Johann Wolfgang von Goethe
Kurze religiöse Schriften
Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe

Kurze religiöse Schriften

Brief des Pastors zu ***
an den neuen Pastor zu ***

Aus dem Französischen 1773

Lieber Herr Amtsbruder,

Da die Veränderung in meiner Nachbarschaft vorging, daß der alte Pastor starb, an dessen Stelle Ihr kommt, freute ich mich von ganzem Herzen. Denn ob ich gleich kein unleidsamer Mann bin, und meinem Nächsten nichts mehr gönne als sein bißgen Leben, das bei manchen, wie beim Vieh, das einzige ist was sie haben; so muß ich doch aufrichtig gestehen, daß Eures Vorfahren Totengeläut mir eben so eine freudige Wallung ins Blut brachte, als das Geläute Sonntags früh, wenn es mich zur Kirche ruft, da mein Herz vor Liebe und Neigung gegen meine Zuhörer überfließt. Er konnte niemanden leiden, Euer Vorfahr, und Gott wird mir vergeben, daß ich ihn auch nicht leiden konnte; ich hoffe Ihr sollt mir so viel Freude machen als er mir Verdruß gemacht hat; denn ich höre so viel guts von Euch als man von einem Geistlichen sagen kann, das heißt: Ihr treibt euer Amt still, und mit nicht mehr Eifer als nötig ist, und seid ein Feind von Kontroversen. Ich weiß nicht obs Euerm Verstand oder Euerm Herzen mehr Ehre macht, daß Ihr so jung und so friedfertig seid, ohne deswegen schwach zu sein; denn freilich ist's auch kein Vorteil für die Herde, wenn der Schäfer ein Schaf ist.

Ihr glaubt nicht, lieber Herr Amtsbruder was mir Euer Vorfahr für Not gemacht hat. Unsre Sprengel liegen so nah beisammen, und da steckten seine Leute meine Leute an, daß die zuletzt haben wollten, ich sollte mehr Menschen verdammen als ich nicht täte; es wäre keine Freude, meinten sie, ein Christ zu sein, wenn nicht alle Heiden ewig gebraten würden. Ich versichre lieber Bruder, ich wurde manchmal ganz mutlos, denn es gibt gewisse Materien, von denen anzufangen ich so entfernt bin, daß ich vielmehr jedesmal am Ende der Woche, meinem Gott von ganzem Herzen danke, wenn mich niemand darum gefragt hat, und wenns geschehen ist, ihn bitte, daß ers inskünftige abwenden möge; und so wirds jedem rechtschaffnen Geistlichen sein, der gutdenkende Gemüter nicht mit Worten bezahlen will, und doch weiß wie gefährlich es ist, sie halbbefriedigt wegzuschicken, oder sie gar abzuweisen. Ich muß Euch gestehen, daß die Lehre von Verdammung der Heiden eine von denen ist, über die ich wie über glühendes Eisen eile. Ich bin alt geworden, und habe die Wege des Herrn betrachtet, so viel ein Sterblicher in ehrfurchtsvoller Stille darf; wenn Ihr eben so alt sein werdet als ich, sollt Ihr auch bekennen, daß Gott und Liebe Synonymen sind, wenigstens wünsche ichs Euch. Zwar müßt Ihr nicht denken, daß meine Toleranz mich indifferent gemacht habe. Das ist bei allen Eiferern vor ihre Sekte ein mächtiger Behuf der Redekunst, daß sie mit Worten um sich werfen die sie nicht verstehen. So wenig die ewige einzige Quelle der Wahrheit indifferent sein kann, so tolerant sie auch ist, so wenig kann ein Herz, das sich seiner Seligkeit versichern will, von der Gleichgültigkeit Profession machen. Die Nachfolger des Pyrrho waren Elende. Wer mögte zeitlebens auf dem Meer von Stürmen getrieben werden? Unsere Seele ist einfach und zur Ruhe geboren; so lang sie zwischen Gegenständen geteilt ist, so fühlt sie was, das jeder am besten weiß wer zweifelt.

Also lieber Bruder danke ich Gott für nichts mehr, als die Gewißheit meines Glaubens; denn darauf sterb ich, daß ich kein Glück besitze, und keine Seligkeit zu hoffen habe, als die mir von der ewigen Liebe Gottes mitgeteilt wird, die sich in das Elend der Welt mischte und auch elend ward, damit das Elend der Welt mit ihr herrlich gemacht werde. Und so lieb ich Jesum Christum, und so glaub ich an ihn, und danke Gott daß ich an ihn glaube, denn wahrhaftig es ist meine Schuld nicht daß ich glaube. Es war eine Zeit da ich Saulus war, gottlob daß ich Paulus geworden bin; gewiß ich war sehr erwischt, da ich nicht mehr leugnen konnte. Man fühlt Einen Augenblick, und der Augenblick ist entscheidend für das ganze Leben, und der Geist Gottes hat sich vorbehalten ihn zu bestimmen. So wenig bin ich indifferent, darf ich deswegen nicht tolerant sein? Um wie viel Millionen Meilen verrechnet sich der Astronom? Wer der Liebe Gottes Grenzen bestimmen wollte, würde sich noch mehr verrechnen. Weiß ich wie mancherlei seine Wege sind? so viel weiß ich, daß ich auf meinem Weg gewiß in den Himmel komme, und ich hoffe, daß er andern auch auf dem ihrigen hinein helfen wird. Unsre Kirche behauptet, daß Glauben und nicht Werke selig machen, und Christus und seine Apostel lehren das ohngefähr auch. Das zeigt nun von der großen Liebe Gottes, denn für die Erbsünde können wir nichts, und für die würkliche auch nichts, das ist so natürlich, als daß einer geht der Füße hat; und darum verlangt Gott zur Seligkeit keine Taten, keine Tugenden, sondern den einfältigsten Glauben, und durch den Glauben allein wird uns das Verdienst Christi mitgeteilt, so daß wir die Herrschaft der Sünde einigermaßen los werden hier im Leben; und nach unserm Tode, Gott weiß wie, auch das eingeborne Verderben im Grabe bleibt. Wenn nun der Glaube das einzige ist wodurch wir Christi Verdienst uns zueignen, so sagt mir, wie ists denn mit den Kindern? Die sprecht ihr selig? Nicht wahr? Warum denn? Weil sie nicht gesündigt haben! Das ist ein schöner Satz, man wird ja nicht verdammet weil man sündigt. Und das eingeborne Verderben haben sie ja doch an sich, und werden also nicht aus Verdienst selig; nun so sagt mir die Art, wie die Gerechtigkeit der menschgewordenen Liebe sich den Kindern mitteilt. Seht ich finde in dem Beispiel einen Beweis, daß wir nicht wissen was Gott tut, und daß wir nicht Ursache haben an jemands Seligkeit zu verzweifeln. Ihr wißt lieber Herr Amtsbruder, daß viele Leute, die so barmherzig waren wie ich, auf die Wiederbringung gefallen sind, und ich versichre Euch, es ist die Lehre womit ich mich insgeheim tröste; aber das weiß ich wohl, es ist keine Sache davon zu predigen. Übers Grab geht unser Amt nicht, und wenn ich ja einmal sagen muß, daß es eine Hölle gibt, so red ich davon, wie die Schrift davon redet, und sage immerhin Ewig! Wenn man von Dingen spricht die niemand begreift, so ists einerlei was für Worte man braucht. Übrigens hab ich gefunden, daß ein rechtschaffner Geistlicher in dieser Zeitlichkeit so viel zu tun hat, daß er gern Gott überläßt, was in der Ewigkeit zu tun sein mögte.

So mein lieber Herr Confrater sind meine Gesinnungen über diesen Punkt: Ich halte den Glauben an die göttliche Liebe, die vor so viel hundert Jahren, unter dem Namen Jesus Christus, auf einem kleinen Stückgen Welt, eine kleine Zeit als Mensch herumzog, für den einzigen Grund meiner Seligkeit, und das sage ich meiner Gemeinde so oft Gelegenheit dazu ist; ich subtilisiere die Materie nicht; denn da Gott Mensch geworden ist, damit wir arme sinnliche Kreaturen ihn mögten fassen und begreifen können, so muß man sich vor nichts mehr hüten, als ihn wieder zu Gott zu machen.

Ihr habt in Eurer vorigen Pfarre wie ich höre, viel von denen Leuten um Euch gehabt, die sich Philosophen nennen, und eine sehr lächerliche Person in der Welt spielen. Es ist nichts jämmerlicher, als Leute unaufhörlich von Vernunft reden zu hören, mittlerweile sie allein nach Vorurteilen handeln. Es liegt ihnen nichts so sehr am Herzen als die Toleranz, und ihr Spott über alles was nicht ihre Meinung ist, beweist wie wenig Friede man von ihnen zu hoffen hat. Ich war recht erfreut lieber Herr Bruder, zu hören, daß Ihr Euch niemals mit ihnen gezankt, noch Euch Mühe gegeben habt sie eines bessern zu überweisen. Man hält einen Aal am Schwanze fester, als einen Lacher mit Gründen. Es geschah dem Portugiesischen Juden recht, der den Spötter von Ferney Vernunft hören machen wollte, seine Gründe mußten einer Sottise weichen, und anstatt seinen Gegner überführt zu sehen, fertigte ihn dieser sehr tolerant ab und sagte: Bleibt denn Jude weil ihr es einmal seid.

Bleibt denn Philosoph weil ihrs einmal seid, und Gott habe Mitleiden mit Euch! So pflege ich zu sagen, wenn ich mit so einem zu tun habe.

Ich weiß nicht, ob man die Göttlichkeit der Bibel einem beweisen kann der sie nicht fühlt, wenigstens halte ich es für unnötig. Denn wenn ihr fertig seid, und es antwortet euch einer wie der Savoyische Vikar, es ist meine Schuld nicht, daß ich keine Gnade am Herzen fühle, so seid ihr geschlagen und könnt nichts antworten, wenn ihr euch nicht in Weitläufigkeiten vom freien Willen, und von der Gnadenwahl einlassen wollt, wovon ihr doch alles zusammen genommen zu wenig wißt um davon disputieren zu können.

Wer die Süßigkeit des Evangelii schmecken kann, der mag so was herrliches niemanden aufdringen. Und gibt uns unser Herr nicht das exzellenteste Beispiel selbst? Ging er nicht gleich von Gergesa ohne böse zu werden, so bald man ihn darum bat. Und vielleicht wars ihm selbst um die Leute nicht zu tun, die ihre Schweine nicht drum geben wollten, um den Teufel los zu werden. Denn man mag ihnen vorsagen was man will, so bleiben sie auf ihrem Kopfe. Was wir tun können, ist die Heilsbegierigen zurecht zu weisen, und den andern läßt man, weil sies nicht besser haben wollen, ihren Teufel und ihre Schweine.

Da habt ihr also die eine Ursache, warum und wie tolerant ich bin, ich überlasse wie ihr seht alle Ungläubigen der ewigen wiederbringenden Liebe, und habe das Zutrauen zu ihr, daß sie am besten wissen wird, den unsterblichen und unbeflecklichen Funken, unsre Seele, aus dem Leibe des Todes, auszuführen und mit einem neuen und unsterblich reinen Kleide zu umgeben. Und diese Seligkeit meiner friedfertigen Empfindung vertauschte ich nicht mit dem höchsten Ansehn der Infallibilität. Welche Wonne ist es zu denken, daß der Türke der mich für einen Hund, und der Jude der mich für ein Schwein hält, sich einst freuen werden meine Brüder zu sein.

So weit davon mein lieber Bruder! und gleichsam im Vorbeigehen; denn das Haupt-Elend der Intoleranz offenbart sich doch am meisten in den Uneinigkeiten der Christen selbst, und das ist was trauriges. Nicht daß ich meine, man sollte eine Vereinigung suchen, das ist eine Sottise wie die Republik Heinrichs des Vierten. Wir sind alle Christen, und Augsburg und Dortrecht machen so wenig einen wesentlichen Unterschied der Religion, als Frankreich und Deutschland in dem Wesen des Menschen. Ein Franzose ist von Kopf bis auf die Füße eben ein Mensch wie ein Deutscher, das andre sind politische Konsiderationen, die fürtrefflich sind, und die niemand unbestraft einreißen soll.

Wer die Geschichte des Wortes Gottes unter den Menschen mit liebevollem Herzen betrachtet, der wird die Wege der ewigen Weisheit anbeten. Aber wahrhaftig weder Bellarmin noch Seckendorf wird euch eine reine Geschichte erzählen. Warum sollte ich leugnen, daß der Anfang der Reformation eine Mönchszänkerei war, und daß es Luthers Intention im Anfang gar nicht war, das auszurichten was er ausrichtete. Was sollte mich antreiben die Augspurgische Konfession für was anders als eine Formel auszugeben, die damals nötig war und noch nötig ist etwas fest zu setzen, das mich aber nur äußerlich verbindet, und mir übrigens meine Bibel läßt. Kommt aber ein Glaubensbekenntnis dem Worte Gottes näher als das andre, so sind die Bekenner desto besser dran, aber das bekümmert niemand anders.

Luther arbeitete uns von der geistlichen Knechtschaft zu befreien, möchten doch alle seine Nachfolger so viel Abscheu vor der Hierarchie behalten haben, als der große Mann empfand.

Er arbeitete sich durch verjährte Vorurteile durch, und schied das göttliche vom menschlichen, so viel ein Mensch scheiden kann, und was noch mehr war, er gab dem Herzen seine Freiheit wieder, und machte es der Liebe fähiger; aber man lasse sich nicht blenden als hätte er das Reich erworben davon er einen andern herunter warf, man bilde sich nicht ein, die alte Kirche sei deswegen ein Gegenstand des Abscheus und der Verachtung; hat sie doch wenige menschliche Satzungen die nicht auf etwas göttlich Wahres gegründet wären, laßt sie, leidet sie, und segnet sie. Warum lästert ihr ihre Messe? Sie tun zuviel das weiß ich, aber laßt sie tun was sie wollen, verflucht sei der, der einen Dienst Abgötterei nennt, dessen Gegenstand Christus ist. Lieber Bruder, es wird täglich lichter in der römischen Kirche, obs aber Gottes Werk ist, wird die Zeit ausweisen. Vielleicht protestiert sie bald mehr als gut ist. Luther hatte die Schwärmerei zur Empfindung gemacht, Calvin machte die Empfindung zu Verstand. Diese Trennung war unvermeidlich, und daß sie politisch geworden ist, lag in den Umständen. Ich bin so fern eine Vereinigung zu wünschen, daß ich sie vielmehr äußerst gefährlich halte, jeder Teil, der sich ein Haar vergäbe, hätte Unrecht. Doch es ist gut daß politische Betrachtungen der Sache im Wege stehen, sonst würde man vielleicht den Gewissen ihre Freiheit rauben. Beides lauft auf eins hinaus ob ein Sakrament ein Zeichen, oder mehr ist, und wie könnte ich böse sein, daß ein andrer nicht empfinden kann, wie ich. Ich kenne die Seligkeit zu gut, es für mehr zu halten, als ein Zeichen, und doch habe ich unter meiner Gemeinde eine große Anzahl Menschen, die die Gnade nicht haben es auch zu fühlen, es sind Leute wo der Kopf das Herz überwiegt, mit diesen leb ich in so zärtlicher Eintracht, und bitte Gott, daß er jedem Freude und Seligkeit gebe nach seinem Maß; denn der Geist Gottes weiß am besten was einer fassen kann. Eben so ists mit der Gnadenwahl, davon verstehen wir ja alle nichts, und so ists mit tausend Dingen. Denn wenn mans beim Lichte besieht, so hat jeder seine eigene Religion, und Gott muß mit unserm armseligen Dienste zufrieden sein, aus über großer Güte, denn das müßte mir ein rechter Mann sein, der Gott diente wie sich gehört.

Ach, es ist unwidersprechlich, lieber Bruder, daß keine Lehre uns von Vorurteilen reinigt, als die vorher unsern Stolz zu erniedrigen weiß; und welche Lehre ists die auf Demut baut, als die aus der Höhe. Wenn wir das immer bedächten, und recht im Herzen fühlten was das sei Religion, und jeden auch fühlen ließen wie er könnte, und dann mit brüderlicher Liebe unter alle Sekten und Parteien träten, wie würde es uns freuen, den göttlichen Samen auf so vielerlei Weise Frucht bringen zu sehen. Dann würden wir ausrufen: Gottlob, daß das Reich Gottes auch da zu finden ist wo ichs nicht suchte.

Unser lieber Herr wollte nicht, daß es ein Ohr kosten sollte dieses Reich auszubreiten, er wußte daß es damit nicht ausgerichtet wäre, er wollte anklopfen an der Türe und sie nicht einschmeißen. Wenn wir das nur recht bedächten und Gott dankten daß wir in diesen schlimmen Zeiten noch ungestört lehren dürfen. Und einmal vor allemal, eine Hierarchie ist ganz und gar wider den Begriff einer echten Kirche. Denn mein lieber Bruder, betrachtet nur selbst die Zeiten der Apostel gleich nach Christi Tod, und ihr werdet bekennen müssen, es war nie eine sichtbare Kirche auf Erden. Es sind wunderliche Leute die Theologen, da prätendieren sie was nicht möglich ist. Die Christliche Religion in ein Glaubensbekenntnis bringen, o ihr guten Leute! Petrus meinte schon in Bruder Pauli Briefen wäre viel schwer zu verstehen, und Petrus war doch ein andrer Mann als unsre Superintendenten; aber er hatte recht, Paulus hat Dinge geschrieben die die ganze Christliche Kirche in corpore bis auf den heutigen Tag nicht versteht. Da siehts denn schon gewaltig scheu um unsre Lehre aus, wenn wir alles was in der Bibel steht in Ein System zerren wollen, und mit dem Wandel läßt sich eben so wenig gewisses bestimmen. Peter tate schon Sachen die Paulen nicht gefielen, und ich möchte wissen mit was für Titeln der große Apostel unsre Geistlichen beehren würde, die noch eine weit ungegründetere und verwerflichere Prädilektion für ihre Sekte haben, als Petrus für die Juden.

Daß bei der Einsetzung des Abendmahls die Jünger das Brot und Wein genossen wie die reformierte Kirche, ist unleugbar, denn ihr Meister den sie viel kannten, der saß bei ihnen, sie versprachens gleichsam zu seinem Gedächtnis zu wiederholen, weil sie ihn liebten, und mehr prätendierte er auch nicht. Wahrhaftig Johannes der an seinem Busen lag, brauchte nicht erst das Brot um sich von der Existenz seines Herren lebendig zu überzeugen, genug es mag den Jüngern dabei der Kopf gedreht haben, wie selbigen ganzen Abend, denn sie verstunden nicht eine Sylbe von dem was der Herr sagte.

Kaum war der Herr von der Erde weg, als zärtliche, liebesgesinnte Leute sich nach einer innigen Vereinigung mit ihm sehnten, und weil wir immer nur halb befriedigt sind, wenn unsere Seele genossen hat, so verlangten sie auch was für den Körper, und hatten nicht unrecht, denn der Körper bleibt immer ein merkwürdiger Teil des Menschen, und dazu gaben ihnen die Sakramente die erwünschteste Gelegenheit. Durch die sinnliche Handlung der Taufe, oder des Händeauflegens gerührt, gab vielleicht ihr Körper der Seele eben denjenigen Ton der nötig ist um mit dem Wehen des heiligen Geistes zu sympathisieren, das uns unaufhörlich umgibt. Ich sage vielleicht, und ich darf gewiß sagen. Eben das fühlten sie beim Abendmahl, und glaubten durch die Worte Christi geleitet, es für das halten zu können was sie so sehr wünschten. Besonders da die Unarten ihres Körpers sich durch diese Heiligung am besten heilen ließen, so blieb ihnen kein Zweifel übrig, daß ihr verherrlichter Bruder ihnen von dem Wesen seiner göttlichen Menschheit durch diese sinnliche Zeichen mitteile. Aber das waren unaussprechliche Empfindungen, die sie wohl im Anfang zur gemeinschaftlichen Erbauung einander kommunizierten, die aber leider nachher zum Gesetz gemacht wurden.

Und da konnte es nicht fehlen, daß die, deren Herz keiner solchen Empfindung fähig war, und die mit einer bedächtigen geistlichen Vereinigung sich genügten, daß die sich trennten und sich zu behaupten getrauten, eine Empfindung die nicht allgemein sei, könne kein allgemein verbindendes Gesetz werden. Ich denke, daß das der ehrlichste Status causae ist, den man erwarten kann, und wenn man wohl tun will, so verfährt man mit seiner Gemeinde so billig von der Seite als möglich. Einem Meinungen aufzwingen, ist schon grausam, aber von einem verlangen, er müsse empfinden was er nicht empfinden kann, das ist tyrannischer Unsinn.

Noch was lieber Bruder, unsre Kirche hat sich nicht allein mit der reformierten gezankt, weil die zu wenig empfindet, sondern auch mit andern ehrlichen Leuten, weil sie zu viel empfanden. Die Schwärmer und Inspiranten haben sich oft unglücklicher Weise ihrer Erleuchtung überhoben, man hat ihnen ihre eingebildete Offenbarung vorgeworfen; aber weh uns, daß unsre Geistlichen nichts mehr von einer unmittelbaren Eingebung wissen, und wehe dem Christen der aus Kommentaren die Schrift verstehen lernen will. Wollt ihr die Würkungen des heiligen Geistes schmälern? bestimmet mir die Zeit, wenn er aufgehöret hat an die Herzen zu predigen, und euern schalen Diskursen das Amt überlassen hat, von dem Reiche Gottes zu zeugen. Unverständlich nennt ihr unnütz! was sah der Apostel im dritten Himmel? Nicht wahr, unaussprechliche Dinge? Und was waren denn das für Leute die in der Gemeine Sachen redeten, die einer Auslegung bedurften? O meine Herren, eure Dogmatik hat noch viel Lücken. Lieber Bruder, der heilige Geist gibt allen Weisheit die ihn darum bitten, und ich habe Schneider gekannt, die Mosheimen zu raten aufgegeben hätten.

Genung die Wahrheit sei uns lieb wo wir sie finden. Laßt uns unser Gewissen nicht beflecken, daß wir an jenem Tage rein sein mögen, wenn an das Licht kommen wird, daß die Lehre von Christo nirgends gedruckter war als in der christlichen Kirche. Und wem darum zu tun ist, die Wahrheit dieses Satzes noch bei seinem Leben zu erfahren, der wage, ein Nachfolger Christi öffentlich zu sein, der wage sichs merken zu lassen, daß ihm um seine Seligkeit zu tun ist! Er wird einen Unnamen am Halse haben, eh er sichs versieht, und eine christliche Gemeine macht ein Kreuz vor ihm.

Laßt uns also darauf arbeiten, lieber Bruder, nicht daß unsere, sondern daß Christi Lehre lauter gepredigt werde. Laßt uns unbekümmert über andere Reiche sein, nur laßt uns für unser Reich sorgen, und besonders hütet euch vor den falschen Propheten. Diese nichtswürdige Schmeichler nennen sich Christen, und unter ihrem Schafspelz sind sie reißende Wölfe, sie predigen eine glänzende Sittenlehre und einen tugendhaften Wandel, und schmälern das Verdienst Christi wo sie können. Wahrhaftig alle Religionsspötter sind wenigstens ehrliche Leute, die über das lachen was sie nicht fühlen, und einen öffentlichen Feind hat man wenig zu fürchten; aber diese heimlichen sucht aus eurer Gemeine zu scheiden, nicht daß ihr sie in eurem Sprengel nicht leiden wollt, sondern nur daß ihr sie als ehrliche Leute verlangt, die bekennen was sie sind.

Der liebe Johannes lehrt uns ganz kurz allen Religionsunterschied; das sei der einzige den wir kennen. Ich habe in meinem Amt Jesum so laut geprediget, daß sich die Widerchristen geschieden haben, und weiter brauchts keine Scheidung. Wer Jesum einen Herrn heißt, der sei uns willkommen, können die andre auf ihre eigene Hand leben und sterben, wohl bekomme es ihnen. Wenn der Geistliche ein Mann ist der nicht vom Hauptpunkte abweicht, so wird unter der Gemeine auch kein Zwist entstehen, hier habt ihr mein und meiner ganzen Gemeine Glaubensbekenntnis.

Wir sind elend! Wie wirs sind und warum wirs sind, das kann uns sehr einerlei sein, wir sehnen uns nur nach einem Weg auf dem uns geholfen werden könnte. Wir glauben, daß die ewige Liebe darum Mensch geworden ist, um uns das zu verschaffen wornach wir uns sehnen, und alles was uns dient uns mit ihr näher zu vereinigen, ist uns liebenswürdig, was zu diesem Zwecke nicht zielt, gleichgültig, und was davon entfernt, verhaßt. Ihr könnet Euch denken Herr Confrater in was für einem Kredit die Kontroversen bei uns stehen.

Laßt uns Friede halten lieber Herr Amtsbruder, ich weiß nicht wie ein Pastor sich unterstehen kann, mit Haß im Herzen auf einen Stuhl zu treten, wo nur Liebe erschallen sollte, und um keinem Zwist Gelegenheit zu geben, laßt uns alle Kleinigkeiten fliehen, wo man Grillen für Wahrheit, und Hypothesen für Grundlehren verkauft. Es ist immer lächerlich, wenn ein Pastor seine Gemeine belehrt, daß die Sonne nicht um die Erde geht, und doch kommt so was vor.

Noch Eins Herr Bruder, laßt Eure Gemeine ja die Bibel lesen so viel sie wollen, wenn sie sie gleich nicht verstehen, das tut nichts; es kommt doch immer viel guts dabei heraus; und wenn Eure Leute Respekt für der Bibel haben, so habt ihr viel gewonnen. Doch bitte ich Euch nichts vorzubringen, was ihr nicht jedem an seinem Herzen beweisen könnt, und wenns hundert mal geschrieben stünde. Ich habe sonst auch gesorgt, die Leute mögten Anstoß an Dingen nehmen, die hier und da in der Bibel fürkommen, aber ich habe gefunden, daß der Geist Gottes sie gerade über die Stellen wegführt, die ihnen nichts nützen dürften. Ich weiß zum Exempel, kein zärtliches Herz das an Salomons Diskursen, die freilich herzlich trocken sind, einigen Geschmack hätte finden können.

Überhaupt ist es ein eignes Ding um die Erbauung. Es ist oft nicht die Sache die einen erbaut, sondern die Lage des Herzens worin sie uns überrascht, ist das was einer Kleinigkeit den Wert gibt.

Darum kann ich die Liederverbesserungen nicht leiden, das mögte für Leute sein die dem Verstand viel und dem Herzen wenig geben; was ist dran gelegen was man singt, wenn sich nur meine Seele hebt, und in den Flug kömmt, in dem der Geist des Dichters war; aber wahrhaftig das wird einem bei denen gedrechselten Liedern sehr einerlei bleiben, die mit aller kritisch richtigen Kälte hinter dem Schreibepulte mühsam poliert worden sind.

Adieu, lieber Herr Confrater, Gott gebe Eurem Amte Segen. Prediget Liebe, so werdet Ihr Liebe haben. Segnet alles was Christi ist, und seid übrigens in Gottes Namen indifferent, wenn man Euch so schelten will. So oft ich an Euerm Geläute höre, daß Ihr auf die Kanzel geht, so oft will ich für Euch beten. Und wenn Euer allgemeiner Vortrag nach Aller Maß eingerichtet ist, und Ihr die Seelen die sich Euch besonders vertrauen, insbesondere belehret, so daß Ihr sie doch alle auf den großen Mittelpunkt unsres Glaubens, die ewige Liebe hinweiset. Wenn Ihr dem Starken genug, und dem Schwachen so viel gebet als er braucht, wenn Ihr die Gewissensskrupel vermindert, und allen die Süßigkeit des Friedens wünschenswert macht, so werdet Ihr dereinst mit der Überzeugung Euer Amt wohl geführt zu haben, vor den Richterstuhl des Herrn treten können, der über Hirten und Schafe, als Oberhirt allein zu richten das Recht hat. Ich bin mit aller Zärtlichkeit

Euer Bruder ***

Pastor zu ***

 

Zwo wichtige bisher
unerörterte biblische Fragen

Zum erstenmal gründlich beantwortet,
von einem Landgeistlichen in Schwaben.
Lindau am Bodensee
1773

M. den 6. Febr. 1773

Es ist betrübt die langen Winterabende so allein zu sein. Mein Sohn der Magister ist in der Stadt; ich kanns ihm nicht verdenken, er findet bei mir so wenig Unterhaltung für seine Gelehrsamkeit, als ich an ihm Liebeswärme für meine Empfindung; und die Kollegen um mich her sind und bleiben meine letzte Gesellschaft. Wer nach einem kurzen Benedicite von Gewissensfragen und andern Pastoralkleinigkeiten sich nicht zur ausgelaßnen Spiel- und Trinkkollation hinsetzen, und das Gratias gegen Mitternacht mit Zoten intonieren mag, der muß wegbleiben, wissen Sie lieber Herr Bruder.

Unsre letzte wichtige Unterredung, als ich das Vergnügen hatte, in so guter Gesellschaft bei Ihnen zu sein, hat mich auf allerlei Gedanken, und endlich gar zu dem Entschlusse gebracht, Ihnen beiliegendes zu senden.

Ich hatte damals noch viel zu sagen, aber das Gespräch wurd auf einmal zu gelehrt, und da ich niemals ein Freund von Büchern, am wenigsten von Exegetischen war, bleib ich meistenteils zurück, wenn meine Gesellen einen Ausritt in das so verwachsene Dickigt wagen.

Was kann einem Geistlichen zwar angelegener sein als die Auslegung der Sammlung Schriften, woran sein zwiefaches Leben hängt; mit allem dem hab ich mich nie genug über Männer wundern können, die sich hinsetzen ein ganzes Buch, ja viele Bücher unsrer Bibel, an einem Faden weg zu exegesieren, da ich Gott danke, wenn mir hier und da ein brauchbarer Spruch aufgeht, und das ist wahrhaftig alles was man nötig hat.

Der Magister mein Sohn, wie er vor anderthalb Jahren von Akademien zurückkam, verstund er gewisse Bücher des alten und neuen Testaments, über die er hatte Collegia lesen hören, aus dem Fundament, und zu den übrigen sagte er, habe er einen Universalschlüssel, daß es ihm bei Gelegenheit meint er, nicht fehlen könnte.

Meine Wissensbegierde wurde reg, und ich bat ihn mich in die Schule zu nehmen. Das tat er gerne, denn er sticht gewaltig auf einen Professor, konsultierte hier und da seine Hefte, und das Dozieren stund ihm gar gravitätisch an. Nur merkt ich bald, daß die ganze Kunst auf eine kalte Reduktion hinaus lief, das tat mir leid, und ich wollt ihn überzeugen: allein im Lebens- und Amtsgange lerne man Kernbücher verstehen; gelehrte Prediger seien just nicht die besten, weil sie niemals fragen: was brauchen meine Zuhörer? sondern: was könnt ich ihnen aus der Fülle meiner Weisheit, doch ohnbeschadet der geheimen Sparbüchse (die nun freilich einer wie der andre bei Seite verwahrt) noch alles mitteilen? Ferner sagt ich ihm: die einzige brauchbare Religion muß einfach und warm sein, von der einzigen Wahren haben wir nicht zu urteilen, wer will das echte Verhältnis der Seele gegen Gott bestimmen als Gott selbst.

Darüber wurd er mürrisch, und ich merkte ganz deutlich, daß er von meiner Urteilskraft nicht das Beste dachte. Mag er! bis er selbst gescheuter wird. Die Erkenntnis wächst in jedem Menschen nach Graden, die ein Lehrer weder übertreiben soll noch kann; und den hielt ich für den geschicktesten Gärtner, der für jede Epoche jeder Pflanze die erforderliche Wartung verstünde.

Doch alles das wollt ich nicht sagen. Beikommende Auslegungen fodern einen Vorbericht.

Zur Zeit da ich studierte, erklärte man die Bibel zu universal, die ganze Welt sollte an jedem Spruche Teil haben. Dieser Meinung war ich immer feind, weil sie so viele Inkonvenienzien und Anstöße in den Weg legte. Nun, wie mein Magister zurückkam, wunderte ich mich, ihn von denen schweren Vorurteilen so frei zu sehn, mein Herz ging mir recht auf, wie ich grad mit ihm reden konnte, wie er meine Ahndungen durch gelehrte Beweise bestätigte. Doch die Freude dauerte nicht lang, ich sah ihn mit der entgegen gesetzten Torheit behaftet, alle dunkle, alle seinem System widrige Stellen zu Lokalkleinigkeiten zu drechseln. Darüber kamen wir abermals auseinander. Ich glaube die Mittelstraße getroffen zu haben. Hier ist der Deutpfahl dahin. Das jüdische Volk seh ich für einen wilden unfruchtbaren Stamm an, der in einem Kreis von wilden unfruchtbaren Bäumen stund, auf den pflanzte der ewige Gärtner das edle Reis Jesum Christum, daß es, darauf bekleibend, des Stammes Natur veredelte, und von dannen P[f]ropfreiser zur Befruchtung aller übrigen Bäume geholt würden.

Die Geschichte und Lehre dieses Volks, von seinem ersten Keime bis zur Pfropfung ist allerdings partikular, und das wenige universelle, das etwa in Rücksicht der zukünftigen großen Handlung mit ihm möchte vorgegangen sein, ist schwer und vielleicht unnötig aufzusuchen.

Von der Pfropfung an wendet sich die ganze Sache. Lehre und Geschichte werden universell. Und obgleich jeder von daher veredelte Baum seine Spezialgeschichte, und nach Beschaffenheit der Umstände seine Speziallehre hat, so ist doch meine Meinung: hier sei so wenig partikulares als dort universelles zu vermuten und zu deuten.

Beikommende zwei Erklärungen die mir schon vor langer Zeit vom guten Geiste zugewinkt worden, und die je länger ich sie umschaue, je wahrer ich sie finde, werden Ihnen Tiefen der Erkenntnis und Empfindung eröffnen.

 
Erste Frage

Was stund auf den Tafeln des Bunds?

 
Antwort:

Nicht die zehen Gebote, das erste Stück unsers Katechismus!

Laßt es euch Mosen selbst sagen. Hier liefre ich einen Auszug seines zweiten Buchs.

Die Gesetzgebung beginnt majestätisch fürchterlich, und der Herr spricht von Sinai den Eingang von meist allgemeinen Wahrheiten, die er bei ihnen wie bei andern Völkern gleichsam voraus setzt,2 B. Mos. 20,1-17. das Volk erschrickt und überträgt Mosi den weiteren Willen des Herrn zu vernehmen, dem denn Gott fortfährt2. B. Mos. vom 22. V. des 20. Kap. bis zu Ende des 23. seine Gesetze vorzulegen. Moses kehrt zum Volke zurück2. B. Mos. 24,3 etc. ohne daß der Tafeln Erwähnung geschehen, schreibt alle die Worte des Herren in ein Buch, das das Buch des Bundes genannt wird, und liest es ihnen vor. Dann erst spricht der Herr zu Mose2. B. Mos. 24,12. komm herauf zu mir auf den Berg, daß ich dir gebe steinerne Tafeln und (mit) Gesetz und Gebot die ich geschrieben habe. Er begibt sich hinauf, und ihm wird die Einrichtung der Stiftshütte vorgelegt;2. B. Mos. 25-31. ganz zuletzt2. B. Mos. 31,18. aber erst gemeldet: und da der Herr ausgeredt hatte – gab er ihm die Tafeln. Was drauf gestanden, erfährt niemand. Das Unwesen mit dem Kalb entsteht, und Moses zerschlägt sie, ehe wir ihren Inhalt nur mutmaßen können,2. B. Mos. 32,19.

Nach Reinigung des reuigen Volks, spricht der versöhnte Herr zum Propheten2. B. Mos. 34,1.: haue dir zwo steinerne Tafeln wie die ersten waren, daß ich die Worte drauf schreibe die in den ersten waren.

Moses gehorchend tritt vor den Herrn, preist dessen Barmherzigkeit und ruft sie an. Der Herr spricht:2. B. Mos. 34,10 seqq. Siehe ich will einen Bund machen vor alle deinem Volk.

Halt was ich dir heute gebiete!

1.

Du sollst keinen andern Gott anbeten.

Darum hüte dich, daß du nicht einen Bund mit den Einwohnern des Lands machst; noch deinen Söhnen ihre Töchter zu Weibern nehmest, sie würden dich zu falschen Göttern kehren. Eben so wenig sollst du mit irgend einem Bilde was zu tun haben.

2.

Das Fest der ungesäuerten Brot sollst du halten.

Sieben Tage sollst du ungesäuert Brot essen um die Zeit des Monats Abib, zur Erinnerung, daß ich dich um diese Zeit aus Egypten geführt habe.

3.

Alles was seine Mutter am ersten bricht, ist mein, was männlich sein wird in deinem Vieh es sei Ochse oder Schaf.

Aber statt dem Erstling des Esels sollst du ein Schaf erlegen etc. Die Erstgeburt deiner Söhne sollst du lösen, und daß niemand vor mir leer erscheine.

4.

Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebenten Tage sollst du feiern beides mit Pflügen und Ernten.

5.

Das Fest der Wochen sollst du halten mit den Erstlingen der Weizenernte, und das Fest der Einsammlung wenn das Jahr um ist.

6.

Dreimal im Jahr sollen alle Mannsnamen erscheinen vor dem Herrn. Und es soll niemand deines Lands begehren, so lang du diesem Gebote gehorchst.

7.

Du sollst das Blut meines Opfers nicht opfern auf dem gesäuerten Brot.

8.

Das Opfer des Osterfests soll nicht über Nacht bleiben.

9.

Das Erstling der Früchte deines Ackers sollst du in das Haus des Herren bringen.

10.

Du sollst das Böcklein nicht kochen, wenns noch an seiner Mutter Milch ist.

Und der Herr sprach zu Mose: schreibe diese Worte, denn nach diesen Worten hab ich mit dir und mit Israel einen Bund gemacht. Und er war allda bei dem Herren vierzig Tag und vierzig Nächte und aß kein Brot und trank kein Wasser. Und er schrieb auf die Tafeln solchen Bund, die zehen Worte.

Mit den deutlichsten Worten steht es hier verzeichnet, und der Menschenverstand freut sich darüber. Die Tafeln waren ein Zeugnis des Bunds mit dem sich Gott ganz besonders Israel verpflichtete. Wie gehörig lesen wir also die Gesetze darauf, die sie von allen Völkern auszeichnen, die Vorschriften wornach sie die Epochen ihrer Geschichte teils feiern, teils die Grundgesetze ihrer Verfassung als heilig ehren sollten. Wie gerne wirft man den beschwerlichen alten Irrtum weg: es habe der partikularste Bund auf Universalverbindlichkeiten (denn das sind doch die meisten der sogenannten zehen Gebote) gegründet werden können.

Kurz! das Proömium der Gesetzgebung enthält, wie ich schon oben, obgleich unbestimmter gesagt, Lehren, die Gott bei seinem Volke als Menschen und als Israeliten voraussetzte. Als Menschen, dahin gehören die allgemeinen moralischen; als Israeliten, die Erkenntnis eines einzigen Gottes, und die Sabbatfeier.

Wenn es aber so evident ist, warum hat die Kirche so viel Jahrhunderte in der entgegengesetzten Meinung gestanden?

Das wird niemanden wundern wer ihre Geschichte nur einigermaßen kennt. Der Verfasser des fünften Buchs Mosis verfiel zu erst in den Irrtum. Es ist wahrscheinlich, und ich glaube es irgendwo einmal gelesen zu haben, daß dieses Buch in der Babylonischen Gefangenschaft aus der Tradition zusammengestoppelt worden sei. Die Unordnung desselben macht es fast gewiß. Und unter solchen Umständen ist ein Mißgriff wie gegenwärtiger sehr natürlich. Die Tafeln waren samt der Lade verloren, die echten Abschriften der heiligen Bücher in wenig Händen, die zehen Gesetze schliefen und wurden vergessen, die Lebensregeln hatte jeder im Herzen, wenigstens im Gedächtnis. Und wer weiß, was noch alles zu dieser ungeschickten Kombination Gelegenheit gegeben.

Es ließ sich noch viel sagen, das will ich aber Gelehrtern hinterlassen, und nur das anfügen. Nicht weiß ich ob jemand diese Wahrheit vor mir gefunden oder gelehrt; so viel kann ich sagen, daß die Kirche den Irrtum über dieser Stelle heilig bewahrt, und viele fatale Konsequenzen draus gezogen hat.

 
Andere Frage

Was heißt mit Zungen reden?γλοσσαις λαλειν.

Vom Geist erfüllt, in der Sprache des Geists, des Geists Geheimnisse verkündigen.

Το γαρ ενϑεαζειν, κατα γλοσσαν υπαρχειν, σιβυλλαινειν.

Diodorus quidam.Ich weiß nicht wer eigentlich der Diodorus war. Im ersten Teil von Fabricii Bibl. Gr. findet ihr die Stelle mit ein Paar gelehrten schlechten Erklärungen derselben.

Wer Ohren hat zu hören der höre.

Fragt ihr: wer ist der Geist? So sag ich euch: der Wind bläset, du fühlest sein Sausen, aber von wannen er kommt und wohin er geht, weißest du nicht. Was willst du uns von der Sprache des Geistes sagen, wenn du den Geist nicht kennst, ist dir gegeben worden mit Zungen zu reden? 173 Darauf antwort ich: Ihr habt Mosen und die Propheten! Ich will euch nur hindeuten, wo von dieser Sprache geschrieben steht.

Der verheißene Geist erfüllt die versammelten Jünger mit der Kraft seiner Weisheit.A. G. 2, 1. Die göttlichste Empfindung strömt aus der Seel in die Zunge, und flammend verkündigt sie die großen Taten Gottes in einer neuen Spracheἑτεραις γλοσσαις. und das war die Sprache des Geistes.καϑως το πνευμα εδιδον αυτοις αποφϑεγγεσϑαι.

Das war jene einfache, allgemeine Sprache, die aufzufinden mancher große Kopf vergebens gerungen. In der Einschränkung unsrer Menschlichkeit ist nicht mehr als eine Ahndung davon zu tappen.

Hier tönt sie in ihrer vollen Herrlichkeit! Parter, Meder und Elamiter entsetzen sich, jeder glaubt seine Sprache zu hören, weil er die Wundermänner versteht, er hört die großen Taten Gottes verkündigen, und weiß nicht wie ihm geschieht.

Es waren aber nicht allen die Ohren geöffnet zu hören, nur fühlbare Seelenανδρες ευλαβεις nahmen an dieser Glückseligkeit teil; schlechte Menschen, kalte Herzen, stunden spottend dabei und sprachen: sie sind voll süßen Weins!

Kam in der Folge der Geist über eine Seele, so war das Aushauchen seiner Fülle, das erste notwendigste Atmen eines so gewürdigten HerzensA. G. 19, 6.. Es floß vom Geiste selbst über, der so einfach wie das Licht, auch so allgemein ist, und nur wenn die Wogen verbraust hatten, floß aus diesem Meere der sanfte LehrstromDas προφητευειν. zur Erweckung und Änderung der Menschen.

Wie aber jede Quelle, wenn sie von ihrem reinen Ursprung weg durch allerlei Gänge zieht, und vermischt mit irdischen Teilen zwar ihre selbstständige innerliche Reinigkeit erhält, doch dem Auge trüber scheint, und sich wohl gar zuletzt in einen Sumpf verliert. So gings hier auch.

Schon zu Paulus Zeiten ward diese Gabe in der Gemeine gemißbraucht.

Die Fülle der heiligsten tiefsten Empfindung drängte für einen Augenblick den Menschen zum überirdischen Wesen, 174 er redete die Sprache der Geister, und aus den Tiefen der Gottheit flammte seine Zunge Leben und Licht. Auf der Höhe der Empfindung erhält sich kein Sterblicher. Und doch mußte denen Jüngern die Erinnerung jenes Augenblicks Wonne durch ein ganzes Leben nachvibrieren. Wer fühlt nicht in seinem Busen, daß er sich unaufhörlich wieder dahin sehnen würde? Auch taten sie das. Sie verschlossen sich in sich selbst, hemmten den reinen Fluß der Lebenslehreτο προφετευειν. um die Wasser zu ihrer ersten Höhe zu dämmen, brüteten dann mit ihrem eignen Geiste über der Finsternis und bewegten die Tiefe. Vergebens! Es konnte diese geschraubte Kraft nichts als dunkle Ahndungen hervordrängen, sie lallten sie aus, niemand verstund sie, und so verdarben sie die beste Zeit der Versammlung.

Gegen dieses arbeitet Paulus mit allem Ernst in dem vierzehnten Kapitel der ersten Epistel an die Korinthische Gemeinde.

Abtreten könnt ich nun, jeden sich selbst dieses Kapitel auslegen, jeden empfinden lassen daß es nimmer eine andre Erklärung annimmt. Auch will ich nur einige Blicke hinwerfen.

Mehr als Pantomime doch unartikuliert muß die Sprache gewesen sein. Paulus setzt die zur Empfindung des Geists bewegte Seeleπνευμα dem ruhigen Sinnνους entgegen, nebeneinander vielmehr, nacheinander! Wie ihr wollt! Es ist Vater und Sohn, Keim und Pflanze. πνευμα! πνευμα! was wäre νους ohne dich!

Genug! Wie gern, ohne paraphrastische Foltern geben die Sprüche ihren Sinn!

»Der wie ihr mit der Geistssprache redet, redet nicht den Menschen, sondern Gott; denn ihn vernimmt niemand; er redet im Geist Geheimnisse. So ich mit der tiefen Sprache bete, betet mein Geist, mein Sinn bringt niemanden Frucht. Dieses Reden ist nur ein auffallendes, Aufmerksamkeit erregendes Zeichenσημειον für Ungläubige, keine Unterweisung für sie, keine Unterhaltung in der Gesellschaft der Gläubigen.«

Sucht ihr nach diesem Bache; Ihr werdet ihn nicht finden, 175 er ist in Sümpfe verlaufen, die von allen wohlgekleideten Personen vermieden werden. Hier und da wässert er eine Wiese ins Geheim, dafür danke einer Gott in der Stille. Denn unsre theologische Kameralisten haben das Prinzipium, man müßte dergleichen Flecke all einteichen, Landstraßen durchführen und Spaziergänge darauf anlegen. Mögen sie denn! Ihnen ist Macht gegeben! Für uns Haushalter im Verborgnen bleibt doch der wahre Trost: Dämmt ihr! Drängt ihr! Ihr drängt nur die Kraft des Wassers zusammen, daß es von euch weg auf uns desto lebendiger fließe.

 

Und wir, lieber Herr Bruder, lassen Sie uns in der Fühlbarkeit gegen das schwache Menschengeschlecht, dem einzigen Glück der Erde, und der einzigen wahren Theologie, gelassen fortwandeln, und den Sinn des Apostels fleißig beherzigen: Trachtet ihr, daß ihr Lebenskenntnis erlanget euch und eure Brüder aufzubauen, das ist euer Weinberg, und jeder Abend reicht dem Tage seinen Lohn. Wirft aber der ewige Geist einen Blick seiner Weisheit, einen Funken seiner Liebe einem Erwählten zu, der trete auf, und lalle sein Gefühl.

Er tret auf! und wir wollen ihn ehren! Gesegnet seist du, woher du auch kommst! Der du die Heiden erleuchtest! Der du die Völker erwärmst!

 

[Koran-Auszüge]

 

sura II

106. Gewiß! wer sein Angesicht zu Gott völlig wendet, und dabei Gutes tut, der wird seinen Lohn haben bei Gott seinem Herren, und über solche wird keine Furcht kommen noch betrübet werden.

109. Gott gehöret der Aufgang und der Niedergang der Sonnen, und wohin ihr euch wendet, ist Gottes Angesicht da.

159. Er hat Zeichen genug davon gegeben, in der Schöpfung der Himmel und der Erden, in der Abwechslung der Nacht und des Tags. pp. in diesem allem sind Zeichen genug seiner Einigkeit und Gütigkeit, vor die Völker, so sie mit Aufmerksamkeit betrachten wollen.

166. Es sind die Ungläubige gleich einem Tier, dem jemand ruft, das aber nichts höret, als nur von ferne, einen Ruf oder Schall und darüber erschrickt und davon lauft.

172. Darin besteht eben nicht die Gerechtigkeit, daß ihr eure Angesichter richtet gegen Morgen oder gegen Abend, sondern darin ist die Gerechtigkeit: wer recht glaubet an Gott, und an den jüngsten Tag, und an die Engel, an die Schrift, und Propheten: und wer ferner von seinem Vermögen gibt, um der Liebe Gottes Willen, seinen Verwandten, den Waisen, den Armen, den reisenden Pilgrimen, den Bettlern, und den Gefangenen Sklaven zur Erlösung, wer auch das Gebet beständig verrichtet, sein Bündnis hält, wo er Treue versprochen, und der sich gedultig erweist in Widerwärtigkeiten, und Unglücksfällen, und zur Zeit der kriegrischen Gewalttätigkeit: solche sind die so wahrhaftig sind und Gott fürchten.

 

sura III

138. So ist auch Mahomed unter euch nichts als ein Gesandter, und sind auch schon viele Gesandte vor ihm gestorben. Wenn er nun auch sterben sollte: wolltet ihr deswegen auf euern Fersen zurücktreten?

174. Gott ist auch nicht geneigt, daß er euch bekannt mache, was ein Geheimnis ist, sondern er erwählt einige von seinen Gesandten, welche er will: daß sie glauben an Gott und an seinen Gesandten.

 

sura IV

142. Die Heuchler – sind zweifelhaft zwischen beedem, und hangen weder diesen noch jenen recht an. Für den aber welchen Gott so in der Irre gehn läßt, wirst du gewiß keinen Weg finden.

 

V. sura. Der Tisch

V. 70. Werden nun auch die Schriftanhänger glauben, und Gott fürchten: so vergeben wir ihnen gern ihre Sünden, und wollen sie einführen in die lieblichste Gärten: wenn sie nur unter sich bestätigen das Gesetz und Evangelium, und was über sie ist von ihrem Herren herabgeschickt worden; so sollen sie essen das Gute über ihnen und unter ihren Füßen. Etliche unter ihnen sind zwar ein aufrichtiges gerechtes Volk, aber böse ist was viele unter ihnen treiben.

101. O Ihr Gläubige, fraget nicht nach Dingen, welche wo sie auch angezeigt worden, nur Unruhe euch machen würden – Es haben schon auch vor euch Leute darnach geforscht: aber hernach sind sie doch dadurch zu Ungläubigen geworden.

 

VI. sura. Das Vieh
übersetzt aus dem lateinischen des Maraccius

v. 75. Abraham sprach zu seinem Vater Azar. Ehrst du Götzen für Götter? Wahrhaftig ich erkenne deinen, und deines Volks Offenbaren Irrtum. Da zeigten wir Abraham des Himmels und der Erde Reich daß er im wahren Glauben bestätiget würde. Und als die Nacht über ihm finster ward, sah er das Gestirn und sprach er: Das ist mein Herrscher, da es aber niederging rief er: untergehende lieb ich nicht. Dann sah er den Mond aufgehen, sprach Das ist mein Herrscher! Da er aber nieder ging sagt er: Wenn mich mein Herr nicht leitet geh ich in der Irre mit diesem Volk; Wie aber die Sonne heraufkam sprach er: Das ist mein Herrscher. Er ist größer. Aber da sie auch unterging, sprach er: O mein Volk nun bin ich frei von deinen Irrtümern! Ich habe mein Angesicht gewendet zu dem der Himmel und Erde erschaffen hat.

V. 73. versprochen – gute Wohnungen in den Lustgärten Edens. Und wird das Wohlgefallen Gottes an ihnen ihre fürtrefflichste Belohnung sein.

 

X. sura. Jonas

v. 10. Ihr Gebet wird sein: Ehre sei Gott! Und ihr Gruß gegen einander: Friede. Ihr Gebet wird endigen: Ehre sei Gott, dem Herrn der Ewigkeiten.

 

XIII. sura. Der Donner

8. Weiter sagen einige Ungläubige von dir: Ist dann nicht ein Wunderzeichen von seinem Herrn über ihn herabgeschickt worden? Doch du bist nur ein Prediger und ist einem jeden Volk sein Lehrer zur Unterweisung gegeben worden.

 

XVII. sura. Die Nachtreise

80. Verrichte dein Gebet bei dem Niedergang der Sonne, und bei der ersten Finsternis der Nacht, und bei der Anbrechung des Tags zu Lesung des Korans – Auch in der Nacht beim Aufwachen bringe einen Teil davon zu mit beten. – So sage denn betend: O mein Herr, laß meinen Eingang sein in der Wahrheit, und laß auch meinen Ausgang sein einen Ausgang der Wahrheit, und lege mir von deinem Angesichte eine helfende Kraft zu.

 

XX. sura. Tah

26. Er sprach (Moses) o mein Herr mache mir Raum in meiner engen Brust. Mache mir auch mein Geschäft leicht. Löse auch auf das Band von meiner Zunge.

 

XXIX. sura Die Spinne

Vid. v. 43 sqq. Fürtrefflichkeit.

47. Du lasest vorher keine Bücher und schriebst sie auch nicht mit deiner rechten Hand.

49. Zeichen stehen bei Gott, ich bin nur ein offenbarer Prediger.

 

Salomons Königs von Israel und Juda
güldne Worte von der Zeder bis zum Issop

1.

Es stand eine herrliche Zeder auf Libanon, in ihrer Kraft vor dem Antlitz des Himmels. Und daß sie so strack dastund des ergrimmten die Dornsträuche umher und riefen: wehe dem Stolzen er überhebt sich seines Wuchses! Und wie die Winde die Macht seiner Äste bewegten, und Balsamgeruch das Land erfüllte wandten sich die Dörner und schrien: wehe dem Übermütigen, sein Stolz braust auf wie Wellen des Meers, verdirb ihn Heiliger vom Himmel!

 

2.

Eine Zeder wuchs auf zwischen Tannen, sie teilten mit ihr Regen und Sonnenschein. Und sie wuchs, und wuchs über ihre Häupter und schaute weit ins Tal umher. Da riefen die Tannen: ist das der Dank daß du dich nun überhebest, dich die du so klein warest, dich die wir genährt haben! Und die Zeder sprach rechtet mit dem der mich wachsen hieß.

 

3.

Und um die Zeder stunden Sträucher. Da nun die Männer kamen vom Meer, und die Axt ihr an die Wurzel legten, da erhub sich ein Frohlocken: Also strafet der Herr die Stolzen, also demütigt er die Gewaltigen!

 

4.

Und sie stürzte und zerschmetterte die Frohlocker, die verzettelt wurden unter dem Reisig.

 

5.

Und sie stürzte und rief: Ich habe gestanden, und ich werde stehen! Und die Männer richteten sie auf zum Maste im Schiffe des Königs, und die Segel wehten von ihm her, und brachte die Schätze aus Ophir in des Königs Kammer.

 

6.

Eine junge Zeder wuchs schlank auf und schnell und drohte die andern zu überwachsen. Da beneideten sie alle. Und ein Held kam und hieb sie nieder, und stutzte ihre Äste, sich zur Lanze wider die Riesen. Da riefen ihre Brüder! Schade! schade!

 

7.

Die Eiche sprach: ich gleiche dir Zeder! Tor! sagte die Zeder: als wollt ich sagen ich gleiche dir.

 

8.

Zwei Birken stritten: wer der Zeder am nächsten käme. Birken seid ihr! sagt die Zeder.

 

9.

Uns ist wohl sagte ein brüderlich gleicher Tannenwald zur Zeder, wir sind so viel und du stehst allein. Ich habe auch Brüder, sagt die Zeder wenn gleich nicht auf diesem Berge.

 

10.

Ein Wald ward ausgehauen, die Vögel vermißten ihre Wohnungen, flatterten umher und klagten: Was mag der Fürst für Absichten haben! den Wald! den schönen Wald! Unsre Nester! Da sprach einer der aus der Residenz kam ein Papagei: Absicht Brüder! Er weiß nichts drum.

 

11.

Ein Mädgen brach Rosen vom Strauch und kränzte ihr Haupt mit. Das verdroß die Zeder und sprach, warum nimmt sie nicht von meinen Zweigen. Stolzer sagte der Rosenstock, laß mir die Meinen!

 

12.

Ein Wandrer der unter der Eiche Mittagsruh gehalten hatte, erwachte, streckte sich stand auf, und wollte weiter. Der Baum rief ihm zu: Undankbarer! Hab ich dir nicht meinen Schatten ausgebreitet, und nun nicht einen Blick! Du! mir! Lächelte der Wandrer zurück schauend.

 

13.

Das Gräslein da der Wind drüber spielte, ergötzte sich und rief: bin ich doch auch da, bin ich doch auch gebildet klein aber schön, und bin! – Gräslein in Gottes Namen sagte die Zeder.

 

14.

Ein Waldstrom stürzte die Tannen drunter und drüber ins Tal herab und Sträucher und Sprößling und Gräser und Eichen. Ein Prophete rief zuschauend vom Fels: Alles ist gleich vor dem Herrn.

 

15.

Ha sagte die Zeder wer von meinen Zweigen brechen will muß hoch steigen! Ich sagte die Rose habe Dornen.

 

Das Hohelied Salomons

Küß er mich den Kuß seines Mundes! Trefflicher ist deine Liebe denn Wein. Welch ein süßer Geruch deine Salbe, ausgegoßne Salb ist dein Name, drum lieben dich die Mädgen. Zeuch mich! Laufen wir doch schon nach dir! Führte mich der König in seine Kammer, wir sprängen und freuten uns in dir. Priesen deine Lieb über den Wein.

Lieben dich doch die Edlen all!

*

Schwarz bin ich, doch schön, Töchter Jerusalems! Wie Hütten Kedars wie Teppiche Salomos.

Schaut mich nicht an daß ich braun bin, von der Sonne verbrannt. Meiner Mutter Söhne feinden mich an, sie stellten mich zur Weinberge Hüterin. Den Weinberg der mein war hütet ich nicht.

*

Sage mir du den meine Seele liebt, wo du weidest? Wo du ruhest am Mittag? Warum soll ich umgehn an den Herden deiner Gesellen.

Weißt du s nicht schönste der Weiber folg nur den Tapfen der Herde, weide dein[e] Böcke um die Wohnung der Hirten.

*

Meinem reisigen Zeug unter Pharaos Wagen vergleich ich dich mein liebgen. Schön sind deine Backen in den Spangen, dein Hals in den Ketten. Spangen von Gold sollst du haben mit silbernen Pöcklein.

*

So lang der König mich koset gibt meine Narde den Ruch.

*

Ein Büschel Myrrhen ist mein Freund, zwischen meinen Brüsten übernachtend. Ein Trauben Kopher ist mir mein Freund in den Wingerten Engedi.

*

Sieh du bist schön meine Freundin! Sieh du bist schön! Tauben Augen die deinen.

Sieh du bist schön mein Freund. Auch lieblich! Unser Bette grünt, unsrer Hütte Balken sind Zedren unsre Zinnen Zypressen.

*

Ich bin die Rose im Tal! Bin ein Mai Blümgen! Wie die Rose unter den Dornen so ist mein Liebgen unter den Mädgen. Wie der Apfelbaum unter den Waldbäumen, ist mein liebster unter den Männern. Seines Schatten begehr ich, nieder sitz ich, und süß ist meinem Gaum seine Frucht. Er führt mich in die Kelter, über mir weht seine Liebe. Stützet mich mit Flaschen, polstert mir mit Äpfeln denn Krank bin ich für Liebe. Seine linke trägt mein Haupt seine rechte herzt mich. Ich beschwör euch Töchter Jerusalems bei den Rehen, bei den Hinden des Feldes, rühret sie nicht, reget sie nicht meine Freundin bis sie mag.

*

Sie ists die Stimme meines Freundes. Er kommt! Springend über die Berge! Tanzend über die Hügel! Er gleicht mein Freund einer Hinde er gleicht einem Rehbock. Er steht schon an der Wand, siehet durchs Fenster gucket durchs Gitter! Da beginnt er und spricht: Steh auf meine Freundin meine Schöne und komm. Der Winter ist vorbei, der Regen vorüber. Hin ist er! Blumen sprossen vom Boden, der Lenz ist gekommen, und der Turteltaube Stimme hört ihr im Lande. Der Feigenbaum Knotet. Die Rebe duftet. Steh auf meine Freundin meine Schöne, und komm. Meine Taube in den Steinritzen im hohlhort des Felshangs. Zeig mir dein Antlitz, tön' deine Stimme, denn lieblich ist deine Stimme schön dein Antlitz. Fahet uns die Füchse, die kleinen Füchse die die Wingerte verderben, die fruchtbaren Wingerte.

*

Mein Freund ist mein, ich sein, der unter Lilien weidet. Bis der Tag atmet, die Schatten fliehen, wende dich, sei gleich mein Freund einer Hinde einem Rehbock, auf den Bergen Bether.

*

Auf meiner Schlafstätte zwischen den Gebürgen sucht ich den meine Seele liebt, sucht ihn, aber fand ihn nicht. Aufstehen will ich und umgehen in der Stadt, auf den Märkten und Straßen. Suchen den meine Seele liebt, ich sucht ihn, aber fand ihn nicht. Mich trafen die umgehenden Hüter der Stadt: den meine Seele liebt, saht ihr ihn nicht? Kaum da ich sie vorüber war fand ich den meine Seele liebt, ich faß ihn ich laß ihn nicht. Mit mir soll er in meiner Mutter Haus, in meiner Mutter Kammer.

*

Wer ist die herauf tritt aus der Wüsten wie Rauch Säulen, wie Gerauch Myrrhen und Weihrauch, köstlicher Spezereien.

*

Schön bist du meine Freundin, ja schön, Taubenaugen die deinen zwischen deinen Locken.

Dein Haar eine blinkende Ziegenherde auf dem Berge Gilead. Deine Zähne eine geschorene Herde, aus der Schwemme steigend, all Zwillings trächtig, kein Mißfall unter ihnen. Deine Lippen ein rosinfarbe Schnur, lieblich deine Rede! Wie der Ritz am Granatapfel deine Schläfe zwischen deinen Locken. Wie der Turn David dein Hals, gebauet zur Wehre, dran hängen Tausend Schilde, alles Schilde der Helden. Deine beiden Brüste, wie Rehzwillinge die unter Lilien weiden. Völlig schön bist meine Freundin kein Flecken an dir.

*

Komm vom Libanon meine Braut, Komm vom Libanon. Schau her von dem Gipfel Amana, vom Gipfel Senir und Hermon, von den Wohnungen der Löwen von den Bergen der Parden.

*

Gewonnen hast du mich, Schwester liebe Braut, mit deiner Augen einem, mit deiner Halsketten einer. Hold ist deine Liebe, Schwester liebe Braut! Trefflicher deine liebe denn Wein, deiner Salbe Geruch über alle Gewürze, Honig triefen deine Lippen meine Braut, unter deiner Zunge sind Honig und Milch, deiner Kleider Geruch wie der Ruch Libanons. Schwester liebe Braut ein verschloßner Garten Bist du, eine verschloßne Quelle ein versiegelter Born. Dein Gewächse ein Lustgarten Granatbäume mit der Würzfrucht, Zypern mit Narden, Narden und Safran, Kalmus und Cynnamen, allerlei Weihrauch Bäume, Myrrhen und Aloe und all die trefflichsten Würzen. Wie ein Garten Brunn, ein Born lebendiger Wasser, Bäche vom Libanon. Hebe dich Nordwind, komm Südwind, durchwehe meinen Garten daß seine Würze triefen.

*

Er komme in seinen Garten mein Freund und esse die Frucht seiner Würze!

Schwester liebe Braut ich kam zu meinem Garten, brach ab meine Myrrhen meine Würze. Aß meinen Seim meinen Honig, Trank meinen Wein meine Milch.

Esset Gesellen! Trinket, werdet trunken in Liebe.

*

Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Horch! Die Stimme meines klopfenden Freundes: Öffne mir meine Schwester, meine Freundin, meine Taube, meine Fromme, denn mein Haupt ist voll Taus und meine Locken voll Nachttropfen. Bin ich doch entkleidet, wie soll ich mich anziehen? hab ich doch die Füße gewaschen soll ich sie wieder besudeln. Da reichte mein Freund mit der Hand durchs Schalter und mich überliefs. Da stunde ich auf meinem Freunde zu öffnen, meine Hände troffen von Myrrhen, Myrrhen liefen über meine Hände an dem Riegel am Schloß. Ich öffnete meinem Freund aber er war weggeschlichen, hingegangen. Auf seine Stimme kam ich hervor, ich sucht ihn und fand ihn nicht, rief ihm er antwortet nicht. Mich trafen die umgehenden Wächter der Stadt. Schlugen mich, verwundeten mich, nahmen mir den Schleier die Wächter der Mauern.

*

Ich beschwör euch Töchter Jerusalems. Findet ihr meinen Freund, wollt ihr ihm sagen daß ich für Liebe krank bin. Was ist dein Freund vor andern Freunden du schönste der Weiber, was ist dein Freund vor andern Freunden, daß du uns so beschwörest? Mein Freund ist weiß und rot auserkoren unter viel Tausenden. Sein Haupt das reinste Gold seine Haarlocken schwarz wie ein Rabe. Seine Augen Taubenaugen an den Wasserbächen, gewaschen in Milch, stehend in Fülle. Würzgärtlein seine Wangen, volle Büsche des Weihrauchs, seine Lippen Rosen träufelnd köstliche Myrrhen. Seine Hände Goldringe mit Türkisen besetzt, sein Leib glänzend Elfenbein geschmückt mit Sapphiren. Seine Beine wie Marmorsäulen auf güldenen Sockeln. Seine Gestalt wie der Libanon, auserwählet wie Zedern. Seine Kehle voll Süßigkeit, er ganz mein Begehren. Ein solcher ist mein Liebster, mein Freund ist ein solcher, o Töchter Jerusalems.

*

Wohin ging dein Freund du schönste der Weiber. Wohin wandte sich dein Freund wir wollen ihn mit dir suchen. Mein Freund ging in seinen Garten hinab, zu den Würzbeeten, sich zu weiden im Garten, Lilien zu pflücken. Mein Freund ist mein und ich bin sein der unter Lilien sich weidet.

*

Schön bist du meine Freundin wie Thirza! Herrlich wie Jerusalem! Schröcklich wie Heerspitzen. Wende deine Augen ab von mir sie machen mich brünstig.

*

Sechzig sind der Königinnen, achzig der Kebsweiber, Jungfrauen unzählig. Aber Eine ist meine Taube, Eine meine Fromme. Die einzige ihrer Mutter, die köstliche ihrer Mutter. Sie sahen die Mädgen, sie priesen die Königinnen und Kebsweiber, und rühmten sie.

*

Wer ist die hervorblickt wie die Morgenröte? Lieblich wie der Mond, rein wie die Sonne, furchtbar wie Heerspitzen.

*

Zum Nußgarten bin ich gangen zu schauen das grünende Tal. Zu sehen ob der Weinstock triebe, ob die Granatbäume blühten.

*

Kehre! Kehre! Sulamith! Kehre! Kehre! Daß wir dich sehen. Seht ihr nicht Sulamith wie einen Reihen Tanz der Engel. Schön ist dein Gang in den Schuhen o Fürstentochter, deiner Lenden gleiche Gestalt wie zwo Spangen, Spangen des Künstlers Meisterstück. Dein Nabel ein runder Becher der Fülle, dein Leib ein Weizenhaufen umsteckt mit Rosen. Dein Hals ein Elfenbeinerner Turn, deine Augen wie die Teiche zu Hesbon am Tore Bathrabbim, deine Nase der Turn Libanon schauend gegen Damaskus. Dein Haupt auf dir wie Carmel, deine Haarflechten wie Purpur des Königs in Falten gebunden. Wie schön bist du wie lieblich! du Liebe in Wollüsten. Deine Gestalt ist Palmengleich, Weintrauben deine Brüste. Ich will auf den Palmbaum steigen, sagt ich, und seine Zweige ergreifen. Laß deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock, deiner Nasen ruch wie Äpfel. Dein Gaum wie guter Wein, der mir glatt eingehe, der die schlafenden geschwätzig macht.

*

Ich bin meinem Freunde, bin auch sein ganzes Begehren!

*

Komm mein Freund laß uns aufs Feld gehn, auf den Landhäusern schlafen. Früh stehn wir auf zu den Weinbergen, sehen ob er der Weinstock blühe, Beeren treibe, Blüten die Granatbäume haben. Da will ich dich herzen nach Vermögen

*

Die Lilien geben den Ruch vor unsrer Tür sind allerlei Würze, heurige, fernige. Meine Liebe bewahrt ich dir!

*

Hätt ich dich wie meinen Bruder der meiner Mutter Brüste saugt. Fand ich dich draus ich küßte dich, niemand sollte mich höhnen. Ich führte dich in meiner Mutter Haus daß du mich lehrtest! Tränkte dich mit Würzwein mit Most der Granaten.

*

Wer ist die heraufgeht aus der Wüsten, sich gesellet zu ihrem Freund?

*

Unterm Apfelbaum weck ich dich wo deine Mutter dich gebar, wo dein pflegte die dich zeugte.

*

Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn stark wie der Tod ist die Liebe. Eifer gewaltig wie die Hölle. Ihre Glut Feuer Glut, eine fressende Flamme. Viel Wasser können die Liebe nicht löschen, Ströme sie nicht ersäufen. Böt einer all sein Hab und Gut um Liebe man spottete nur sein.