Hugo von Hofmannsthal
Der goldene Apfel
Hugo von Hofmannsthal

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Hugo von Hofmannsthal

Der goldene Apfel

Als der Teppichhändler auf der Heimreise mit seinen fünf Kamelen, einem Diener und einem jungen Kameltreiber in die gelbliche alte Stadt am letzten Abhang des Gebirges – mit Namen die Stadt der Kühlen Brunnen – einritt, überkamen ihn sogleich eine Menge Erinnerungen, deren Schauplatz diese Stadt für ihn war, denn er hatte sie vor sieben Jahren, als gleichfalls seine Geschäfte ihn zu einer Reise nötigten, schon einmal betreten. Von hier aus gedachte er nun, da er seine Teppiche, die Last von vierzig Kamelen, mit reichlichem Gewinn veräußert hatte, in weniger als zwanzig Stunden die große Stadt, in der er lebte und seine Frau zurückgelassen hatte, zu erreichen. Und hier überfielen ihn stückweise jene Erinnerungen an eine vergessene Zeit seines Lebens.

Als er im Hof der Herberge stand, trug der Kameltreiber einen großen Eimer mit Wasser daher, und die durstigen Tiere hoben ihre greisenhaften Köpfe und sogen mit weit offenen Nüstern, indem sie einen eigentümlich gierigen Laut von sich gaben, den Hauch des Wassers ein. Der Teppichhändler griff mit der Hand in den Eimer, als der Bursch dicht an ihm vorbeikam, einen Schwimmkäfer herauszunehmen, der auf der Oberfläche dahinruderte; und indem er seine rechte Hand, die einen schönen Ring trug, doppelt sah, denn der dunkle feuchte Spiegel warf ihr Bild zurück, mußte er sich plötzlich mit der äußersten Deutlichkeit dessen erinnern, wie seine Hand vor sieben Jahren ausgesehen hatte, nämlich magerer, gleichsam ängstlicher und ohne jeden Schmuck. Und dieser geringfügigen Sache drängten sich unzählige andere Erinnerungen nach und versetzten ihn in einen seltsam unruhigen und peinlichen Zustand. Denn er hatte bei jenem ersten Aufenthalt gerade in dieser Stadt als ein völlig junger und unerfahrener Kaufmann verschiedene Unannehmlichkeiten, ja Demütigungen erlitten, deren Nachgeschmack ihm jetzt unerträglicher schien als damals die Wirklichkeit, vielleicht, weil sich sein Leib und seine Seele inzwischen verändert hatten und Schlimmes mit minderer Biegsamkeit ertrugen.

Er tat von der Tür der Herberge ein paar Schritte auf die Straße hinaus, erkannte aber sogleich in einiger Entfernung das Haus eines vornehmen und reichen Mannes, dessen Hausverwalter ihn damals übel behandelt hatte. Die Beschämung über diese vor vielen lachenden Dienern erlittenen Beschimpfungen trieb ihm jetzt das Blut ins Gesicht, und er blieb stehen, wie wenn er so leichter den Atem und die Kraft finden müßte, diese Erinnerung abzuwehren. Er sah die Gesichter aller dieser rohen Menschen und seine eigene Gestalt in einer widerwärtigen geduckten Stellung; mit heißem Kopf und schwerem Atem, sehr rot, ging er langsam wieder in die Herberge zurück, ließ eine unbedeutende Mahlzeit von Fischen und Käse fast unberührt stehen und begab sich auf sein Zimmer, von den Erinnerungsbildern, die sein Kopf unaufhörlich auswarf, gequält wie von zudringlichen Mücken. Es war ihm, während er die Stiege hinaufstieg, fast unerträglich zu denken, daß alle diese Dinge durch nichts auf der Welt wieder ungeschehen zu machen waren; so unbegreiflich es ihm schien, daß sie ihm hatten widerfahren und von ihm ertragen werden können, so quälend rätselhaft erschien ihm andererseits, daß es gar nicht möglich sei, sie aus sich herauszureißen, sondern daß er mit dem Wissen dieser Dinge im Leib immerfort herumgehen müsse.

Er suchte sein Denken mit aller Kraft auf etwas Gegenwärtiges zu werfen, sich seine geänderten Verhältnisse, den beträchtlichen Reichtum, den er erworben hatte, sein Haus, seine Frau und seine nun bald siebenjährige kleine Tochter vorzustellen; aber die Willkür seines unbegreiflichen, vielleicht durch vorhergegangene übermäßige Anspannung seiner Kräfte verursachten fieberhaften Zustandes riß jeden Gegenstand augenblicklich in den Strudel aufgeregten Denkens hinein: er vermochte das Bild seiner Frau nicht so festzuhalten wie sie gegenwärtig war, sondern er mußte sie so denken wie sie damals gewesen war. Wie sie damals gewesen war, im ersten Jahr ihrer Ehe, schwebte sie jetzt um ihn herum, und er stand vor ihr mit jener Mischung von Trunkenheit und Befangenheit, die ihn damals erfüllt hatte. Denn sie war vornehmer als er; er besaß sie und doch war etwas in ihr, das er nicht zu nehmen vermochte, wenn sie es auch hätte hergeben wollen. Und gerade dieses Ungreifbare, das ihn und sie auseinanderhielt, erhöhte in ihm den trunkenen Stolz des Besitzes. Von diesen Dingen hatte die Erinnerung an jene erste Reise ihre eigentümliche Färbung. Damals war ihm der Besitz dieser Frau etwas so Unversichertes noch, etwas völlig Traumhaftes. Alles was er tat bezog sich irgendwie darauf: jeder gute Handel und jeder Verdruß veränderten das Gefühl davon in einer durchdringenden Weise, aber es war doch immer da, war hinter allen Dingen wie ein starkes Licht hinter einem Schirme. Allen Demütigungen setzte er das Bewußtsein dieses Besitzes entgegen wie ein gefangener König das Bewußtsein seiner Hoheit: je ärgere Widerwärtigkeiten ihm tagsüber widerfuhren, um so herrlicher war es, abends, die Augen auf die Marktplätze fremder Städte oder auf jene mit bunten Schiffen bedeckten gleitenden Flüsse geheftet, zu wissen, daß jene, die nicht da war, die hier niemand kannte, ihm gehörte mit ihren Wangen, die nie eine andere Hand gestreichelt hatte, mit ihren Lippen, die nie eine von den gemeinen und schlechten Speisen berührt hatten, mit ihren Händen, die nie etwas Niederes gearbeitet hatten. In Gedanken redete er stundenlang mit der Abwesenden und erzählte ihr alles was er erlebte, aber alles in einer lügenhaften Weise, ganz ohne daß er sich des unaufhörlichen Selbstbetruges bewußt wurde, der in diesen sonderbaren inneren Gesprächen enthalten war. Denn er ging dabei über die wirklichen erlebten Unannehmlichkeiten und Demütigungen zwar nicht ganz hinweg, aber er veränderte sie immerfort, indem er bald das Schmerzliche daran vertiefte und das Niedrige vermischte, bald sein eignes Verhalten in einer Lage, die Antworten, die er gegeben hatte, seine Art, etwas aufzunehmen, völlig umdichtete, mit einer bewußtlos aus ihm hervorquellenden Erfindungskraft, jener Kraft ähnlich, die Eidechsen und Würmern in unglaublich kurzer Zeit ein verstümmeltes Glied ihrer Körper neu und schön wieder hervortreibt. Diese unaufhörlichen Verfälschungen, die immer dem Mitleid und der Bewunderung zudrängten, veränderten aber wiederum in ihm das Bild der Person, auf die zu wirken sie in Gedanken bestimmt waren; wie unaufhörlich aufsteigender Weihrauch veränderten sie das Bild, machten es gleichsam goldener und schwärzer. Eine wunderbare geheimnisvolle Königin hörte einem wunderbaren Abenteuer eines in Sklaverei gefallenen überaus klugen Königs zu.

In einem wunderbaren Geschenk aber, einem goldenen, mit Essenzen gefüllten Apfel, verdichteten sich alle diese Phantasien zu einem greifbaren Sinnbild, und dies war das Geschenk, das er seiner Frau von jener ersten Reise zurückbrachte.

Dies alles kam ihm jetzt zurück: der eigentümliche Reiz, der für ihn gerade in dem Umstande gelegen hatte, daß das Geschenk für seine damaligen Verhältnisse viel zu kostbar war. Dann das wunderlich Königlich-Überflüssige, daß es in seiner Kostbarkeit nichts als ein Spielzeug war, weit überflüssiger als ein Ring oder ein Perlenband, wie das ihn bezaubert hatte, und gleichzeitig der scharfe und sehnsüchtige Duft der Essenzen, mit denen das Innere angefüllt war, ein Duft, in dem übermäßiges Entzücken und qualvolle Ungeduld durcheinanderfloß und der hervorstieg und nicht nur das durchlöcherte goldene Blattwerk im Innern des Apfels, sondern alle Wege seines Lebens, das Obere und das Untere seiner Tage und Nächte durchströmte. Dann die Inschrift, in der alles drin lag, was ihn damals erfüllte: das freche Pochen auf diesen Besitz, an den er selber kaum glauben konnte, und wieder das Gefühl des Abstandes, das traumhafte unendliche Erstaunen darüber, daß es wirklich so war.

Lange hatte er den Apfel schon mit sich geführt, und erst in der letzten Woche der Reise war ihm der Gedanke gekommen, rings um die Einschnürung, dort, wo der Stiel saß, Worte in die goldene Schale graben zu lassen. Und plötzlich war es ihm eingefallen, daß es diese Worte sein müßten: »Du hast mir alles hingegeben«, diese triumphierenden und über soviel Glück erstaunten Worte, mit denen ein Gedicht des Dschellaledin Rumi anfängt, des großen, tiefsinnigen Dichters. Er erinnerte sich, wie er als Knabe diese Worte hatte auswendig lernen müssen und wie wenig sie ihm gesagt hatten. Nun sagten sie ihm so viel, schienen so sehr alles herauszusagen, woran sein Leben hing, daß er mit einer unbestimmten Scheu nicht einmal wagte, sie völlig von dem Apfel aussprechen zu lassen, sondern nur die vier ersten ließ er eingraben: »Du hast mir alles –«, und dann einen Strich, wie wenn einer im Sprechen innehält.

Diese sieben Jahre alten Erinnerungen strömten in unaufhörlichen Wellen auf den Kaufmann ein, und es fruchtete ihm nichts, daß er in der von schwachem Sternenlicht erhellten Schlafkammer in der Herberge sich auf seinem Bett von einer Lage in die andere warf, ja selbst die geschlossenen Lider noch mit einem Tuch bedeckte. Je tiefer ihn außen Dunkel und Ruhe umgab, desto heftiger wurde diese unbegreifliche innere Bewegung. Es lag etwas Beängstigendes in solchem plötzlichen Hervorbrechen einer verlebten Zeit: mit aller Gewalt wollte er sich auf die Gegenwart besinnen, mit gewaltsam heraufgerufener Erinnerung focht er gegen jene unwillkürliche, der Boden seines Lebens schien ihm zu schwanken. Seine Beklommenheit, eine beinahe körperliche Beängstigung wurden so stark, daß er aufstand und im Zimmer herumging. Genarrt vom Leben erschien er sich, daß seine Seele so die Folge der Zeit aus sich umzuwerfen vermochte, und eine unglaubliche Unsicherheit und Traurigkeit befiel ihn. Allmählich hatte er sich ermüdet, um sich wieder auf sein Bett zu werfen, das schon im ersten Morgendämmern deutlicher dalag. Mit sanfter Entspannung fühlte er, wie seine Gedanken anfingen sich zu verwirren, es schien ihm, als müsse er eine Beziehung zwischen dem Duft des Apfels und dem Wesen seiner Frau finden, aber alles was er dachte kam ihm vor wie schon einmal gedacht oder schon einmal geträumt, und so glitt er in den endlichen Schlummer hinüber.

Den Nachmittag des Tages, der auf diesen folgte, verbrachte die Frau des Teppichhändlers der großen Hitze wegen in einem halb in den Boden versenkten Gemach an der Gartenseite ihres Hauses. Ihr Kind aber, ein siebenjähriges Mädchen, sonderbar klein und zart für ihr Alter, einer Puppe ähnlich, jedoch mit Augen, in denen ein zuweilen großer Ausdruck aufflackerte, stahl sich, leise hinter einem Vorhang durchgleitend, von der Mutter fort und stieg in ein großes leerstehendes Zimmer des oberen Stockwerks. Dort suchte die Kleine einen alten, hie und da erblindeten Spiegel hervor und fing an, sich in ihm zu betrachten. Zuerst lächelte sie ihr Bild an, dann runzelte sie die Stirn und fletschte gegen den Spiegel ihre kleinen blinkenden Zähne; einen Augenblick ließ sie ihr Gesicht wie in einer schlaffen tödlichen Müdigkeit hängen, dann verzerrte sie die weichen Züge und starrte mit weit aufgerissenen Augen und bös zurückgeworfenen Lippen sich selber entgegen. Nach einer Weile legte sie den Spiegel weg und ging auf eines der verhangenen Fenster zu. Sie schob ihren Kopf durch die Blende und mußte sogleich die Augen schließen, denn eine schmerzende Glut lag draußen. In dieser Stellung, den Leib und die Hand im dämmernden Zimmer, den blinden Kopf in Hitze gebadet, blieb sie lange: eine Menge Gedanken stiegen in ihr auf: sie wollte sich lauter schöne Sachen vorstellen, Erlebnisse mit anderen Kindern, mit Tieren und mit Erwachsenen. Aber ein dumpfes Gefühl von Unzulänglichkeit verstörte sie, irgend etwas stand zwischen ihr und diesen Dingen wie eine gläserne Scheidewand. Verdrossen und unglücklich zog sie den Kopf wieder ins Zimmer und war einen Augenblick dem dumpfen zornigen Aufweinen nah. Da bewegte der Wind leise den Vorhang an der Tür, und dem Kind war es, als ob ein leiser, kaum merklicher Hauch vom Duft des goldenen Apfels hereinflöge. Es war dies ein wirklicher goldener Apfel, den vor vielen Jahren ihr Vater als ein Geschenk für ihre Mutter von einer großen fernen Reise mitgebracht hatte. Sein Inneres war mit unendlich feinem verästelten goldenen Blattwerk ausgefüllt, und zwischen diesem schwebte ein unbegreiflicher Duft, der an nichts auf der Welt erinnerte. Nicht oft in seinem Leben hatte das Kind den Apfel gesehen, und immer nur beim unsicheren Licht einer Kerze, wenn ihn die Mutter hervornahm, um ihn gleich wieder in der dunklen Truhe zu verschließen. Jedesmal aber legte sich mit einer Wolke seines unbegreiflichen Duftes, der in allen Jahren nicht abnahm, ein ungeheurer Traum in die Seele der Kleinen: einer Art war dieser goldene Apfel mit den wunderbarsten Dingen in den Märchen, mit dem sprechenden Vogel, dem tanzenden Wasser und dem singenden Baum war sein Leben irgendwie durch unterirdische Gänge verbunden, die hie und da in dunklen Gewölben, hie und da zwischen den schwankenden durchsichtigen Wohnungen der Meerkönige hinliefen.

In einer Verbindung mit diesen Gängen stand auch der Brunnenkopf in einer Ecke des Hofes. Es hieß, er war ausgetrocknet, und die Eimer stiegen nur in einem anderen, größeren Brunnen mehr auf und ab; der alte war mit einem Steindeckel verschlossen, auf dem eine steinerne Gestalt hockte, einem nackten Menschen nicht unähnlich, aber in der Stellung eines Tieres auf allen Füßen. Keinesfalls war es ein gewöhnlicher vertrockneter Schacht, was dieses rätselhafte Wesen bewachte, und gegen Abend konnte man, wenn man das Ohr auf den Steindeckel lehnte, unten ein plötzliches Rauschen und eine Bewegung heftiger, in großer Tiefe sich hindrängender Körper vernehmen. Ein anderer Eingang in diese geheimnisvolle Welt mußte sich aber vor dem Haus, auf der Straße befinden, wenn man vermochte, den großen flachen Stein zu heben, in welchen ein eiserner Ring eingelassen war.

Langsam ging die Kleine die Stiege hinunter, da leuchteten ihr von seitwärts aus der Wand zwei glühende Punkte entgegen wie die Augen eines Basilisken. Es waren zwei Schrauben des metallenen Beschläges an der großen halb in die Wand eingelassenen Truhe, in welcher der goldene Apfel verschlossen lag. Von hoch oben her sah durch eine eiförmige wie Bienenzellen vergitterte Öffnung in das dämmernde Stiegenhaus der weiche, von Licht gesättigte hellblaue Himmel. Durch eine einzige Stelle des Gitters aber brach ein blendender Strahl, durchschnitt die ganze bläulich bebende Luft und hatte seinen Fuß auf dem kupfernen Beschläge und ließ aus zwei Schraubenköpfen Glut und Leben hervorquellen wie aus lebendigen Augen.

Das Kind wußte, daß es einen geheimen Griff gab, die Truhe von der Seite zu öffnen, so daß man hineingreifen konnte, ohne den schweren Deckel zu heben. Es versuchte, das funkelnde Beschläge zu verschieben, dann das nächste, dann die anderen, die im Dunkel lagen. Endlich gab eines nach, und wunderbarer als die smaragdenen Türen einer zauberhaften Höhle schoben sich die verborgenen Seitentüren der Truhe auseinander. Mit dem Kopf stemmte sich das Kind den herausquellenden goldenen und bunten Geweben entgegen, seine Hände aber wühlten sich durch weiches aufgeschichtetes Linnen durch, an glatten kühlen Kugeln von Bernstein, schmerzenden geschnitzten und metallenen Geräten vorbei nach der Tiefe, dorthin, wo der Apfel lag, und zogen ihn hervor. Ohne ein anderes Bewußtsein als dieses Glück schob das Kind hastig die Türen wieder zu, das Beschläge sprang ein.

Lange stand die Kleine regungslos, und in feierlichen Stößen, wie die Atemzüge eines schlafenden Zauberers, stieg aus dem Apfel der unbegreifliche Duft empor und umwölkte den Kopf des Kindes mit dem Bewußtsein grenzenloser Macht und Größe. Allmählich aber wurde sie es müde, so zu stehen, und es fiel ihr ein, daß der Sinn des Apfels nicht darin lag, daß man ihn bloß besaß, sondern, daß er ein Ding war wie die Wunderlampe oder die von Feen geschenkten Ringe, ein Ding, das Kraft über andere Dinge hatte. Und sogleich erblickte sie sich deutlich wie in einem Spiegel, mit dem Apfel in der Hand, von dem wie von einer Wunderlampe weiches honigfarbenes Licht und innerliche Sicherheit ausströmte, die Stufen in jene geheimnisvolle Welt hinabsteigen. Schnell schlüpfte sie auf die Straße hinaus, die in Glut gebadet leer und schweigend dalag. Sie stand über dem flachen Stein, beugte sich zu ihm nieder, berührte den eisernen Ring mit dem Apfel, drehte den Apfel dreimal in ihren kleinen Händen nach links, ließ ihn über den Stein hinwegrollen: der Stein erbebte nicht, regungslos lag der Ring in seiner Kerbe. Wie ein Alp legte sich das Bewußtsein auf sie, daß die Macht des Apfels versagt habe. Alles schien ihr dunkler, eine Menge widerwärtiger Gedanken, Gedanken, deren Inhalt sie kaum verstand und die doch eine quälende beklemmende Kraft über sie hatten, quollen in ihr auf. Sie mußte an ihre Mutter und ihren Vater denken: es erschien ihr unbegreiflich, wie solche Menschen ihr Leben ertrugen, da es doch so viele, viele Jahre dahinging und nichts von allem in sich hatte, was ihr den Wert des Daseins auszumachen schien. Sie begriff nicht, wie es möglich wäre, eine solche entsetzliche Langeweile zu ertragen. Eine Art Mitleid überkam sie, und eine große Verzagtheit. Sie sah den Apfel an und fand ihn kleiner und gewöhnlicher aussehen; sein Gewicht schien ihr das Gewicht eines Steines, während es früher die geheimnisvolle Schwere eines mehr als lebendigen Wesens gewesen war. Sie beschloß hinzugehen und ihn zwei kleinen Mädchen, mit denen sie öfter spielte, zu schenken: als ob es gar nichts Besonderes wäre, nichts Merkwürdigeres als eine Kugel von buntem Stein, wollte sie ihn vor die beiden Mädchen hinrollen lassen. Indem sie sich das vornahm, war es ihr, als müßte der Apfel empfinden, was darin lag: denn er war ihr noch nicht gleichgültig, die Gebärde der Verachtung, die sie sich abringen wollte, hatte doch noch ein dumpfes Gemenge aus Grauen, Trauer und Liebe hinter sich. Schon hatte sie ihn wieder von der Erde aufgenommen, um diesen Weg anzutreten, als sie Schritte eines Menschen auf sich zukommen hörte, der schön gekleidet war und den zwei große rauhhaarige, übermäßig schlanke Hunde umsprangen. Dieser junge Mann war der oberste Stallmeister des Königs. Er war der Sohn eines Negers und einer Syrerin, und nur durch eine Reihe sonderbarer Glücksfälle zu seiner jetzigen hohen Stellung emporgestiegen. Mit leichten wiegenden Schritten kam er daher, so wie die Löwen und Panther gehen; er trug ein smaragdgrünes Obergewand, durch dessen mit Rot ausgenähte Schlitze das feine weiße Hemde hervorschimmerte; den schneeweißen Turban umwand eine goldene amethystenbesetzte Kette, im Schuppengürtel stak ein kurzer, breiter Dolch, daneben eine lederne Peitsche, deren Griff in eine goldene, einen großen Amethyst umringelnde Schlange auslief; unter dem Gürtel hing ein Schurz von rotem Leder bis gegen die Knie. Lichtgelbe Stiefel, mit metallgrünen Bändern besetzt, reichten hinauf bis nahe an die Kniekehle. Die Ärmel des Hemdes waren weit, über den Knöcheln aber von einem goldenen, mit schwarzen Blumen durchwirkten Band fest umwunden, so daß die schönen großen Hände, durchscheinend wie gelbliche Halbedelsteine, aus einem engen Kelch hervortraten.

Der Stallmeister des Königs war fröhlich, ein andauerndes Lächeln hielt die obere seiner geschwellten starken Lippen empor und zeigte einen Schimmer der blinkenden Zähne. Seine Fröhlichkeit hatte verschiedene Ursachen: erst am Morgen dieses Tages hatte ihm der König als Zeichen seiner besonderen Gunst diese beiden schönen, überaus seltenen Hunde zum Geschenk gemacht, die der König selber nebst anderen Hunden und langhaarigen Ziegen von einem kurdischen Fürsten zugesandt erhalten hatte.

Der Stallmeister ließ sie vor sich her springen, mit einem gellenden kurzen Pfiff riß er sie aus pfeilschnellem Lauf zu sich zurück, und ihre Leiber, ganz Wildheit und ganz Gehorsam, erfüllten ihn mit der Freude des neuen Besitzes. Er fühlte in diesen windschnellen feurigen Gliedern, die um ihn her tanzten, etwas von der leichten und heißen Kraft, die er selbst im Blut trug, und als er noch unter einem halbschattigen Säulengang einem mißgestalten armen Zwerg begegnete, einem kläglichen Geschöpfe, dem der übergroße greisenhafte Kinderkopf tief eingesattelt zwischen emporgekrümmten Schultern saß, da kamen ihm die eigenen leichtgefaßten Schultern und alle Gelenke seines Leibes so zum Bewußtsein, als wenn er mit nacktem Leib durch ein schönes Bad überaus leichten und doppelt tragenden Wassers dahinglitte. Sooft der heiße Wind den Vorhang von einem der seltenen gegen die Straße gekehrten Fenster bewegte, meinte er schon die Hand einer Frau zu sehen, die sich aus dem geheimnisvollen Dämmer im verhängten Gemach hervorbewegte, ihm Blumen oder einen Brief zuzuwerfen.

Plötzlich sah er das kleine Mädchen vor sich, das mit einer bittenden Gebärde den goldenen Apfel emporhielt und gleich darauf nach dem flachen Stein hinunterwies, als wollte sie den Mann bewegen, ihr diesen Weg aufzutun und ihm dafür den Apfel als Lohn versprechen. Einen Augenblick schien ihm die Kleine wie eine Liebesbotin, und der Stein mit dem Ring wie eine Falltür; auch freute ihn, seine Kraft an irgend etwas zu versuchen: so griff er mit der schönen kräftigen Hand, die aus einem engen Kelch von Gold und schwarzem Gewebe hervorwuchs, in den rostigen Ring und hielt die schwere Platte, jeder Muskel des kräftigen Leibes unter den schönen bunten Kleidern gespannt wie eine Bogensehne, durch drei Augenblicke empor. Ein tiefer Schacht, angefüllt mit kalter Luft und tief unten das Rieseln von spärlichem Wasser, gähnte dem Kind entgegen. Auf den zweiten Blick schienen an den senkrechten, mit Finsternis behangenen Wänden hie und da Tiere hinzuhuschen. Auf den dritten Blick tat sich in beträchtlicher Tiefe nach der Seite hin die Öffnung eines neuen Schachtes auf, eines waagerechten unterirdischen Ganges. Da fühlte der Stallmeister seine Kraft am Ende und ließ den schweren Stein in seine Fugen zurück. Er griff mit beiden Händen nach der Kleinen, in deren Augen ein Teil der tiefen Finsternis und des Geheimnisses hing, die sie eingezogen hatten, und hob sie hoch in die heiße blendende Luft empor. Als er sie wieder herunterließ, fühlte er die Hand des Kindes an seiner Brust und einen harten Gegenstand in eine Falte seines Gewandes gegen innen gleiten. Aber erst, nachdem er wieder um die Ecke gebogen hatte, griff er hin und bemerkte, daß es der goldene Apfel war, dem ein seltener starker Geruch entströmte, worin übermäßige Süße und quälende Sehnsucht vermengt waren.

Als der Stein den Weg nach jener geheimnisvollen Welt wieder verschloß, stand das kleine Mädchen davor wie die aus ihrer Heimat ausgestoßene Tochter des Meerkönigs; sie beschloß, ihre Verbannung mit Mut zu ertragen und nicht eher zu ruhen, als bis sie einen Weg gefunden hätte, in ihr väterliches Reich zurückzukehren. Daß sie den Apfel für einen Blick in die Tiefe hingegeben hatte, schien ihr nur der Anfang einer Reihe wunderbarer Abenteuer, und nicht mehr geängstigt von der Öde und Unbegreiflichkeit ihrer wirklichen Umgebung – denn der Name Exil gab dem allem einen Sinn – ging sie ins Haus zurück.

Indessen war ihre Mutter mit unerquickten Augenlidern und schmerzlich klopfenden Schläfen aus einem kurzen Halbschlummer erwacht. Mit einem unangenehmen Nachgefühl erinnerte sie sich an etwas, wovon sie in dieser kurzen Zeit geträumt oder woran sie in dumpfer, halb unwillkürlicher Weise gedacht haben mußte, denn es war minder ein Schlaf als eine äußerliche Betäubung gewesen, die sie in ihrem schwülen halbdunklen Gemach überkommen hatte. Es waren Gedanken, denen nachzuhängen hie und da im völligen Wachen eine Lust sie anwandelte; aber da verscheuchte sie's jedesmal mit Gewalt. Diesmal aber hatte es sie in der Wehrlosigkeit des Schlafes überfallen und sich mit Leben vollgesogen und hing noch da, als sie aufwachte, stärker als je. Es war nicht so sehr eine Unzufriedenheit mit ihrem Leben, als eine verlockende Vorstellung, wie es hätte anders werden können, ein stilles Fieber, in welchem sich mit übermäßiger Lieblichkeit ungelebte Vorgänge abrollten: die mehr als sieben Jahre ihrer Ehe waren darin wie ausgelöscht, mit traumhafter Deutlichkeit kam das Bewußtsein ihres Mädchenwesens zurück, der Seele und des Leibes, und in irgendein Schicksal verstrickt, das nicht ihr wirkliches geworden war, tauschte sie mit unbestimmten Freunden und Feinden, mit schattenhaften Umgebungen Reden, in die sich alles ergoß, was unausgesprochen und unnütz in ihr lag, ein solcher unerschöpflicher Schwall von Möglichkeiten, solche Abstufung von Stolz und Demut, von Tändelei und Hingebung, daß es das Wirkliche mit sich fortriß und überflutete, wie ein breiter, reißender Strom eine winzige Lehminsel mit sich fortreißt. Sie wußte nicht, daß es gerade die Fülle dieser inneren Möglichkeiten war, die sie vor gemeinen Wünschen bewahrte. Sie war jedesmal, wenn es über sie gekommen war, verletzt und beklommen, diesmal aber mehr als je. Mehr als je erschien ihr alles was wirklich war so unsäglich unsicher, so völlig das Werk des blinden Zufalls. Ihre ganze innere Welt war ihr verstört; sie konnte nicht fassen, worauf sich das Wort Gerechtigkeit bezog. Verzweifelt rang sie gegen den unsichtbarsten Feind, dessen Irrlehre sie im eigenen Innern fühlte, und nicht einmal als Wunsch, nur als Möglichkeit alles Schlimmen, alles Frevelhaften, alles Verlockenden. Mit unsicheren Augen sah sie um sich, und was sie sah und spürte, vermehrte ihre Beängstigung. An den Fenstern und im Nebenzimmer rührte der Wind an den Vorhängen: ihr war, als hörte sie das leise Treten einer Menge, die sich näherte, die den Hof und die Flure erfüllte, alles schien ihr erfüllt mit unsichtbaren Gestalten, dem Wehen ihrer Gewänder, aus der Luft schien etwas hervorzuwollen, das eins war mit dem Bedrohlichen in ihrem Innern. Sie verlangte, sich an irgend etwas festzuhalten, und sah sich nach ihrem Kind um, das Kind war nicht da. Sie erinnerte sich an einen Brief, den ihr Mann von seiner ersten Reise im ersten Jahr ihrer Ehe ihr geschickt hatte, und ging, ihn zu holen, um ihre Gedanken und die dumpfe Sehnsucht und Zärtlichkeit in ihr irgendwie gewaltsam auf das Wirkliche zu drängen. Er lag in der Truhe zuunterst, zwischen einer geschnitzten Dose aus Sandelholz und dem goldenen Apfel. Sie schloß die Truhe auf und mit einem Schrecken, der von den Augen den ganzen Körper durchfuhr, entdeckte sie, daß der Apfel nicht da war. Das völlig Unbegreifliche, völlig Unerwartete dieser Entdeckung fiel mitten in ihre Unruhe hinein, und nun erst schien ihr wie durch ein drohendes Zeichen verkündet, daß sich alles jenes Beängstigende und Bedrohliche wirklich auf ihr Leben bezog, eine Tür schien aufgesprungen, durch welche sich die leise tretenden Unsichtbaren nun erst recht in das Innerste ihres Daseins drängen konnten: ja, schon war etwas geschehen: etwas Geschehenes, nicht mehr bloß Gedanken, schien ihr nun zwischen ihr und ihrem Gatten, zwischen ihr und allem Guten und Frommen zu liegen; das fiel ihr schwer aufs Herz. Sie stand auf, ihre beklemmende gebückte Stellung zu verlassen, und sich zusammennehmend wollte sie sich selber sagen, daß dies nichts als unsinniges, durch Einsamkeit und Stille übermäßig erregtes Denken wäre.

Da stand lauernd wie eine Katze und über die feinen Züge einen eigentümlich lügenhaften Ausdruck gebreitet drei Schritte hinter ihr im Halbdunkel das Kind. Sogleich erriet sie einen Zusammenhang, und indem sie die Kleine heftig ergriff, verlangte sie von ihr die Wahrheit zu erfahren. Und als das Kind hartnäckig schwieg, in seine Augen ein immer stärkerer Ausdruck von Heimlichkeit und innerer bewußter Beherrschung trat, stieß sie die Kleine in eine dunkle Kammer und machte sich selbst auf, den Apfel zu suchen; denn sie war sicher, daß das Kind mit diesem kostbaren und merkwürdigen Spielzeug zu seinen Gespielen, den Kindern des Nachbars, gelaufen und ihm dort auf irgendwelche Weise der Apfel abgenommen worden oder sonst verlorengegangen sein werde. Als sie das zunächstgelegene Haus, das Haus eines reichen Gewürzhändlers, betreten hatte, war sie zuerst verwundert, im Vorhaus und auf der Treppe niemanden, nicht einmal eine Person des Gesindes zu sehen. Aus dem Hof aber wehte das Murmeln von vielen Menschen her. Dort richtete sie ihre Schritte hin, aber erst als sie, zwischen zwei Säulen hervortretend, mitten in einer ernstgekleideten feierlichen Schar von Menschen stand, kam ihr ins Gedächtnis, daß hier eine Leiche im Hause war, die Leiche der jüngsten, kaum fünfzehnjährigen Tochter des Gewürzhändlers. Völlig unbemerkt wieder wegzuschleichen war es nun zu spät, und so blieb die Frau an die Säule geduckt stehen und sah zu.

Um die Bahre war ein stilles Zudrängen und Wiederwegtreten: Die Leute sprachen immer ein paar Worte miteinander, dann trat jeder in sich selber zurück, und nur ein unbestimmtes Atmen und das Wehen und Aneinandervorbeistreifen vieler Kleider erfüllte den kleinen Hofraum, über den sich ein Gewebe spannte, auf dem die schwere Sonne lag und durch das dumpfe Hitze und flüssiges Gold durchsickerte. Jetzt schob sich am Kopfende der Bahre etwas auseinander und für einen Augenblick konnte die Frau des Teppichhändlers zwischen dem lilafarbig über die Schulter gebauschten Gewand einer alten Frau und dem Kopf eines blassen, dunkeläugigen Knaben hindurch den flachen, in blendendes Weiß gehüllten Leib der Toten erblicken, die eine magere Schulter und ein Stück vom dünnen Hals. Wieder schoben sich andere Schultern und Köpfe vor und die junge Frau wandte ihre Augen nach drei Frauen, die ihr zunächst standen, aus der Verwandtschaft von des Gewürzhändlers Frau. Es waren zwei alte Frauen und eine junge. Von den beiden Alten aber war wiederum eine viel älter als die andere, ja mochte vielleicht ihre Mutter sein, und doch war auch die jüngere eine Greisin. In dem Gesicht der Uralten lebte nichts mehr: selbst die schwimmenden Augen schienen nur willenlos das aufzufangen, was vor ihnen lag, wie eine Lacke getauten Schneewassers am Rand des Waldes. Ihre Lippen waren kaum mehr dunklere Linien: nur in dem versteinerten Kinn lebte blind und taub das Letzte eines harten Willens fort. Das Gesicht der jüngeren Greisin aber war unendlich reich: in ihren dunkel geränderten Augen flackerte Güte und ringsum hing etwas wie der Dunst von Feuer und Blut. Ihr Mund war groß und schön: man konnte sie von Vögeln umflattert denken, die kamen, auf diesen Lippen ihre Nahrung zu suchen, nicht in zärtlichem Spiel wie auf den Lippen eines jungen Mädchens, sondern mit tiefem dunklem Zutrauen in schweren Zeiten. Sonderbar sah neben diesem Gesicht das Gesicht der jungen Frau aus: wie der aus dunklem Erz getriebene Kopf einer jungfräulich hartherzigen Göttin in reichen [ . . . ] auf einmal neben dem riesigen gütigen Haupt der mit Türmen gekrönten und Früchten behängten Großen Mutter auftaucht . . .

 
Aus den Notizen

[Der Neger] Sein Zimmer. Der Geruch des Apfels vermischt sich mit dem Ledergeruch der Peitschen.

Abend der Entdeckung: wie er allein zurückbleibt, will er noch von einer Frucht essen, aber es läuft ein seltsames Tier darüber. Jetzt bemerkt er erst, wie viel Platz zu solchen Dingen in einem Haus ist. Zugluft bewegt die Türvorhänge, draußen neigen sich Wipfel, es ist wie leises Wehen von Kleidern, leises Treten und Atmen von dichtgedrängten Menschen.

Er sieht draußen die nackte Gestalt des Kindes mühsam den Stein aufheben, die Monstrosität dieser Lüge berührt ihn so als ob man das Kind zu etwas Schlechtem gezwungen hätte. Immer wieder geht das dazwischen, daß er die Frucht hat nicht mehr anrühren können, weil das Tier darüber gelaufen ist. Er tritt ins Zimmer der Frau, derselbe Zug, sich gegens Reden zu wehren, derselbe lügenhafte Zug. Obwohl ja das Kind gar nicht gelogen hat! Das fällt ihm einen Augenblick ein, nützt aber nichts.

Am nächsten Tage ist er schon durch den zufälligen Anblick von einer Goldmünze, die in einen Spalt am Boden rollt, fast gerettet, da geschieht das, daß er den Apfel liegen sieht. Zuerst spürt er nur den Duft und glaubt es ist eine Halluzination.

[Der Teppichhändler] Im Zimmer des Stallmeisters: Er sieht aus dem Bettvorhang (Gold mit schwarzen Blumen) den Fuß des Negers hervorragen. Da beschließt er gleich, sie zu töten, der Neger ist ihm gleichgültig.

Er wollte eine hochmütige Frau haben.

 

Nach dem Mord.

Er wechselt Kleider, gibt seine samt Leiche in Korb, wirft ihn in Fluß, nimmt Kleider vorher weg, vergräbt sie extra. Geht fort, läßt Türen offen, hat scheinbar auf alles vergessen. Nur fällt ihm die »Versäumnis« ein, daß er den Korb nicht in den Rinnstein geworfen hat und dadurch fängt die Sache an ihm zurückzukommen. Stille Gasse. Der eitle junge Schreiber. Blumen in der Tür. Trinkkrug im Schatten. Hübsche nachdenkende Haltung. Kommt der Wahnsinnige, sticht den Schreiber nieder (ein Barbiergeselle), ihm nach der alte Barbier, eine Frau, ein Kind. Hunde. Dem Teppichhändler graut vor der Welt. Am Markt Gedränge, wandelnde Vasen, kleine Karren, Frauen bieten ihm Obst an, überall bei scheint das Tier zu laufen, die erdfarbene Grille mit blutigen Flecken. Wieder dieselben Hunde. Man kann es nicht loswerden. So geht er ins Wasser, steckt den Kopf unter ein Einlaufgitter, schnell schnell.

NB. Er gibt einen kleinen Blutfleck an der linken Hand einem Goldfisch zu fressen. Das beruhigt ihn für eine Zeit vollständig.

In der Hütte des Flußaufsehers, wie er glaubt, durch physisches Wegschieben werde sich etwas erreichen lassen.