Otto Julius Bierbaum
Im Kahne
Otto Julius Bierbaum

Otto Julius Bierbaum

Im Kahne

Zwischen gelben Glocken und blauen Blütenhelmen fuhr ich ins grüne Schilf, raschelnd, mit meinem Kahn, und ließ mir erzählen.

Es sprach zu mir der Himmel so sehnsuchtweit, so feierlich: nur von der Sonne und ihrem goldenen Leben in Glut und ewiger Reife.

Und das Schilf schwatzte dazu, wichtig die grünen Finger erhebend: viele, viele Geschichten von kleinem, kurzem, kümmerlichem Glücke, aber dem Schwatzeschilfe schienen sie sehr bedeutsam, diese Geschichten, und auch die gelben Glocken und die blauen Blütenhelme waren dieser Meinung. Es bimmelten die einen und nickten die andern: »Jawohl! Jawohl!« – »So ist's! So ist's!« – »Ei ja!« – »Wunderschön ist die Welt!«

Burrr! Da kam eine Hummel geflogen, protzig im dicksten Pelze, ob es schon glühheißer Sommer war, und ängstlich, steif, still, starr standen Helme und Glocken und Schilf. Kein Laut. Ganz still.

O ihr Bangemeier!

Die dicke Hummel setzte sich auf eine weiße Dolde, so, wie sich ein alter, dicker Professor auf den Kathederstuhl setzt: So! Hm! Da bin ich!

Dann schlief sie ein.

Und leise hob sich das Flüstern wieder. Wellenglitzerchen im Wasser schwatzten mit. Grüngolden schien durch's Schilf die liebe Sonne.

O du weites, seliges Glück, zu atmen und zu schauen! Friede, Friede in Ewigkeit! Glück und Glanz und Glorienschein! Heilig atmet die Welt . . .

Da tanzten drei schwarze Libellen über das Schilf; leis knisterten die harten Deckel ihrer Schillerflügel im Surretanze, und allsogleich war alles wieder erschrocken stille.

Wie? Wie? Zu mir schwingt sich der schwarze Tanz? Um Gott! Um Gott! Mich packte entsetzte Angst.

Die Ruder setzte ich eilend ein und floh und floh über's Wellenblau: Die drei! Die drei! Die schwarzen drei!

Doch wie ich auch kräftig die Wellen schlug, sie kamen mir nach, sie blieben mir nah, umtanzend sich, umtanzend mich.

Ich fuhr und fuhr und wurde nicht frei; ich schloß die Augen, ich ließ mich dem Strom; im rasenden Sturze bergunter ging's; und immer sah ich die schwarzen drei, umtanzend sich, umtanzend mich.

Da griff ich um mich in wilder Wut, und wollte sie fangen und schlug und schlug: Da mehrten sie sich millionenfach; schwarz wurde die Welt, der Himmel schwarz; der schreckliche Tanz umknisterte mich wie ungeheuerer Steppenbrand . . . . . . .

Da wachte ich auf im grünen Schilf.

Leise schwankte mein weißer Kahn; ferne über dem graugrünen Spiele der zitternden Spitzen des Schilfes schwebten, Punkte nur, die drei Libellchen.

Und die gelben Glocken bimmelten wieder, und es tuschelten aufs neue die blauen Blüten, und es schwätzte wieder glücklich das biegefreudige Schilf, – und ich dachte mir meinen Teil.