Nach heißem Weg ein Trunk aus frischer Quelle,
Im Schatten Ruh thut Jedem wohl zur Stelle;
Der Wiesen Grün ist jedem Wandrer hold,
Und im Gebirg ein sanftes Abendgold;
Wohl Jeder spürt die süße Lebensmacht
Des Blüthenhauchs in einer Frühlingsnacht;
Selbst Gram gesteht: es ist ein lieblich Klingen,
Wenn ungestört im Wald die Vöglein singen.

Und wenn vor ihm die Donner niederschlagen,
Wer ist so stark, daß er nicht müßte zagen?
Und wer sich hingestellt zu einer Leiche
Und fest ihr schaut ins blasse Angesicht,
Wer ist so elend und betrübt, daß nicht
Ein Schauer vor dem Tod sein Herz beschleiche?

Was uns die Erde beut an Lieblichkeiten,
An Schmerz – darüber mag der Mensch nicht streiten;
Doch wenn von seinem Himmel ist die Rede,
Erwachen Zwietracht, Haß und wilde Fehde.
Wo selig schwelgt ein Herz in Himmelsschätzen,
Dort fühlt ein andres Abscheu und Entsetzen;
Noch fand ein jedes Heiligthum Verächter;
Vor Gottes Strafe zittern hier die Einen,
Die Andern schlagen höhnisches Gelächter,
Und möchten über solchen Wahnsinn weinen.

Toulouse ist vom Interdict getroffen;
Zum letzten Male stehn die Kirchen offen.
Der Bischof Fulco eilt, dem Volk der Sünden
Den Zorn der Kirche donnernd zu verkünden.
Er wirft hinab zur gläubigen Gemeine
Mit Flammenblicken von der Kanzel Steine
Und ruft: »so hat der Herr im Strafgerichte
Verworfen euch von seinem Angesichte!«

Die Kerzen, die am Hochaltare brannten,
Sie werden ausgelöscht mit Klaggeberden;
Die Bilder, die dem Herzen Tröstung sandten,
Sind schwarzverschleiert hingelegt zur Erden;
Die Trauer theilend, jedem Blick verschlossen
Sind die Reliquien in ihren Särgen,
Als möchten sie sich vor dem Volke bergen,
Das Gott aus seinem Angesicht verstoßen;
Das Bild des Herrn umhüllt der tiefste Schleier;
Erschüttert schaut das Volk des Fluches Feier;
Hinausgetrieben wird's mit grausen Worten,
Und donnernd schließen hinter ihm die Pforten.

Die Pforten bleiben zu. Wer seinen Gram
Sonst am Altare auszuweinen kam,
Wer kam für einen lieben Wunsch zu flehen,
Mag lauschend an gesperrter Thüre stehen;
Er hört die Orgel nicht, nun ist sie stumm,
Es tönt kein Wort im todten Heiligthum,
Er hört, wo freudig sonst Gesänge schallten,
Einsam den Zugwind wimmern durch die Spalten;
Die Priester, feiernd, lesen keine Messen,
Den Schall der Glocken hat die Luft vergessen.

Nur selten wird ein Ton vom Schlaf geweckt,
Wenn Stürme jagen durch die Glockenstube;
Und wenn ein Klosterbruder stirbt, so schreckt
Die Glocke, langsam mahnend an die Grube;
Doch an ein Grab, nicht im geweihten Grunde,
Wo still die unvergessnen Freunde liegen,
Wo Kinder sich zu ihren Eltern schmiegen;
Nein! wo die Pferde modern und die Hunde.

O trübe Hochzeit ohne Blumenkranz!
In Trauerkleidern ohne Lust und Glanz!
Im Kirchhof werden Liebende getraut,
Auf einem Hügel kniet die bange Braut,
Und senkt das Haupt, des Myrtenschmuckes baar,
In Grabeslüften flattert ihr das Haar,
In Todesschauern ihre Seele zittert,
Erschreckt sieht sie der Bräutigam erbleichen;
Vom Eindruck der Verwesung wird verbittert
Die Stund' in der sie sich die Hände reichen. –
Die Kirche weiß die Schmerzen zu verwalten,
Das Herz bis in die Wurzel aufzuspalten.

Das Vorgemach.

Ein Ritter harrt auf Einlaß vor der Pforte,
Und murmelt, Seufzer gähnend, herbe Worte:
»Unselig Vorgemach der hohen Herren,
Du Folterbank der flüchtigen Minuten,
Wo man sie weiß zu strecken und zu zerren,
Zu quälen bis sie langsam sich verbluten;
Wem du behagst, der niedrige Geselle
Soll einst dafür im Haus der Hölle büßen:
Ein Kämmerling soll ihn an beiden Füßen
Festnageln dort auf eine Fürstenschwelle!«
Im Vorgemach des Pabstes harren Viele,
Prälaten, Königsboten, edle Ritter;
Doch Zweien wird zumal das Harren bitter,
Sie scharren ungeduldig an der Diele.
Zwei Mönche sinds; wo mag das Kloster stehen,
Dem sie gehören? fremd sind ihre Launen,
Dies kecke Blinzen und verstohlne Raunen,
Und wie sie lauernd scharf im Kreise spähen.

Der eine Mönch ist hager wie ein Speer,
Und holder auch dem Leben nicht als der;
Ein finsterer Asket, wildfremd auf Erden,
Nur heimisch im Entsagen, in Beschwerden,
Nie trank er Wein, hat nie ein Weib umfangen,
Des Jenseits Blässe ruht auf seinen Wangen.

Und läg' im Wald er unter einem Baume,
Der Welt entrückt in einem frommen Traume,
Still contemplirend mit geschlossnen Blicken,
Bald käm' ein Rab, für todt ihn anzupicken.

Der Andre, reich an Leib, stattlich geründet,
Verschmäht nicht, wie sein heitres Lächeln kündet,
Manchmal mit süßer Erdenlust zu kosen;
Wie glänzen seiner Wangen fette Rosen!

Doch trifft ihr Blick den Heiland an der Wand,
Fährt plötzlich übers Angesicht die Hand,
Als wollten schnell verwischen sie das Bild,
Vielleicht die Miene decken mit dem Schild?

Von Ungeduld mag Manchen los hier kaufen
Neugier: woher die Mönche wohl gelaufen?
Der Ritter, der sie mustert, und zum Glücke,
Was Blick und Miene schreiben, meint zu lesen,
Bekämpft die Langeweil' und ihre Tücke
Mit einem Spiel verwegner Hypothesen;
Und flüsternd hebt er an, in tollen Mähren
Die Mönche seinem Nachbar zu erklären:

»Jüngst hielt der Böse Rath mit seinen Söhnen
Und also ließ er seine Stimme tönen:
Der Teufel mag sich immer mühn und plagen;
Wenn seine Saaten schon zur Ernte reifen,
Und drüber lustig seine Lerchen pfeifen,
Wird ihm die Sense aus der Hand geschlagen;
Die Garbe fällt in frommer Schnitter Hände,
Des Teufels Thun wird Gottesdienst am Ende.

Ein harter Satz, ein schwerer Satz, Gesellen!
Wir woll'n den Block 'mal drehen und verschieben:
Die Kirche soll mit frommbethörten Trieben
Als wackre Magd des Teufels Haus bestellen.
Im Dienste meiner scharfen Repressalien
Entsend ich meine Leute nach Italien.

Zwei flinke Bursche aus der Höllenbande
Verkappten sich in braune Mönchsgewande;
Schon sind sie da in Papstes Vorgemach,
Und sinnen jetzt der Langeweile nach,
Um ein paar Studien und Marterskizzen
Beiher sich ins Gedächtniß einzuritzen.

Ich will dich im Vertrauen auch bescheiden,
Was Satan auftrug jedem von den Beiden.
Ihr tretet – so gebot er – vor den Frommen,
Verneigt euch tief und sprecht bewegt, beklommen:

»O heil'ger Vater, spricht der Eine, sieh
Den Staub vom Grab des Herrn an unsern Füßen;
Jerusalem erblickten wir zwar nie,
Doch läßt Sein Grab mit diesem Staub dich grüßen.
Gewachsen ist dies Grab, wächst fort und fort,
Bald ist die ganze Erde so zu nennen;
Wir brauchen nicht ins Morgenland zu rennen,
Stehn bald in Jesu Gruft an jedem Ort;
Als hundertblätterige Grabesrose
Blüht frisch und lustig drauf die Heidengnose.

Berauschend zieht die Strömung ihrer Düfte
Durch alle Welt, betäubend alle Lüfte.
Ein wunderlicher Frühling will sich regen;
Ja! Christus, den die Kirche ausgeboten,
Man fand ihn schal und legt' ihn zu den Todten;
Und einem Neuen seufzt die Welt entgegen.«

»O heil'ger Vater – spricht der Andre – trage,
Daß ich ein Wörtlein Wahres auch dir sage.
Betritt ein Erdenfürst des Bauern Haus,
So treibt der Wirth die lauten Kinder aus,
Daß sie dem hohen Gast nicht lästig werden
Mit Schreien und unziemlichen Geberden;
Wer aber Christum will bei sich empfangen,
Zeigt sich an Art und feiner Sitte minder,
Weil er Gedanken, seine Geisteskinder,
Hinaus nicht wirft, die ungeschlachten Rangen;
Und solls dem Herrn der Welt im Haus behagen,
So muß er mit den Jungens sich vertragen.
Ach, Pontifex! und darf man so gering
Behandeln deinen einz'gen Herrn und Hort?
Du stehst dabei, sprichst kaum ein strafend Wort,
Sein Feldhauptmann zugleich und Kämmerling! –
Vergib, daß ich des Worts mich unterstanden,
Allein so zischt der Spott in allen Landen.«

So wird der Hauch von diesen Mönchen klingen,
Er wird als Sturm in die Provence dringen,
Und dort die Flammen in die Burgen jagen;
Das Land der Freude wird ein Land der Klagen!« –

Der Andre spricht: »wie weit dein Wort ein wahres,
Ich weiß es nicht, die Hölle mag's entscheiden;
Den einen Mönch doch kenn' ich von den beiden,
Dominicus, den Kämpfer des Altares;
Wenn der die Hand vors Auge sich geschlagen,
Den Blick aufs Kreuz unfähig zu ertragen,
So war's die Scham, für Innocenz empfunden,
Daß er die Ketzer noch nicht überwunden.«

Die Führer.

Das sehnlichste, das quälendste Verlangen,
Was schuldbewußte Seelen weichrer Art
Ergreift auf ihrer dunklen Erdenfahrt,
Ist der Gedanke: hätt' ich's nie begangen!

Der Qualgedanke: wär' ich rein geblieben!
Verfinstert ihnen jeden holden Stern,
Vergällt der Freude innerlichsten Kern,
Hat Manchen schon in frühen Tod getrieben.

Nur selten mag ein Traum die stillen Wunden
Wie Morgenluft, die einst gefächelt, kühlen
Daß sie für wenig täuschende Sekunden
Das himmlisch leichte Loos der Unschuld fühlen.
Wie eine Mutter, die vom Schlaf erwacht,
Nach ihrem Kind im Dunkeln streckt die Arme,
So greift, geweckt aus Träumen in der Nacht,
Das kranke Herz sogleich nach seinem Harme.

Ein festes Männerherz, das Frevel that,
Will nichts von Reu und trüben Bußgeschäften;
Mit seiner eignen Stärke schafft es Rath,
Vertraut des Willens ewig reinen Kräften,
Woran kein Makel klebt, wenn sie sich regen,
Den Wust vergangner Tage fortzufegen,
Wie von den Bergen bläst die Nebelhauben
Ein frisch lebendiges Gewitterschnauben.

Der trübe Kranke, dessen Leid und Klage
Den Aerzten eine unlösbare Frage,
Mag zauberkundigen Hirten, alten Frauen
Sein Leben abergläubisch anvertrauen.
Dort steht ein ungezähltes Heer in Waffen:
Der römische Hirte läßt den Ablaß glänzen,
Die Altfrau Kirche weiß mit Indulgenzen
Von jeder Schuld Gewissen rein zu schaffen.

Viel Ritterschaaren und viel Pilgerhorden,
Vereint der abenteuerliche Glauben:
Wenn sie durch vierzig Tage Ketzer morden,
Die Saaten tilgen, sengen rings und rauben,
Daß Gott auf sie die volle Gnadenflut
Ausströme und den gleichen Segensbronnen,
Als hätten sie das heil'ge Grab gewonnen,
Worin der Leib des Heilands hat geruht.

Und Andre hören goldne Glocken läuten:
Herbei! herbei! hier fallen gute Beuten!
Noch Andre lassen ihre Banner wehen,
Für ihre Macht auf Erden einzustehen.

Wagt über seinen Gott der Mensch zu denken,
So wird er's auch an seinem Fürsten wagen,
Er wird nicht blind sich ihm zu Füßen senken;
Woher dein Recht? und gilt es? wird er fragen.

Das fühlen tief und bang die Krongeschmückten,
Das trieb, daß sie so rasch die Schwerter zückten,
Mehr als der Reue Schmerz und Ungeduld,
Im Ablaß rein zu werden jeder Schuld.

Zwei Männer an der Heeresspitze reiten:
Abt Arnald, den der Papst zum Haupt gesandt,
Graf Simon, den die Ritterschaft ernannt,
Dem Kreuzeszug als Feldherr vorzustreiten.
Ein schrecklich Paar! der Eine kalt und klug,
Der Andre rasch wie sturmgejagte Flammen,
So reiten Arnald und Simon zusammen,
Gesellig wie Gedanke und Vollzug.

Oft trug das Roß Verderben, oft Beglücken,
Das Schicksal einer Welt auf seinem Rücken;
Wohin die Rosse jener Beiden traten,
Gefolgt vom ungestümen Reiterschock,
Vergeht nicht nur das Gras von Languedok,
Vergehen auch der Zukunft Freudensaaten.

Der Rosenkranz.

Im Schlosse Brom verschanzt und fest verhauen
Sind tapfre Ritter, banngetroffne Ketzer,
Und rings die Burg umlagernd ist zu schauen
Das Kreuzesheer, die Schaar der grimmen Hetzer.

Die Sonne neigt sich; ihr dort in der Veste,
Freut euch nochmals an ihrem holden Schimmer;
Er schwindet euch vielleicht schon heut auf immer,
Genießet froh die letzten Strahlenreste!
Doch glänzen sie von Waffen und beleuchten,
Was bald sich soll mit eurem Blute feuchten.

Der Schiffer rings vom weiten Meer umflossen,
Der Krieger in der Burg vom Feind umschlossen,
Sie sollen scheiden sehn den Abendstrahl
Nicht ohne Gruß – vielleicht zum letzten Mal.

Der Feldherr Simon durch das Lager reitet,
Das weithin seine bunten Zelte breitet;
Er prüft die Schleuderthürme und durchspäht
Die Mauerbrecher, jeglich Sturmgeräth,
Und er befiehlt zur nächsten Morgenwacht
Den Sturm und mahnt: seyd tapfer in der Schlacht!

Jetzt winkt er den Legaten sich heran
Und scherzt: »wenn wir das Schlößlein abgethan,
Will ich den Grafen Foix, den frevelnd kecken,
Mit einem Rosenkranz zur Kurzweil necken,
Den send' ich ihm, dran soll er Buße beten,
Bis wir ihm auf den stolzen Nacken treten.«

Das Lager rauscht von wildverworrnen Tönen:
Hier Aexte zimmernd an Maschinen dröhnen,
Am Schleuderwerk die starken Seile knarren,
Dort zankt ein Trupp sich um den Futterkarren,
Wo jeder nach dem besten Stücke trachtet,
Dort Wehgeschrei, es ist ein Faß zersprungen,
Geblöck von Thieren die das Messer schlachtet,
Geschwätz von heimischen und fremden Zungen,
Den Ketzern Flüche, pöblisches Gelächter,
In schwerer Rüstung rasseln edle Fechter,
Die Rosse wiehern und die Mönche singen,
Bis Alles mag die stumme Nacht verschlingen.

Das Schloß vertheidigt Hugo von Alfar
Mit seiner tapfern Albigenserschaar.
Der Sturm beginnt beim Morgendämmern,
Steinblöcke stürzen donnernd an die Mauern,
Die Pfeile auf die Feinde niederschauern,
Und Schwert und Axt auf Eisenhelme hämmern.
Die Mauer bricht, sie sind hineingedrungen,
Reich strömt das Blut, schon ist die Burg bezwungen.

Die Leichen liegen Feind und Feind beisammen,
Wie sie die Schlacht geworfen hier und dort,
Drauf tritt der Haß und schreitet drüber fort,
Und kühlt an ihrer Kühle nicht die Flammen.

An Zeit gebricht's, zu zählen und zu fragen:
Wie viel der Unsern, Euren sind erschlagen?
Von Herzen gönnt dem Tode man sein Theil,
Man zählt ihm nicht die Bissen in den Rachen.
Balist und Bogen, Kolben, Schwert und Beil
Arbeiten rastlos, Leichen viel zu machen.

Wohl euch, ihr Freien! daß ihr fielt zur Stunde!
Erstarrt sind eure Augen wie sie rollten,
Und abgebrochne Flüche noch am Munde,
Als ob sie jenseits noch ausklingen sollten.

Zu sterben rasch im mannlichen Gefecht,
Und in des Hasses Flammen zu verbrennen,
Wenn frei das Herz und wenn sein Haß gerecht,
Das ist ein schöner Tod zu nennen!

Die Helden aber sind nicht alle todt.
Gefangen und gefesselt, trotzig stumm,
Erwarten hundert Simons Machtgebot;
Die Priester ordnen sich im Kreis herum,
Und jubelnd singen alle Priester Chor:
»Te Deum laudamus« – Schergen winkt hervor
Graf Simon, die mit fluchverfallnen Händen
Sofort die hundert Helden blenden.
Nur Einer wird geschont an einem Auge,
Daß er den Uebrigen zum Führer tauge.

Und blutend sind die treuen Kampfgenossen
Aus dieser Welt in Nacht hinausgestoßen.
Schwarz ist die Nacht der Blindheit, die sie schreckt,
Die Seele schwärzre Nacht des Hasses deckt.

Simon gebeut in herrischem Belieben:
Man bringt ein Seil, deß Ende reicht man dar
Zu Hand dem Ritter Hugo von Alfar,
Dem seiner Augen eines ist geblieben.
Die Blinden Mann an Mann die Leine fassen,
Daß sie sich dran des Weges führen lassen,
Und Simon ruft: »nun mögt ihr euch entfernen,
Ihr Ketzer, und katholisch wandeln lernen,
Blind folgsam und gehorsam nur dem Einen,
Dem noch ins Aug die Himmelslichter scheinen.

Dem Grafen Foix verbringet meinen Gruß,
Sagt ihm, daß sein Verderben mein Beschluß,
Wenn er nicht tief zerknirscht, zermürbet ganz,
Der heiligen Kirche schwört den Treueschwur.

Für ihn zu einem seltnen Rosenkranz
Hab' ich gefädelt euch an diese Schnur,
Dran mag der stolze Ketzer Buße beten,
Bis wir ihm auf den starren Nacken treten.«

Die Blinden ziehn des Wegs durch grüne Felder,
Sie wandeln ihre Bahn durch kühle Wälder;
Doch sind für sie die Felder nicht mehr grün,
Nicht kühlt der frische Wind des Schmerzes Glühn.

Wie sie hinziehn durch einen dichten Wald,
Mahnt Hugo sie zur Rast, sie machen halt
Und lagern sich an moosbewachsnem Ort,
Und Balduin, ein Greis, erhebt sein Wort:
»Ich höre über mir die Bäume sausen,
Doch meine Kinder werd' ich nicht mehr sehen;
Hör' immer noch den Sang der Schergen brausen,
Doch seh' ich keinen Pfaffen mehr vergehen.

Hugo! wo steht die Sonn'? ein Priester fiel
Von meiner Hand in heller Abendgluth,
Der Sonne wie sie sank ein Widerspiel
War jener Tolle sinkend in sein Blut.
Da küßte, als der Pfaffe sterbend sank,
Die Sonne freudig mir das Schwert zum Dank,
Daß ich der Nacht, dem kreuzbesäten Drachen,
Geschlagen einen Zahn aus ihrem Rachen.

Was half's? die Nacht schlug mir nun ins Gesicht,
Nun bin ich todt fürs goldne Sonnenlicht.
O daß wir Augen brauchen um zu schauen!
Die ganze Welt zwei Punkten anvertrauen!
Warum ist nicht dem süßen Lichte offen
Der ganze Leib? er athmet noch die Luft,
Und ist doch schon so finster wie die Gruft.
Wär's Innocenz, den dort mein Schwert getroffen!
Wär's Innocenz, den ich dort umgebracht!
Er ist die Seele und das Herz der Nacht.

Was flüstert hier so klug in diesem Strauch?
Bist du ein Dämon, Wind, so komm und höre
Und stärke dich an meinem warmen Hauch
Und richt' es aus, was ich dich heiß beschwöre:
Komm, spinne Zauber dir aus meinem Fluch
Und webe dir daraus ein Schleiertuch,
Das wirf behende um ein jeglich Ding,
Wornach sich dreht des Papstes Augenring!

Ist es ein Priester, so verwisch' die Lüge
Im Angesicht, gib ihm die wahren Züge,
Entreiß' der Seele ihr verstecktes Zeichen,
Laß ihn dem Fuchs, dem Schwein, dem Tiger gleichen!
Beschaut sein Antlitz Innocenz im Spiegel,
Erschein' ihm drauf das schwarze Mördersiegel!
Blickt er auf's Kreuz, so schau' er wie es wankt,
Zeig' ihm die Schlange du, die es umrankt,
Die sie Hierarchia nennen;
Weh mir, wie meine Wunden brennen!

Hör', Dämon, hör'! die ganze Welt
Sey ihm von deinem Rachedienst entstellt!
Hör', Dämon, hör'! die Rosen tunk' ihm ein
In Ketzerblut, und schmier' ihm Ketzerblut
Ins Morgenroth und in den Abendschein,
Und spritz' ihm's in die Träume wenn er ruht!«

Ein Andrer spricht: »der Pabst hat's nicht gethan,
Daß wir geblendet stolpern unsre Bahn;
Dem Simon Fluch! dem ritterlichen Vieh!
Ein schlechtrer Mann trug noch den Harnisch nie.

Er scheint so fromm der Kirche nur zu dienen,
Und läßt mit reichen Landen sich bezahlen,
Und baut sein warmes Nest sich in Ruinen,
Kocht sich sein Süppchen bei den Bannesstrahlen:
Aus Habgier keusch, fromm, tapfer, unbescholten,
Pflegt er die Tugenden als fette Pfründen;
Und würden Laster ihm so reich vergolten,
Er wär' ein Held in jeder Art von Sünden.
Ich fluche nicht dem Pabst, dem heiligen Narren,
Dem seine Gräuel doch von Herzen kommen;
Dem Simon fluch' ich, der das Kreuz genommen,
Aus Blut und Schutt sich schnödes Gold zu scharren.«

Ein Dritter spricht: »ich aber fluche Beiden,
Was jeder denkt, ich mag's nicht unterscheiden,
Es gilt mir gleich; mein Augenlicht verloren
Hab' ich durch Simons schergisches Gelüsten,
Der Andre hat das Heer herbeibeschworen,
Die herrliche Provence zu verwüsten.

Doch leichter kann ich jetzt mein Schicksal tragen,
Als ich's genommen hätt' in bessern Tagen,
Da meine Heimath schön und glücklich war.
O blühend Land, voll Freude und Gesang,
Dein Leben ist dahin auf immerdar!
Ich schaue nicht mehr deinen Untergang!«

Drauf Balduin der Alte spricht:
»Die Blindheit schärft mein Unglück, lindert's nicht.
Es muß ins Herz mir noch viel tiefer schneiden,
Wenn ich nicht seh', nur höre wie sie leiden.
Wenn mir ins Ohr Verzweiflung gellt,
Ist's wie ein Ruf aus einer andern Welt,
Als ob aus unsichtbaren Höllentiefen
Die Stimmen meiner Brüder riefen.«

Und jetzt erhebt sich Hugo von Alfar
Und ruft, zum Aufbruch mahnend seine Schaar:
»Dem Pabst nicht fluch' ich, der bekreuzte Horden
Getrieben unser Liebstes hinzumorden;
Er that's im Wahn, zum Heile sey das recht;
Auch Simon fluch' ich nicht, dem Pfaffenknecht,
Der selbst vor Rache blind, uns hat geblendet;
Doch groll' ich ihm, der auf dem Kreuz geendet.

Inbrünstig küßt ihm Innocenz die Wunden,
Ein zahmer Leu, der seinen Herrn beleckt;
Doch hat die scharfe Zunge Blut geschmeckt,
Und seine Wuth ist losgebunden;
Der Leu brüllt auf, und hat mit seinen Krallen
Wuthblind den eignen Meister angefallen,
Er hat sein Bild schon halb zerrissen,
Und meint es immer noch zu küssen.

Vom Blute seines Herrn berauscht,
Durchtobt die Welt der grimme Leu;
Wohin das Ohr des Wandrers lauscht,
Hört er der Opfer Wehgeschrei.
Die Klage zieht mit allen Winden
In der Provence fern und nah;
Es ist im Land kein Kind zu finden,
Das nicht schon einen Todten sah.«

Weithin verhallt der Ruf der rauhen Kehle
Im Waldgewölb, mit Schrecken drang und Grausen
Der Fluch Alfars den Freunden in die Seele,
Und Alle schweigen, nur die Bäume sausen.
Den Wald verlassen haben jetzt die Blinden;
Daß sie den Wald um offnes Feld getauscht,
Gewahren sie nur an den freien Winden,
Und daß kein Laub sie mehr umrauscht.

Ein Schlachtfeld.

Ein weites Feld mit Leichen übersät,
Still – Alles todt – verstummt das letzte Aechzen;
Verklungen auch der Priester Dankgebet,
Te Deum laudamus nur die Geier krächzen.

Was einst Hesekiel verhieß den Geiern:
»Der Herr wird lassen euch die Mahlzeit feiern
Auf seinem Tisch und Roß und Reuter fressen!«
Die Geier haben's heut noch nicht vergessen.

Ein Geier nur den andern Geier hört,
Neidlos, denn reiches Mahl ist hier geboten,
Die Fliegenschwärme summen um die Todten,
Und sonst kein fremder Laut die Gäste stört.

Der Klageruf verlassner Mütter, Bräute,
Ertönt zu ferne vom Gefild der Schlacht;
Das Raubthier kann bei ungestörter Nacht
Einschlafen, wenn es mag, auf seiner Beute.

Im Osten kommt der Mond heraufgezogen,
Und Schatten gaukeln um die Angesichter,
Und um die Todten schleichen irre Lichter
O Mensch, wie bist du um dein Glück betrogen! –

»Hat Gott der Herr den Körperstoff erschaffen?
Hat ihn hervorgebracht ein böser Geist?«
Darüber stritten sie mit allen Waffen,
Und werden von den Vögeln nun gespeist,
Die, ohne ihrem Ursprung nachzufragen,
Die Körper da sich lassen wohl behagen.

»War Christi Leib ächt, menschlich und gediegen?
Für Schmerz und Tod wie unserer empfänglich?
Half ihm ein Scheinleib Schmerz und Tod besiegen
Und steigen aus dem Grabe unvergänglich?«
Die Frage war so heiß und ernst gemeint,
Daß jetzt der Mond auf ihre Leichen scheint;
Die sind gediegen, ächt, das ist gewiß,
Wie durch die Welt der tiefe Wundenriß.
O Gott, wie du auch heißen magst, es bleibt
Ein Schmerz, daß Glauben solche Früchte treibt!

Da liegen sie zu Tausenden, kalt, bleich;
Das Blut kann nicht mehr in den Boden sinken,
Der Erde ekelt schon es aufzutrinken,
Dort in der Niedrung steht's, ein rother Teich.

Weil Tausende gethan den letzten Hauch,
Meint Innocenz, der Zweifel that ihn auch?
Nein! durch das Walgefild Alfar dort schreitet,
Und kummervoll sein Blick darüber gleitet,
Und er gelangt dem Blutteich in die Näh';
Da springen die Gedanken ihm hinein,
Wie aufgeschreckte Unken in den See,
Und singen ihm betrübte Melodei'n.
Sie rufen über's weite Schlachtgefild
Das Unkenlied des Zweifels dumpf und wild:

Was soll das ewig antwortlose Fragen,
In dessen Ungeduld sie sich erschlagen?
Warum das Schicksal so viel Schmerz verschwendet?
Zu neuem Schreck an Leichen sich erfrischt?
Und ist ein Bild der Menschheit halb vollendet,
Den but'gen Schwamm ergreift und es verwischt?

Ob das ein Gott, ein kranker ist zu nennen,
Der eine Welt in Fiebergluth errichtet,
Und bald im Frost des Fiebers sie vernichtet?
Ist Weltgeschick sein Frieren nur und Brennen?

Ist's nur ein Götterkind, dem diese Welt
Als buntes Spielgeräthe zugefallen,
Das bald sich dran ergetzt, bald es zerschellt,
Und seine Wünsche nur vermag zu lallen?

Was ist's? – und Christus? – wunderliche Mähre!
Daß er für uns sich kümmert, zeigt uns nicht
Dies todte Durcheinander zweier Heere,
Wie jedes fiel im Wahn der Christenpflicht.
Wird er bei uns bis an das Ende bleiben,
So lang die Zeit was findet aufzureiben?
Vielleicht daß Wahnsinn auf der Menschheit lastet,
Daß Christus als ein fixer Irrgedanke
Sie nicht verläßt, die unheilbare Kranke,
Bevor das letzte Herz im Tode rastet?

Da liegen sie; – wann klingen die Posaunen,
Die weckenden? – und gibt's ein solches Klingen?
Die Fliegen wissen nichts davon zu raunen,
Und auch die Geier keine Kunde bringen,
Wenn sie dort ungeduldig mit dem Schnabel
Auf Panzer und auf Eisenhelme pochen,
Ob nicht Unsterblichkeit die schlimmste Fabel,
Die je ein Mensch dem andern vorgesprochen?
Ein Wahn, der Herzen plündert, und ein Trug,
Der frech dem Elend sagt: hast Freude g'nug!

Hier ist dein Loos zu dulden und zu darben,
In andern Welten reifen deine Garben;
Der Sensenmann wird kommen, sie zu schneiden,
Dir tausendfach vergeltend alle Leiden,
Und Ernte wirst du feiern mit den Engeln;
Sey froh, wenn du ihn hörst sein Eisen dengeln!? – –

Hörst Innocenz? – in also düstern Weisen
Beginnt das Herz des Zweifels Lied zu singen,
Weil du es willst zu deinem Gotte zwingen,
Ihm seinen Himmel mit dem Schwert beweisen! –

Der Morgen graut, die Sonne kommt, doch nicht
Begrüßt die Lerche hier das Morgenlicht.
Zertreten sind die Saaten auf den Fluren,
Die Lerchen flohen mit den Troubadouren.

Die heitern Vögel werden wiederkommen;
Ist aber einem Volk die Freude fort,
Und aus dem Herzen ihm das Lied genommen,
So kehrt ihm nie zurück das schöne Wort.

Das Vogelnest.

An eine Kirche kam ich einst zu wallen,
Mit Klosterzellen, längstverlassnen Hallen;
Ich trat hinein, und fühlte schier Bedauern,
Und wie geheime Scheu vor den Erbauern,
Daß mir in ihrem Haus der Glauben fehlte,
Der sie so fromm zum schönen Werk beseelte.

Wo waren sie? – ich trat auf ihre Grüfte;
Gemähtes Gras auf allen Hügeln lag,
Zum Abend neigte sich der Sommertag,
Die Luft war lieblich von dem Heugedüfte.
Ein zitternd Spiel ergriff das Laub der Linde,
Ganz ruhig lag das Heu im Abendwinde,
Da war kein leichtes Schwanken mehr und Beben,
Still drunter das gemähte Menschenleben.

Der Kirchhof ist vom Kreuzgang eingeschlossen,
Wo Epheuranken an den Fenstern sprossen;
Die schlanken Pfeiler sind so fest gestellt,
Die Bögen leicht und kühn emporgeschnellt,
Hoch, luftig ragt der fromme Bau noch spät,
Die Mönche einst in keuscher Himmelskühle
Bewahrend vor der dumpfen Erdenschwüle;
Der Geist der so gebaut ist längst verweht.

An spitzgebognen Fenstern ist zu schauen
Laubwerk und manche Blum' in Stein gehauen;
Vor allen Bildern zierlich, wahr und lebend
Ein steinern Vogelnest am Aste schwebend.
Der Jungen Schnäblein heischend aufgerissen,
Die Mutter sie zu atzen hold beflissen,
Sie wärmend mit den aufgespreizten Schwingen;
Die Kleinen werden fliegen bald und singen.

Ich stand gefesselt von des Meisters Macht,
Und sann gerührt, was er sich wohl gedacht.
Hat er im Bild die Kirche still verehrt,
Wie sie getreu die Kinder schützt und nährt?
Wollt' er vielleicht die Mönche traulich necken
Mit einem Bild der Liebe, Sehnsucht wecken? –
Da kam ein Hauch vom Bildner mir gesendet:
Sein klagendes Gewissen hat's vollendet.

Es hat ein Mönch gelebt in jenen Tagen,
Wo glauben hieß den Zweifelnden erschlagen;
Er aber war noch einer von den alten,
Von jenen frommen, rührenden Gestalten.

Rein, wie die Luft nach letztem Wetterstreiche,
Keusch, wie das Auge ruht auf einer Leiche,
Und Alle segnend, Allen mild und gut,
Wie Frühlingswärme auf den Saaten ruht,
So war sein Herz, so lebten seine Sitten,
Er kränkte Niemand und verletzte Keinen,
Und flossen Thränen ihm, so sind's die seinen,
Die nächtlich von der bleichen Wange glitten.

In Schreck und Mitleid zitterte sein Herz,
Frohlockten die Kreuzpilger mit der Kunde,
Wie überall die Ketzer gehn zu Grunde,
Wie jetzt die Welt so voll von Haß und Schmerz.

Ein Ungeist kam, daß er die Welt verderbe,
Die Menschheit tränkend mit dem Kelch der Leiden,
Den er gefüllt so kraftgedrang und herbe,
So rasend in den tiefsten Eingeweiden,
So reich an Qual eh' eine Stund' entrückt,
Als hätt' er ein Jahrhundert ausgedrückt,
Und alle Bitterkeiten ohne Rest
Auf seiner blut'gen Kelter ausgepreßt.

Die Kreuzgeschmückten brachen und zerstörten
So manche Burg; der Freiheit kühne Fechter
Zu tausenden verbrannten und sie hörten
Im Tode noch der Feinde Lustgelächter.

Den Mönch erfaßt ein schauderndes Erstaunen
Bei solchen Thaten, mörderischen Launen.
Ein banges Grübeln quält ihn zu ergründen:
»Ist, was ich seh', des Frevels ganze Völle?
O Mensch, wo steht die Gränze deiner Sünden?
Kommt, wer sie sucht, bis in das Herz der Hölle?«

Die Sünde tobt in jauchzenden Gewittern,
Und vor sich selbst muß dieser Fromme zittern;
Der Name Mensch, aus welchem kein Erlösen,
Scheint ihm ein tiefer Abgrund alles Bösen,
Er lauscht in seine Brust, ob nicht verstohlen
Hier gleiche Ungeheuer Athem holen?

Mit alten Tagen geht er zu Gerichte,
Und vorwurfsvoll erschreckt ihn die Geschichte,
Wie er ein Knabe einst den Wald durchzogen,
Und sah ein Vöglein heim ins Nest geflogen.

An hohen Zweigen hieng die Frühlingsbrut,
Das grüne Laub hielt sie in dunkler Hut;
Doch strich der Wind, den grünen Schleier hebend,
Der Knabe sah das Nest am Wipfel schwebend.
Da hob er einen Stein und warf empor,

Zerstört hinfiel die Brut, und ihn ergriff,
Daß er es heut noch hört, der Klagepfiff,
Womit im Wald die Mutter sich verlor.

War's nicht derselbe Drang, nur noch im Kleinen,
Der dort ein Nest, hier Burgen wirft mit Steinen?
Der düstre Groll, der gern den Bau vernichtet,
Wo sich ein Glück auf Erden eingerichtet?
So klagt der Mönch, und kann sich's nicht vergeben,
Daß er den Vöglein brach ihr junges Leben.

Und das Zerstörte wieder aufzubauen,
Hat er das Nest im Felsen ausgehauen.
Oft sah man ihn zu seinem Bilde kehren,
Um seine stille Wehmut dran zu nähren.

Jacques.

Wer weilt auf stiller Walstatt noch allein
Und lugt herum bei hellem Mondenschein,
Und bückt zu Diesem sich, zu Jenem nieder,
Seltsam hantirend um die todten Glieder,
Und zwischendurch sich wischend eine Zähre?
Ein Schneider ist's mit Ellenstab und Scheere.

Der arme Jacques! ein Wahnwitz ist sein Leiden,
Nie toller war ein Schneiderhirn verdreht,
Er meint: der Antichrist kann nicht verscheiden,
Bis er den Sterbekittel ihm genäht.

Er sucht nach Stoff und schneidet dort und hier
Vom Körper eines Ritters, eines Pfaffen
Ein Stück Gewands mit emsiger Begier,
Um für den Riesenkittel Zeug zu schaffen.

Beladen trollt er heim dann manche Stunde,
Anspringen bellend ihn des Dorfes Hunde;
Doch, wend't er sich, so weichen sie, geschreckt
Vom Fetzenthurm, der ihm das Haupt bedeckt.

Im Stüblein sitzt nun Jacques beim Lampenlicht
Und sichtet seine Lappen, fügt und sticht;
In bunter Eintracht binden sich zum Kleide
Des Antichrist Tuch, Sammt und Pelz und Seide,
Was über's Meer an Pracht der Osten sandte,
Und was im fernen Wald des Nordens rannte.
Stoff und Gewebe vielfach und verschieden,
Wie Herz und Glaube derer die sie trugen,
Und die darum sich haßten und sich schlugen,
Bis alle hüllt der gleiche Todesfrieden.

In Müh' und Hast ist schon sein Leib geschwunden,
Doch kleckt die Arbeit nimmer für den Kunden;
Ein Theil ist nur vom Aermel seiner Rechten,
Was Meister Jacques genäht in hundert Nächten.

Er sieht manchmal die Riesenhand des Recken
Weit über's ganze Land hinaus sich strecken,
Und auf dem weiten Feld der Hand umfahren
Wie Mücken, ohne Zahl, bekreuzte Schaaren.

Wie zittert Jacques, wenn Sturmwind heult und kreischt,
Und wenn die sommerlichen Donner rollen;
Dann hört er seinen Kunden seufzen, grollen,
Der dringend seinen Sterbemantel heischt.
Wenn ihm an's Fensterlein die Schloßen klopfen
So ist's der Todesschweiß in kalten Tropfen,
Den ihm der Antichrist an's Fenster schleudert,
Und Jacques fährt auf und schneidert fort, und schneidert
Daß glühend seine Nadel sich erhitzt,
Und Schweiß und Blut aus Stirn und Fingern spritzt.

Umsonst! er kann den Riesenwuchs nicht kleiden,
Der arme Antichrist kann nicht verscheiden;
Doch kann's ein Schneiderlein behend und frisch,
Des Morgens lag er todt auf seinem Tisch.

Zur rechten Stund nahm Jacques die stille Flucht,
Denn Simon zieht durch's Dorf mit seinem Heere,
Er hört von Jacques die wunderliche Mähre,
Und tritt ins Haus und forscht umher und sucht.

Der Aermel, drauf der Meister lag, der bleiche,
Wird ausgebreitet und genau durchspäht:
Da sind viel rothe Kreuze drein genäht,
»Jacques war ein Ketzer, auf! verbrennt die Leiche!«

Man wirft ihn auf die angesteckte Scheuer,
Nachfliegen seine Lappen ihm ins Feuer;
Von dannen zieht das Heer, rückblickend sehen
Sie schon das Dorf in hellen Flammen stehen.

Zwei Troubadours.

»Wir ziehn zu Fuß in freudenloser Irre;
Die schönen Zelter sind entschwundne Träume,
Die weichen Sättel und die Prachtgeschirre,
Die Silberschellen und vergoldten Zäume.

Die frohen Tage sind für uns verloren.
Im freien Feld, in kühler Waldesnacht,
Wenn reitend wir ein neues Lied erdacht,
Wie gaben wir vergnügt dem Roß die Sporen!
Wenn sonst nach einer Burg die Sänger zogen,
Wie gastlich war und jubelnd der Empfang,
Wie rasch die Pforte aus dem Riegel sprang;
Den Sängern war ein jedes Herz gewogen.
Wie dort die edlen Ritter, holde Damen
Jed' Wörtlein lauschend in die Seele nahmen!
Willkommner ist der Frühling nicht im Thale,
Als einst der Sänger im geschmückten Saale.

Das ist vorbei und wird nicht wiederkehren.
Nun rauscht die bange Welt von Kriegesheeren;
Die Pfeile finden jetzt den Weg zum Herzen,
Die Lieder nicht, mit Lust und süßen Schmerzen.
O schöne Zeit, die wir verloren haben!
O trübe Zeit, die den Gesang begraben!

Wenn sonst auch war ein wilder Streit entzündet,
War doch dem Leid die Freude stets verbündet,
Da tobte minder grimmig das Gefecht
Um ein Stück Land, um ein gekränktes Recht.
Da mochte noch in seinem Lagerzelte,
Als Noth ihn und die Kampfgenossen quälte,
Der Troubadour von seiner Dame singen;
Vergessen war der Hunger wie der Zorn,
Denn also lieblich ließ Bertrand de Born
Im Lied die Reize seiner Dame klingen,
Daß Sehnsucht süß in Aller Brust erwachte,
Und jeder träumerisch der Fernen dachte.

Nun aber ist's ein Krieg um Himmel, Hölle;
Den ewigen Mächten ist sein Dienst geweiht,
Und fühllos tritt er, wie die Ewigkeit,
Der Leichen starres, blutiges Gerölle.

Der Krieg wird nicht beruhigt und versöhnt,
Wenn er das Land ersiegt, die Burgen bricht;
Und wenn der letzte Feind im Tode stöhnt,
Und stille senkt das bleiche Angesicht,
So ist kein Friedensschimmer sein Erbleichen,
Wie Mondenlicht nach Sturm und Wetterstreichen.
Mag jeder Stein vom Tritt des Krieges beben,
Noch immer ist es nicht das rechte Land,
Die rechte Burg nicht, die er überwand,
Und nicht der rechte Tod, den er gegeben.

Was soll ein Minnelied bei Rachechören?
Wer mag in solchem Sturm den Sänger hören?
Die Vögel schweigen, wenn die Bäume krachen,
Die Nachtigall ist fremd im Lenz der Drachen.

Sie freveln hart; ich soll es weich beweinen?
Vielleicht mit einem Streitgedicht erscheinen?
Ha! lieber soll mein Schwert in Schlachten singen,
Als je mein Lied mit rohen Knechten ringen.

Ich lasse ruhen hier an diesem Ast
Mein Saitenspiel, den sonst so werthen Gast;
Und wird fortan der Wind die Saiten rühren,
Wird Niemand doch den neuen Meister spüren,
Wenn eilig Wandrer ziehn vorüber hier,
Das Herz voll Unglück oder Kampfbegier.

Ins Lager fort des Grafen von Toulouse!
Nicht taug' ich zum Gemahl in diesen Tagen
Für eine königliche Frau, die Muse;
Sie soll mir nicht den Bettlerbündel tragen.

Komm, folge mir und sey mein Kampfgefährte!
Wir wollen dort den Feinden unsrer Lieder
Eindringlich ins Gesicht und in die Glieder
Gewalt'ge Reime schlagen mit dem Schwerte.«

Doch andern Sinns, antwortet der Genosse:
»Ich sehne mich nach keinem Edelrosse,
Nach Prachtgeschirren nicht, nach Prunkgewanden,
Was ich bedarf ist wenig und zu Handen.

Ich schände nicht mein Herz mit wildem Hasse;
Dem Unglück bringt, wenn nur für Augenblicke,
Ein Lied des Friedens Traum; und ich verlasse
Die Muse nicht in ihrem Mißgeschicke.

Ich will den armen Menschen Lieder singen
Und Wohlklang in gestörte Seelen bringen;
Von tapfern Thaten sing' ich dem Bedrohten,
Und dem Betrübten lob' ich seine Todten.
Ziehst du dein Schwert zum unheilvollen Streite,
War dies mein letzter Schritt an deiner Seite.«

Und wieder spricht der kriegerisch Entbrannte:
»Die Zeit ist hin, die Harf' und Herz bespannte;
Wo willst du singen, Ruhm und Lieb' erwerben?
Nur einen Schluck vom Trank der edlen Trauben?
Die Einen morden und die Andern sterben,
Die Einen betteln und die Andern rauben;
So singe denn, dir ist die Wahl geboten,
Vor Bettlern, Mördern, Räubern oder Todten.
Sie haben Ruh' zu wenig und zu viel,
Um aufzuhorchen deinem Saitenspiel.

Von Burg und Hütte wird man fort dich fluchen,
Und Herberg wirst du in den Wäldern suchen.
So hungre denn im Grünen, und beneide
Singvögelein, die reichversorgten Gäste,
Und hol' dir ihre Eier aus dem Neste,
Schling' künft'gen Waldgesang ins Eingeweide!
Nebst Hunger wird dich dann noch Zweifel plagen,
Wer wohl von beiden mehr beneidenswerth:
Der Sänger, der am Ast den Wurm verzehrt?
Der Sänger, den im Grab die Würmer nagen?

Fahr wohl! Wenn doch einmal in frohem Zelt
Die alte Lust zu singen mich befällt,
Wenn ich nach guter Schlacht, beim Becherklang,
Zur Kurzweil schallen lasse Spottgesang,
Und einen feigen Burschen Glied für Glied
Zusammenblas' in meinem scharfen Lied,
Und durch ihn geißle mit belachten Schwänken:
Dann will ich deiner Zug für Zug gedenken!«

Mehr schallt kein Wort; doch klirren ihre Degen,
Fern tönt der Wald von ihren harten Schlägen.
Die Sänger reimen gut mit ihren Klingen,
Für jede Wunde die den Einen traf,
Muß neu hervor das Blut des Andern springen,
Und beide sinken in den gleichen Schlaf,
Beim sanften Rieseln ihrer Purpurquellen,
Wo, weiches Moos, die Sterbekissen schwellen.
Sie liegen todt in tiefen Waldesgründen;
So leicht kann Unmuth wilden Streit entzünden.

Wie manches Lied in ihrem Herzen ruhte,
Ob sich's verliert im Moos mit ihrem Blute,
Ob es verkläng' an sturmbetäubten Ohren,
Gleichviel, es wäre immerhin verloren.

Am Baume liegen ihre Harfen beide,
Bis sie vermorschen einsam und verwittern;
Im Windeshauch die Saiten leise zittern,
Und flatternd spielt das Band von bunter Seide.

Der Büßer.

Wer ist ein wahrhaft armer Mann?
Ist's der in hoffnungsloser Kerkernacht?
Wer bei der sterbenden Geliebten wacht?
Wer auf dem Balken treibt im Ozean?
Ist's wer von Zweifeln ewig wird zerrissen?
Wer eine Schuld beherbergt im Gewissen?
Wem seine Tochter rohe Krieger schänden?
Wer auf dem Hochgericht den Sohn sieht enden?

Nein! wer den Jammer trinkt bis auf die Neige
Und wahrhaft elend ist allein der Feige;
Ein Feiger, hoch vom Schicksal hingestellt
Und ausgesetzt den Blicken einer Welt,
Die alle fragen, ob er kühn sich stemme
Anstürmenden Gefahren oder nicht?
Ob er ein Mann soll heißen oder Memme?
Wenn bleich und zitternd er zusammenbricht.

Wie schmeckt die Ruthe, Herzog von Narbonne,
Graf von Toulous' und Markgraf von Provence?
Da stehst du, nackt von deinem Fürstenglanze,
Im Büßerhemd ein Fürst, o Priesterwonne!

Rings in unübersehlichen Geschwadern
Gafft Volk; thut nichts! der Abt weiß bleiche Linnen
Zum rothen Fürstenmantel umzuspinnen,
Er haut den Purpur dir aus deinen Adern.

Die Stole ist dir um den Hals gebunden,
Dran zieht der Abt den stolzen Fürsten jetzt,
So geht am Strick der Farre, müd' gehetzt,
Mit Lustgebell umtanzt von Metzgerhunden,
Wie du dem Priester folgst ins Gotteshaus,
Indeß die Mönche jauchzend dich umschwärmen
Und dankend für das Fest Gebete lärmen,
Und Glocken schallen in des Volks Gebraus.
Des Abtes Linke hält der Stola Enden,
Die Rechte peitscht dem Fürsten in die Lenden.

Das Volk erschien zum unerhörten Fest,
Die Schmach Raimunds der Nachwelt zu verbürgen;
Es murrt, daß er vom Mönch sich schlagen läßt,
Daß er den Muth nicht hat ihn zu erwürgen.

Hin ist sein Muth, den manche Schlacht erprobte,
Der Trotz, der gegen Rom so feurig tobte,
Seit er, um Frieden flehend für sein Land,
Vor Innocenz und seinem Zorne stand.

Der Büßer wird gestellt zum Hochaltar:
Man reicht ihm Hostie und Reliquien dar,
Drauf muß er schwören nach des Mönchs Befehle,
Mit bleichen Lippen und gebrochner Seele,
Daß er gehorsam, treu, und heiß ergeben
Der Kirche dienen wolle all sein Leben,
Nach ihrem Wink zu leben und zu sterben,
Und bald sein Schwert mit Ketzerblut zu färben.

O Fürst, an Leib und Seele wund geschlagen,
Was freut auf Erden dich so unermeßlich,
Daß du nicht lieber stirbst wie Schande tragen,
Was lockt hienieden dich so unvergeßlich?
Die Erde ist und was sie hat nicht werth,
Daß sich ein Mann, um drauf zu seyn, entehrt.

Viel hunder Knecht' und lumpichte Gesellen
Stehn da und bohren dir Verachtungsblicke
In deines Leibes ruthenwunde Stellen;
Sie schauen ihre niedrigen Geschicke
Mit deinem Loose prachtvoll ausgeglichen,
Da also schnöd der Muth von dir gewichen.

Wohl brennen dich die Blicke deiner Knechte;
Die Blicke auch der Treuen, die dich lieben,
Denn jeder wünscht: o wär' er todt geblieben
Im mattesten, unrühmlichsten Gefechte!
O hätt' er Gift geschluckt in seinen Schrecken,
Das Zittern seiner Glieder zu verstecken!

Sie staunen schmerzlich, daß du sie verlassen,
Und schwörst, bis zur Vertilgung sie zu hassen. –
Wer untergehn im Strome den Genossen
Unrettbar sah und schaudernd auf die Stelle
Vom Ufer hingestarrt, wo ihn die Welle
Verschlungen und sich über ihm geschlossen,
Der hat gefühlt verwandten Schmerz des Leides,
Das Raimunds Freunden in die Herzen stach,
Als über ihm zusammenschlug die Schmach,
Als sie die Worte hörten seines Eides. –

Drauf schwört Graf Raimund: daß er nie und nimmer
Den Mord Pierr's von Castelnau geboten;
Er schwört's bei Gottes letztem Gnadenschimmer
Und betet knieend für den frommen Todten.

Wie wahren Eid Graf Raimund hier geschworen,
Weiß jener Mann, der dort am Rhonestrand
Dem Mönch den Tod, dem Rosse gab die Sporen,
Und ohne Spur verschwunden aus dem Land.

Der Abbas spricht: »Des Bannes schwere Bürde
Heb' ich von deinem Haupt und jede Schuld;
Die Kirche nimmt dich auf in ihre Huld,
Sie schenkt zurück dir jede Macht und Würde.
Nimm hin das Kreuz, ihr heiliges Geschenk,
Trag's auf der Brust und rüste Tag und Nacht,
Brich auf zu Christi Heer mit ganzer Macht,
Sey deines Eids, der Ruthe sey gedenk!«

Vorüber ist die qualenvolle Stunde;
Schamflüchtig vor des Volkes dichtem Schwalle,
Mit wundem Leib und tiefrer Seelenwunde,
Enteilt Raimund durch eine Seitenhalle;
Und muß, ob's Zufall, ob Vergeltung sey,
Am Grab Pierr's von Castelnau vorbei.
Er hätte gern sein Loos zum Tausch geboten
Dem ruhigen und hochgeehrten Todten.

Und traun! er läge besser auf der Bahre,
Als noch die bangen, ruhmenterbten Jahre,
Die Kraft in Scherben, und den Muth in Splittern,
Umherzuschwanken in den Kampfgewittern,
Bald diesem Heer, bald jenem zugesellt,
Bis er versiechend auf das Lager fällt,
Und da ihn lange Niemand will bestatten,
Sein Leib zuletzt zur Speise wird den Ratten.

Der Besuch.

Einsam in weithin unwirthbaren Gauen
Im Wald wird eine Herberg angetroffen;
Des müden Wandrers stundenlanges Hoffen,
Wie freut er sich, wenn endlich sie zu schauen!

Schon ist es Nacht, das Haus umsaust der Wind,
Drin sitzen Vater, Mutter, Ahn und Kind,
Und Knecht und Dirne am Kamin beisammen,
Und werfen derbe Scheiter in die Flammen,
In kalter Winternacht geborgen heiter,
Denn willig brennen dort die harzigen Scheiter.

Die Mutter bringt manch Mährlein auf die Bahn,
Von Fee und Ritter, Glück und Abenteuer,
Die Andern horchen auf, nur nicht der Ahn;
Der kauert dicht und sinnet still am Feuer,
Umstörend in Erinnerungen, alten,
Ob er schon einen Winter solcher Art
Erlebt, wie dieser jetzt auf Frankreich starrt;
Doch keinen denkt er je so grimmig kalten.

Horch! noch so spät, bei solchem Frost, Besuch?
Es pocht an unsre Thür, was mag es geben?
Verrath und Häscher um uns aufzuheben?
Ist's Theodor der Meister, mit dem Buch?

Er ist's, er tritt herein ins warme Zimmer,
Doch grüßt er nicht, verstört, so scheint's von Leid;
Er setzet sich, da thaut des Reifes Schimmer
Und fließt herab von seinem Winterkleid.

Das Eis von Bart und Wangen niederfeuchtet,
Ins Antlitz scheint das Feuer und beleuchtet
Abscheu und Zorn, entsetzenvolle Trauer;
Und Alle faßt um ihn ein banger Schauer,
Wie er ins Feuer starrt, vom Frost gerüttelt,
Vom Aufruhr in der Seele wild geschüttelt.

Lang saß er schweigend so, in sich versunken;
Da plötzlich greift er in die Brust und nimmt
Das Buch und wirft es in die Gluth ergrimmt,
Daß in der Stube spritzen helle Funken,
Und ruft: »unselig Buch! du magst verbrennen!
Aus dir die Menschen eine Bosheit holen,
Wie nicht die Tiger in der Wüste kennen;
Sammt meinem Glauben magst du hier verkohlen!
's ist aus! nie ist ein Gott gewallt auf Erden,
Der Mensch im Zorn muß selbst Messias werden!«

Er schweigt und starrt; der Ahn, der greise, frägt:
»Was wirfst du, Thor, die Bibel in die Gluth,
Die du so oft, so gern uns ausgelegt?
Was hat so schlimm verwandelt deinen Muth?«

Und Theodor entgegnet: »Alter, höre!
Vergib, wenn ich den letzten Traum dir störe.
Es ist so furchtbar kalt seit dreien Tagen,
Daß todt die Vögel fallen aus den Lüften
Und auf den Schnee wie Steine niederschlagen,
Es frieren schier die Todten in den Grüften,
Was noch lebendig ist, das flieht und hastet
Und keinen Augenblick im Freien rastet;
Ins Herz hinunter stockt der Brunnenquell,
Die Wölfe heulen um ein zweites Fell,
Aufberstend kracht die eisgesprengte Kiefer;
Hart hat der Tod die Erde angepackt;
Zu zittern schien mir Christ am Kreuz, so nackt,
Zur Hölle kriecht hinein der Teufel tiefer.
Er mag's; hat er doch manchen Pfaffenmann,
Auf den er sich indeß verlassen kann.

Bei solchem Frost hat man – wem sey's geklagt? –
Verbannt die Unsern und hinausgejagt.
Der Bischof ließ sie spüren, ließ sie greifen,
Die Häuser, drin sie übernachtet, schleifen.
Der edle Meister Gerhard sprach in Mitte
Der Priester laut: schuldlos ist unsre Sitte!
Er sprach im Richtersaal, nein, Tigerstalle:
Ich bin Apostel, Christen sind wir Alle!
Das frommte nichts; hinaus in Sturm und Schnee,
Und schweigend trugen sie das bittre Weh.

Hülflose Nacht, es drückt das bange Weib
Umsonst ihr Kindlein an den armen Leib;
Nicht kleckt der Mutterhauch es warm zu halten,
Verzweifelnd fühlt sie's an der Brust erkalten.

Sie irren in der Schneenacht hin und wieder,
Und sinken endlich müde, schläfrig nieder;
Sie schlafen ein, und stille wird ihr Schmerz,
Erbarmend legt die Nacht sich an ihr Herz,
Und saugt ihm leis unspürbar aus der Wunde
Das Leben aus, wie Gift, mit kaltem Munde.
Ich habe schaudernd im Vorübergehen
Sie dort beisammen liegen sehen.«

Foix.

Wo der Held die Bande des Geistes bricht,
Fehlt auch der Thor, der frevelnde, nicht,
Der von der Fessel zwar los sich reißt,
Doch mit der Fessel zugleich vom Geist;
Wie der Fuchs in der Eisenfalle verzagt,
Und weil er sie nicht kann brechen entzwei,
Das gefesselte Glied vom Leibe sich nagt,
Um zu verbluten im Walde frei.

Der Graf von Foix will nur genießen
Die Freuden, die irdisch auf Erden sprießen;
Ungläubig verhöhnt er und verachtet,
Was über die Erde hinübertrachtet.

Ihm ist das Grab wahrhaftiges Grab,
Der Tod ein hoffnungsloses Hinab.
Er lacht der Einen, die für die Lehren
Der Kirche sich rotten zu grimmigen Heeren,
Er lacht der Andern, die frommen Witzen
Zu lieb ihr köstliches Blut verspritzen.

Das Alles nennt er ein strittiges Meinen,
Indeß man über des Weibes Küsse,
Des Weines Feudengewittergüsse
Schon seit Jahrtausenden ist im Reinen.

Mit Rossen, Gauklern, Dirnen und Jägern,
Stoßvögeln, Hunden und Lautenschlägern,
Mit vollem Rüstzeug der Lust umgeben,
Zu genießen rasch ein verfehmtes Leben,
Braust Graf von Foix durch die Felder hin
Zum Kloster des heiligen Antonin.

Ein Mönch, die Lämmer des Klosters weidend,
Und eben ein Rohr zur Flöte sich schneidend,
Sieht's, taucht ins Gebüsch vor solchem Zug
Und schlägt erschrockene Kreuze g'nug.
Er hört Geplauder, Wiehern, Gelächter,
Gebell und Vogelkreischen dazwischen,
Drein klägliches Blöken die Lämmer mischen;
Ach, in die Herde stürzen die Schlächter.

Sie kommen den Hügel heraufgezogen,
Gleich steigenden Ueberschwemmungswogen,
Sie stoßen ins Horn, Einlaß verlangend,
Der Pförtner gehorcht dem Rufe bangend,
Der Schlüssel irrt in zitternder Hast,
Bis drehend im Schloß den Riegel er faßt,
Auf geht die Pforte zur schlimmen Stunde,
Des friedlichen Klosters klaffende Wunde.

Foix führt in die Kirche, die Mönche zu necken,
Sein Roß und tränkt es im Weihebecken;
Der eisenbeschlagne Gaul betrat
Die Marmorglätte mit zögernder Scheu,
Gleich weiß der frevelnde Reiter Rath,
Wirft Meßgewänder ihm vor zur Streu.

Er schüttet seinem geliebten Traber
Ins Tabernakel den Zehenthaber,
Er spricht mit spöttisch verzogner Lippe:
»Das heilige Kindlein von Bethlehem
Lag dort so ärmlich und unbequem,
Hier schläft es nun wieder in einer Krippe;
Doch Gold nicht und Myrrhen, noch Weihrauch läßt
Mein Hengst ihm fallen zum Wiegenfest.«

Er scherzt, indem er den Falken wiegt:
»Sieh, sieh! dort über dem Altar fliegt
Der weißgefiederte Köhlerglaube,
Der heilige Geist im Flaumenkleide;
Auf, auf, mein Falke, du lustiger Heide,
Und beize herab mir die zierliche Taube!«

Die Gnadenmutter der gläubigen Seelen
Steht zierlich geschnitzt und strahlt in Juwelen;
Die losen Dirnen, zum Tanz sich schmückend,
Umringen die Jungfrau Maria pflückend;
Sie rauben der Stirne den Blumenkranz,
Vom Hals das goldgestickte Gekröse,
Die Perlen, der funkelnden Steine Glanz,
Und streicheln das Kinn ihr: »o sey nicht böse!«

Indessen die Köche was nöthig fodern,
Am Herde gewaltige Scheiter lodern,
Und im Takte provençalischer Weisen
Am Spieße, sich bräunend, die Lämmer kreisen.

Die Knechte bringen den Wein in Mulden,
Rasch wandeln die Becher im lustigen Kreise,
Zum Prior der Graf spricht, schelmisch leise:
»Ei! gebt mir Bescheid und sagt mir in Hulden,
Braucht ihr das Alles zum Opfer der Messe?
Ist alle der Wein nur Blut des Herrn?
An seine Größe glaub' ich wohl gern,
Verträgt er so reichliche Aderlässe.«

Der Graf ermuntert das wüste Toben;
Ein Schalksnarr steht auf der Kanzel oben,
Mit tollen Geberden, mit scharfem Gekreisch,
Er predigt: »Im Anfang war das Fleisch;
Und Gott war das Fleisch, und dieses war
Bei ihm beständig und immerdar;
Und das Fleisch ist Wort geworden und Licht;
Johannes schrieb verkehrten Bericht,
Drum sollen das Fleisch wir halten in Ehren,
Seyd lustig, ihr Kinder, und laßt es gewähren.«

Er springt von der Kanzel und sinkt auf's Knie
Vor einer Dirne mit Courtoisie:
»Komm, schönste der Damen, die Geigen locken,
O tanze mit mir! die Stunden rennen,
Wer weiß wie bald wir beide verbrennen
Und tanzen im Wind als graue Flocken.
Ach, Aschenflocken dein blühender Leib!
Komm, hänge dich fest, du süßes Weib,
An mich, und liebe mich wild und zart,
Eh' du hangen bleibst an des Pfaffen Bart!«

Und Foix lacht auf und schmettert ins Horn,
Die Mönche zittern vor Angst und Zorn.
Der Reigen ist los, ein brausendes Jagen,
Die Tänzer fliegen in grimmiger Lust,
Als fühlten sie alle doch in der Brust
Das unbetäubte Verhängniß schlagen.

Carcassonne.

Simon mit seiner ganzen Heeresmacht
Belagert Carcassonne Tag und Nacht.
Drin schützt Roger sein Volk und lenkt den Streit;
Die Männer sind zu jedem Tod bereit.
Der Frauen manche schnitt ihr schönes Haar,
Und gerne bringt sie es zum Opfer dar,
Froh, daß sie kann mit ihrer Zierde nützen,
Flicht sie die Bogensehne draus dem Schützen;
Die Kinder zitternd ihre Hände falten
Und beten zu den Mauern, daß sie halten.

O daß sie hielten! draußen aber stürmen
Beschwingte Felsen von den Schleuderthürmen;
Schon brechen hier und dort die Quaderstücke,
Den Feinden lacht die offne Mauerlücke.
Ingrimmig in die Mauern schlägt »die Katze«
Mit Eisenkrallen ihre Eichentatze;
Sie schlägt die Takte zu den frommen Sängen,
Womit die Priester helfen ihren Streitern,
Die sie wie weiches Oel ins Feuer sprengen;
Simon gebeut den Sturm, man stellt die Leitern.

Hinan! sie klettern hastig und verwegen,
Und Andre stürzen von den höchsten Sprossen
Den Klimmenden entgegen schon, erschossen,
Es fällt ohn' Unterlaß ein Leichenregen.
Die Krieger mengen sich im Steigen, Fallen,
Wie eines Springquells Auf- und Niederwallen.

Graf Simon lenkt mit donnernden Geboten
Den Sturm: »hinan! erschreckt nicht vor den Todten;
Sie fraßen viel vorweg euch von den Pfeilen,
Mit ihnen müßt ihr nicht die Beute theilen;
Im Namen Jesu Christi, drauf und drein!«
Die Schwärme stürmen durch das Mauerloch,
Das von der Katze schütterndem Gepoch
Aufklafft, die Stücke brechen Stein auf Stein.

Doch bricht kein Stück von jenem Heldenherzen,
Das, groß genährt von seines Volkes Schmerzen,
Das Leid und Schicksal all der Seinen trägt;
Seht ihr Roger den Helden, wie er schlägt!
Dort an dem Thurm, drauf seine Fahne weht,
Vicomte Roger mit breitem Schwerte mäht
Wie Halme die bekreuzten Männer nieder;
Nie grüßt, wer ihn nicht flieht, die Heimath wieder.

An seiner Seite ficht Graf Foix, der kecke,
Und ihm zu Füßen wächst die Leichenstrecke;
Und die von ihren scharfen Klingen starben,
Läßt Foix mit Schnüren binden jetzt in Garben;
Dem Grafen Simon stürzen sie zu Füßen,
Für jenen Rosenkranz ein Gegengrüßen.

Nachdem er hundert Herzen Halt geboten,
Ist nun auch Foix gesunken zu den Todten.

Im Sturm hat Simon jetzt den Wall erklettert,
Und manchen Feind sich aus der Bahn geschmettert,
Indem er durch zu jener Stelle bricht,
Wo Held Roger die hellen Wunder ficht.
Die Besten sind zu jenem Ort gedrungen,
Und heißer ward auf Erden nie gerungen.

Die Sage spricht: dort ballte das Verderben
Im Kampfe sich, dort war so dichtes Sterben,
Daß irr die Seelen, die von dannen wallten,
Im wilden Kampfgewühl zusammenprallten,
Und dann, noch krank von ihres Hasses Toben,
Mit Grauen weithin auseinander stoben.

Wie Liebeslust, wenn schon ihr Drang gebüßt,
Nachschwelgend noch mit trunknen Lippen küßt,
So zückt, nicht satt von ihrem Todesstreiche,
Die Hasseslust den Stahl noch auf die Leiche.

»Hinab!« so schallt nun Simons mächt'ge Stimme,
Er weicht dem Schwert Rogers mit Scham und Grimme;
Die überwundnen Kreuzeskrieger jagen
Hinab, zurück, der Sturm ist abgeschlagen.

Beziers.

Es läßt die Sanduhr Korn an Korn verrinnen,
Und fällt das letzte, ist die Stund' von hinnen;
Also mit jedem Augenblicke fällt
Ein Todter in Beziers zum blut'gen Grunde;
Ein Dämon hat die Leichenuhr bestellt,
Daran zu messen eine Menschenstunde.
Das wilde Kreuzesheer ist eingedrungen,
Und alles Leben wird hinabgerungen.

Simon voran, der harte Todesdegen,
Und fallen muß wer sich ihm wagt entgegen.
Nicht rühmt das Lied den Tapfern nach Gebühren,
Weil es vom Wirbel bis zur Ferse nieder
Ihn haßt und jedes Zücken seiner Glieder
Und Schild und Speer und alles was sie führen.

Abt Arnald ruft ins Fechten, wo es stockt:
»Haut ein! der Ablaß und die Beute lockt!«
Den Priester reitet Simon an, zu fragen:
»Herr, sollen wir auch Katholiken schlagen?
Der Unsern viele sind in diesen Mauern,
Ist hier gestattet Mitleid und Bedauern?«

Der Abt entgegnet: »dessen ist nicht Noth,
Schlagt Ketzer, Katholiken, Alle todt!
Wenn sie gemengt auch durcheinander liegen,
Gott weiß die Seinen schon herauszukriegen.«

Wenn still und lautlos gienge dies Zerstören,
Man müßte aus den Wunden hier das Blut
Gleich einem Bach im Walde rauschen hören,
Doch wie ein Meer im Sturme schreit die Wuth;
Es brennt die Stadt, die Flamme hilft den Waffen;
Wenn Tiger nach Beziers herzögen lüstern,
Den Rauch des Blutes in den heißen Nüstern,
Sie würden müßig hier, bewundernd gaffen.

Dort flüchten Tausende zur Kathedrale,
Nachjauchzt der Mord mit hochgeschwungnem Stahle;
In allen Gassen, Häusern und Gemächern,
In jedem Sparrenwinkel unter Dächern,
In jedem tiefen dunklen Kellerbogen
Wird nachgesucht und wilden Mords gepflogen.

Vom Giebel wird ein Ketzer dort geschleift,
Wie sonst ins Taubennest der Marder greift;
Hier pocht der Scherge an des Fasses Dauben,
Und tönt es dumpf, so wird es aufgebrochen,
Ob nicht ein Ketzer sich hineinverkrochen,
Sein Blut gilt werther als das Blut der Trauben.

»Komm, heil'ger Geist!« die Priester alle singen.
Kein Gräuel kann wie der das Herz empören;
Der Opfer viele in die Flamme springen,
Um nur die Mörder singen nicht zu hören.
Doch Tausende sind jener auch gefallen,
Für welche süß der Lobsang würde schallen.
Die Stund' ist aus, nichts gibt es mehr zu morden,
Hoch brennt die Stadt, und weiter ziehn die Horden.

Roger, Vicomte von Beziers.

Roger, der junge Held, im Kerkerthurm;
Kein Blitz so scharf, daß er die Nacht durchdränge,
So heftig tobt auf Erden nie ein Sturm,
Daß nur ein Laut davon hinunter klänge.
Verlöre jetzt die Sonne ihren Schimmer,
Dem Glühwurm gleich, der sterbend sich verdunkelt,
Wie von Beziers die letzte Kohle funkelt
Und Asche wird beim letzten Sterbgewimmer,
Roger erführe das in seiner Gruft
Nur am Erkalten seiner Kerkerluft;
Die Nacht in diesen festen Quaderschichten
Kann sich zu tiefrer Schwärze nicht verdichten.

Fiel je auf diesen Fleck der Sonne Schein?
Der moderfeuchte hat es längst vergessen;
Hier mag Roger, wie viel an Land noch sein,
Im steten Hin- und Wiedergange messen.

Sein Lebensglück ist ihm verweht zur Sage,
Die er sich selbst erzählt; sie klingt so traurig!
Ihm ist der helle Strom der Jugendtage
Gestockt zu einem Sumpfe, schwarz und schaurig.
O Fürstenglanz! wie bald bist du verblichen!
O Waffenglück! wie treulos du gewichen!

Verrathen und gefangen mußt' er werden
Von Simon, dem Verhaßtesten auf Erden.
Mit Ritterwort ward Freigeleit gelobet,
Dem Ketzer wird die Treue nicht erprobet. –
Um Frieden wollt' er dingen für die Seinen,
Die nun verwaist um ihren Retter weinen;
Sie flohn aus Carcassonne still und sacht
Durch ein geheimes Pförtlein in der Nacht.

Auf's Halmenlager wirft Roger sich hin,
Und läßt Vergangenheit vorüberziehn.
Vorüberträumt an seinem Gram und Zorne
Sein Jugendglück: wie er zur Morgenstunde
Die Sonne aufgeweckt mit seinem Horne,
Den Jägertroß und die erfreuten Hunde.
Wie sie lustlärmend durch die Wälder eilten
Und wacker Hirsch' und Rehlein niederpfeilten;
Frisch auf! Ha! Ho! die starken Keuler brechen;
Er schwingt den breiten Spieß zum Bärenstechen;
Wie dann beim frohen Mahl die Becher klangen,
Und Troubadours das Lied der Liebe sangen.

Wohl bitter ist's in Kerkerfinsternissen
Den Sonnenschein, den Strahl der Sterne missen,
Gebirg und Wald und hellen Vogelsang,
Der Wasser Rauschen und der Donner Klang;
Doch bittrer ist's, den Blick des Freundes meiden,
In dessen Strahl entschlummern unsre Leiden,
Gleichwie im warmen Frühlingssonnenschein
Die Nattern süß ermüdet schlafen ein;
Doch bittrer ist's, des Freundes Wort entbehren,
Dem selbst das Elend glaubt die holden Mähren,
Daß Alles noch sich werde fröhlich wenden,
Und jeder Gram in Ruh' und Freuden enden.

Kein Frühling weiß so traut und wohl zu klingen,
Als wenn zum Herzen Freundesworte dringen;
So tönt kein Lied in kummervollen Stunden,
Wie wenn der Freund das rechte Wort gefunden.
Roger gedenkt an seinen Freund Alfar,
Den liebsten aus der kühnen Männerschaar. –

Dann fährt er auf im schmerzlichsten Ergrimmen,
Wenn er zu hören meint die fernen Stimmen
Der Seinigen, die unter Rosseshufen
Und auf den Scheitern ihn um Hülfe rufen.

Wohl ihm, wenn ihn ergreift Erinnerung,
Wenn ihm ertönt das Feldgeschrei: »zu Waffen!«
Die Rosse wiehern im beherzten Sprung,
Die Schwerter schallen und die Wunden klaffen,
Die Kolben krachen und die Lanzen splittern,
Die Rosse stürzen sammt den Kreuzesrittern;
Die Pfeile schwirren, tausend Wunden stechend,
Als Mücken dieser heißen Abendzeit,
Und Held Alfar, den Feindesschwarm durchbrechend,
Erglänzt, ein Stern im Strahl der Tapferkeit,
Ein Nachtgestirn, das in dem Kampfgewühle
Ringsum den Feinden sendet Todeskühle.

Abrede hat mit ihm Roger genommen:
Von Osten ist der Eine zugefahren,
Der Andre haut von Westen in die Schaaren,
Und mittens wollen sie zusammenkommen.
Und jeder führt sein Häuflein Kampfgenossen,
Sie stürmen auf den schlachtberauschten Rossen
Einander zu, zur Rechten und zur Linken
Im Lückenbruch erschlagne Feinde sinken.
Und jeder freut sich, trifft er im Gefecht
Den Gegner kriegserfahren, kampfgerecht,
Wenn seine Kunst, das Roß im Kreis zu schwenken,
Die Art im Anlauf seinen Speer zu senken,
Von ferne schon den edlen Helden loben,
Was Stich und Hieb in harter Näh' erproben.
An seinem Harnisch ist der Speer zersprungen,
Doch hat Roger, Alfar sein Schwert geschwungen,
Dann muß der Held des Siegens sich entwöhnen,
Und, hingestreckt, Lebwohl der Erde stöhnen;
Die matte Hand greift irr und ungewiß
Umher schon in der Todesfinsterniß.

Nun sieht der Freund des Freundes Helmbusch wallen,
Er kennt ihn an des Schwertes lautem Schallen;
Der roth' und schwarze Busch begegnen sich,
Wie Blut und Tod, wo dies Gefieder strich. –
Schon sind sie durch – es fiel der letzte Schlag –
Sie wünschen sich gar fröhlich: »guten Tag.«

Roger ist aus dem schönen Traum erwacht,
Still wünscht sein Feind dafür ihm »gute Nacht«,
Denn durstend greift er nach dem Krug
Und trinkt den herben Tod mit einem Zug.

Das Mädchen von Lavaur.

Nach langem Kampfe ist die Burg genommen;
Wie schwelgt das Kreuzesheer in Rachewonnen!
»Komm', heil'ger Geist!« so singt der Priester Chor,
Und was da lebt muß sterben in Lavor.
Nur eine Jungfrau überlebt den Tag,
Die scheintodt still in ihrem Sarge lag.
Sie hörte nichts vom Lärm des letzten Sturmes,
Und nichts vom Niederkrach des festen Thurmes;
Wie alles fiel, was sie geliebt hienieden,
Verhüllte ihr ein falscher Todesfrieden.

Nun wacht sie auf; wie stille! nicht ein Laut!
Der Jungfrau, daß sie taub geworden, graut;
Sie prüft mit einem Schrei ihr Ohr,
Sie hört – erschreckt von ihrem eignen Schalle,
Denn sich nur hört sie; – »bin ich in Lavor?
Herbei! weh mir! o Gott, wo seyd ihr Alle?«

Sie stürzt hinaus und sieht entsetzt, warum
Rings Alles in der Burg so grabesstumm.
Da liegen sie umher,
Das Mädchen ruft: weh mir! lebt Keines mehr?
Doch Niemand hört sie, Niemand wird gewahr
Und freut sich, daß entstiegen sie der Bahr.

Sie sucht am Grund die Eltern, findt sie nicht,
Und jedem Todten schaut sie ins Gesicht.
Sie sucht den höchsten Schreck an jeder Stelle
Und findet ihn zuletzt in der Kapelle,
Als hätte, wählend, jegliche Prachtblume
Der Tod gespart zum Schmuck dem Heiligthume.

Dem Greise, der an Krücken sich geschleift,
Ist schnell das Kind zum Sterben nachgereift;
Dort ist die Brust der Jungfrau unverwehrt
Vom Haupt des rohen Waffenknechts beschwert;
Ein Ritter dort, im Antlitz bleichen Zorn,
Ins Auge eines Mönchs gedrückt den Sporn.

Wie sind die theuren Züge, ach! entstellt,
Auf welche jetzt der Blick des Mädchens fällt;
Doch kennt das Herz die ihm die Nächsten waren,
Am Kleid, am Wuchs, am Finger, an den Haaren.

Die Jungfrau weint, nicht jene milden Zähren,
Die uns ein Unglück lindern und verklären,
Dem Mädchen, wie's die Elternleichen schaut,
Des Irrsinns Nebel von den Wimpern thaut.

Sie springt ans Christusbild dort am Altar
Und ruft! »du Armer! möchtest fort, nicht wahr?
Wie quälst du dich, hinaufzuziehn die Füße,
Daß sie das Blut, das steigende, nicht küsse!
Sie sind genagelt; – reut es dich? dich reut's,
Daß du gekommen bist ans Kreuz!
Das Alles, Alles ist um dich geschehen!
Wie bang sich deine Augen drehen!
Hoch steigt das Blut, das bald den Fuß dir näßt,
Ich zerr' umsonst, der Nagel steckt zu fest,
Er haftet immer noch;
Maria, hilf! Johannes, helft mir doch!
Du armer Menschensohn,
Wie sträuben sich die Dornen deiner Kron'!
Wie wild die Angst um deine Lippen zückt!
Ich fürchte mich vor dir, du wirst verrückt!« –

Sie flieht hinaus, da schrei'n die Raben
Sie an: willst du was uns gehört begraben?
Sie flieht und weint, und Jedem nah und fern
Klagt sie das traurige Geschick des Herrn,
So klagend irrt durch Dörfer, Wald und Moor,
Und weckt Mitleid das Mädchen von Lavor.

Des Wandrers Gruß.

Sein Feld besät mit Körnern dort ein Bauer,
Verdrossen thut er's in verzagter Trauer.

Wird seiner Sense sprießen einst die Aehre,
Und nicht den Rosseshufen wilder Heere?

Wer mag getrost die Zukunft noch beschicken,
Sieht er den Sturm schon kommen, sie zu knicken?

Mit lässiger Hand den Samen wirft der Alte
Und wenig hoffend in die Furchenspalte.

Sein Söhnlein aber streut mit hellem Singen,
Weil Jugend freudig hofft: es wird gelingen!

Dort flattert nieder eine Taubenschaar,
Und pickend schmälert sie das künft'ge Jahr.

Die Diebe sieht der Landmann sonder Grollen
Mit schwanken Köpflein schreiten durch die Schollen:

»Ei! Tauben, laßt gefallen euch die Kerne;
Der Feind ist nah, die Ernte noch so ferne!

Du weiße dort! hat dich ein Pfeil geschreckt,
Daß also roth die Brust dir ist gefleckt?

Doch nein! wer hat Geschosse zu verschwenden?
Wer möchte jetzt den Pfeil nach Tauben senden?

Täublein, bist von Lavor? und traf dich Blut,
Als du ins Nest heimflogst zu deiner Brut?

Barg ein Verfolgter sich am Tag der Rache,
Und ward ergriffen unter deinem Dache?

O trübe Zeit, wann Tauben am Gefieder
Das Blut des Menschen tragen hin und wieder!«

Der Alte hat der Taube Loos errathen,
Und trauernd streut er wieder seine Saaten.

Ein Wandrer, einsam wallend durch das Land,
Des Bauern Wort belauschend stille stand;

Und freundlich spricht er, eh er weiter zieht:
»Hörst du der Lerche helles Morgenlied?

Vom Liede einer Lerche ist umher
Der ganze Himmel voll, nicht klage mehr!

So tönt fernhin der Freiheit Morgenruf,
Zerstampft dir auch die Saaten Rosseshuf.

Es klingt ihr Ruf je heller in die Weiten,
Je mehr die Feinde stillen Tod verbreiten.«

Alfar.

Alfar der Held in seinem Leben
Hat Priestern nie Gehör gegeben;
Und was die Albigenser sprechen,
Ist ihm nicht minder fremd geworden
Seit jenem unvergessnen Morden
Zu Brom, seit jenem Augenstechen.

Gern mag er die Erinn'rung fragen
Nach seinen goldnen Jugendtagen;
Und was ihm ohne Spur entschwunden,
Sucht er bei Kindern zu erkunden.
Auch dem von Schuld und Schicksal Kranken
Gewährt oft flüchtiges Genesen
Bei frohen Kindern der Gedanken:
So bin ich einmal auch gewesen.

Wer seine Jugend überlebt,
Wen unvergeßlich Leid getroffen,
Wem schal geworden jedes Hoffen,
Für das er sehnlich einst gestrebt,
Und wenn er kalt für Ruhm und Ehren,
Kein Kuß ihm zündet mehr am Munde:
O könnt' ein Zauber ihm gewähren,
Ein Kind zu seyn nur eine Stunde,
Könnt' er die Welt mit frischen Blicken
Nur einmal noch und freudig sehen,
Es würd' ihn stärken und erquicken,
Bis das Geschick ihn heißt vergehen.

Der Trübe spricht: »wohl euch, ihr Kleinen,
Daß ihr vom Glauben unvergällt
Noch treulich spüren könnt die Welt,
Und mit euch selbst es redlich meinen!«
Der Trübe spricht: »doch währts nicht lange,
So seyd auch ihr ein Raub der Schlange;
Denn wem in dieser Zeit die Kunde
Des Glaubens naht, der geht zu Grunde.

Glaubt er, so ist's um die Natur gethan,
Die er hinopfert seinem Wahn;
Und siegt Vernunft, so muß der sterben,
Und dem wird Haß die Welt verderben.
Der Mensch mag glauben, zweifeln, wissen,
Sein Leben ist vergällt, zerrissen.« –

Ein Schreck ergreift die Leichenwacht,
Wenn auf der Bahr' in stiller Nacht
Vom Scheintod wach, ein Mensch sich regt,
Den sie zu früh dahin gelegt;
Und faßt euch nicht ein tiefres Grauen,
Läßt sich vor euch ein Todter schauen
Mit scheinlebendiger Geberde,
Der besser läg' im Schooß der Erde,
Weil jede Gluth in ihm verlodert,
Und längst sein bestes Leben modert?
Der Todeskenner nur erschrickt,
Wenn er ein solch Gespenst erblickt.

So haust Alfar auf seinem Schlosse,
Nichts kann ihm Leid noch Freude schaffen,
Im Stalle feiern seine Rosse,
Und Rost verdunkelt seine Waffen;
Das Wild im Forst mag ruhig schreiten,
Er jagt nicht mehr in diesen Zeiten,
Seit auf sein Kind geschah ein Jagen,
Und Priester ihm den Sohn erschlagen.

Der Schmerz, die Wuth, die Rache tobten
In seiner Brust und in der Schlacht,
Und Feinde starben, Freunde lobten,
So flog ein Jahr wie eine Sturmesnacht.
Dann war es still und ausgestorben
In seiner Brust und jedes Glück verdorben.
Wie nach Gewittern wilde Bäche
Auf grün lebend'ger Wiesenfläche
Nur Steingeröll zurücke lassen,
Ließ ihm den Tod zurück sein wildes Hassen.

Er wandelt einsam, kalt und wüst;
Wenn freundlich ihn die Sonne grüßt,
Er dankt ihr nicht; er wünscht im Hain,
Wenn alles grünt und schallt von Liedern,
Es möchte dürr und stille sein;
Er fühlt nur noch ein kühles Widern.

Zur Abendzeit der Ritter stand
An seines Schlosses Felsenrand.
Die Sonne leuchtet in das Thal,
Und lächelnd schaut er ihren Strahl,
Indem er ihr die Worte spricht:
»Es ist umsonst, bemüh dich nicht,
Die Flur zu schmücken und zu nähren,
Die sie vielleicht noch heut verheeren!

Und doch warum? – weil die verneinen,
Was die vielleicht zu glauben meinen.
Auf seines Herzens tiefstem Grund
Sitzt auch dem gläubigsten Gesellen
Der Zweifel als ein wacher Hund,
Den Nazarener anzubellen.

Ja! Innocenz Ischarioth
Hat auch verrathen seinen Gott
An seine Furcht und banges Zagen,
Daß Ketzer Christum noch verjagen;
Er traut nicht seinem Machtbestand,
Drum dient er ihm mit Schwert und Brand;
Schon sieht er ihn hinausgestoßen,
Der Götterwandrung angeschlossen.

Was selbst er nur mit halben Kräften
Vermag zu glauben und zu halten,
Sucht er mit herrisch frechem Schalten
Der Welt gewaltsam anzuheften

Wenn ich es höre, wie sie reden
Von Gott und ihren Glaubensfehden,
Wie Haß und Wahn die Welt entzweiten,
Wie Fabeln gegen Mährchen streiten;
O grauser Abscheu, tödtlich kalt,
Der mir die Brust zusammenkrallt!«

So sprach der Wilde vor sich hin,
Und sieht im Thal zwei Wandrer ziehn,
Und jetzt den Pfad der Burg erklimmen,
Laut streitend mit erhitzten Stimmen.
Sie fegen rüstig mit den Händen,
Um ihren Worten Kraft zu spenden,
Und auf dem Steilpfad mit den Füßen
Das Gleichgewicht nicht einzubüßen.
Der Eine – Mönch, der Andre – Krieger,
Will jeder seyn im Streite Sieger:
Was Christus mit dem Felsgesteine,
Worauf sein Bau gegründet, meine? –

Alfar aus kalter Seele lacht
Und ruft hinunter: »habet Acht!
Dies ist der einzige Felsen, traun!
Worauf sich läßt auf Erden bau'n!«
Mit leichtem Tritte stoßt der Heide,
Zu schlichten ihren lauten Hader,
Hinunter einen losen Quader,
Und in dem Abgrund stürzen Beide.

Das Gelage.

In einer Laube an der Seine trinken
Drei Freunde ihren Becher aus Burgund;
In warmer Freude überströmt der Mund,
Die Hecken blühn, die goldnen Sterne blinken.

Nicht sicher ist es heutzutag auf Erden,
Schwer im Verhängniß athmen diese Zeiten,
Im Garten hier auch leise Horcher schreiten,
Die frohen Zecher lauernd zu gefährden.
Die Freunde aber trinken froh, und sprechen,
Wie die Gedanken auf im Herzen brechen,
Sie lassen frei die Herzensblume düften,
Kein Rückhalt sey in solchen Frühlingslüften.

Sie sprechen von den höchsten, letzten Dingen,
Und ihre Becher hell zusammenklingen.
Zum Sternenhimmel weist empor der Eine
Und redet laut bei hochgeschwungnem Weine:
»Seht, Brüder, seht, wie uns die Sterne strahlen!
Als böten Herberg sie zu tausendmalen,
Wenn man von dieser Erde uns vertriebe.
Doch höher ist die Heimath, die uns bliebe.
Laßt uns das Herz mit Muth und Freude tränken:
Zu Almerichs von Bene Angedenken!
Ein freier Mann! ein Forscher ohne Zagen!«
Und ihre Becher hell zusammenschlagen.

»Seht, wie der Frühling uns den Trunk gesegnet
Und in den Becher seine Blüthen regnet!
O spielten doch in den Pokal die Weste
Uns Flocken von des Freundes Aschenreste,
Daß wir sie an die Lippen heben dürften,
Und liebend mit dem Wein hinunterschlürften!«

Zerstreut an hundert Tischen in dem Garten,
Bei Wein und leckern Speisen aller Arten,
Studenten sitzen aus der hohen Schule
Paris, genannt die Leuchte dieser Welt,
Und, allzufreien Künsten zugesellt,
Bewirthet Mancher neben sich die Buhle.
Von Schweden, Deutschen, Polen und Franzosen,
Von Italienern, Ungern, Engelländern,
Vielfach an Sprache, Sitten und Gewändern,
Die lauten Stimmen durcheinandertosen.

Hier halten Theologen Wortgefechte,
Spitzfindig dialektisch; blanke Waffen
Muß Aristoteles, der Heide, schaffen;
Juristen zanken dort um Römerrechte.
Die Aerzte lachen ob den Wortverdrehern,
Und lehren, wie sich Elixire brauen;
Sprachwurzeln werden lärmend ausgehauen
Von Philologen, Griechen und Hebräern.

Die Astronomen schelten sich um Zahlen;
Dort singt ein Trupp vergnügter Provençalen
Den tapfern Troubadour Bertrand de Born,
Sein Minneleid und seinen Heldenzorn.
Goldstücke rollen dort, die Würfel dröhnen;
Gelächter schallt zu jugendlichen Possen,
Und Jedes wird mit edlem Wein begossen;
So lustig werd' es allen Musensöhnen!

Und wieder spricht ein Andrer in der Laube,
Indem er schwingt den rothen Saft der Traube:
»Von Almerichs von Bene theuren Lehren
Blieb eine unvergeßlich mir vor allen;
Sie wird noch spät auf Erden wiederhallen,
Wenn wir schon längst sind fort und nimmer kehren.
In dieser sternenhellen Frühlingsstunde
Sey sie uns wiederholt aus meinem Munde:

Was wir mit dunklem Worte nennen
Die göttliche Dreifaltigkeit,
Das sind drei Stufen in der Zeit,
Wie wir den einen Gott erkennen.

Den Vater glaubte den Gewittern
Der Mensch und dem Prophetenmund,
Vor Gottes Willen mocht' er zittern;
Und solches hieß der alte Bund.

Jehovah's Tage mußten schwinden,
Der dunkle Donnernebel floh;
Wir lernten Gott als Sohn empfinden,
Und wurden seiner Liebe froh.

Auch Christi Zeit, die Gott verschleiert,
Vergeht, der neue Bund zerreißt,
Dann denken Gott wir als den Geist,
Dann wird der ewige Bund gefeiert.

So wird in Dreien Eins genommen,
Und Gott von uns in seiner Macht
Geglaubt, empfunden und gedacht;
Es will die Zeit des Geistes kommen;

Die Zeit, in der mit seinen Strahlen
Der Menschengeist zusammentrifft
In Eines, ohne Kreuz und Schrift,
Und selig ruht nach langen Qualen.« –

»Auf Almerichs von Bene Angedenken!« –
Das ist zum Theologentisch gedrungen,
Sie horchen auf von ihren Schulgezänken,
Und ein Lombard' ist auf den Tisch gesprungen:
»Die neue Lehre soll die Welt besiegen!
Der Geist ist Gott!« so ruft er in die Schaaren,
Und Alle auf von ihren Bänken fahren
Und nach den Sternen ihre Mützen fliegen.

Von Tisch zu Tisch hineilt das große Wort
Und reißt die jungen Herzen mit sich fort;
»Der Geist ist Gott!« so schallt es hin mit Macht,
Ein Freudendonner durch die Frühlingsnacht.

Der Brunnen.

Das Gras im Burghof zu Lavor
Wuchs einsam, ungestört empor,
Schon überhüllt es und umschattet
Gebein, zerstreut und unbestattet;
Raubvögel, die ans Licht es zogen,
Umfliegen hoch im stillen Bogen
Die brandgeschwärzten alten Mauern,
Der dunkle Himmel scheint zu trauern.

Am Brunnen steht sie noch, die Linde,
Die Zeugin einst so schöner Zeiten,
Sie läßt, bewegt vom Herbsteswinde,
Die Blätter leis hinuntergleiten;
Die Sträucher drängen mit Verlangen
Zum Brunnen, Disteln selbst, die rauhen,
Den Rand von Marmor überhangen,
Als möchten sie hinunterschauen.
Ein Sänger steht am tiefen Bronnen,
Sein letztes Lied hinabzuweinen,
Ach, wo versenkt mit allen Wonnen,
Giralda ruht, bedeckt von Steinen.

»Der Himmel hat kein Wort geboren,
Wie hold du warst, wie schön, zu sagen;
Die Hölle hat nicht herb're Klagen
Als meine, daß ich dich verloren!

Kein Trost kann mit dem Schmerze ringen;
Du wirst nicht wieder auferstehen,
Wenn Gott dich einmal ließ vergehen,
Kann er dich so nicht wiederbringen.

Da unten mein' ich dich zu hören,
Wie deine Lippen traulich flüstern,
Hinabzustürzen werd' ich lüstern;
Doch soll ich auch dein Bild zerstören?

Es taucht mir auf mit allen Zügen,
Mit jeder Schönheit unvergessen;
Wie deine Reize unermesen,
Kann auch mein Schmerz sich nie genügen.

Sie senkten in den Schacht dich nieder,
Und eine Welt von Freudenschimmer,
Was, einmal todt, ist todt für immer:
Die Schönheit, Liebe, und die Lieder!«

Entgeltung.

Vorüber sind die schönen Frühlingsnächte;
Der Sommer hat geglüht und Saat gereift,
Der Herbst die Blätter von den Bäumen streift,
O daß er auch den Haß zur Ruhe brächte!
Der überwintert grüner als Cypressen,
Und jene Nacht, er hat sie nicht vergessen;
Was dort von Freiheit in der Gartenlaube
Erscholl, es ward den Winden nicht zum Raube.

Gegraben wird nach Almerichs Gebeinen,
Im Feuer sie den Schülern zu vereinen.
Die Feinde, könnten sie in ihrem Hassen
Den Hingeschiednen selbst, ihn selbst ergreifen,
Sie würden ihn herab vom Himmel schleifen;
Und, ist er dort, auch nicht der Hölle lassen.

Dem Tode zürnen sie, daß er so frühe
Den Feind entführte und auf eigne Hand
Ihn sanft entrückte jeder Erdenmühe,
Und nur die Knochen ließ dem Rachebrand.
Sie möchten schier vor Wuth sich selber äffen,
Mit Bann den Tod, den alten Ketzer treffen,
Deß Riesenhand, trotz allen Widerschlägen,
Die Macht des Wahnes wird zur Ruhe legen.

Doch ihre Zeit ist noch nicht abgeflossen;
Indessen wird ein Feuer angezündet,
Und jetzo haben Almerichs Genossen
Sein kühnes Wort zum letzten Mal verkündet.

Der eine von den Priestern am Schaffot
Hat Haß genug zu einem letzten Spott:
»Nun mögt ihr euren Herzenswunsch erreichen,
Den ihr verlauten ließt so unerschrocken,
Nach eures theuren Meisters Aschenflocken;
Ihr dürft mit ihnen seyn als ihresgleichen.
Nehmt jetzt die Sterne, die so freundlich lachten,
Beim Wort; sie haben Herberg' angetragen;
Die Erde muß sie euch fortan versagen,
So mögt ihr heut auf Sternen übernachten!«

Umsonst!

»Mein guter Degen, wie du voll Verdruß
Im Winkel ruhst, schier wie der Hecht im Dürren;
Du Eisenfisch sollst bald vor Freude schwirren
Und lustig tanzen mir im rothen Fluß.

Ei! Rößlein feurig, tummelnd auf der Weide,
Sollst glänzen bald im blanken Harnischkleide,
Zum Sporenhieb und Klange der Drommeten
Den schönen Kampftritt über Leichen treten.«

Schon reitet er bewaffnet, kreuzgeschmückt,
Der Fahne nach die dort zu Felde rückt.
Wie Otto von Burgund und all' die Edeln
Der Kirche schmeichelnd mit dem Banner wedeln!
Wie rasch doch Fürsten ihre Fahnen schwingen,
Wenn es der Freiheit gilt den Tod zu bringen!

Es gilt den auferstehenden Gedanken,
Von dessen Tritt die sieben Hügel schwanken,
Den Starken gilt's zum Tod zu ringen nieder,
Den Riesen mit den rauschenden Gewändern,
Der seines Leibes unermessne Glieder
Zugleich erhebt in weitentlegnen Ländern. –
Was soll der Rößlein Wiehern hier und Springen?
Was wollen hier die ausgereckten Klingen?

O Fürsten übermüthig, wahnverloren,
Blickt auf zur Nacht, wenn ihre Sterne flammen,
Und schaut den Feind, dem ihr den Tod geschworen,
Und zittert schaudernd in euch selbst zusammen!

Gedanke heißt der Heilige, der Held,
Der im Urkampf ersiegt dies weite Feld;
Er hat getaucht die Sterne in sein Licht,
Er gab den Stand den Sternen und die Flucht,
Hält ewig fest die strenge Sternenzucht;
Sein ist die ganze Welt und ihr Gericht.

Ihn wollt ihr hemmen, wenn er sichtbar werden
In menschlicher Gestaltung will auf Erden?
Haut alle grünen Sprossen ab zur Stunde,
Reißt alle Wurzeln aus dem Muttergrunde,
Und schießt die Vögel aus den Lüften nieder,
Wenn ihr das Grünen hasset und die Lieder,
Ihr könnt den Drang nicht hemmen und nicht stillen
Den unaufhaltsam starken Frühlingswillen.

O glaubet, Fürsten, minder noch zu zwingen
Ist der Gedanke je mit euren Waffen,
Wenn er der Menschheit will die Freiheit schaffen,
Und will durch die Geschichte blühn und singen.

Simon Montfort.

Die Burgen und die Dörfer brennen,
So helle Flamm' ist angefacht:
Man kann in mondverlassner Nacht
Die Todten auf dem Feld erkennen.
Der Krieg, der wilde, rennt und schnaubt
Durchs Land, die blutig rothe Pfütze,
Er hat den Himmel sich aufs Haupt
Gesetzt als eine Scharlachmütze.

Graf Montfort nach Toulouse reitet
Mit seinen kreuzgeschmückten Schaaren,
Von seiner holden Frau begleitet,
Durch rauhe Mühsal' und Gefahren.

Er spricht zu ihr, wie reich mit Segen
Die Kirche seine Fahrt belohne,
Es blinke strahlend schon entgegen
Ihm von Toulous' die Fürstenkrone,
Wie Beziers ihm zugefallen
Mit Burgen, Städten, und Vasallen,
Wie Carcassonne, Conserans,
Albi und Foix ihm unterthan.

Doch schweigend reitet sein Gemahl,
Weil Athem ihr und Sprechen schwer
Im Wind, der von den Feuern her
Rauchwolken jagt ins enge Thal.

»Wenn auch die Aeuglein überfließen,
Laß, Kind, den Rauch dich nicht verdrießen;
Bald folgt den Zeiten rauher Kämpfe
Ein glanz- und ehrenreicher Friede;
Bedenk', es kommen diese Dämpfe
Aus unseres Glückes Flammenschmiede.

Bald steht, mein letztes, schönstes Hoffen,
Mir huldigend Tolosa offen!«

Sie schweigt, nicht blos der scharfe Rauch
Hat Stimm' und Rede ihr benommen;
Ein schweres, banges Ahnden auch
Hält traurig ihr das Herz beklommen.

Auch Montfort schweigt, und die Gedanken
Beginnen zweifelnd ihm zu schwanken.

Der Tritt von zwanzig tausend Pferden
Erdröhnt, und durch des Rauches Flor
Bricht dunkelroth der Mond hervor,
Wie Widerschein des Bluts auf Erden.

Sie ziehn hindan die ganze Nacht,
Und als der Morgenschein erwacht,
Umlagern sie zu Roß, zu Fuß,
Ein breites Heer, die Stadt Toulous.

Graf Montfort kniet in seinem Zelt
Anbetend vor dem Herrn der Welt,
Er beichtet Fulco und bekennt
Die Sünden, die sein Herz beschweren,
Er hört die Mess' in Reuezähren,
Und nimmt das heil'ge Sakrament,
Daß Christi Leib und Blut ihm stärke
Mit Muth den Leib zum blut'gen Werke.

Die Mönch im Chore singen wieder
Weithin erschallend fromme Lieder,
Harmonisch durch die Lüfte ziehen
Der wilden Zwietracht Melodieen.

Wie Montfort jetzt, der kühne Fechter,
Sein Roß besteigt, da bäumt und prallt
Der Gaul, und von den Mauern schallt
Tolosa's jauchzendes Gelächter.

Doch Montfort schwingt sich auf im Zorn,
Haut tief ins Roß den scharfen Sporn;
Hinspringt er an des Walles Rand,
Und droht mit Schwert und Blick, da fällt
Ein Stein, der ihm das Haupt zerschellt,
Und sterbend sinkt er in den Sand.
Fahr wohl! o Glück und Fürstenmacht! –
Noch treffen Simon im Verscheiden
Fünf Pfeile, die den Stein beneiden,
Er hört noch, wie Tolosa lacht.

Nun schallt das Feld von Schmerz und Klage,
Die weit das Lied von hinnen stören,
Weil es, gedenkend früh'rer Tage,
Um Simon nicht will weinen hören.

Ritter und Mönch.

Die Schlacht verrauscht, die Sieger ziehn von hinnen;
Ein Ritter bleibt zurück bei seinem Roß,
Das ihm durchstach ein irrer Lanzenstoß;
Ihm galt's, er sieht des Rosses Blut verrinnen.

Des treuen Thiers kann er sich schwer entwöhnen;
Er schaut es an mit einem Blick voll Leid,
Schnallt ihm den Sattel ab, das Panzerkleid,
Erleichtern will er ihm das letzte Stöhnen.

Zum Abzug wird das Schlachthorn dort geblasen,
Da zuckt dem Gaul die Seele noch hervor,
Da spitzt er müd' und langsam noch das Ohr,
Nun streckt er todt die Glieder auf den Rasen.

»Wo ist dein tapfrer Sprung, o mein Geselle?
Und wo dein feurig Wiehern, edles Thier?
So herrlich klang's, das liebste Schlachthorn mir;
Wohin dein Muth, die Kraft, die Windesschnelle?

Sey nun ein Mahl, mein Roß, den Geierschaaren!
Sie haben nie geschmeckt so edles Blut;
Zu kostbar ist dein Fleisch für Würmerbrut,
In Geiern soll es gegen Himmel fahren.

Den Aaren soll dein Blut im Herzen kochen,
Daß sie betrunken taumeln in der Luft,
Dann singen sie dein Lob durch Berg und Kluft:
Das beste Roß ward bei Montjoyr' erstochen.«

Er lagert sich am Waldsaum hoher Eichen,
Die Walstatt ruht im Abendlichte klar,
Und vor dem Anblick dieser Leichenschaar
Muß seinem Schmerz des Rosses Bild entweichen.

Die bleichen, wildentstellten Angesichter
Ergrimmter Feinde liegen hier vereint,
Gleichmäßig auf die Todten alle scheint
Der Friedensgruß der sanften Abendlichter.

O hätte so gestrahlt in die Gemüther,
Klar und versöhnend, ein Gedankenstrahl,
Ein himmlisch Licht in dunkler Seelen Qual,
Sie lebten – froh der holden Erdengüter.

Was raschelt in des Eichwalds dürrem Laube?
Ihm naht ein Mönch und spricht: »Gott tröste dich!«
Und blickt so frei und fest, als ob er sich
Im Schutze dieser Todten sicher glaube.

Ihm schmückt die Brust ein Kreuz von rother Seide,
Die Waffen warf er weg; daß er sie trug
An diesem Tag des Kampfs und Wunden schlug,
Zeigt manche Spur des Bluts an seinem Kleide.

Der Klosterbruder lagert sich zum Reiter,
Der einen Gruß dem Waffenlosen nickt,
Dann wieder auf das Feld hinüberblickt;
Sie starren Beide auf die todten Streiter.

Der Herbstwind jagt die Blätter von den Bäumen
Hin über's Feld, sie wirbeln und sie fliehn
Den Todten um die stillen Häupter hin,
Wie Schatten von verlornen Lebensträumen.

Das sieht sich traurig an; das Abendscheinen
Floh mit dem dürren Laub den bangen Ort,
Der Herbstwind führt allein das ernste Wort,
Die Beiden still – der Mönch beginnt zu weinen.

Doch plötzlich fährt er auf, sich zu ermannen,
Das rothe Kreuz, der Kirche Angebind,
Er reißt es von der Brust und gibt's dem Wind,
Es flattert wie das dürre Laub von dannen.

Befremdet schaut der Ritter den Genossen
Und fragt: »was willst? was soll dein seltsam Thun?«
Doch näher rückt der Mönch dem Ketzer nun,
Hat liebvoll in die Arme ihn geschlossen.

»Nicht folg' ich mehr der Kirche blut'gen Fahnen;
Im Hinblick auf das stumme Leichenfeld
Hat Friede wunderbar mein Herz erhellt,
Des tiefen Sinns ward mir ein freudig Ahnen.

Gottmensch, Erlöser, Christus ist die Seele
Der Welt, der Menschheit innerstes Geschick;
Doch Dunkel hüllt es noch vor unserm Blick,
Kein Buch erklärt's, es klang aus keiner Kehle.

Das Leben bricht der Kirche düstre Schranke;
Die heilige Geschichte ist geschehn,
Doch war auch sie nur Abglanz und Vergehn;
Vollenden wird Erlösung der Gedanke.«

Der Ritter reicht zum Bund ihm seine Rechte
Und spricht: »o Mönch geehret sey dein Mund!
Komm auf mein Schloß, und geh mit mir zu Grund!
Die Nachwelt blüht, wir fallen im Gefechte.

Doch eh' die Welt gelangt zu ihrem Heile,
Erhebt der Kampf sich erst mit neuem Muth,
Wenn er auf unsern Gräbern ausgeruht,
Und still gesonnen eine trübe Weile.

Die Schaar der kühnen Streiter schwand zusammen,
Schon wird es still; der Geist, der sie gelenkt,
Er liebt, zu sinnen bald, in sich versenkt,
Und bald in Kämpfen herrlich aufzuflammen.«

Es dämmert schon das Thal in Nebelschleiern,
Die Beiden wandeln fort, der Ritter kehrt,
Noch einmal scheidend sich nach seinem Pferd,
Und in den Lüften schallt der Ruf von Geiern.

Ein Greis.

»Sturm der Urwelt, habe Dank,
Daß du, schleudernd Felsenklötze,
Bautest die granitne Bank,
Drauf ich lagernd mich ergötze!

Unter mir in wilder Flucht
Braust der Strom und stürzt von hinnen;
Starrend in die rege Schlucht,
Seh' ich's Leben mitverrinnen.

Rasch hinab und nie zurück!
Selbst die Sehnsucht nach dem Alten;
Theure Leiden, schönes Glück,
Leicht zerstiebende Gestalten!

Käm' ein Gott und schöpfte mir
Einen Becher aus dem Quelle,
Spräche: »trink'! ich reiche dir
Noch einmal die beste Welle!«

Spräch ich: »nein, ich trinke nicht;
Was vorüber, sey verloren!
Was die Stunde bringt und bricht,
Werde nicht zurück beschworen!«

Von dem Sturzbach, windverstreut,
Tropfen mir ins Antlitz dringen;
Will mir die Vergangenheit
Meine Thränen wiederbringen?

Rausche, Zeit, vorbei, vorbei!
Deine Opfer hab' sie alle!
Auch dein eigner Sterbeschrei
Tönt mir zu im Wasserfalle.

Ewiger Geist auf flücht'gen Tand
Schau' ich fest vom Felsenblocke,
Den ich meistre im Bestand,
Wie Granit die Aschenflocke.

Drüben dort ein Geier streicht,
Hoch und still mit wildem Lauern;
O wie diesem Vogel gleicht
Um der Menschheit Loos mein Trauern!

Rauhe Krallen führt mein Schmerz,
Scharfe Augen, rasch Gefieder,
Heißes Blut wie Geiers Herz,
Plötzlich stoßt er auf mich nieder

Ringsum ist die Welt verheert,
Alles öd und still geworden,
Düster schweigt, in sich gekehrt,
Wer entronnen diesem Morden.

Hundert Burgen sanken hin,
Ungezählter Leichen Grüfte,
Mit der Menschenasche ziehn
Ueber's wüste Feld die Lüfte. – –

Noch die Freiheit war es nicht;
Dunklen Gruß, verworrne Kunde
Brachte nur von ihrem Licht
Die vorausgeeilte Stunde;

Wie ein Bote liebend eilt,
Mit der Freudenpost zu kommen,
Und vor Ungeduld nicht weilt,
Bis ihr Wort er ganz vernommen.

Ach! es war ein schöner Klang,
Dem die Welt so sehnend lauschte;
Wie ein himmlischer Gesang,
Der im Schlachtgefild verrauschte.

Manche, krank, ins tiefste Mark,
Selbst am ewigen Geist verzagen;
Andre haben, still und stark,
Ihren Gott hindurchgetragen.

Tiefer schmerzt, als das Geroll
Zeit und Tod zu meinen Füßen,
Daß ich nicht erleben soll,
Wie sich Welt und Freiheit grüßen.

Doch der Geist, der bald den Riß
Enden wird durch diese Hülle,
Lebt in Andern einst gewiß
Seine Freiheit, Macht und Fülle.«

Das Gesicht.

Am Crucifix das Lampenlicht
Bescheint sein sterbend Angesicht;
Durch's Fenster weht die Luft herein
Und stört die Ruh' dem Ampelschein,
Daß um die heilige Gestalt
Unsteter Schein und Schatten wallt.

Und wie die Lichter sich bewegen,
Scheint leise sich das Bild zu regen:
Des Dulders letzte Miene bebt,
Mit einem Lächeln sich zu schließen,
Das Auge bricht, die Thräne schwebt,
Des Blutes heil'ge Tropfen fließen.
Noch einmal hebt wie Athemzug
Die Brust, die so viel Liebe trug.

Am Christusbild in stiller Nacht
Kniet Innocenz und betet laut;
Vielleicht ihm vor der Stille graut,
Seit er die Welt so still gemacht?

Er blickt empor zum Gottesbilde,
Ihn schreckt die Liebe und die Milde,
Indem er seiner That gedenkt,
Wie blutig er die Welt gelenkt.

Er ragt so hoch und fest am Tage,
Sein Wille starrt ein Wall von Erz;
Nun wecken Nacht und Bild sein Herz,
Er ruft an seinen Gott die Frage:
»Herr! sieh mich hold und gnädig an,
Laß meiner Brust den Muth nicht weichen,
Gib deines Beifalls mir ein Zeichen,
Daß ich der Welt so weh gethan!
O, nicke, daß du mir's geboten,
Daß dir willkommen meine Todten!

Im Thale von Gethsemane
Ergriff dein Herz ein banges Weh,
Hoch schlug es auf in Kampf und Qual,
Die Wasser rauschten durch das Thal:
Und Bäche Blutes ließ ich fließen,
Die Todeswellen brausend schießen
Durch jene unheilvollen Gründe,
Durch manche finstre Schlucht der Sünde,
Wo du mit Feinden heiß gerungen;
Sie hätten sonst dein Reich bezwungen.
Mein Heiland! sieh mich gnädig an!
Und winke: hab' ich recht gethan?«

Er starrt dem Bild ins Angesicht,
Da löscht ein Falter ihm das Licht,
Und finster ist es um ihn her,
Und still; er fragt das Bild nicht mehr.

Bald sieht er andre Lichter steigen,
Und andre Kreuze sich nicht bergen,
Die Flammen der Provence zeigen
Die Kreuze auf der Brust der Schergen.
Die Trümmer stürzen, Waffen rasseln,
Und aus dem wilden Feuerprasseln
Hört er verfluchen seinen Namen: –
Als ihn das Schreckgesicht umbraust,
Nimmt er's Gewissen in die Faust
Und spricht gelassen: »Amen! Amen!«

Schlußgesang.

Wofür sie muthig alle Waffen schwangen,
Und singend in die Todesfeuer sprangen,
Was war es? trotzte hier ein klarer Blick
Ins Herz der Freiheit jedem Mißgeschick?
War's Liebe für die heilige, erkannte,
Die heißer als die Scheiterhaufen brannte?
War's von der Freiheit nur ein dunkles Ahnen,
Dem sie gefolgt auf allen Schreckensbahnen?
Mehr nicht! – doch soll die Edlen darum eben
Bewunderung und Wehmuth überleben.
O ernste Lieb' zur Freiheit, schönes Werben,
Wenn ihre Spur genügt, dafür zu sterben! –

Und dringt die Frage weiter in mein Lied,
Warum es nicht so wilden Graus vermied,
Warum es ruft nach jenes Gräuels Schatten,
Den die Geschichte froh war zu bestatten?
Wozu begrabnes Leid lebendig singen,
Und gegen Todte Haß dem Herzen bringen?
Hat unsre Zeit nicht Leids genug für Klagen?
Hat Haß nicht Manchen, der da lebt, zu schlagen?

Doch weile auf der Vorwelt unser Blick,
Die Vorwelt soll uns tief im Herzen wühlen,
Daß wir uns recht mit ihr zusammenfühlen
In ein Geschlecht, ein Leben, ein Geschick.

Der Wandrer gibt dem Freund, der nach ihm schreitet,
Wo sich der Scheideweg im Walde spreitet,
Den Weg, den er gewandelt, treulich kund,
Er streut ihm grüne Reiser auf den Grund;
So ließen uns die alten Kämpfer Zeichen:
Die Trümmer ihres Glücks und ihre Leichen.

Getheiltes Loos mit längstentschwundnen Streitern
Wird für die Nachwelt unsre Brust erweitern,
Daß wir im Unglück uns prophetisch freuen,
Und Kampf und Schmerz, sieglosen Tod nicht scheuen.
So wird dereinst in viel beglücktern Tagen
Die Nachwelt auch nach unserm Leide fragen.

Woher der düstre Unmuth unsrer Zeit,
Der Groll, die Eile, die Zerrissenheit? –
Das Sterben in der Dämmerung ist schuld
An dieser freudenarmen Ungeduld;
Herb ist's, das langersehnte Licht nicht schauen,
Zu Grabe gehn in seinem Morgengrauen.
Und müssen wir vor Tag zu Asche sinken,
Mit heißen Wünschen, unvergoltnen Qualen,
So wird doch in der Freiheit goldnen Strahlen
Erinnerung an uns als Thräne blinken.

Nicht meint das Lied auf Todte abzulenken
Den Haß von solchen, die uns heute kränken;
Doch vor den schwächern, spätgezeugten Kindern
Des Nachtgeists wird die scheue Furcht sich mindern,
Wenn ihr die Schrumpfgestalten der Despoten
Vergleicht mit Innocenz, dem großen Todten,
Der doch der Menschheit Herz nicht still gezwungen,
Und den Gedanken nicht hinabgerungen.

Das Licht vom Himmel läßt sich nicht versprengen,
Noch läßt der Sonnenaufgang sich verhängen
Mit Purpurmänteln oder dunklen Kutten;
Den Albigensern folgen die Hussiten
Und zahlen blutig heim, was jene litten;
Nach Huß und Ziska kommen Luther, Hutten,
Die dreißig Jahre, die Cevennenstreiter,
Die Stürmer der Bastille, und so weiter.