Christian Friedrich Hunold
Die schöne Kaufmannsfrau
Christian Friedrich Hunold

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Christian Friedrich Hunold

Die schöne Kaufmannsfrau

Ein reicher Kaufmann zu Lindenfeld hatte sich mit einer reichen, schönen und folgends gefährlichen Frauen verheiratet, deren erstere Tage in solchem Stande recht vergnüglich, weil sie zu Unterhaltung ihrer Wollust sattsame Mittel hatten. Allein wie man einer Ergetzlichkeit, wenn man sie allzu wohl und sonder Nebensorgen genießet, eher überdrüssig werden kann, als wo ein kleiner Hauskummer oder widrige Geschäfte uns die Süßigkeit einer reinen Liebe in ihrem Wert hochschätzen lässet: so machte der Überfluß, daß sie bei der Lust, welche sie zuvor entzücket, fast gleichgültig wurden; und der Mann begunnte zum ersten seine üppige Gedanken auf andere Schönen zu wenden und durch den kräftigen Nachdruck dann und wann seine hitzige Neugierigkeit zu befriedigen.

Die Frau merkte gleich, wie ihr Mann gegen sie laulichter worden, und durch ein Mißtrauen ward sie so scharfsinnig gemacht, seine verbotenen Wege zu entdecken, von welchen er gleichwohl nichts wissen wollte, sondern alle der Frauen Klagen und Bitten einer ungerechten Eifersucht beimaß. Der vielleicht ohnedies in ihr vorher gewesene Appetit, durch die Abwechselung das in der Liebe gekostete Vergnügen zu vermehren und wovon sie die Furcht und der Wohlstand abgehalten, ward nun durch die Meinung genugsam gerechtfertiget: es stünde ihr frei, sich an ihrem Mann durch gleiche Ausschweifung zu rächen.

Wenn es aufhöret, Koketten zu geben, so wird vielleicht der halbe Teil der Mannspersonen seine Keuschheit behalten; allein da deren soviel als nach der heutigen Welt galante Damen sind, so dürfte sich unsere schöne und reiche Kaufmannsfrau nur die Mühe geben, so hatte sie deren schon etliche gefangen, welche nicht alleine ihre Flammen zu kühlen, sondern auch den Universitätenbeutel zu spicken durch die verpflichteste Bedienung sich anerboten.

Ein Ansehnlicher und Feuriger von Adel, der daselbst studierete, ward vor den Tüchtigsten darunter geschatzet, ein Collegium Physicum oder die Geheimnisse der Natur bei ihr zu experimentieren. Ihre Lectiones waren privatissimae, denn der Mann sollte nichts davon wissen, und das Auditorium war ein Garten, in welchem die auserlesensten Liebeskräuter ihnen desto bessere Gelegenheit gaben, von den verborgenen Schätzen der Natur sicher und ohne jemands gewahr werden zu urteilen.

Der Mann hörte endlich wohl, was vor ein gefährlicher Professor bei seiner Frauen aus und ein ging; wenn er ihr aber von seinem billigen Verdachte was vorsagte, ersuchte sie ihn mit einer höhnischen Manier, zu Hause zu bleiben und auf sie Achtung zu geben, welches eine Art, den Mann toll, aber nicht vernünftiger oder selber keuscher zu machen. Ich weiß nicht, was viele galante Kaufmannsfrauen zu Lindenfeld vor eine Kunst besitzen, aus dem vermögensten Studenten da oft Stipendiaten zu machen, welches sonsten nur Bedürftige sind. Doch dieses ward bekannt, daß ein anderer von bürgerlichen Stande unsers von Adel Glück beneidete, und wie er auf eine galante Art, nämlich durch eine verpflichtete Aufführung, nicht dazu gelangen konnte, nahm er seine Zuflucht zur List und spielte dieser Kaufmannsfrauen einen artigen Streich in Compagnie ihres Mannes und anderer Mannspersonen und Frauenzimmers. Die Eifersucht hatte ihn so scharfsichtig gemacht, dieser Frauen und ihres Galants Zusammenkünfte in dem Garten auszuforschen, und weil er davor bekannt, daß er in der Chiromantie oder der Wahrsagerkunst aus der Hand was verstund, gab er selbst Gelegenheit, von dieser curiösen Wissenschaft zu reden. Kein Frauenzimmer war nicht so neugierig, daß sie ihm ihre Hand nicht von freien Stücken sollte darbieten, um ihrer Selbstschmeichelei nach was Artiges daraus zu hören. Da er denn, vielleicht aus vorhergehabter Kenntnis, vielen ihre vergangene Zufälle von neuem sagte und wegen des Künftigen immer was Galantes hinzusetzete.

Allein, ob er sich gleich alle dadurch verpflichtet, trug unsere schöne Kaufmannsfrau doch Bedenken, ihm ihre Hand sehen zu lassen, welches sie aus Klugheit gar nicht weigern sollen. Ihr Mann wurde aber dadurch nur verlangender gemacht, etwas zu seinem Verdruß zu erfahren, und bewegte sie also nebst der übrigen Compagnie durch vieles Zureden, daß, wollte sie sich nicht durchaus verdächtig machen, sie dem die Hand geben mußte, welchem sie ohnedem nicht viel Gutes zutrauete.

Dieser schlaue Studente besahe ihre Hand überall, und da er bei denen andern mit seiner Wahrsagung gleich war fertig gewesen, verzögerte er hier so lange und machte dabei so besondere Mienen, daß die andern aus Ungeduld, etwas recht Seltenes zu hören, ihm immer anlagen, er möchte doch einmal sagen, was er sähe, es würde ja nichts so Gefährliches sein.

Unsere schöne Kaufmannsfrau ergriff ihn inzwischen bei der einen Hand und bat ihn selber, sie nicht länger in Unruhe zu lassen; heimlich aber gab sie ihm durch ein sanftes Drucken zu verstehen, wie sehr er sie verpflichten würde, mit der Wahrheit hinter dem Berge zu halten.

Doch dieser ausgestudierte Student wußte, wie weit er es treiben sollte, um zu seinen Endzweck zu gelangen, und fing also nach einigen wahrhaften Kleinigkeiten, die er vielleicht vorhero ausgeforschet, gleichsam mit Verwunderung an: Er sehe etwas, das er fast in keiner einzigen Hand noch gefunden, und wenn ihm dieses nicht eintreffen sollte, so wollte er nimmermehr von der Chiromantie etwas halten. Auf inständiges Bitten kam endlich soviel heraus: Unsere schöne Kaufmannsfrau müsse zuweilen, wenn sie des Abends in den Garten ging, von einem Gespenste geplaget werden und würde sie, wenn sie aufrichtig sein wollte, gestehen, daß sie solches mehrenteils um die und die Stunde bei der kleinen Hintertür erschrecket, welches sie aber aus Besorgung, um damit nicht ausgelachet zu werden, bishero verschwiegen.

Wäre das Gewissen eine Uhr gewesen, man würde es gar vernehmlich haben schlagen hören: So aber suchte sie nur ihre äußerliche Röte darüber zu verbergen und durch allerhand Scheinerzählungen des Studenten Kunst zu bekräftigen und druckte ihm heimlich die Hand so sehr, daß sie hätte blau werden mögen.

Hier hielte nun dieser listige Fuchs es Zeit, eine ernsthafte Verstellung vor der andern Compagnie an sich zu nehmen und der Frauen durch die Sprache der Hände wiederum zu eröffnen, daß er nicht weiter aus der Schule schwatzen wolle.

Es war hierauf artig, wie sich bald die Frau und bald der Mann bemühete, ihn allein zu sprechen; und weil solches der Mann mit mehrer Dreustigkeit tun durfte, geriet darüber die Frau in solche Angst, daß sie einer vertrauten Freundin ihr Anliegen offenbarete und selbige ersuchte, weil es sich vor sie bei so gestalten Sachen nicht schickte, den Studenten auf die Seite zu ziehen und ihm nur soviel zu sagen: Daß, wo er morgen um die und die Zeit die Stelle des Gespenstes zu vertreten Belieben trüge, sollte ihm freistehen, vor sotane Mühwaltung eine Gefälligkeit bei ihr auszubitten.

Inzwischen hatte der Mann selbigem durch die teuersten Versprechungen bereits zugesetzt, ihm eine hierunter vermutete Intrige von seiner Frauen zu entdecken. Allein weil dieser schon so viel urteilte, daß er außer dem Intresse auch seine Liebe bei der anderen Partei würde vergnügen können, war er in diesem Stücke dieser schönen Frauen getreuer und betrog den Mann durch sein Simulieren, daß er über diesem Handel zum wenigsten sehr zweifelhaftig blieb.

Den andern Tag mochte unsere schöne Kaufmannsfrau ihrem alten Galant eine Entschuldigung haben machen lassen, daß sie ihm die gewöhnliche Abendvisite nicht verstatten könnte, denn solche war anitzo vor dem neuen aufgehoben; und dieser, der sich über den gelungenen Streich unbeschreiblich in den Gedanken kitzelte, vermeinte den Himmel zu verlieren, wenn er nicht den Augenblick um die bestimmte Zeit erschiene.

Die schöne Kaufmannsfrau erwartete da seiner bereits, weil man in einer neuen Liebe gemeiniglich genauer und emsiger ist; und diese beiden Verliebten waren kaum über der Versiegelung ihrer geschlossenen ewigen Freundschaft her, als der Mann, den die Eifersucht vor diesmal von seinen Galanterien weggetrieben, plötzlich hierüber zukam und das Gespenst kennenlernete, wovon dieser gute Studente im voraus wahrgesaget.

Hier besann sich der Mann gar nicht, daß er seiner Frauen auf gleiche Art Eintrag getan, sondern sein Gemüt war mit nichts als Rache angefüllet, und aus seinem Munde gingen Schelm, Dieb, H..., hauen, stechen, ermorden und umbringen. Allein der Student war so dumm nicht, so lange zu warten, bis der Mann seine Raserei mit mehr als bloßen Worten an ihm ausüben könnte, sondern er wischte geschwind zur kleinen Hintertür hinaus und überließ die schöne und tugendhafte Frau seiner Diskretion allein.

Man kann leicht erachten, was es hierauf vor schöne Händel müsse gesetzet haben: Diese zwei Leute, welche in Lindenfeld sich gar viel einbildeten und nach ihrer Meinung nicht wenig angesehen waren, kriegten einander bei der Kartause und zauseten sich auf eine ganz andere Art herum, als die erste Brautnacht geschehen: «Du H.... du Ehbrecherin, dich will ich ermorden», waren des Mannes seine Verpflichtungen, und «du Sch ..., du Ehbrecher! hast du nicht auch mit andern geh ... ? » klungen hingegen der Frauen Komplimenten, dabei sie mit den Fingern so in seinem Gesichte herumtappete, als ob sie ein Klavier vor sich gehabt.

Niemals können die Furien besser abgeschildert oder von einem holländischen Schnack ein paar grundböse Eheleute in Kupfer natürl. abgestochen werden, als die Figur dieser beiden so galanten und reichen Leute war; und ob der Mann seine Frau gleich etlichemal überpurzelte, daß ihm alles in die Augen fiel, was ihn sonst in eine Entzückung gebracht, war es doch sonderbar, daß ihn dieses nur zu mehrer Erbitterung reizete.

Ich glaube, die Tollheit sollte ihn so weit verleitet haben, keinen Regard auf sich selber zu haben, sondern die Frau um etwas zu ermorden, so er selber vor so zulässig geschätzet, wenn nicht das Hausgesinde darzwischengekommen und sich vor diesmal einer Autorité angemaßet, welche sonst Herren und Frauen über sie haben; denn der Kutscher riß seinen ehrlichen Herrn mit Gewalt hinweg, und da ihm dieser aus wütendem Eifer etlichemal hinter die Ohren schmiß, ging es so leer nicht ab, daß der Knecht nicht wiederum mit ein paar Dachteln replizierte, bis er ihn so weit zur Raison brachte, daß er vor Scham und Verwirrung in sein Kabinett lief und sich da eine gute Weile verschloß.

Die Frau war in diesem Stücke noch vernünftiger, denn sobald sie des Mannes Klauen entgangen, ließ sie sich von ihrem Mädgen wieder zurechtputzen und durch den Kutscher zu einem andern ansehnlichen Kaufmann, der ihr und ihres Mannes guter Freund, führen.

Diesem hinterbrachte sie die ganze Sache mit offenherziger Bekenntnis, wie sie ihr Mann durch seine üble Aufführung zu diesem Fehler verleitet, und versicherte anbei, wo ihr Mann die Sache ruchbar machte und sie in Güte nicht wieder annähme, wolle sie sich von ihm scheiden lassen, weil er sie über keiner Tat nicht angetroffen und sie ihm des Verdachts wegen so viel als er ihr beweisen könnte.

Dieser Kaufmann nahm noch ein paar von des Mannes Anverwandten mit sich und brachte durch vernünftige Vorstellung es dahin, daß er seiner schönen Frauen das Laster pardonierte, so er in sich selber zu tadeln hatte: Und weil aus einerlei Gemütsart sonsten die beste Freundschaft entstehen soll, so zweifle nicht, daß diese vollkommen gleiche Eheleute hinfüro vergnügt werden miteinander gelebet haben.