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Gerrit Engelke

Wala

Erster Teil

Eine geräumige Hütte. An der linken Wand: einfach gezimmerte Bänke und Tisch, eine Feuerstelle. Rechts: eine fellbedeckte Ruhebank, eine Tür, die zur Kammer führt. An den Wänden und an den Ecken: Fischergerät, Felle, Axt und Speer. Im Hintergrund eine offene, große Tür. – Aussicht: von rechts nach links zieht sich schräg der Strand, ganz links sieht man noch Wald. Rechts seitlich vom Strand: das Meer. (Das Haus liegt, geschützt vor diesem, auf sehr hohem Ufer, das nach links in die Ferne sich mehr und mehr senkt.) Setel, im groben Kittel, Fellstreifen um die Beine gewickelt, lehnt an dem Türrahmen und sieht in den erwachenden Morgen.

Setel:
Nun ist das Leuchten über Meer und Wald
heraufgestiegen. Die ersten Silbermöven
enttauchen schon dem Morgenrauch des Meeres,
wie Funken jenes großen Sonnenlichtes –

Wala, in einfachem Kleid, kommt rechts aus der Tür. Sie verwundert sich, daß sie Setel schon auf sieht.

Setel er wendet sich nach ihr um:
Hat dich der frühe Tag nicht länger schlafen lassen? –

Wala:
Nur loser Schlaf ward mir in dieser Nacht
und unruhvolles Träumen. Ich sah es, wie
gemach die Nacht verblaßte, den Wind
hört ich im Walde sausend gehn – –
Wann wird er kommen?

Setel:
Er mag wohl bald zu unsrer Hütte finden,
Wohl auch erst, wenn der Tag uns spät verläßt –
Wir warten –
Doch, Rone, schläft sie noch?

Wala:
Sie schläft – – erzähle mir von seinem Wort,
Von seinem Gang, ob er dir ähnlich ist –

Setel: Er ist jung!

Pause.

Setel:
Das sind nun sieben Jahre her, seit ich
das alte Land, die enge Stadt verließ
und dann auf diese neue Erde kam.
Mir war es einst, als -wollten sich die starren
und schweren Mauern immer fester um
mich schließen, das Leben langsam mir zu dämpfen.

Ein Kriechen war das in den krummen, schmalen
und unratvollen Gassen, kaum ein Gehen.
Die Luft, die stückweis nur zu sehn, die wie
in Fetzen oben hing, war scharf und trübe,
von Lärm und Staub und Räucherqualm durchbeizt.
Und wollte ich die Sonne sehn, so war
gewiß sie hinter Turm und Schindeldach
gekrochen. Wald und Hang und grüne Matte
erschienen mir von ferne nur, wenn ich
am Außentore stand, von dem der Knecht
als Kind mich scheuchte. Der Sippen Ränkestreit,
beschränkte Rede, dumme Heuchelei
ward mir wie nichts zuwider. Ein starker Durst
nach andrem Leben füllte meine Seele –
Ein Drängen bohrte sich in mein Gehirn:
Ein Drängen nach der freien, offnen Welt.
Doch lange hielt ich es dann nicht mehr aus:
Der Sehnsuchtdrang brach los! Nicht Freundesrat,
Nicht Vaterworte konnten mich mehr binden:
Ich sprang heraus.

Wala:
Dann kamst du suchend hier herauf.

Sie bleibt, während er weiter spricht, ganz ruhig.

Setel:
Dann kam ich hier herauf und fand zu dir.
Ein Fremdling ich, der sich das Weib, das erst
dem Fremden nur wie untertänig folgte,
vom Vater holte.

Wala:Ja –

Setel:
Mag, Brond, mein Bruder kommen, mag er wohl auch
versuchen, ob er nicht den alten Flüchtling
zum Elternherd, zum Steinberg wieder locke –

Er lacht leicht, wendet sich wieder um und sieht am Ufer hinauf.

Wala leise für sich:
Ich hab ihn nie gesehn – doch –
ich glaube, er ist schön – –

Setel hält plötzlich die Hand vor die Augen; es kommt ein Mann den Strand heraufgelaufen; wie ihn Setel anruft, bleibt er nicht weit von der Hütte stehen und kommt dann, während er spricht, bis zur Tür.

Setel:
Wer bist du?

Wala hastig an die Tür eilend:
Ist er's?

Der Mann unruhig, stark atmend:
Herr, ich bin Birint, Ihr kennt mich kaum,
ich bin ein Fischer oben aus den Hütten!

Er zeigt hinter sich.

Setel:
Was willst du?

Der Mann:
Wir fanden einen Menschen, hart verletzt,
am steilen Hang, der hinter unserm Wald
sich senkt, an einem Baume stöhnend liegen!
Er schien nach Euch noch zu begehren.

Setel erregt:
Brond!

Wala:
Wo habt Ihr ihn?

Sie will hinauseilen, es kommen ihr aber draußen schon die anderen Leute mit dem Verwundeten entgegen. Sie tragen ihn herein und legen ihn auf die Ruhestätte. Er ist am Bein verletzt. Man erkennt einen schönen jungen Menschen, seine Augen sind geschlossen.

Setel zu den Fischern, die sich in der Tür drängen:
Geht.

Sie gehen zögernd fort.

Zu Wala
Gib Wasser her, daß wir das Bein ihm kühlen.

Sie reicht ihm Tücher und in hölzernem Gefäß Wasser. Setel löst die Binden von Bronds Fuß und legt die nassen Tücher darum. Wala steht fast starr etwas entfernt von ihnen und sieht den Kranken wie gebannt an.

Setel richtet sich auf und sieht zum Himmel.

Setel:
Ich muß nun wohl die Netze heben und
für unsern Abend sorgen. Sitz zu ihm
und kühle seine Stirn, und sollte er
erwachen, eh ich heim, so sprich ihm Ruhe zu.

Er nimmt einige Geräte und geht.

Wala befeuchtet Bronds Stirn, setzt sich an die Seite des Lagers und
sieht ihn fortwährend an.

Brond der die Augen öffnet, leise:
Wer bist du hier?

Wala:
Ich bin Wala –

Brond schließt die Augen wieder.

Wala sinnend und leise:
Ich wußte es, du mußtest so nur sein –

Sie sieht ihn noch immer an.

Der Vorhang fällt.

 

Zweiter Teil

Einige Tage sind nach den Vorgängen des 1. Teiles verstrichen. Brond sitzt in der Hütte, sein Fuß ist noch mit Binden umwickelt, er bewegt sich aber frei. Er springt auf beim Sprechen.

Man hört das dumpfe Brausen der See.

Brond:
Es darf nicht sein! –
Nun stieg es doch in mir, wie nach der Ebbe
Flut allmählich schwillt, und stärker wühlt
und endlich regellos in toller Brandung schäumt –
nun braust es, brennt's in mir, daß mir das Herz,
so jähe überstürzt, nichts andres mehr kann
fassen –
Es darf nicht sein!
Doch wie sollte ich aus diesem Meer mich selbst
erretten, als der, der über sich geruhig selbst
bestimmt –
Ich fühle tiefer mich noch sinken – daß mir
die Flut bald überm Kopf zusammenschlagen
muß – wenn du, in diesem Wahnsinn doch
ersehnt, wenn du mir nicht die Hand zur Rettung
bietest, daß ich mit dir auf diesen
Wogen gleiten mag – oder mir, starren Sinns
das »Nein«, das »Niemals« sagst – das mich ertrinken
läßt –
Ich weiß es nicht, woher das Wirbeln kam, wohin
die Wellen treiben mögen –
Es darf nicht sein –
und doch, es ist!

Schweigt.

Noch mag es sein, daß nicht die Liebe in ihr
spricht; noch mag es sein, daß nur der
Funke in ihr glimmt, daß er noch nicht zur
Flamme wuchs und zehrt, und dann als
Brand nicht mehr zu dämpfen ist – –
Ach, wenn sie herzlos sagte: ich liebe nicht,
nicht einen Heuchler, der listig am Herde
seines Bruders Raub begeht! Ich hasse dich!
Dann wär's genug.
Dann könnt ich leidgereiften Herzens
wieder landeinwärts ziehn – woher ich kam –

Schweigt und sinnt.
Es kommen: Setel, das Kind auf dem Arm, Wala neben ihm. Sie
wirft Netze, die sie trägt, in die Ecke. Brond erschrickt, faßt sich dann.

Setel: Da steht er nun und zuckt zusammen, als wenn der
Werwolf käme – die Luft treibt frisch da draußen,
Brond!

Wala: Der alte Schreck hält dir die Glieder noch gebunden, du leidest noch.

Brond: Leiden – nein, nein.

Setel: Hat dich die Einsamkeit hier schon gepackt, daß
du nur in dich selber horchst? Du solltest dich vor die
Hütte setzen: die See geht schwer und hoch und weiße
Kämme tanzen, das ist ein neuer Anblick für euch Landbewohner.

Brond düster sinnend: Ja, ich will gehen – hinaus –

Wala: Besser ist, er bleibt und ruht noch –

Setel: Du bist ein Weib.

Wala zu Brond: Doch möchte draußen Männerunrast
treiben zur Tätigkeit, du mußt noch bleiben.

Brond: Mein Schade ist nicht wert, daß ich noch, von ihm
spreche. Wo kommt ihr her?

Walabringt das Kind in die Kammer.

Setel: Wir haben unsre Netze eingezogen. Das Meer wühlt
schwarz vom Grund und Fische kommen nicht herein.
Ich will noch nach dem Heringkessel, die Netze holen,
sie möchten weggetrieben werden.

Wala kommt wieder.

Brond: So geh ich mit.

Setel: Recht.

Wala: Du solltest ...

Brond : Nein.

Die Männer gehen. Wala sieht ihnen nach und kehrt dann in die Hütte zurück; es dunkelt draußen.

Pause.

Wala:
– Was ist's, – was ist's nur, daß die Hand mir bebt,
daß dieses Herz, von seiner Kindheit an
doch ruhgewohnt, nun eigenmächtig zittert
und immer mehr im Blute pocht und klingt –
die Nacht und alle Stunden mir verwirrt,
als fing es jetzt erst an zu leben –
Es will nicht schweigen.– –

Sie schweigt.

Ein Fischer tritt in die Tür, Wala erschrickt und sieht sich um.

Der Fischer: Hollah! Sie atmet auf und wendet sich: Wo ist
Setel?

Wala: Er ist zum Heringkessel, will die Netze holen.

Der Fischer: So sage ihm, daß er die Boote sichert, daß er sie auf die Ufer zieht. Der Himmel schwankelt schon leise, und die See lauert dunkel. Schließt nachher die Türe gut, der Sturm möchte sich sonst gerne Flügel daraus machen.

Ich roch es schon vor Tagen, daß sich das Untier draußen wieder rühren wollte. Wir hatten zuviel Sonne. Das geht uns mürrisch, nein – ängstlich durch die Glieder: wir haben lieber Nebel, Wind, und irgendwas, worauf wir fluchen können. Wer weiß, wie uns das Untier heute wieder drohen, oder – fassen wird. Ihr seid gewarnt. Ich muß zu meiner Hütte. Er geht; in der Tür: Gute Nacht!

Wala: Gute Nacht – der Sturm kommt diese Nacht, der Sturm wird alle Deiche überfluten und alle Schleusen überstürzen – dann ist das Herz ertrunken – ertrunken in ... Liebe! Sie erschrickt über ihren lauten Ausruf und sieht sich um. Das ist's! das ist's, oh, dieses Wort – – Dies Wort, das wie ein Urteil in dies Haus hier fällt, und unbeschränkt Gewalt ausübt. Das überall so blutschwer saust, daß es der schlimme Springflutsturm nicht dämpfen könnte. Es kommt von draußen mit der Luft herein, aus allen Wänden schwillt dies grenzenlose Wort und findet seinen Weg durch meine Seele. Es hat mir Fuß und Finger, den schwachen Leib so eingeschnürt, und mir den Blick verwirrt, daß ich nur warte ohne Willen, ob ich in diesem engen Wirbel stehen oder fallen soll. – – Ein plötzlicher starker Windstoß schlägt die Tür zu. Sie fährt zusammen, geht zur Türe und ruf hinaus: Wer ist da? – – – Wer ist da? – –

Aus der Dunkelheit Setels Stimme:
Wir kommen! Wir kommen schon!

Pause.

Setel und Brond mit Netzen treten auf.

Wala: Hat euch der Abend eher nicht den Weg gezeigt, daß ihr so spät erst kommt?

Setel: Er überfiel uns schnell, so daß wir kaum den Pfaden folgen konnten. Erst als wir deine Stimme hörten, erkannten wir das Ziel und schritten stark der Hütte zu. Es ist auch früh genug.

Wala: Einer von den Leuten oben aus dem Dorf e kam vorbei und sprach von Sturm, und daß die Boote eingezogen werden müßten –

Setel: Sie sind gut am Pflock vertäut, es wird nicht nötig
sein.

Vom Eintritt an hat Brond, der hinter Setel steht, Wala stark angeblickt. Setel sieht sich um und bemerkt es.

Der Sturm pfeift.

Setel: Mein Sohn, dir sitzt der Traum schon wieder in den Augen – jag den Kuckuck weg, den du von weither mitgebracht. Er legt sein Ei in fremdes Nest und fliegt dann fort. Es ist ein arges Tier. Wir haben Möven hier am Meer –

Brond: Ein Kuckuck ist es nicht – doch Müdigkeit.

Wala: Setzt euch, ruht euch, ich werde gleich das Mahl auftischen.

Sie geht zum Herd. Die beiden Männer setzen sich einander gegenüber auf die Bänke.

Setel: Das wird ein Wetter geben diese Nacht – na, wir sind's gewohnt. Wenn auch die Hütte etwas schwanken wird, wir schlafen trotzdem gut.

Brond für sich: Mich wird die Nacht nicht schlafen lassen –

Setel fortfahrend: Vor Tagen war es schon so sonderbar da draußen – und den verdammten schwarzen Vogel, der Unheil krächzen soll, den sah ich auch – zum erstenmal –. Er flog vom Lande meerwärts über unser Dach dahin, doch merkwürdig, er schwebte regungslos und stumm hoch über mir vorbei.

Wala: Es wird ein Seeadler gewesen sein.

Setel: Nein, nein –

Brond düster: Oder war's ein Kuckuck?

Setel ihn scharf anblickend Ich glaube nicht an Geister, auch nicht an den Seeadler, den Unheilvogel oder den Kuckuck.

Wala: Schweigt, euch nistet schon der Schlaf im Kopf, läßt Traumkorallen darin blühn. Wir wollen essen und dann schlafen gehen. Es ist schon spät.

Setel: Trag auf!

Wala bringt einfaches Essen in Holzschalen auf den Tisch: Mag uns die wilde Nacht das Mahl nicht neiden. Greift zu, und laßt im Kumpe nichts zurück!

Sie setzt sich an die Tischspitze. Alle essen. Kurzes Schweigen. Der Sturm hat bis jetzt immer noch zugenommen.

Brond vor sich hinblickend: Ich werde bald den Weg landeinwärts schlagen –

Wala zuckt zusammen.

Setel:Was willst du?

Brond: Ich halt's nicht aus bei euch, das Meer bringt mich von Sinnen, es tost und tanzt mir Tag und Nacht im Kopf.

Wala hastig: Du willst gehen?

Setel lacht; dann Hat Zeit, mein Sohn, hat Zeit. Du würdest nicht sehr weit mit deinem Beine kommen. Laß nur den Sturm erst ausgeblasen haben, und Sonne auf den Wellen glitzern: Dann wird Heimweh schon verfliegen. Dies Brüllen draußen wird dich schließlich ängstigen, glaub's schon.

Brond: Das ist es eben –

Wala: Eßt, schwätzt nicht, ich sagte schon, der Schlaf ...

Es wird mächtig an die Tür geschlagen.

Mehrere Stimmen: Holiah! Holiah! Macht auf! Heraus!

Setel springt auf, reißt die Tür auf: Fischer stehen draußen. Man hört ein Horn in der Ferne rufen. Was ist?

Mehrere Stimmen: Der Deich hat Wasser durchgelassen!
Die Sturmflut droht hereinzustürzen! Kommt schnell!

Setel nimmt Schaufel und Beil und stürzt mit den anderen in die Nacht.

Brond will hinterher.

Wala ihn aufhaltend: Bleib!

Brond sieht sie groß an und sinkt dann stöhnend auf die Bank: Ich bleibe.

Walasieht hinaus, schiebt den Türriegel zu und bleibt dann vor Brond stehen.

Wala: Hast du denn Angst, daß uns die Flut mit diesem
Häuschen hinwegreißt in das schwarze Nichts? Stürmt
nicht dein Blut gewaltiger als dieser aufgeregte Teich?
Stürmt nicht dein Blut zum Herzen hin, daß diese Flut
dir nur ein Tropfen scheinen müßte?

Brond die Hand abwehrend hoch: Laß sein!

Wala nicht darauf achtend, fortfahrend: Sprich, gib mir Gewißheit, ob mein Ich haltlos der Dämmerung, der Einbildung verfiel, ob ich in Strudel sank, noch immer sinke? Ob dieses übervolle Herz mit hastigeren Schlägen ein neues, ungewisses, unstetbar umströmendes Erleben in sich sog – daß es mit heißer Wucht die Lippen nun zum Reden zwingt? Du weißt es, sprich!

Brond mit Selbstüberwindung; hart auffahrend vom Sitz: Ich will zum Deich, man braucht mich dort; untätig eigner Fährnis zuzusehen, das ist nicht Mannesart.

Wala: Untätig eigner Fährnis, eigner Herznot zuzusehen, das ist nicht Mannesart: drum sprich!

Brond geht zur Tür. Wala tritt vor ihn: Ich will heim, jetzt gleich, wenn auch der Sturm ...

Wala unterbrechend, hastig: Und wenn auch hundert Meere draußen stürzen, und wenn auch tagweit von hier dir Vater, Mutter sterbend lägen: Hier rast ein Meer wie Wahnsinn! hier schlägt ein Herz dir in das Blut hinein, wie nie der Herzschlag einer Mutter! Hier schlägt ein Herz in grenzenloser Not: hier ringen Tod und Leben unzertrennlich! Ich lasse dich nicht, ehe du mit schicksalsschwerem Wort mich leben oder sterben heißest!

Brond glühend: Und willst du, daß ich Flammen in dich schleudern soll, daß dich der Brand verzehrt wie mich, bis du verwüstet, ausgebrannt erstirbst? Halt ein! und ich will gehen!

Wala: Es brennt! es ist zu spät, nun mußt du bleiben.

Brond: Nun will ich bleiben, du hast mein Herz zum Sturm erregt, nun soll er dich erschüttern. Du hast's gewollt: nun siehe, wie zwei Arme dich ergreifen und erschüttern wollen; fühle nun, wie dieser Blick in deine Seele dringen und dir die letzte Freiheit nehmen will. Nun höre, wie mein Herz aus meinem Munde schreit, du hast's gewollt: »Ich liebe dich!«

Wala weicht zurück: Ich wollte es nicht, ich konnte nicht ... ich weiß, daß du mich liebst – laß mich, geh – ich will dich nicht mehr lieben.

Brond:Glüh ab, mein Herz, glüh ab, du hast kein Recht, dies Weib in deinen Bann zu stürzen – Er setzt sich wieder.

Wala lehnt gegenüber an der Wand: Du weißt, daß dieses Haus mit allem Leben drin dem Setel, deinem Bruder angehört ...

Brond bitter: Ja, ich bin sein Bruder.

Wala:Ich bin sein Weib, und unser Kind ist aus uns beiden. Ich war so jung, da er mich nahm, in seine Hütte führte – ich hatte noch den Kindersinn und war kein Weib. So ging ich mit an seiner Seite, wie es ein Kind an eines guten Mannes, an eines Vaters Hand wohl tut. Er liebte mich, ich wußte es – ich war ihm dankbar und erfüllte meine ungewohnten Pflichten und suchte ihm den Tag in dieses Haus zu bringen. Und unser Kind, das wurde ihm ein Glück. So war es, bis – bis du durch unsre Türe kamst. Da fühlte ich, daß ich nur Setels Frau und eine Mutter war. Du aber hast das Weib in mir geweckt. Doch er hat meine treue Hand; und meine andre, die nach grenzenloser Liebe greifen will, die muß, gelähmt, mit willenlosen Fingern sich ins Leere dehnen –

Brond:Und ich muß, daß ich diese Hüttenstille nicht mit feiger List verseuche, in meinen grellen Morgen gehn – ich weiß.

Wala:Du mußt. Und doch, wird nicht ein Rauch hier schweben, immer mehr zum Qualm sich dichten, daß jeder Atemzug erstickt –? Werden dann zwei Menschen nicht die Wände niederreißen, damit dann endlich letzte Klarheit einbricht, sei's Morgen oder Unglücksnacht? –

Brond steht auf. Ach bleib, daß mich nicht sonst dies Dach erdrückt und meine Seele liebelos in alle Weiten schreit –

Brond:Soll ich deine dargebotne Hand nicht niederschlagen und dir hart, im Gehn, »ich will nicht« vor die Stirne schleudern, und dich unbekümmert in den engen Wänden niederfallen lassen – daß ich's könnte –

Wala weich: Du sollst in unserm Hause bleiben und wie ein Freund in meiner Nähe sein – was sag ich – Freund? du liebst mich ja – Sie schluchzt.

Brond kniet: Laß mich in Schuld vor deinen Füßen liegen, dein Blick ist mir zu stark. Doch süßes Bangen faßt mich an und zwingt mich, meine Augen aufzuheben und sie in deine zu versenken, zu verlieren: du liebst mich ja!

Wala:Sei still, sei still, ich sollte taub sein gegen dich, doch strömt es übermächtig mir wie Flutgesang in alle Sinne – unendlich klopft mein Herz in allen Adern: steh auf, steh auf: ich kann nicht anders: ich bin dein! Hebt ihn auf. Sie halten sich bei den Händen.

Brond:Nun sieh mich an, dein Blick ist mein; nun sprich nicht mehr, dein Mund ist mein; dies Blut, das strömend unter meinen Fingern glüht, ist mein!

Wala:So halte ich mit meinen Händen mein grenzenloses Leben oder süßerträumten Tod; mein Herz schlägt nicht nach Abend oder Morgen und nicht nach anderm Dasein mehr, doch nur zu dir! doch nur zu Dir, Geliebter!

Brond:Dein Mund ist mein, dein Herz ist mein und zuckt und blüht von deinen Lippen – Er küßt sie und sie umarmen sich.

Wala:Nun mag uns diese Nacht nicht enden, uns trägt in Schlaf ein unfaßbares Glück –.

Windstoß. Sie fallen umschlungen in die Knie.

Vorhang fällt.