Achim von Arnim
Owen Tudor
Achim von Arnim

Achim von Arnim

Owen Tudor

Eine Reisegeschichte (1821)

 

Die Tanzwut (Dansomanie), das himmlische neue Ballett, hielt nach der langweiligen Oper bis tief in die Nacht hinein alle Augen und Geister gefesselt und ließ sie auch nachher nicht gleich wieder los, nachdem der Vorhang längst gefallen war und die Tänzer von den Zuschauern in der großen Stadt London vielleicht auf ein paar Meilen Entfernung getrennt waren. Ich hatte bei der Anregung kaum eine Stunde geschlafen, als ich in die Postkutsche stieg, die alle Dienstage nach Holyhead in Wallis abgeht, wohin mich die uralten ungeheuern Bauwerke lockten. Meine Fahrt war mehr ein Träumen von den lieblichen Göttergestalten des Balletts und ihrer überirdischen Beweglichkeit als ein Schauen der beweglichen Erde, die mit all ihrer bunten Gestaltung an den Fenstern des Wagens ohne Eindruck vorübereilte. Erst beim dritten Umspannen der Pferde fiel es mir auf, wie schnell wir fortrückten, und ich mußte unwillkürlich die Worte meiner Sappho vor mir hersagen, als sie den Phaon begrüßt nach dem Wettrennen, in welchem er durch ihre Ermunterung siegte, als er eben von der Heftigkeit der Bewegung taumelte.

«Göttlich ist auf Erden die Geschwindigkeit,
Sie besiegt den weiten Raum, die enge Zeit,
Gegenwärtig macht sie überall zugleich
Spiegelnd hoher Götter ewig Reich;
Mit dem Anfang eint das Ende ihre Hand
Sich zum Siegeskranze; wie der Feuerbrand,
Schnell geschwungen, wird zum Feuerkreise,
So erscheinen ihres Wagens Gleise;
Eh' das Auge aufblickt, ist ihr Bogen
Durch die weite Rennbahn hingezogen.
Ihr gehört die Schönheit, weil sie flüchtig,
Der Gestirne Wallen, ruhlos richtig,
Ihr vertraut der Gott die mächt'gen Worte
In den Blitzstrahl aus der Himmelspforte,
Die da aufschlägt, Schauende verblendet,
Eh' sie zuschlägt, schon ihr Leben endet.
Träger rollt nach ihrer Flammengeißel Schwung
Donner über alle zur Erinnerung,
Träger rollen sich die schwarzen Wolken auf
Nach des glühen Donnerwagens Lauf;
Ja, die Welt erschiene tot in Leere,
Hübe nicht Geschwindigkeit die Schwere.»

Es wurde lange nicht viel gesprochen, wie das oft in englischen Postkutschen der Fall ist; endlich brachten ein paar Worte, die ich über das Ballett fallen ließ, meinen einsilbigen Nachbar auf dem Rücksitze in den Redefluß. Er berichtete mir, daß er diesmal bloß des Tanzes wegen nach Wallis, das er sonst schon kenne, zu reisen beschlossen habe, um sich nämlich selbst von einer verderblichen Religionssekte zu unterrichten, die sich dort in den Bergen immer weiter verbreite und durch Tanz ihre Begeisterung in der Kirche ausdrücke. Von diesem Springen hießen sie bei den Leuten die Jumpers Leser, die das Historische dieser Erzählung (ich meine das, was von Leuten mit dem Glauben aufgezeichnet worden, als sei es wirklich geschehen und gesehen) von dem zu scheiden sich bemühen, was als ernste Möglichkeit oder als Scherz der Erfindung hinein verwebt wird, werden vielleicht wünschen, über die in Deutschland wenig bekannte Sekte der Walliser Jumpers eine nähere Auskunft zu erhalten. Die vorurteilfreieste Schilderung derselben fand ich bei einem Greise, der sechzehn Reisen durch Wallis gemacht hat; sie sei hier im Auszuge beigefügt (Remarks upon North-Wales. By W. Hutton. Birmingham 1803, p. 94). «Im allgemeinen kann man sagen, daß die Welt so wenig einen neuen Religionskultus ertragen, als die Reinheit eines ältern Kultus lange erhalten kann. Es scheint, daß in Caernarvon die Leute längere Zeit von keiner Religionsübung sonderlich ergriffen waren; die höhere Klasse sah nach der Flasche, die niedere nach dem Zapfloch. Ich sah ein paarmal nur sechzehn Personen in der eigentlichen Kirche, während der Versammlungssaal der Dissenters und Methodisten gestopft voll war. Ich hatte viel Lächerliches von der Art Methodisten gehört, die Jumpers genannt werden. Einer glaubte, sie wären toll; der andre nannte sie Verräter, die Paines Schriften läsen, Absichten gegen die Regierung hegten und daher unterdrückt werden sollten. – Den 8. September 1799 ging ich zu ihrer Kapelle und fand alle Türen außerhalb mit Menschen besetzt. Nachdem ich durch diese hindurchgedrungen, befand ich mich in einem weiten Saale mit zwei Gallerieen, worin ungefähr fünfhundert Menschen versammelt waren. Der Prediger hatte ausgezeichnete Lungen, die Leute hörten mit Aufmerksamkeit. Nach einiger Zeit drückte er sich in kurzen Sprüchen der Schrift aus, meist aus den Psalmen. Nach dem Hersagen des einen erfolgte ein leises Hum! durch die Versammlung. Eine zweite Schriftstelle vermehrte dies, eine dritte noch mehr, kurz, in Zeit von einer Minute brach des Haufens wilde Gewalt in Stimme und Bewegung aus. Jeder hatte sich eine Sentenz gewählt, die er in einer Art Melodie, so laut wie möglich, aussprach. So viele verschiedene Melodien brachten eine Art Schauder hervor. Zugleich stellten sie sich einander gegenüber, und sprang der eine empor, so folgte der andre im Sprunge. Sie bildeten auf diese Art Ringe von zwei bis zu acht Personen, ohne Rücksicht auf das Geschlecht. Jeder suchte so laut und so lange zu schreien, so hoch zu springen, als ihm irgend möglich. Wer vom Springen ermüdete, erhielt den Körper doch immerfort in Bewegung. Der Prediger verschwand, wenn er die Leute so weit in Enthusiasmus gebracht hatte. Die alten Leute machten nur elende Sprünge, aber sie sprangen doch. Wer die Veranlassung nicht wußte, hätte alles für ein trunkenes Wirtshaus gehalten, worin einige zanken, andre tanzen. So dauerte es eine Stunde. Einige schienen eine Feinheit darin zu setzen, daß sie sich ausruhten und, wenn die andern ermüdeten, mit neuem Eifer aufsprangen. Den Männern stand im ganzen dies Springen besser als den Frauen; denn die letzteren verloren und verschoben ihre Kleidungsstücke und waren nachher so erschöpft, daß sie sich von ihren Bekannten mußten unterstützen lassen. Die Leute hatten den Ruf ordentlicher Sitten; ihre Kirchenordnung ist strenge und stimmt mit der der Quäker. Von Paines Schriften scheinen sie so wenig zu wissen wie von der Algebra.» , und er wolle das Parlament angehen, sie allesamt hängen zu lassen, daß der Wind ihnen den rechten Unterricht im Tanze gäbe. Die Sache war mir neu, ich konnte die Leute noch nicht mit Grunde verteidigen; ich fragte ihn bloß, ob nicht auch die Musik zu aller sündlichen Lust gebraucht werde, und doch, in der Orgel verherrlicht, die Andacht auf würdige Art umgebe und ausdrücke. – «Da sind wir nimmermehr einerlei Meinung», sprach er; «wir Presbyterianer halten die Orgel für des Teufels Dudelsack, womit er den Ernst der Betrachtung in Schlummer wiegt, so wie der Tanz die guten Vorsätze betäubt.»

«Aber die Alten», warf ich ihm ein, «hätten doch so viele Jahrhunderte mit Andacht getanzt.» – «Wer ist dabei gewesen?» sagte er; «den Dichtern brauchen wir nicht zu glauben, sie mußten sich offiziell das Beste dabei denken; aus dem Petron und manchen andern möchte ich schließen, daß ihre Religionen nichts anders waren als unsere Jahrmärkte, Parlamentswahlen, Lordmayor-Schmäuse, öffentliche Mittagsmahle und Redoutenbälle; von eigentlicher Religion wußten vielleicht die alten heidnischen Abgötter gar nichts. Doch das alles ist nur Vermutung; genug, sie sind antik und wir modern, und jeder muß zu eignem Gedeihen im eignen Geiste fortleben.»

So endete sich unser Gespräch; ich aber dachte weiter, wie doch der Mensch so gern trennen mag, was Gott zusammenfügte. Da hat er sich die Worte antik und modern erfunden, um durch die Weltgeschichte eine Brettwand zu ziehen, die ihm jede Aussicht über das Ganze raubt. Aber nach den alten Sagen ist nur das Ende der Welt mit Brettern verschlagen, von welcher Scheidewand am Ende auch wohl nicht viel mehr als von der Linie zu bemerken ist, von der mir heute ein spaßhafter Matrose versicherte, man müsse sich ein wenig bücken, wenn man sie passiere, damit sie einem nicht den Hut abstreife. Wenn wir uns also vor jenem Unterschiede des Antiken und Modernen nicht tiefer zu bücken haben, so werden uns die Jumpers nicht mehr erschrecken. Es sind keine künstliche Heiden, wie wir sie wohl unter den auf ihren Zimmern versessenen Gelehrten finden mögen, die, vom Geistigen übersättigt, nach alten Formen schmachten, die sie doch nicht beleben können; vielmehr sind es die rohesten, kräftigsten Söhne der Berge, die freilich in ihrer heitern Luft mehr Seligkeit in der Bewegung gespürt haben als wir im Tale. Und doch haben auch wir zuweilen in reiner Freude getanzt.

Ich wurde in meiner Betrachtung unterstützt und gestärkt durch die Frage einer Walliserin, die, in einen roten Mantel nach Landesart gehüllt, mit einem schönen, etwa dreijährigen Knaben auf dem Schoße, allein im Vordersitze des Wagens saß, weil kurz vorher ihre beiden Nebenleute die Kutsche verlassen hatten. Sie fragte nämlich den Presbyterianer, ob David nicht auch mit aller Macht vor der Bundeslade getanzt habe, und ob das nicht dein Herrn angenehm gewesen? – Jener sah sie an, in der Meinung, daß sie auch eine solche Methodistin sein möchte, und behauptete: wir ständen in einem neuen Bunde, und Davids Beispiel gehe uns nichts an. – Sie antwortete ihm ganz scharfsinnig: «Ihr Herren verfahrt eigen mit der Schrift! Wie es euch einfällt, soll uns ein Teil über alles und der andre gar nichts angehen. Wer hat euch die Vollmacht zu diesem Verfahren verliehen?»

Der Streit wäre lebhaft geworden, aber der Kutscher hielt still. «Hier ist das Schlachtfeld von Shrewsbury», sagte der Presbyterianer. «Seht, wie Heldengeister gehen da zwei Männer mit großen Schritten auf die Kutsche los; gewiß wollen sie einsteigen.» Die beiden Leute waren jetzt nahe; sie öffneten die Tür. Der jüngere von beiden, ein feiner, gewandter Mann, begabt mit lebhaften dunkeln Augen, half dem schwerfälligen Älteren in den Wagen, der uns mit großen blauen, hervorragenden Augen, wie sie Gall für das Wortgedächtnis fordert, aus buschigen blonden Augenbraunen über einer unendlich langen gebognen Nase anstierte. Sie setzten sich nach einem kurzen Gruße an beide Seiten der Walliserin, wie an einen Kamin, indem sie ihre Unterhaltung über ein paar alte Eisenstücke, die der Alte gefunden hatte, fortsetzten. Er glaubte, es sei ein Stück von dem Speere Percys. Der Junge gab ihm recht; nur die Walliserin lachte sie aus, indem sie versicherte, es sei ein Stück von einem mit Eisen beschlagenen Treibstecken, wie er beim Pflügen gebraucht werde. Der Alte zuckte verächtlich mit den Achseln; es ging aus seiner Unterredung hervor, daß er den Jungen sich verbunden hatte, ihm bei seinen antiquarischen Nachsuchungen behilflich zu sein, wofür er ihn wie seinen Sohn bewirten und freihalten wolle. Der Presbyterianer raunte mir in die Ohren, das gäbe eine recht kuriose Geschichte, und erzählte mir leise: beide seien zwei bekannte Reisende von Profession, die nur reisten, um Reisebeschreibungen herauszugeben, beide in Schriften schrecklich gegeneinander verfeindet. Nun schiene es aber, sie hätten beide falsche Namen angenommen, weil die Leute vor ihrer Art Öffentlichkeit etwas scheu würden, und gefielen einander recht gut. – Ich erkundigte mich näher, zu welcher Klasse von Reisebeschreibern sie gehörten. – «Der alte Herr», fuhr er fort, «reist, um etwas zu tun zu haben; seine Reisebeschreibungen sind wahrhaft, aber schrecklich langweilig; er wendet sein Vermögen daran, alle Kleinigkeiten, die er gefunden, Inschriften an Fensterscheiben und unbedeutende Steine in Kupfer stechen zu lassen. Niemand mag es kaufen, und da schilt er immer den Jungen einen Lügner, weil dieser mit einem gewissen Geist das Historische der Gegenden mit ihrer Anschauung zu verbinden weiß, die er in fließenden Versen schildert, wie es die Lesewelt verlangt, und dabei in artigen Skizzen die Gegenden mit schweren Sturmwolken, Schatten und zerzausten Bäumen ins Romantische zu übersetzen sucht. Aber die Reisen des Jungen werden bei allem Tadel des Alten gelesen, und er lebt vom Reisen, schimpft den Alten einen Pedanten, der bei seinen mühsam erforschten Altertümern nur zwei Gedanken habe, nämlich auf druidical superstition (druidischen Aberglauben) und popery (Pfaffentum) zu schimpfen, worunter er alle Denkmale aus älterer Zeit verstehe, und fragt, warum er also sammle, was er innerlich vernichte.»

Unterdessen sprach der alte Herr noch immer unermüdlich über die Schlacht bei Shrewsbury und konnte sich nicht beruhigen, daß Owen Glendower aus abergläubischer Furcht dem Percy beizustehen versäumt habe; einer seiner Voreltern habe dadurch auch Leben und Vermögen eingebüßt, und er nehme das dem Walliser noch immer sehr übel. – Der Jüngere meinte aber, jener habe in seinen Zauberkreisen wohl Ahnung gehabt, daß sein Sohn Tudor einst die englische Königin heiraten werde und dadurch Stifter eines mächtigen Königgeschlechts werde. – «Der Owen Tudor», unterbrach ihn hier die Walliserin, «war keineswegs ein Sohn Owen Glendowers; nicht einmal verwandt waren sie miteinander, das muß ich am besten wissen, denn ich stamme auch von den Tudors ab.» – Der Alte betrachtete sie verwundert, so viel es in der Dunkelheit möglich, und sprach: «Da seid Ihr ja mit dem hohen herrschenden Hause verwandt!» Dann stieg er mit großer Geschicklichkeit die genealogische Leiter bis zum hochglänzenden Gipfel des Baumes hinan, auf welchem eben Georg III. thronte. Er bezeichnete die Sprossen mit den Namen: Friedrich, Prinz von Wallis; Georg II.; Georg I.; Sophie von Hannover; Elisabeth, Gemahlin Friedrichs V. von der Pfalz; Jakob I.; Maria, der unglücklichen Königin von Schottland; Heinrich VII. von England; Edmund Tudor; Karl von Richmond bis Owen Tudor, dem Vater dieses Edmund. Dann ging er auch die Reihe englischer Herrscher aus dem Stamme Tudor bis zur großen Elisabeth mit sichern Schritten durch und behauptete, ihm sei dieser Owen Tudor so merkwürdig wie Adam, von dessen übrigen Taten man auch nicht viel wisse, ausgenommen, daß das ganze Menschengeschlecht von ihm abstamme.

Die Walliserin versicherte, daß sie sehr viel von diesem ihrem Vorfahren wisse, der wenigstens schon dadurch vor Adam ausgezeichnet sei, daß er der Schönheit seinen Glanz verdankt habe, während Adam sehr häßlich hätte sein können, ohne daß es aufgefallen wäre, weil er der einzige seiner Art gewesen. «Eine Menge Volkserzählungen knüpfen sich an Owen Tudor», fuhr sie fort; «der Himmel weiß, ob sie alle wahr sind. Aber das ist gewiß, wenn es Tag wird, kommen wir nicht zweihundert Schritt bei seinem ehemaligen Sitze, Plas Penmynidd, vorüber, der jetzt dem Lord Bulkeley gehört.» – «Das ist wohl ein herrliches Gut?» fragte der Alte. – «Es hat nicht volle vierhundert Acker», antwortete das Mädchen, «meist nur Weideland – die Könige sind reichlicher darauf gewachsen als das Gras –, sie tragen etwa 150 Pfund.» – «Ein armer Ritter», sagte der Alte. «Aber wie erzählt denn das Volk, daß er sein Glück machte?» – «Durchs Tanzen», sagte die Walliserin. – «Bitte», rief der Alte, «erzählt uns das, ich hatte meine selige Frau auch beim Tanze kennen gelernt, und wir führten, Gott sei Dank, eine recht glückliche Ehe.»

«Es ist eine lange Geschichte», sagte das Mädchen weiter, «aber die Nächte sind jetzt auch schon lang, und es ist gut, wir erhalten uns munter wegen der Straßenräuber, die hier an der Grenze von Wallis noch immer ihr Wesen treiben. Närrisch ist's, daß der Knabe schon als Kind der kleine König genannt worden ist.» – «Ich bin auch der kleine König», unterbrach sie der Knabe, der auf ihrem Schoße saß, und sie beschwichtigte ihn mit einer Birne. – Dann fuhr sie fort: «Er war der Liebling aller Leute, so stolz und zierlich ging er einher, und eine seltene Schönheit verband sich in ihm mit großer Gutmütigkeit. Aber von seiner Mutter, die eine arme Witwe, wurde er wenig gelobt, weil er nur in Stunden, wo er ganz sicher war, daß niemand vorbeikam, sich der Arbeit im Garten hingeben mochte. In dem Hause galt damals alles eine Verkäuferin, die wohl eigentlich etwas mehr zu sein schien, als wofür sie sich bei manchen Leuten ausgab, aber schlechtweg Sarah genannt wurde und das Land mit ihren Pferden oder auch zu Fuß durchzog und einkaufte. Diese beredete die Mutter, den Knaben geistlich werden zu lassen, weil er nicht arbeiten wolle, und auch zum ritterlichen Leben kein Geld habe; als Geistlicher werde er bei seinem Ansehen schon Glück machen. So wurde er zu einem Oheim Oswestry gebracht, der bei Clynag den heilenden Wasserteich des heiligen Benno als ein Klausner bewachte. Jetzt sieht da alles gar wüst aus; damals aber war es ein schöner kleiner Teich von behauenen Steinen, mit Sitzen eingefaßt; an einer Seite floß das Wasser aus, von der andern kam ihm Zufluß aus einem tiefen Felsenbette, an dessen Ufer in einiger Entfernung die Klause seines Oheims stand. Auch das Grab des Heiligen, das von Lord Newborough ausgegraben und zerstört worden ist, war damals noch wohlerhalten und sehr verehrt. Da beteten die Pilger und gingen dann zum Wasser, wuschen darin ihre kranken Glieder, und besonders kranke Augen. Wer das Antlitz des Heiligen im Wasser sah, der genas sicher, so meinten die Leute, und dann spendeten sie reichliche Gabe. Da aber seit längerer Zeit der Heilige sich immer seltener sehen ließ, der Kasten des Heiligen, der in der Kirche stand, also viel leerer blieb, auch der Klausner wenig erhielt, so hatte sich dieser entschlossen, selbst das gute Werk zu vollbringen und den Leuten Trost zu geben. Deswegen legte er sich aufs Tauchen, schwamm heimlich aus dem Bache in den Teich und nahete sich der Oberfläche; so faßte jeder Kranke im heiligen Schrecken gute Hoffnung. Aber allmählich wurde ihm dies Geschäft zu sauer; er war froh, den jungen Owen Tudor zu diesem Geschäfte abzurichten, und dieser, der ein Freund aller Leibesübungen, brachte es bald zur höchsten Geschicklichkeit in der Kunst zu tauchen. Waren die Kranken gegen den Winter fortgezogen, so unterrichtete ihn der alte Herr in allen ritterlichen Künsten; er focht mit ihm und tanzte, er lehrte ihn Französisch sprechen und schreiben und sagte ihm, daß er noch große Dinge mit ihm im Sinne habe. Sarah erschien abwechselnd, sprach viel Heimliches mit Oswestry und munterte den Knaben zum Lernen durch allerlei Geschenke auf. Tudor war fleißig und geschickt, er wuchs rasch, und endlich erklärte ihm der Oheim, er gehe jetzt voran nach Frankreich und werde ihn in kurzer Zeit abrufen lassen. Nach einiger Zeit erhielt Tudor durch Sarah einen Brief, daß er zu seiner Mutter gehen möchte, wo er Kleider finden und Abschied nehmen solle. Er war glücklich; es kümmerte ihn wenig, ob die Kranken künftig ihr eignes Gesicht oder das seine im Wasser sehen würden. Aber bei der Mutter war ihm nichts mehr recht; sie war ihm zu grob, zu schlecht gekleidet; er war froh, als ein Brief aus Caernarvon mit einem Paket ankam. Im Briefe meldete Oswestry aus Paris, daß er ihm die Stelle als Page bei der jungen Prinzessin Katharine verschafft habe; ein Schiffer warte auf ihn in Caernarvon; in dem Pakete sei eine anständige Pagenkleidung eingeschlossen. Die Mutter schnitt ihm ein großes Stück Speck von der dicksten Speckseite ab, gab ihm ein großes Brot und drei Küsse auf den Weg. Ein Bettelknabe mußte ihm für ein Riemchen Speck seine wenigen Sachen nachtragen; er stolzierte im neuen Kleide voran und bürstete sich, zum großen Staunen von jenem, alle fünf Minuten Kleider und Schuhe ab. So kam er reinlich zum Marktschiff und befahl in den Busch hinein, daß der Reitknecht seine Pferde sollte langsam nach Hause führen. Die fremden Menschen machten dem schönen Edelknaben mit Hochachtung Platz; er schnurrte ein französisches Lied auf dem Verdecke und schimpfte auf die unbequemen Sitze, als habe er nur aus Laune das gemeine Marktschiff bestiegen. Die jungen Frauenzimmer auf dem Verdecke schienen allmählich lebhafteren Anteil an ihm zu nehmen als an den plumpen Landtölpeln, die ihnen den Hof machten. Die eine soll ihm einen Apfel gereicht und er ihr gnädig geantwortet haben, daß er die Kerne zu ihrem Andenken in seinem Schloßgarten aussäen wolle. Das Aussteigen bei Caernarvon ist wegen des flachen Ufers etwas lästig; die Landenden müssen ziemlich weit über einen schmalen Brettsteig gehen, bei dessen Schwanken mancher in das Wasser daneben gleitet. Das Mädchen, welches ihm den Apfel gereicht, hoffte, er werde ihr den Arm geben; aber zu ihrer Verwunderung sprang er in seiner Gutmütigkeit einem alten Bettelweibe nach, das eben zum Gelächter aller ins Wasser hinüberzuschwanken schien, faßte sie beim Arme und führte sie glücklich ans Land. Als er sie dort verlassen wollte, redete ihn eine bekannte Stimme aus den Lumpen an. Er blickte unter die Kappe; es war Sarah, die ihn lobte, daß er diese erste Probe so gut bestanden habe. Unbemerkt führte sie ihn durch das Marktgewühl zwischen Schiffbauholz, wo niemand sie sehen konnte als der Bettelknabe, der ihm die Vorräte nachgetragen hatte. Dort sagte sie ihm: ‹Dein Glück wird dir nie fehlen, wenn du auch am Hofe keinem alten Weibe ohne Freundlichkeit vorbeigehst; sie regieren die Welt, weil ihre Jugendfreunde allmählich durch Veralten zu den höchsten Stellen aufsteigen; eine Höflichkeit von einem jungen Mann macht ihnen mehr Freude als zehen von einem alten. Glaub mir, ich kenne den Hof. Doch dies sei deine zweite Lehre: tue nie, als ob du jemand kennst, der von dir in irgend einer Gestalt oder Maske nicht will gekannt sein; darum halte die Frage, die dir auf der Zunge schwebt, zurück, wer ich eigentlich sei. Genug sei es für dich zu wissen, daß wir Walliser nach Glendowers Tode alle unsre Hoffnungen auf Frankreichs Küste geankert haben. Vier Hofregeln will ich dir noch geben: dich nicht zu schämen, dich nicht zu grämen, dich nicht zu ekeln, dich nicht zu ärgern; dein ist die Welt, wenn sie dir gefällt! Noch eins: verachte nie eine kleine Gabe, du weißt nicht, was sie wert sein kann; aber bemühe dich nur um Großes, so heißen dich die Leute am Hofe großmütig. Darum nimm auch diese Knieschnallen als ein gutes Vorzeichen des hohen Ordens vom Hosenbande an; ich habe jetzt nichts andres dir zu schenken, und dir fehlen sie, weil ich vergaß, sie mit den Kleidern einzupacken. Bewahre sie; es ist ein geheimer Angelhaken in der verbognen Spitze des Herzens.›

Owen wollte sich eben schämen, daß er ihr kein Gegengeschenk zu bieten habe, da fiel ihm die Vorschrift ein, und indem er ihr die Hand küßte, dachte er daran, daß er sich nicht ekeln dürfe. Nun zeigte sie ihm das französische Schiff, welches zu seiner Aufnahme bereit sei, und er folgte ihrem Rate, sich nicht zu grämen und zu ärgern, sondern stieg getrost mit seinem Pakete an Bord. Das Schiff hieß La Belle-France und war eng und schmutzig; der Schiffer trug papierne Handkrausen und langen Busenstreif ohne Hemde; er rühmte, daß nirgend so gut gegessen werde als bei ihm, denn sein Koch habe in der königlichen Küche gelernt, und setzte den Ankommenden gebratene Froschkeulen vor, und darüber lief der Bettelknabe davon.» –

Der alte Reisende sagte hier auf lateinisch zu dem jüngeren: «Es ist kein Volk so arm, es dünkt sich doch noch reicher als seine Nachbarn.» – «Hat er über mich gesprochen?» fragte die Walliserin. – «Keineswegs», sagte der Junge; «der alte Herr wird nur immer hungrig, wenn er die Nachtigall singen hört.» – «Hier ist noch ein Stück Pudding», sagte sie, «womit ich den guten Herrn füttern kann, und ein Stück Rinderbraten.» – Das gab eine Diversion, denn der alte Herr machte wirklich Anstalten zum Essen; er hatte einen ungeheuern Magen, und der Knabe langte in Sorgen mit seinen Händchen dazwischen, ob ihm auch noch etwas bliebe. Zum Glück fuhren wir jetzt bei einem Wirtshause vorbei, wo der alte Herr die Unterstützung seines Magens mächtig erwidern konnte. Es war alles zum Empfang der Postkutsche bereitet, und im Glasschranke auf dem Flur glänzten noch die trefflichsten Not- und Hilfsstücke. Kaum beachtete ich, daß der Wirt erzählte, ein Konstabel sei vor ein paar Stunden bei ihm eingekehrt, der einer Dame nachsetze, die in den Prozeß einer ausgezeichneten Frau verwickelt sei; aber ich bemerkte doch eine gewisse Verlegenheit auf dem Gesichte der Walliserin, als ob sie in irgend einer Art um diese Angelegenheit wisse. Aber beim Glühwein wurde der Gedanke bald vergessen. Der alte Herr brachte die seltsamsten Toasts zur Welt; die Walliserin schien sein Herz mit dem Pudding erobert zu haben.

Als wir wieder in der Kutsche zusammensaßen, flehte er sie um Fortsetzung ihrer Erzählung an. Sie erzählte weiter: «Als Tudor in Paris angekommen, wurde er in das Haus seines Oheims Oswestry geführt, das sich schon aus der Ferne durch ein ungeheures Wappenschild auszeichnete. Der ehemalige Klausner trat ihm in zierlichem seidnen Wams entgegen und tat, als ob er ihn zum erstenmal sehe, und Tudor wagte nicht, eingedenk der guten Lehren, ihn an ihre alte Vertraulichkeit zu erinnern, wenn sie die Gaben der Pilger eingestrichen hatten. Der vornehme Herr hatte sogar die Frechheit, ihm große Bilder von Plas Penmynidd zu zeigen, als ob dies eines der größten Schlösser der Welt sei. Nachdem er diese Probe bestanden, führte ihn der Oheim zu der Oberhofmeisterin der Prinzessin Katharine. Er hatte ihr die Hand geküßt und blickte auf – es war Sarah. Er hätte ihr um den Hals fallen mögen; aber er dachte ihrer Lehren und schwieg. Die Oberhofmeisterin musterte ihn und sagte, es könne etwas aus ihm werden. Dann führte sie ihn zur Prinzessin, die eben in einem Schäferkleide singend ihr Zimmer durchschritt, einen goldnen Schäferstab in der Hand, ein Lamm am seidnen Bande neben sich führend. Sie hatte sich also zu einem langwierigen Hoffeste gekleidet, das schon seit acht Tagen sich durch die Charaktere eines beliebten Romans mühsam hindurchwand. Sie nickte dem Pagen gleichgültig und schien seiner wenig zu achten. Als aber die Oberhofmeisterin das Zimmer verlassen, fing sie heftig an zu deklamieren und schlug ihm, als wär's von ungefähr, gegen die Schienbeine, daß er hätte schreien mögen. Dann mußte er die Arme ausstrecken, und sie gab ihm in jede Hand einen Teller mit Früchten, schien dies vergessen zu haben, setzte sich an einen Schreibtisch und ließ ihn so stehen, bis ihm die Arme aus Erschöpfung niedersanken. Da fielen ein paar Früchte von den Tellern, und er ward hinausgejagt. Am andern Tage hieß es, die Prinzessin sei nicht recht wohl. Sie empfing auf einem langen Sofa die ehrwürdigen Ärzte mit langen Bärten; diese verschrieben ihr große Gläser voll Arzeneien und empfahlen ihr Ruhe. Kaum waren die Arzeneien zur Prinzessin gebracht, so befahl diese dem Pagen, sie alle auszutrinken. Er gehorchte. Dann befahl sie ihm, mit ihr zu tanzen. Er gehorchte wieder. Die Prinzessin rühmte ihn, sie wolle nie mit einem andern tanzen als mit ihm; aber sie hörte nicht auf zu tanzen, obgleich ihm die Medizin die größten Qualen bereitete und er sich fast für vergiftet hielt. Solcher Streiche werden unzählige von der Prinzessin erzählt. Dabei mußte er ihr oft die Dienste ihrer Kammerjungfer leisten, ihr die beschmutzten Schuhe ausziehen, immer in Sorgen, daß sie die kleinsten Unschicklichkeiten mit Kniffen ihrer hohen Hand strafen möchte. Es war ihm ein betrübtes Leben; besonders auch deswegen, weil die andern Pagen des Hofes die Launen der Prinzessin sehr wohl kannten, weswegen sich keiner zu ihrem Dienste entschlossen hatte. Ließ er seinen Ärger ein wenig merken, so versüßte ihm die Prinzessin seinen Dienst, indem sie Näschereien und Früchte für ihn fallen ließ. Dabei war sein Auskommen nicht glänzend; der Hof war jammervoll knauserig, die meisten Pagen raubten, wo sie konnten, und nahmen Bestechungen an. Bei ihm war dazu keine Gelegenheit; die Oberhofmeisterin übersah alles mit großer Aufmerksamkeit. Wenn die Prinzessin ihn abends mit ihren Cousinen müde getanzt hatte – denn er galt nun einmal für den besten Tänzer –, dann mußte er in der Nacht sein einziges Hemde waschen, daß er am andern Tage wieder reinlich erscheinen konnte. Der Oheim verlachte ihn, wenn er Unterstützung begehrte. Das sei Hofleben, sagte er, er müsse sich daran gewöhnen wie jeder andre. Er hielt sich für sehr unglücklich und sollte bald fühlen, daß er bei aller dieser Not und Quälerei sich sehr glücklich befunden habe. Es zog aber ein Geflüster der sich entwickelnden Parteien, wie der Schnupfen, durch den Hof; eine Hälfte der Hofleute sprach bald nicht mehr mit der andern. Der schwache König, der Dauphin, die Großen des Reichs hatten jede ihre Partei von Schwätzern; die Pagen hieben sich untereinander grimmig auf dem Fechtboden herum. Die Prinzessin nur schien ungestört lustig und rieb mit Balsam die von Rapierhieben gelähmten Finger Tudors. Er konnte am wenigsten aus dem allen klug werden, weil er in der Geschichte von Frankreich noch sehr fremd war. Eines Morgens schrie ihm die Oberhofmeisterin mit entflammten Augen entgegen: ‹Ein Traktat ist zu Troyes geschlossen, ich bleib nicht am Hofe!› – Dabei warf sie ihm das ganze Frühstück an die Erde. Die Prinzessin lief in ihrem Zimmer herum wie ein Eichhörnchen und schrie immer: ‹Ich will den wilden, ausschweifenden König von England nicht heiraten, und wenn er mir zu nahe kommt –›, dabei ging sie mit einer Stecknadel auf den erstaunten Pagen ein und stach ihn, wie es traf. Nun merkte er wohl, daß die Oberhofmeisterin die Prinzessin zur Flucht mit dem Dauphin bereden wollte. Der Prinzessin war alles recht; aber sie konnte nicht mit dem ritterlichen Anzuge fertig werden, den sie sich erfunden hatte. Darüber versäumte sie die Zeit; es wurde verraten; Oswestry und die Oberhofmeisterin waren verschwunden. ‹Nun werde ich den garstigen König doch heiraten müssen›, sagte die Prinzessin und befahl dem Pagen, Lichter zu dem großen Bilde hinzutragen, das an dem Tage aus England angekommen, den königlichen Bräutigam in goldner Rüstung darstellte. Sie betrachtete es eine Weile und seufzte: ‹Ach, wenn er nur nicht noch häßlicher ist als sein Bild.› – Dann befahl sie dem Owen, ein Stück Kreide zu bringen und dem Bilde über die Rüstung einen weißen Schlafrock zu malen und um den Kopf ein weißes Tuch, wie es der schwache König tragen solle. Als diese Malerei vollendet war, seufzte sie wieder: ‹So wird er aussehen, der bleiche Knochenmann, der Tod, wenn er mich in seine Arme nimmt.› – Owen erwiderte: ‹Es soll aber ein schöner Mann sein.› – Das brachte sie auf; sie gab ihm eine Ohrfeige, und als er nach seinem kleinen Degen griff, gab sie ihm einen Kuß und sprach: ‹Er ist doch nimmermehr so hübsch wie du und tanzt gewiß nicht so gut wie du; ich schaffe dir ein Kriegsheer an und ein Königreich, daß du mich heiraten kannst.› Dabei liefen ihr die Tränen über die Backen, sie ergriff den Pagen und tanzte mit ihm einen unsrer Walliser Tänze, den sie von ihm gelernt hatte. Aber mitten im Tanze blieb das leichte seidne Kleid der Prinzessin an dem Herzen einer der Granatenschnallen hängen, welche ihm die Alte damals so bedeutungsvoll überreicht hatte; wahrscheinlich war es die linke, weil da sein Herz heftig schlug und zu ihr hingezogen wurde. Er wollte die Schnalle lösen; aber sie verhinderte ihn daran. Und gleichsam als wäre ein Zauber darin gelegt gewesen, der mit diesem Anschlagen der Wünschelrute gehoben worden, so verschwand aller Scherz von ihrem Antlitz. Sie sagte dem Pagen ernst: daß dies ihr letzter froher Tag sei, daß sie getrennt würden, daß sie sich wiedersehen würden, daß sie dieses Anhängen seiner Schnalle als eine Vorbedeutung seiner Anhänglichkeit aufnehme, daß er ihr schwören solle, sich keiner andern Frau zu nahen, sondern ihr treu bleiben bis in den Tod, auch wenn er sie nicht sähe. Er schwur, und wußte kaum, was er sagte; denn erst in diesem Augenblicke war ihm eingefallen, daß er wohl eigentlich die Prinzessin wegen ihrer steten Befehle, Schläge und Scheltworte gar nicht so sehr hasse. Sie fielen einander in die Arme; es gefiel ihm wohl, aber er dachte doch kindisch in sich: Wie lange soll das dauern, nimmt das kein Ende, sie zerdrückt dir den Busenstreif. Diesen Busenstreif rettete der König Heinrich von England, der angekommen war, um sein Königreich und seine Braut zu überraschen und in Empfang zu nehmen.»

«Ja, es war ein unbegreiflicher Traktat, der von Troyes!» unterbrach der alte Herr im Wagen, «obgleich für England sehr vorteilhaft. Wie der Wahnsinn einen König und seine Räte ergreifen konnte, aus Haß ein ganzes Königreich zur Aussteuer zu schenken! Aber auch für England war es in Hinsicht der Folgen ein Glück, daß der Dauphin sich dem Traktate nicht unterwarf Alles Gute in der Welt geschieht doch nur durch Opposition, nicht durch Einsicht; darum bleibe ich bis an mein Ende bei der Opposition.» – «Brav gesprochen», rief der schweigsame Presbyterianer; «aber wir müssen doch hören, wie es dem Tudor weiter ergangen.»

Die Walliserin fuhr fort: «Zum Glück für beide stand das große Bild gerade vor der Türe, als der kriegerische König von England mit klirrenden Sporen und dräuender Rüstung in den Saal trat. Der Page sprang nieder, als ob er einige herabgefallene Blumen aufhebe, die Prinzessin aber trat mit Heftigkeit dem Ankommenden entgegen, daß ihr Oberkleid, ein Mantel, der an der Schnalle noch festhing, ihr von der Schulter fiel und sie um so reizender im leichten Unterkleide dem Könige erschien, je weniger sie ihm in dem Augenblicke gefallen wollte. Er beachtete auch bei der eigentümlichen, etwas spöttischen brünetten Schönheit wenig, was umher vorgegangen; er packte sie an wie ein Bär, und drückte sie an sein verpanzertes Herz, daß sie von der Kälte des Stahls ein Fieberschauer anzuwandeln schien. Sie hätte ihm gern eine Ohrfeige gegeben, aber der stolze englische Held meinte, daß sie unendlich verliebt in ihn sei. Er beschaute endlich sein mit Kreide bemaltes Bild, und da er durch seine frühere Lebensweise keine sonderliche Achtung für das weibliche Geschlecht empfangen hatte, so mochte er es auf ihre Wünsche für das häusliche Leben deuten, legte auch seine Waffen ab, machte es sich häuslich bequem und schwur, daß er seine Hochzeit schon am nächsten Tage feiern wolle. Der Page mußte das alles in demütiger Entfernung anhören und bei sich denken: Wenn du ihn auch ritterlich bekämpftest, sie würde darum doch nicht dein! Am nächsten Tage wurde er nebst der andern Dienerschaft reichlich beschenkt entlassen, um der englischen Dienerschaft keine Ursache zu Streit und Eifersucht zu geben. Der Gram ergriff ihn, er meinte nicht leben zu können, ohne die Prinzessin zu sehen, und rüstete sich, um die Last einer öden Zeit von sich zu wälzen. Aber die Last war zu schwer, er verfiel in eine harte Krankheit. Der Geistliche, welcher zu ihm gesandt worden, glich seinem Oheim, aber er durfte es ihm nicht sagen. Jener regte sein Gewissen an, ob er nicht einen heiligen Beruf an der Wunderquelle verlassen, um sich der schnöden Weltlust zu ergeben; er machte es ihm zur Pflicht, wenn er genesen sollte, dahin zurückzukehren und ließ ihm ein härenes Gewand zurück. Als der Page genesen, folgte er seinem Gelübde und zog in seinem Pilgerkleide an Bennos Quelle nach Clynag zurück, die jetzt, nachdem das Wunder des heiligen Gesichts so lange ausgeblieben, etwas verlassener war.»

Der Presbyterianer unterbrach hier die Erzählung, indem er mit einiger Besorgnis fragte: «Was Teufel sind das für zwei Reiter, der eine auf dem Schimmel, der andre auf dem braunen Weißfuß? Sie sind schon zweimal an uns vorbeigeritten.» – «Haben wir Waffen?» fragte der junge Schriftsteller. – Der Alte holte ein Pistol aus seiner Tasche, bedauerte aber, daß er es vor ein paar Tagen wegen eines merkwürdigen Widerhalls abgeschossen und nicht wieder geladen habe. Es fand sich, wie gewöhnlich bei solchen Gelegenheiten, daß die Nachlässigkeit der Menschen weit größer ist als ihre Vorsorge. Jeder Widerstand wäre unmöglich gewesen; es suchte nur jeder seine Banknoten, wie er am besten vermochte, in den Stiefeln oder wo sonst zu verstecken. Gleich darauf jagten die Reiter wieder vorüber und befahlen dem Kutscher still zu halten. Wir mußten das Fenster niederlassen. Eine ernste und feste Stimme fragte: ob nicht eine junge Dame in einem schwarzen Samtmantel mit einer Spitzenhaube in den Wagen gestiegen sei. Wir erklärten mit Aufrichtigkeit, eine solche Dame sei uns auf dem Wege nirgends begegnet. Die Walliserin aber sagte mit einer weichen, verstellten Stimme, die ich dem Schrecken zuschrieb: sie habe ein solches Frauenzimmer in dem Wirtshause gesehen, wo wir zu Abend gegessen; sie hätte die Nacht da zubringen wollen. Die Reiter dankten für die Nachricht und jagten zurück. «Gewiß eine Entführte», sagte der jüngere Reisende, «ein unglückliches Opfer; ich hätte sie nicht verraten können!» – «Ich habe sie auch nicht verraten», sagte die Walliserin, «vielmehr habe ich die Herren in den April geschickt; ich habe keine solche Frau gesehen.» – Die weibliche List wurde von allen bewundert, und wie die Frauen gleich füreinander Partei nähmen, ohne sich zu kennen. Der Kutscher rief in den Wagen, ob wir wohl die Leute gekannt hätten; der eine sei ein Konstabel gewesen aus London; es müsse an dem Frauenzimmer sehr viel gelegen sein, das er suche: er habe ihm ein paar Pfund für sichere Auskunft geboten.

Nachdem dies Gespräch erschöpft war, kamen wir wieder auf den Tudor. Wir baten die Walliserin fortzufahren. «Da saß nun Tudor», fuhr sie fort, «wie ehemals an der Quelle und hatte mit dem Jahre Abwesenheit nichts gewonnen als ein Paar Knieschnallen und eine schmerzliche Erinnerung. Die Leute sagten ihm wohl, daß er schön geworden, reichliche Opfer füllten den Opferstock bei seiner Klause, allmählich ließ er den Leuten auch wieder das Wundergesicht sehen, damit es nicht auf einmal zu sehr auffiel, wenn sich dies wieder allen zeigte; aber es wurde Winter, die Quelle fror zu, die Reisenden blieben aus, und er mußte sich auf das Singen legen, um sich mit sich selbst zu unterhalten. So entstand manches Lied, das noch jetzt bei uns gesungen wird; aber keiner von den Herren versteht das Wälische.» – «Ich will es übersetzen», sagte der Alte; «wenigstens weiß ich genug, um den Sinn im allgemeinen zu fassen.» Sie sang, der Alte übersetzte dazwischen, und es klang wie im Schauspiele, wenn ein Spieler ohne Gedächtnis und dabei harthörig ist; die Stimme des Souffleurs tritt da, gleich der Rede beim Melodrama, zwischen jeden Satz, störend und doch notwendig.

«Nun die heil'gen Quellen stocken,
Fließen schelmische Gedanken,
Und die bösen Geister locken
In des Herzens enge Schranken:
Und sie heizen wacker ein,
Und ich kann kein Heil'ger sein.

O ihr schelmischen Gedanken,
Weihrauch kann euch nicht verhüllen.
Und was hilft's mit euch zu zanken?
Ihr behaltet recht im stillen.
Eure süße Möglichkeit
Gibt mir schon die Frühlingszeit.

Blütenlauben, Lustgedanken
Mir den Himmel schon verschließen
Mit den reichen grünen Ranken,
Mit den Farben, die mich grüßen
Und wie rote Lippen prangen;
Doch in Blüten lauern Schlangen!

Hier noch ein andres Lied, voll Erinnerung aus seiner Pagenzeit.

Zarter Stab der stolzen Schäferin,
Die mich früh zu ihrem Ritter schlug,
Zepter meiner kleinen Königin,
Der mich einst umsaust wie Adlerflug,
Ach jetzt sehn ich mich nach deinen Schlägen
Wie die Flur nach Donnerschlag und Regen.

Als ich einst im Vorsaal ruhig schlief,
Goß sie über mich ein Wasserglas
Und dann eilig aus dem Zimmer lief,
Daß ich fluchte, weil mir kalt und naß,
Bis mir einfiel, wer die Taufe schenkte;
Da schien Himmelstau, was mich erst kränkte.

Abends trug ich einst ihr Kerzen vor
Und sie blies mir beide heimlich aus,
Schalt mich dann; ich widersprach, ich Tor,
Und sie schlug mich mit dem Blumenstrauß,
Stolperte und fiel dann auf mich nieder,
Und ich dachte: Nun, da straft sich's wieder.

Ach wie straf ich mich, ich war so blind,
Daß ich nie mein gutes Glück erkannt!
Sie war heftig, und ich war ein Kind,
Ja, ich weinte, weil ich's nicht verstand;
Setzte sie den Stuhl auf meine Füße;
Dacht' ich nicht, das sind Prinzessin-Grüße.

Katharina war als Königin von England nicht glücklicher in der Mitte ihres Hofstaats als der arme Tudor mitten im Schnee. Ihr Gemahl, der stolze König Heinrich, hatte in seiner ausschweifenden Jugendzeit zu viel geliebt, als daß er sich ihr mit dauernder Liebe hätte hingeben können. Er nahm ihre Jugendschönheit, wie eine Trophäe, mit Stolz hin; aber jede Stadt, die er einnahm, bot ihm neue Trophäen der Art. Auch war der Traktat von Troyes nur zur Hälfte in Erfüllung gegangen, darum glaubte er sich auch nur zur halben Dankbarkeit verpflichtet. Es kam zu Vorwürfen, und die Königin, welche seine gegenwärtigen Verbindungen nicht kannte, spottete immer über jenes verachtete Dortchen, von der uns noch Shakespeare einige Nachrichten hinterlassen hat.»

Der Presbyterianer flüsterte mir in diesem Augenblicke zu: «Was weiß ein Walliser Dienstmädchen von Shakespeare; die ist gewiß nicht, wofür sie sich ausgibt, und ich müßte mich sehr irren, wenn ich nicht unter dem roten Mantel jenen schwarzsamtnen bemerkt hätte, nach welchem der Konstabel so sorglich fragte.»

Die Walliserin erzählte unterdessen weiter: «Der König rühmte dieses Dortchen, und die Königin, um ihn zu ärgern, rühmte einen Pagen, den sie gerade damals vor dem Bilde des Königs geküßt habe, als dieser hereingetreten. Das ärgerte und reizte den König; er wollte den Pagen entdecken; es entstand eine Art Eifersucht, eine Zerrerei, die den Anschein der Liebe hatte. Die Königin hatte ihm auf solche Weise mit ihrem Mutwillen manche ärgerliche Stunde bereitet. Als daher der König unerwartet, mitten im Laufe seiner glänzenden Bahn, von Krankheit niedergeworfen wurde, als er starb, da machte sie sich bittere Vorwürfe, als ob sie sein Leben verkümmert habe, und überließ sich ebenso unbesonnen ihrem Schmerz und schweren Büßungen. Ob sie dadurch besser geworden, bleibt ungewiß, aber ihre Gesundheit verschlimmerte sich, und das Weinen verdarb ihre Augen. Da kam eines Tages die alte Oberhofmeisterin mit dem Ritter Oswestry in ihr Schloß, erzählte ihr, daß sie die Sache des Dauphins aufgegeben hätten, miteinander vermählt wären und ihre alten Tage in ihrer Nähe zubringen wollten. Die Königin war sehr erfreut von ihrer Anhänglichkeit; sie klagte über ihre Augen und fragte nach Tudor. Sarah wollte von dem schönen Pagen nichts wissen, denn sie fürchtete die Geschwätzigkeit, mit der die Königin ihren Kammerfrauen alles vertraute; aber sie riet ihr, das Wasser und das Wundergesicht in Wallis zu brauchen. Nach einiger Zeit entschloß sich die Königin dazu, als in den lieblichen Maientagen ihr Schmerz in unzähligen Tränen ausströmte. Sarah übernahm es mit Oswestry, für die Bequemlichkeit der Königin in unserm damals noch von der englischen Brandfackel rauchenden Lande zu sorgen, und reiste voraus. Zuerst besuchte sie Owens alte Mutter, um diese zu bereden, sich ein würdiges, großes Ansehen zu geben. Die alte, geradsinnige Frau, die aber ihr lebelang in dem Garten gewietet, gehackt, gegraben und ihre Kühe gemolken hatte, wollte von dem Glanze ihres Hauses nichts wissen: wenn die Königin käme, wolle sie ihre paar Worte auch schon zu setzen wissen, mehr sei nicht nötig, und an ihrem Jungen habe sie ein Beispiel, daß beim Hofleben nichts zu erwerben sei. Sie begab sich also zu Tudor, der eben sein Heiligenkleid trocknete, welches, mit einem Schwimmgürtel versehen, ihm das Tauchen erleichterte. Sie fragte ihn, wie es gehe. Er raufte sein Haar und sagte, daß er verzweifeln müßte in seiner Lebensweise, wenn er nicht zuweilen den Trost hätte, unglücklich Leidende durch sein Erscheinen im Teiche zu neuer Hoffnung zu wecken und manche in dieser neuen Lebensanregung zu heilen. Sie ermunterte ihn, jetzt mächtigere Hoffnungen selbst zu fassen; er solle versuchen, ob ihn die Königin liebe, ob er sich durch ihre Liebe an die Spitze aller Parteien stellen könne, die England zerrissen, und auf diesem Wege England und Wallis durch ein neues Königsgeschlecht, das er begründe, miteinander versöhnen könne; denn sie habe nun einsehen lernen, daß Wallis und Frankreich auf ewig durch die tiefe Meereskluft voneinander geschieden wären. – Er ließ sich dieses alles wohl dreimal sagen, ehe er nur wußte, was sie wollte, dann aber schwindelte ihm fast vor Entzücken. Er herzte die gute Sarah, er tanzte umher vor der Klause, so daß die Kinder auf ihn die Spottreime machten:

‹Da drohen am Hügel,
Wo die Nachtigall singt,
Da tanzt der Einsiedel,
Daß die Kutt' in die Höhe springt.›

Und als er sogar die Alte in seiner Walliser Begeisterung mit ergriffen und beim Weggehen bei der Kapelle im Tanze geschwenkt hatte, sangen die Kinder:

‹Da drunten am Brunnen
Bei seiner Kapell',
Da ist er gesprungen
Mit seiner Mariell.›

So sind wir nun einmal in Freude und Leid; da übernimmt uns die Hitze, und wir verlieren, verschwenden in einer Stunde, was wir in Jahren bewahrt, gesammelt, erworben haben. Hätten wir englisch Blut, da stünde es mit uns besser.» Der Presbyterianer stieß mich bei diesen Worten der Walliserin mit dem Knie an und wies auf den Knaben, dessen herrliche Züge von dem Monde im Schlafe eben beschienen wurden; dann sagte er leise: «Englisch Blut, in Wallis eingeschwärzt!»

Die Walliserin fuhr nun fort zu berichten, mit welchem Eifer sich Tudor im Tauchen und Schwimmen vervollkommnet habe, um jeder Entdeckung vorzubeugen, wenn er sich der Königin nahte, um sie auf die Probe zu stellen, ob sie ihn noch liebe. «Er befestigte ein Paar Leitersprossen unter dem Wasser, um seiner Bewegung ganz gewiß zu sein. Auch schaffte er sich von den reichlichen Spenden der Pilger ein neues, glänzend weißes Kleid an, wie der in der Kapelle gemalte Heilige trug, und nähte es sich selbst, welche Kunst er als Page aus Not, um seine Kleider hofmäßig zu erhalten, gelernt hatte.

Endlich ward die nahe Ankunft der verwitweten Königin der Gegend bekannt, zog aber wenig Pilger herbei, denn man war allen Englischen abgeneigt. Die aber kamen, wurden noch durch die englischen Ritter vom Hosenbande entfernt, welche zur Sicherheit ihrer Königin vorausgezogen waren. Tudor erregte keinen Verdacht; auch war er notwendig zur Reinigung des Teiches und der Sitze und zum Bestreuen derselben mit Blumen. Endlich sah er aus seiner Klause mit klopfendem Herzen den prachtvollen Zug der englischen Ritter, welche die Königin umgaben, den Schlangenpfad am Berge herabreiten. Die Königin saß schwarz verschleiert auf einem getigertem Pferde; auf ihrer Hand trug sie einen Falken, dessen Kappe gleiche Farben zeigte wie Tudors Pagenkleidung, nämlich rot und blau. Als sie sich dem Brunnen näherte, nahm sie dem Falken spielend die Kappe ab, und dieser zur Vergeltung zerrte ihr wieder den Schleier herunter, daß Owen beide Hände vor die Augen legte und seufzte: ‹Sie ist noch schöner geworden! Wie frisch, wie voll! Englands Luft hat die magre Kost Frankreichs überwunden. Sie ist auch größer geworden, das seh ich, nun sie abgestiegen, an dem Ritter Blason, der mit dem Könige Heinrich damals ins Zimmer trat. Nun macht sie Kunststücke mit dem Tiger; er muß den Fuß aufheben, er spielt mit dem goldenen Gebisse! – Au weh, die Bestie beißt die Königin! – Nein, sie lacht, er hat sie nur ein wenig gekniffen; sie muß ihn schon kennen. Er mag ihr jetzt lieber sein als ihr treuer Page! Wie nennt sie ihn? Ihren Owen, ihren süßen Owen, und wie zärtlich küßt sie seine fleischfarbenen Nüstern! O du lieber, einziger Knabe, sagt sie!› –Was wollen wir ihn weiter anhören. Die Liebe hat ein ewig Einerlei und möchte auch nur ewig sein, um immer so einerlei zu bleiben. Diese Reden hatten dem frommen Owen alles Zutrauen zurückgegeben, und wie sie erst jetzt etwas alles Ausschließendes in seinem Herzen geworden, so glaubte er auch in ihr zu einem Throne gelangt zu sein. Nun sah er das Zelt der Königin, rot mit Gold verziert, in seiner Nähe aufschlagen; er sah, wie sich die Ritter auf den fernen Hügeln zu regelmäßigen Wachtposten zerstreuten. Die Königin ging dann an seiner Schwelle vorüber, legte ein Almosen darauf und bückte sich dabei so anmutig, daß er es nicht unterlassen konnte, mit den Rosenblättern, die er über die Tür ausstreute, ihr Kopf und Brust zu röten. Dann aber eilte sie mit ihrem Falken ganz allein zum Brunnen, warf ihre goldnen Schuhe ab und zog die seidnen Strümpfe aus, um mit dem Fuße die Kühlung des Wassers zu prüfen, während der Klausner schon hinter dem Felsen nach ihr hinblickte. Sie erschrak aber vor der kühlen Welle und begnügte sich, ihre Augen mit dem Wasser zu erfrischen, das sie mit beiden Händen sorgsam emporhob. Jetzt sah er deutlich den verhaßten Ring ihres verstorbenen Gemahls und beschloß, sein erstes Kunststück zu machen, indem er eintauchte und, als sie wieder im Wasser mit der Hand spielte, ihr den Ring so leise vom Finger zog, als ob es ein Schilfhalm getan, der sich emporgehoben. Sie bemerkte nicht einmal den Verlust, sondern neckte sich mit dem Falken, dem sie einmal nach dem andern mit der Hand über die Augen spritzte, die er dann kopfschüttelnd mit weißem Augenlide schloß. Erst nach einer Weile, als sie des Spieles überdrüssig, bemerkte sie den Verlust des Ringes, betrübte sich und rief: ‹Ach wenn ich ihn nie hätte an den Finger stecken müssen, so hätte ich ihn jetzt nicht verlieren können! Was werden aber die Engländer sagen, wenn ich ihn nicht mehr trage? Heiliger Benno, hilf mir!› – Diesen Worten konnte Owen nicht widerstehen; er hielt den Ring in seinem Munde und legte sein Antlitz an die Oberfläche des Wassers, wo es sich mit ihrem spiegelnden Abbilde berührte. Die Königin zitterte und sprach leise und verstört: ‹Heiliger Owen, heiliger Benno, dein Bild küßt mein Bild im Wasser, darum bewahre den Ring, als ob ich dir vermählt wäre! O wie ähnlich bist du dem, den ich wohl nimmer wiedersehe!› – Owen konnte sich nicht länger zurückhalten, er wollte sprechen, ihr seine List bekennen, als der Falke, sei es aus Eifersucht oder aus Spiellust, nach ihm hinflatterte und ihm sicher ein Auge oder den Ring entrissen hätte, wenn nicht Owen schnell sich umgedreht und ihm sein gelocktes Haupthaar preisgegeben hätte. Da schlug der Falke seine Krallen ein; aber es war sehr dicht, auch mußte er es bald fahren lassen, weil der geschickte Taucher den Vogel mit sich in die Tiefe gezogen hätte. Da kam dieser zur Königin zurück, als ob er etwas Gutes vollbracht hätte. Sie aber, die das vom Wasser struppige Haar des Schwimmers im Schreck für eine Verwandlung hielt, schlug ihn mit der Reitgerte und rief: ‹Schändlicher, du sollst mit dem Leben für deinen Frevel büßen! Sahst du nicht, wie das Angesicht des Heiligen sich bei deiner Wildheit in ein Untier verwandelte, das seine Stacheln dir entgegenstreckte? Sicher hast du meinen Ring verschluckt.› Sie rief ihre englische Kammerfrau Klarisse, die ihr schon vom verstorbenen Könige als Sittenwächterin zugegeben war, und übergab ihr den Falken, daß sie ihn schlachten lasse, weil er den Ring, das schönste Zeichen einer Witwe, verschlungen habe.

Die Königin hatte inzwischen der Kammerfrau zugleich ihre Erscheinung berichtet und wie sie nun schon ihre Augen gestärkt fühle. Letztere bat die Königin, noch einen Tag zu weilen, damit auch sie eine Stärkung für ihre schwachen Augen empfangen möchte, nachdem sie den ersten Tag aus Unglauben versäumt hatte. Die Königin begleitete die Kammerfrau am nächsten Morgen nach dem Teiche. Alles war schon zur Abreise geordnet, denn ein solcher Blick war nach dem Glauben der Zeit so genügend wie jetzt eine ganze Badezeit in Bath. Owen konnte es sich nicht versagen, wieder nach dem Teiche zu schwimmen, was ihm auch bei dem ruhigen Anschauen der alten Kammerfrau bevorstehen möchte. Aber zum Glücke schien die Sonne sehr hell, und wo die Kammerfrau stand, schien alles eine Glanzbewegung im leichten Winde, das Auftauchen Owens aber, um Luft zu schöpfen, schien ihr die Bewegung eines Fisches zu sein. Klarisse setzte sich ruhig hin, um auf das Erscheinen des gerahmten Antlitzes zu warten, während die Königin geduldlos umherlief, auch dreister, durch die Gewohnheit, zu den ersten Stufen der im Wasser liegenden Steine heruntertrat und sich an ihrem schwankenden Gange im Wasser erfreute. Bald trieb sie ihr Spiel weiter, sprach mit ihrem Bilde an der Oberfläche und gab ihm einen Kuß. Aber zu ihrem Staunen erhielt sie einen wirklichen Kuß zurück. In ihrer lustigen Tollheit rief sie zur Kammerfrau: ‹Sieh, sieh, ein großer Fisch, der mich anbeißen wollte, wie einen Regenwurm am Angelhaken; den muß ich fangen!› – Ohne ihres gestickten feinen Kleides und ihres goldnen Gürtels zu achten, noch der Gefahr, daß der kleine Teich ihren Füßen zu tief sein möchte, schritt sie hinein, als wäre es eine Badewanne, und griff in das getrübte Wasser, wo sie den Fisch noch zu sehen glaubte. Die Kammerjungfer war eigentlich recht neugierig auf den Fischfang, ob sie gleich so ein Wort fallen ließ, als ob eine Königin dafür ihre Leute habe; um so größer war aber ihr Schrecken, als die Königin in dem Wasser mit einem leichten Schrei nach Hilfe verschwand, die blendende Welle über ihr zusammenwirbelte und sich nicht wieder auftat, sie emporzuheben. Die gute Dame lief, im Verlangen, der Königin nachzuspringen, doch ohne Mut dazu, mit Jammergeschrei am Teiche umher. ‹Ach, Ihro Majestät›, rief sie, ‹machen Sie keinen Ihrer alten Späße, mit denen Sie mich so oft erschreckt haben; es dauert zu lange, Sie ersticken, Sie sind verloren!› Die Ritter standen zu entfernt vom Brunnen, als daß ihr Geschrei sie hätte erreichen können. Aber Owen kam nach einiger Zeit aus seiner Klause und tröstete jene, indem er versicherte, dies sei eine hohe Stufe von Glück, wen der Wundermann Benno in voraus mit dem Jenseits bekannt mache, wonach Tausende vergebens blickten; sicher fahre sie derselbe auch hieher zurück, sie möchte nur an dem Brunnen ausharren, er wolle über solche Geschichten seine alten Brunnenbücher in der Klause befragen. Aber Klarisse verschmähte allen Trost; sie versammelte bald Leute, die mit Stangen den Teich durchsuchten. Natürlich vergebens – denn die Königin saß unterdessen in Owens Pagenkleidung an dem Feuer seines Herdes und trocknete ihre königlichen Kleider. Owen hatte sie ohne Willen und Absicht, als sie sich so unbesonnen in das tiefe Wasser herabließ, unter demselben fort nach der Felsenecke getragen, wo der Bach in den Teich floß, und hinter demselben unbemerkt zu seiner Klause. Sie war nur einen Augenblick betäubt gewesen und hatte ihn dann mit seligen Augen angeblickt; so hatte er sie vorher verlassen, als er der Kammerfrau zueilte, um keinen Verdacht zu erwecken.

Erst jetzt konnte er sich der Königin, die ungeduldig seiner Rückkehr in der Hütte gewartet hatte, erklären. Die Erzählung war bald vorüber, aber die gegenseitige Freude aneinander wuchs immer höher; beide standen in der höchsten Blüte ihrer Schönheit, und in diesem innigen Gefühle, den Gipfel erreicht zu haben, erweckte ihnen die heilige Umgebung, zu der auch Owens Gewand und Lockenbart zu gehören schien, einen leisen Schauder und Furcht vor der Zukunft. Aber die Tür war verschlossen und die Welt von ihnen getrennt, und die Königin glaubte seinen Worten, wie er Wallis und England durch eine Verbindung mit ihr vereinen, sich an die Spitze der Parteien setzen und ihr die Herrschaft sichern wolle, alles wie es ihm Sarah vorgesagt; denn ihm selbst kamen dergleichen Weitläufigkeiten nicht leicht in den Kopf. Sie fragte nach seinem Rittersitze Plas Penmynidd, und er rühmte es als einen glücklichen Wohnsitz vertraulicher Liebe, erzählte von den schönen Aussichten daselbst, von dem frischen Grün und von den Felsenhöhlen am Wasserfall. Sie ließ sich den Weg dahin genau beschreiben; er gab ihr an, wie die Wege an der Mühle sich trennten, dann rechts bis zur Brücke, von da links bis zur Überfahrt fortliefen, und wo von dem Kreuze an der Höhe das Schloß gesehen werden könne; dann beschrieb er ihr alles im Schlosse, die Mutter und ihre Haushaltung. Sie sprach: ‹Es ist genug, du bringst mich heimlich wieder zum Teiche, ziehst heimlich nach Plas Penmynidd, während alle über meine Rückkehr aus dem Wasser staunen, bestellst einen Geistlichen zu der Kapelle und erwartest mich dort in der Rüstung deines Vaters mit geschlossenem Visier.›

Unter Zärtlichkeit und Gesprächen war die Nacht schlaflos vergangen. Sie sahen deutlich in der ersten Morgendämmerung, daß die Ritter, des vergeblichen Suchens überdrüssig, in ihre Mäntel gehüllt, sich zur Ruhe gelegt hatten. Nun warf die Königin schnell das getrocknete Kleid über und legte den goldnen Gürtel an. Nach zögerndem Abschiede trug sie der Klausner leise durch das Felsenbette des Baches und stellte sie unbemerkt auf die Sprossen im Teiche, indem er ihr Gewand vorsichtig gegen jede Durchnässung schützte. Als er nach der Klause zurückgekehrt war, stellte er seine Lampe, wie er verabredet hatte, unter das Strohdach derselben und eilte, von dem Halbdunkel gedeckt, zu dem Pfade nach der Heimat. Als er die Höhe erreicht hatte, weckte die Königin ihre Ritter mit einem Morgenliede:

‹Meint ihr, Sterne löschen aus,
Wenn der Morgen strahlt ins Haus?
Höher spielen Herzensflammen
In der lichten Morgenblendung,
Und sie schmelzen dann zusammen
Die getrennt durch Himmelswendung,
Die von ferne sich nur schauten,
Zu Vertrauten.

Meint ihr, Lampen löschen aus,
Wenn die Sonne strahlt ins Haus?
Freier flammt das Herz im Morgen,
Wie die Lampe, die vergessen,
Weil sie in dem Licht verborgen,
Dach und Haus entflammt vermessen;
Ach, dann werdet ihr sie sehen,
Wenn's geschehen.›

Die Ritter fingen an sich zu regen und rieben sich die Augen. Die Königin sang scherzend weiter:

‹Wachet, ihr Treuen,
Ich bin zurück!
Euch zu erfreuen,
Winket das Glück,
Winkt mit den Fahnen
Droben am Tor;
Goldene Bahnen
Zeichnet es vor,
Reißet den Schleier,
Der mich umwand,
Zeigt mir den Freier
Hier in dem Land.›

Die Ritter konnten gar nicht recht zur Besinnung kommen, sie bekreuzigten ihre Stirnen und wollten erst nicht glauben, daß die Königin lebe. Aber die Wirklichkeit läßt sich nur von der Tollheit abweisen. Sie hatten den Glauben in ihren Händen, als sie die Königin auf ihren Speeren, wie auf einer Brücke, von den Sprossen im Wasser an den Rand des Teiches hinüberführten. Es kam die Kammerfrau und staunte, das Kleid der Königin trocken zu finden. Die Königin war in der einen Nacht allen so fremd und wunderbar geworden, als ob sie ein paar Jahrhunderte in einem Berge verzaubert geruht hätte. – ‹Ach, wo bin ich gewesen›, antwortete sie den Fragenden, ‹nun kann es mir nirgends mehr gefallen! Welch ein himmlisches Jahr war das!› – ‹Ein Jahr?› rief die Kammerfrau; ‹ein Tag war es, eigentlich nur eine Nacht. Das lohnt noch heilig zu sein; ärmlich ist dagegen aller Plunder auf Erden.› – ‹Waret Ihr im Himmel, und auf welchem Wege seid Ihr zurückgekommen?› fragte ein Ritter. – ‹Nicht eigentlich im Himmel›, antwortete die Königin, ‹aber doch in der Vorhalle zu ihm. Der Heilige führte mich dahin, um mir gute Lehren zu geben und mich über mein künftig Schicksal zu unterrichten. Er trug mich durch das Wasser, die Erde spaltete sich; aber wohin er mich getragen – aufwärts oder niederwärts –, kann ich nicht sagen. Einen andern Weg gingen wir zurück; die flüssigen Wasserwellen standen wie gefroren zu beiden Seiten; so blieb mein Kleid unbenetzt, und ich begrüßte die Welt wieder auf Stufen, die im Wasser fest standen.› – Die Ritter hatten die Stufen schon gestern beim Durchsuchen des Wassers bemerkt; aber eine Öffnung war nirgends zu erforschen. – ‹Alle Bemühung ist vergebens›, sagte die Königin; ‹denn der Felsgrund öffnet sich nicht jedes Willen.› Und nun berichtete sie ihnen, wie in jenem Vorhimmel von den Verstorbenen alles in voraus versucht werde, was auf der Erde geschehen solle, und jeder suche die Seinen dabei zu schützen; vieles, was in der Absicht der Menschen ganz vernünftig liege, werde da in voraus geändert und dann auf Erden gehindert, weil es sich in der Erfahrung dieser Probewelt als verderblich gezeigt habe, und manches, was in einem Jahre noch ohne Sinn und zwecklos scheine, erhalte seinen Sinn im folgenden, wie das edle Gewürz des Kümmels auch erst im zweiten Jahre seine heilenden kräftigen Körner trage. ‹Jeder›, fuhr sie fort, ‹spreche da für die Seinen, aber mehr sei ihm nicht erlaubt; oft müßten Eltern ihre geliebten Kinder in ihrer Laufbahn zu stören raten, damit sie nicht dem Verderben ihrer Seele zueilten. Zuweilen erscheine der Rat jener liebenden Toten in Zeichen und warnenden Träumen. Ihr sei auch das Glück geworden, durch Zeichen zu vernehmen, wohin sie sich wenden müsse. Und nun erzählte sie von dem Wege bis zur Mühle, von der Brücke, von der Überfahrt, von dem Kreuze, wie das Schloß aussehe und die alte Mutter darin, die an einem kostbaren Tische sitze und Gesottnes und Gebratnes esse, bewacht von zwei Wächtern und sechs Paar Bewaffneten, und so weit sie sehen könne, sei das Land unter ihr. In der Kapelle stehe aber der Sohn in seiner Rüstung und erwarte die Braut, die ihm ein Traum verheißen; und diese Braut werde sie sein, und der Kapellan werde sie einsegnen.›

Die Ritter waren nun einmal ins Land der Märchen versetzt; sie hätten ohne weitere Zeichen an alles geglaubt und wären der Königin gefolgt. Aber sie gab ihnen noch dies Zeichen: die Klause in ihrer Nähe werde in Flammen aufgehen, nachdem der Klausner gestern, aus Verzweiflung über ihren vermeinten Tod, in das wilde Gebirge entflohen sei. Schon wirbelte Flamme und Rauch durch das Strohdach; die Ritter retteten nicht, sondern zogen mit der Königin auf dem bezeichneten Wege der Mühle zu. Sie fanden, ohne zu irren, Mühle, Brücke, Überfahrt, Kreuz und Schloß. Am Tore rief der geachtete Ritter Blason hocherfreut: ‹Dies Schloß gehört einem aus meinem Stammbaume, das erkenne ich an dem Rindsknochen, der hier vor dem Schilde befestigt ist. Dies ist eins der ältesten Häuser unter meinen Ahnen, und wir konnten bisher nicht entdecken, wo sein eigentlicher Stammsitz gewesen. Sei mir gegrüßt, du heiliger Überrest meiner Vorfahren!› – Die Königin benutzte diesen glücklichen Zufall, von Owen Glendower und Kadwallader als Stammvätern dieses Hauses zu sprechen, während sie heimlich lachte, daß jener den Klöppel, womit man, in Ermangelung einer Glocke, zum Gottesdienst in der Kapelle einlud, indem damit gegen das Brett geschlagen wurde, für ein Stück seines Wappens und seiner Vorfahren genommen. Sie stiegen am Tore ab, koppelten ihre Pferde zusammen und gingen, geführt von der Königin, in das Schloß. Im gewölbten Saale fanden sie die alte Mutter, die auf ihren Knien, nach Gewohnheit, gesottne und gebratne Äpfel aß und gleichgültig gegen alle Ehrenbezeugungen den Ankommenden erklärte: ihr Sohn sei ein Narr geworden und erwarte eine Braut, die er nie gesehen, von der er nur geträumt habe, bei brennenden Kerzen in der Kapelle. Die Ritter erkundigten sich nach den Umständen der Alten; sie erklärte, daß es ihr größtes Glück sei, sich nicht in andern Verhältnissen zu befinden; sie nähme keine tausend Pfund für ihren Tisch (sie meinte ihre Knie), er sei besetzt mit Gekochtem und Gebratnem (sie meinte die Äpfel); sechs männliche und sechs weibliche Dienstboten ständen mit doppelter Bewaffnung immer bereit in ihrem Vorhause (sie meinte ihre sechs Ochsen und sechs Kühe mit ihren Hörnern); auch habe sie zwei Schloßwächter mit Sporen, deren Wachsamkeit sie vertrauen könne und die schon manchen blutigen Kampf gestritten (sie meinte die beiden ritterlichen Haushähne), ja so weit sie sehen könne, sei das Land unter ihr (das konnte sie sagen, denn das Schloß hat die Aussicht über das Tal). Sie bedaure, daß sie die Ritter in keinem größeren Schlosse empfange; aber sie hätten es sich selbst zuzuschreiben: warum hätten die Herren Engländer das ganze Land ausgebrannt. – Die Königin ließ sich vor der Alten bei diesen Worten auf ein Knie nieder und bat sie, alle Feindschaft gegen England aufzugeben; sie wolle beide Völker durch eine Heirat versöhnen und verbinden; sie sei die Witwe König Heinrichs, ihr Trauerjahr vorüber, und sie sei auch, durch Eingebung berufen, in das Schloß geführt worden, damit sie als Braut ihrem Sohne die Hand reiche. Die Alte meinte, es könne nicht anders sein; die Ritter stimmten darin ein, und alle führten die Königin zu der Kapelle, wo Owen Tudor mit geschlossenem Helme in der Rüstung seines Vaters vor dem Altar kniete. Der Kapellan wechselte die Ringe; auf diesem Wege erhielt die Königin den im Wasser abgezogenen Ring neugeheiligt zurück. Als Owen das Visier öffnete, um die Königin als seine Gemahlin zu küssen, gestanden die Ritter ein, daß nie ein Helm auf einem schöneren Wappen geruht habe.»

«Wenn es nur heller wäre», unterbrach sich hier die Walliserin, um ein Wagenfenster zu öffnen; «wir müssen das Schloß von hier sehen können.» – «Guter Gott», rief der alte Herr, «haben Sie drei Hände?» – «War das Ihre Hand, die mich so schrecklich drückte», antwortete ihm unmutig der junge Mann, und beide besahen ihre Hände, die sie auseinander zogen. – «Wie man sich täuschen kann», sagte der Jüngere. «Wenn es den beiden Vermählten nur nicht auch so ergangen. Sie haben mir die Hand gedrückt, daß die Stelle noch ganz weiß ist.» – «Ich meine, es wäre besser, daß wir schwiegen», sagte der Alte; «mein väterliches Wohlwollen gegen das liebe Kind hat sich täuschen lassen.» – «O ihr eiteln Seelen», unterbrach ihn die Walliserin, «wie könnt ihr euch einbilden, daß ein Mädchen, die euch erst seit gestern kennt, euch die Hände drücken wird! Und wißt nur, ich habe einen sehr schönen Bräutigam in der nächsten Station, und ich denke meine Hochzeit nicht länger aufzuschieben als die Königin. Da seht hinaus! Hier ist das Kreuz, hier könnt ihr das Schloß Plas Penmynidd sehen. Die Mauer der alten Kapelle, wo die Königin vermählt wurde, ist noch an den Fenstern zu kennen; jetzt ist es ein Brauhaus; die andern Gebäude sollen aber später aus der Tasche der Königin erbaut worden sein.» – «Wir müssen aussteigen», rief der alte Herr. «Halt, Kutscher, wir wollen uns da umsehen! Ich sehe den Rindsknochen am Brette hängen.» – «Vielleicht sitzt auch die Alte noch an ihrem Tische für hundert Pfund», sagte der Junge. «Halt, Kutscher!» – «Nicht für hunderttausend Pfund», antwortete dieser,«ich habe die Zeit etwas verträumt, und ich höre die Oppositionskutsche eben im Wege rollen; meine Ehre und mein Dienst ist verloren, wenn ich nicht früher in der Stadt eintreffe.» Der Presbyterianer erläuterte uns dies, indem er erzählte, wie sich zwei Postwägen bei zwei Wirten gebildet hätten, die einander an Schnelligkeit zu übertreffen wetteiferten und deswegen schon ein paarmal Unfälle veranlaßt hätten. – Der Wagen ging jetzt mit unglaublicher Schnelligkeit; es war uns allen nicht recht wohl dabei. – «So treiben's die Staaten und die Parteien gegeneinander», seufzte der Presbyterianer. Endlich bezwang die Kraft des Kutschers die durchgehenden Pferde. Er fluchte, daß er seinen Mantel dabei verloren; aber er hielt nicht still; er behauptete, die Oppositionskutsche habe umgeworfen. Wir baten die Walliserin um die Fortsetzung ihrer Geschichte. – «Was ist vom Glücke viel zu erzählen», fuhr sie fort; «die Neuvermählten vergaßen miteinander die Parteien, und wenn sie sich an die Spitze derselben stellen sollten, flüchteten sie sich, zum Ärger für Sarah und Oswestry, nach Plas Penmynidd, um sich erst zu besinnen. Wie hätte Owen so lange an der Quelle von Liebe träumen können, wenn ihm die Schicksale der Völker sehr nahe gegangen wären; wie hätte sie sich der Liebe zu ihm hingegeben, wenn ihre Seele weltliche Entwürfe gehegt hätte? Beide lebten, von den Parteihäuptern aufgegeben, in stiller Sorge für ihre Kinder. Die Liebe empfindet vielleicht mehr als ein Lebensalter voraus und weiß doch nicht, woher ihre Größe und Innigkeit; so mochten auch sie liebend ihren Beruf ahnen, ein mächtiges Geschlecht von Herrschern zu gründen, ohne selbst diese Herrschaft zu erreichen.» – Bei diesen Worten ruckte der Wagen im Stillehalten. Dies beschloß die Erzählung. Der Kellner öffnete die Tür der Kutsche; der Wirt rühmte den Kutscher, streichelte die Pferde und warf ihnen Decken über. Kaum war die Walliserin mit ihrem Knaben in das Gastzimmer getreten, so rief sie freudig auf: «Mallwyd!» und wollte einem jungen Manne in die Arme stürzen, der tiefsinnig, ohne auf uns zu achten, in einer Ecke des Sofas saß, die Hand gegen die Stirn gedrückt. Er fuhr wie aus einem Traume auf, es schien ihm an Worten zu fehlen, seine Lippen zuckten, ehe er heftige Worte in gälischer Sprache gegen sie ausstieß. – «Es ist ihr Geliebter», sagte der Presbyterianer; «er wirft ihr vor, daß in einem öffentlichen Blatte gestanden, sie sei ihm untreu; er droht, ihr und dem Kinde den Hals umzudrehen. Er will nicht hören, er will sie umbringen. Er faßt nach dem Kinde!»

In dem Augenblicke traten alle dazwischen. In England fehlt nie ein Schützer des Schwachen; es bedarf dazu keiner Anmahnung. Der Zornige gebärdete sich fürchterlich, die fremde Sprache klang schrecklich. Seine Augen traten heraus, als ob er sie wie Kugeln seiner Braut ins Herz schießen wollte, sein Mund schäumte, und mit seinen Händen zerriß er die Weste, um sich Luft zu schaffen. Weiter verstand ich kein Wort. Der Presbyterianer erforschte mit Ruhe die Umstände. Endlich schien sich alles auseinander zu setzen, als ihm die Walliserin ein Papier zeigte. Die Augen gingen ihm in Tränen über; er faßte die Hände der Walliserin, entschuldigte sich gegen uns und ging mit ihr und mit dem Kinde in ein Nebenzimmer. – Der Presbyterianer erklärte uns nun alles. Der Konstabel, der uns zu Pferde begegnet sei, müsse sich hier wahrscheinlich aufgehalten haben, um Nachforschungen zu tun über die Richtigkeit der Aussagen dieser Walliserin in dem Prozesse einer sehr angesehenen Frau, die der Untreue von ihrem Manne beschuldigt worden sei, weil sie in seiner Abwesenheit ein Kind geboren, welches sie nachher als ein fremdes aufgenommen und erzogen. Die Walliserin habe aber, wie sie sage, aus Mitleid gegen die unglückliche Frau – vielleicht auch, um sich eine reiche Ausstattung zu verschaffen – das Kind für das ihre vor Gericht erklärt; und dies sei jener Knabe, mit welchem sie darauf gleich fortgereist sei, um sich nicht bei weiteren Verhören zu widersprechen. Aber gleich nach ihrer Abreise sei Verdacht gegen ihre Aussage vom Sachwalter des Mannes erregt worden, und es sei ein Glück für sie gewesen, daß sie sich in einen schlechteren Mantel gehüllt habe, sonst wäre sie sicher von dem Konstabel gleich arretiert worden. Ihr Bräutigam habe der Sache erst gar keinen Glauben beigemessen; als er aber in dem Zeitungsblatte, das der Konstabel ihm vorgezeigt, nach ihrer eignen Angabe gelesen, daß sie Mutter des Kindes sei, da habe er sich für überzeugt gehalten, nachdem er sich schon seit vier Jahren mit ihr verlobt und sich bemüht habe, eine unabhängige Handelsverbindung zu erlangen. Doppelt sei er nun beschämt worden, als er nicht nur ein Zeugnis ihrer Unschuld gelesen, sondern auch die Nachricht, wie reichlich sie für ihre Aufopferung belohnt worden sei. «Sie wollen jetzt nach Portugal gehen», so schloß er; «ein Schiff liegt in Holyhead bereit; der junge Mann hat da eine vorteilhafte Spekulation gemacht und ein eignes Handelshaus begründet.»

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Nun eröffnete sich eine Diskussion über das Moralische dieser Handlung. Es sei großem Unheil vorgebeugt worden, das gestanden alle ein; ein hohes Haus bleibe dadurch in Ehren; aber das falsche Zeugnis wollte doch keiner loben, noch weniger, daß sie Geld für diese falsche Aussage angenommen. Der Presbyterianer sagte aber, es lasse sich entschuldigen, weil der Gegner zwar das Wahre geahnet, aber auch nur falsche, jedermann als solche bekannte Zeugen gestellt habe, und da sei es Gerichtsbrauch, daß die erste Falschheit die zweite entschuldige, und der rechtlichste Advokat halte sich dazu immer ein paar falsche Zeugen in Bereitschaft.

Eine große Zahl wohlgekleideter Menschen, die sich dem Hause näherten, unterbrachen das Gespräch. Wir fragten nach dem Grunde dieses Zusammenlaufens und erhielten zur Antwort, es sei ja Sonntag. Wir waren verwundert, allesamt beim Wachen den neuen Tag, wie unsre Uhren, vergessen zu haben, die stehen geblieben waren, weil das Schlafengehen uns keine Erinnerung zum Aufziehen derselben gegeben hatte. Wir fragten weiter, ob denn die Kirche im Hause sei. «Es ist nur ein großer Betsaal», antwortete der Kellner; «es sind die Jumpers, die Springer, die hier ihre Andacht halten, unser Herr ist auch einer.» Nun war der Entschluß bald gefaßt, die Postkutsche fahren zu lassen. Die beiden gelehrten Reisenden wollten ohnehin hier ein paar Tage verweilen, der Presbyterianer die Jumpers beobachten. Ich bestellte eine Postchaise auf ein Stündchen später, nachdem ich gehört hatte, daß es uns unverwehrt sei, der springenden Versammlung beizuwohnen. Der junge Reisende meinte, die Gesellschaft möge wohl noch von dem Owen Tudor stammen, der durch Tanzen sein Glück gemacht habe, und als der Presbyterianer wieder heftig auf diesen gotteslästerlichen Gottesdienst, wie er ihn nannte, schimpfte, erklärte er sich ungefähr folgendergestalt darüber: «Die himmlische Einheit, die alles Leben durchdringt und heiligt, will errungen sein auf irgend einem Wege. Der Ruhende fühlt sich bald in irgend einer Art mit sich entzweit. Alle Wege lebendiger Tätigkeit führen aber wie verschiedene Adern mit ihren Pulsen zu einem Herzen; wer möchte sich streiten um den rechten Weg! Der kürzeste ist gewiß die schuldlose Liebe jugendlicher Herzen; rein steigen sie, wie jene Königin, aus der Unterwelt empor, ihrer Zukunft bewußt, und vergebens suchen die andern den Weg, den sie wandelte; sie finden kaum die letzten Sprossen der Leiter. So möchte es aber auch uns ergehen, wenn wir dem Tanze dieser, den Herrn in ihrer Art liebenden Gemeinde zuschauen; die Bewegung ist es nicht allein, auch sind es nicht die Worte an sich, sondern es liegt in der Einheit von allem dem, was diese Leute auf diesem Wege unmittelbar ergreift, fortreißt, und eben dies unbegreifliche Durchdringen und Zusammentreffen des Unvereinbarsten ist es, was allein den Menschen über die Zerrissenheit und Verworrenheit der Welt trösten kann.» – Der Presbyterianer erwiderte, daß also Seiltänzer, Voltigeurs, gymnastische Künstler aller Art, Reiter, Schwimmer diese ihre brotlosen Künste zu einem wesentlichen Stücke des Gottesdienstes machen könnten. – «Wenn sie daran glauben», antwortete jener, «und eine Gemeinde finden, die diesen Glauben teilt, warum sollte nicht diese Kunst, wie die Musik und Malerei, eine heilsame Anregung zu dem geben, was doch höher steht als alle Künste?» Der Presbyterianer hätte zornig werden mögen; aber die Zeit war da, um in das wenig geschmückte heilige Tanzhaus zu treten. Die Gemeinde stand in guter Ordnung um die Kanzel, welche von dem ersten bestiegen wurde, dem ein Spruch wie eine Eingebung zugekommen; die ganze Gemeinde wiederholte letztern in einer Art Chor. Nach ihm trat ein andrer auf, der Chor wurde lebhafter. Schon beim dritten Spruche bewegten sich alle in heftigem Takte. Jeder ergriff seine Nachbarn, faßte ihre Hände. Bald zu zweien, bald zu dreien sprangen sie empor nach allen Kräften und zu bedeutender Höhe. Auch den alten Reisenden ergriff ein riesenhafter Bergbewohner; er mußte springen. Dies hatte die unerwartete Wirkung, daß seine dick mit Schriften angefüllte Rocktasche sich ihrer Vorräte entlud. Der jüngere Reisende hob gefällig diese teils gedruckten, teils geschriebenen Bogen auf, blickte zufällig hinein und fand darin seinen Namen. Er sah weiter und entdeckte Schimpfreden gegen seine früheren Schriften. Kaum hatte er Atem genug, den Alten zu fragen, ob er der Schurke sei, der alle seine Reisebeschreibungen für Windbeutelei erkläre. Der Alte fragte mit gleicher Wut, ob er der Naseweis sei, der ihn ausschreibe und für einen Pedanten erkläre; wobei er Perücke und Rock abwarf, sein Hemde auch herauszog, um sich zum Boxen anzuschicken. Der Jüngere wollte sich nicht schimpfen lassen, warf auch seinen Rock ab und schwur, daß er dem Alten die Schreibefinger zerschlagen müsse, weil sie einander sonst mit denselben Erzählungen dieser Nacht vernichteten. Die Gemeinde wäre durch diesen Streit gestört worden; aber der Presbyterianer rief ihnen zu in ihrer Sprache: dies sei der englische bischöfliche Gottesdienst; sie suchten sich auf diesem Wege die Folgen der Erbsünde auszutreiben. So wetteiferten die Stimmen, die Bewegung vermehrte sich, Kopftücher, Halstücher flogen umher, Haare rollten sich auf, die Augen glühten, während die beiden Reisenden einander bis zu gänzlicher Erschöpfung abpufften; der Alte mit mehr Stärke, der Junge mit mehr Gewandtheit. O ihr nervenschwachen Bewohner großer Städte, die ihr durch eine knarrende Tür schon in der Andacht gestört werdet, nehmt ein Beispiel an diesen Berggläubigen, wieviel ein andächtiges Herz von fremdartiger Störung ertragen kann!

Während ich unter solchen Betrachtungen hinter einer Säule dem allen zusah, um nicht auch von einer Tarantel ergriffen zu werden, stieß mich von hinten die Walliserin an. Sie sah entstellt aus und flüsterte mir zitternd zu, daß ich sie retten könne. «Wie?» fragte ich erstaunt. – «Nehmen Sie mich heimlich nebst dem Kinde in Ihrer Postchaise mit. Der Konstabel ist in der Oppositionskutsche zurückgekommen, und wäre diese nicht umgeworfen worden, so hätte er mich schon gefaßt. Er will mich arretieren! Mein Glück und das Glück jener edlen Frau steht auf dem Spiele! In Holyhead finde ich ein Schiff und meinen Bräutigam. Halten Sie den Konstabel hier auf mit Tanzen; der Presbyterianer will auch helfen, unterdes verpacke ich mich unter Decken und Wagen, und die Pferde werden angespannt.» – «Aber woran erkenne ich den Konstabel?» – «So ein Mensch ist nicht zu verkennen, der ist in allen Weltteilen und weinen abgeglüht.» Mit diesen Worten verschwand sie, und es trat ein kraftvoller Mann herein mit fürchterlich ausgearbeitetem Gesichte. Seine Augen verrieten, daß er jemand im Saale suche. Es dauerte nicht lange, so hatte ihn der Presbyterianer beim Kragen. Dem Konstabel schien das Springen ein absonderliches Vergnügen zu machen; es schien ein Kerl zu sein, der eine Nacht um und um, ohne Absetzen, auf einem Flecke seinen Riel tanzte. Bald merkte ich, daß dem Presbyterianer der Atem fehlte; ich mußte ihn ablösen. Der Konstabel wollte sich losmachen, aber es half nichts; fester hatte der Falke nicht in das Haupthaar Tudors seine Krallen eingeschlagen als ich meine Hände in seinen Rockkragen. Endlich sah ich auf dem Hofe die Postchaise angespannt vorüberrollen. Da übergab ich ihn dem Presbyterianer wieder, dessen Asthma eben nachließ, und schlich mich in Sprüngen durch die Leute zur Tür hinaus. Wie schnell ich von da zum Hause hinaus in den Wagen schlüpfte, läßt sich denken. Seit ich den Konstabel gesehen, war ich gewiß, daß bei der Sache Betrug und Falschheit sich ins Recht gedrängt hatten. Ich brauchte den Kutscher nicht anzumahnen, daß er zuführe; er hatte gewiß schon ein Trinkgeld bekommen. Er flog mit seinen dürren Beinen beständig so hoch auf dem Sattel, daß ich den Sattelknopf beständig sehen konnte. Schon ermunterte ich die Walliserin, ihr ängstliches Zelt von Pferdedecken zu verlassen und sich neben mir zu setzen; aber sie scheute sich noch. Und das war ihr Glück; denn bald darauf sah uns der Mann auf dem Braunen, der in der Nacht den Konstabel begleitet hatte und sicher hier am Wege als Wache ausgestellt war, in den Wagen. Als er mich allein erblickte, fragte er flüchtig, ob mir nicht ein Frauenzimmer in schwarzem oder rotem Mantel begegnet sei. ich antwortete, daß ich ein Frauenzimmer in rotem Mantel hinter einer Hecke beim letzten Orte hätte stehen sehen; sie hätte ein Kind an der Hand geführt. «Sie ist's», rief er, wandte sein Pferd, gab ihm die Sporen und jagte zurück. – «Glück auf den Weg, du sollst uns nicht mehr in die Quere kommen», rief die Gefangene unter den Pferdedecken.

Das war die letzte Gefahr des armen Kindes, die sie zu Lande auszustehen hatte. Nun richtete sie sich auf; denn sie schwur, es nicht länger in dem Dufte der Pferdedecken aushalten zu können, ob sie sich gleich zehnmal die Lehre der alten Sarah, sich nicht zu ekeln, zugerufen habe. Das Kind war nicht minder vergnügt über seine Freiheit. Ich besah die Linien seiner Hand, ob nicht eine große Zukunft darin zu lesen; aber wenigstens fand ich darin eine große, kräftige Lebenslinie.

In Holyhead fand sich der Bräutigam in dem verabredeten Wirtshause am Meere bei der Braut ein. Das Schiff war bereit, der Wind gut. Wir hielten noch ein lustiges Frühstück, auch wurden viel Lebensmittel eingepackt, weil der portugiesische Schiffskapitän dem Schiffsherrn auf der Belle-France zu gleichen schien. Überhaupt wechselte bei dem Frühstücke der Owen Tudor mit seinen Ereignissen, bis er zu einer Frau gelangte, mit den wirklichen Verhältnissen so seltsam in unsern Gesprächen, daß der Bräutigam immer mußte belehrt werden, was es bedeute. Die Walliserin versicherte, daß Owen Tudors Tanzkunst der Königin gewiß nicht so viel Freude gemacht habe als ihr der Gedanke, daß der ernste Presbyterianer und ich und der Konstabel in Jumpers verwandelt worden wären. «Werden Sie», sagte sie scherzend, «ein Missionär der Jumpers in den fernen Landen; sie finden gewiß Anhänger unter den Leuten, die sich auf Wachtparaden und in Parterren die Füße verstehen, oder auch in Gesellschaften; man muß sich nur nicht schämen.» – Bei diesen Worten ergriff sie meine Hand und die Hand ihres Bräutigams, und wir tanzten, in der Bewegung des schottischen Riels, der Schaluppe zu, indem die Matrosen mit den Paketen sangen. So lustig schieden wir.

Als ich ins Wirtshaus zurückgekommen, übergab mir der Wirt ein schönes Fernrohr, das der Bräutigam mit einem Gruße mir zum Geschenke zurückgelassen hatte. Ein bißchen Not macht schnelle Freundschaft. Ein paar Stunden sah ich dem Schiffe nach durch das Fernrohr und gab Zeichen mit dem Tuche. «Fahrt wohl, ihr Freudigen, und wenn der Tod euch trennen will, schickt ihn wie den Konstabel in das Tanzhaus der Jumpers!»