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Zweites Kapitel. Eine Verlobung.

Die Glocken läuteten auf allen Dörfern die Feier des Auferstehungsfestes ein, als Fürchtegott in seinem bequemen Wagen, der in allen Ortschaften die Vorübergehenden, seiner ungewöhnlichen Form und Eleganz wegen, zum Nachsehen nöthigte, Herrnhut zufuhr. Da er zeitig aufgebrochen war, erreichte er den Ort ziemlich früh. Er begab sich unverweilt in das Landhaus des Grafen, mit dem er jetzt völlig ungenirt verkehrte, ließ sich melden und ward sogleich angenommen.

Sie kommen zur guten Stunde, mein Freund, redete Graf Alban den reichen Besitzer von Weltenburg an. Ich habe Ihnen Mittheilungen der wichtigsten und erfreulichsten Art zu machen.

Verzeihung, Herr Graf, fiel Fürchtegott ein, wenn ich mich zuerst nach dem erkundige, was mir vor Allem am Herzen liegt. Hat Erdmuthe geschrieben?

Nein, erwiderte mit feinem Lächeln Graf Alban, statt eines Briefes ist sie gestern selbst gekommen.

O, Gott segne Sie ob dieses Wortes! sprach der junge Mann voll inniger Herzensfreude. Meine Eltern sind bereits unterrichtet, der Vater milder, heiterer denn je gestimmt, und wenn ich Erdmuthe bewegen kann, unverweilt mir zu folgen, um den Segen meines alten Vaters zu erflehen, so bin ich überzeugt, er schließt sie so väterlich innig und dankerfüllt in seine Arme, als hätte Gott selbst sie ihm zugeführt. Wo werd' ich sie treffen? Haben Sie, Herr Graf, schon Worte mit der edlen Dulderin gewechselt?

Graf Alban nöthigte den heftig Bewegten zum Niedersitzen.

Erst erholen Sie sich, junger Freund, sprach er, und werden Sie Herr über sich selbst. Es ist nie gut, in überströmendem Gefühle Wichtiges zu beschließen oder zu unternehmen. Nach ein paar Stunden sollen Sie Erdmuthe sehen; zuvor jedoch muß auch sie auf Ihr Kommen vorbereitet werden, denn mich dünkt, die Vielgeprüfte hat in den letzten Jahren, seit Sie ihr begegneten in den schönen Wildnissen Surinam's, mehr gelitten, als während ihrer Entbehrungen unter den Heiden. Ich erfuhr, daß sie leidend nicht krank, sondern eben nur von starken Gemüthserschütterungen geistig stark angegriffen sei.

Fürchtegott sah ein, daß der Graf vollkommen Recht habe. Er fügte sich deßhalb ohne Widerrede in die Anordnungen desselben, obwohl die zwei Stunden sich ihm zu einer Ewigkeit ausdehnten. Endlich schlug es eilf Uhr und der Graf lud den jungen Mann ein, ihm zu folgen.

Gehen wir in's Schwesterhaus? fragte Fürchtegott.

Nein, mein Freund und Bruder, versetzte mit einer gewissen Feierlichkeit Graf Alban, im Bethause, wo Erdmuthe Ihnen von dem unsichtbaren Freunde, der unser Aller liebevoller Beschützer ist, zugeführt ward, sollen Sie heute die Wiedergefundene begrüßen. Es ist uns gut, daß wir im Vollgefühl zeitlichen Glückes auch der himmlischen Güter eingedenk sind, ohne die wir doch entwurzelten Bäumen gleichen, die jeder Windstoß umstürzen kann. Erdmuthe ging als Braut des Herrn in die weite Welt. Sie hat Ihm treu gedient, bis man sie abrief, und wenn sie nach ihrer Wallfahrt zu den Heiden, denen sie das Evangelium der Liebe predigte, jetzt zurückgekehrt ist, um als weltliche Braut einem braven Manne anzugehören, so werden die Seelen aller der Seligen, denen ihr Finger den Lichtpfad des Heils zeigte, sie als Brautführerinnen umschweben und einen Reigen um sie bilden, der allem Gemeinen, Frevlen, Sittenlosen, ja allem Gewöhnlichen unzugänglich ist. Sie, mein junger Freund, sind wacker und edel, aber die Welt hat vielleicht etwas zu viel Theil an Ihnen. Darum sollen Sie geweiht werden durch unser Aller gemeinsames Gebet, und der Friede des Herrn wird auf Ihrem Haupte ruhen, mit Ihrem Hause und mit Ihren Thaten sein, so lange Sie nicht von dem Herrn weichen!

Fürchtegott schwieg, ergriffen von den eindringlichen Worten des Grafen. In wenigen Minuten hatten sie das Bethaus erreicht und traten in dessen schmucklose Hallen. Obwohl Jahre zwischen diesem und dem ersten Besuche Fürchtegott's in dem Versammlungsorte der Brüder lagen, machte er doch den Eindruck eines wohlbekannten Raumes auf ihn. Aber er war bewegt bis zur Erschütterung.

Zu den Reihen der Brüder vorschreitend, reichte ihm jeder derselben die Hand. Einer Vorstellung bedurfte es nicht, denn jeder von einem Bruder Eingeführte galt der Gemeinde ebenfalls für einen solchen. Auch die Schwestern waren zum Theil schon versammelt. Jetzt nahte der Bischof, derselbe, welcher damals Erdmuthe eingesegnet hatte, und nun, geführt von den zwei ältesten Schwestern, trat die heimgekehrte Missionärin in den Saal.

Erdmuthe Gottvertraut trug die einfache Wittwenkleidung, die jeglichen Schmuckes entbehrt. Dennoch fesselte ihre Erscheinung. Denn die junge Wittwe unterschied sich von allen sie umgebenden Schwestern durch eine gewisse Majestät, durch einen Zauber des Blickes, in dem sich Liebe und Milde mit Siegesgewißheit paarten, und weit entfernt von sinnlichem Reiz, doch Herzen gewinnen, ja berücken mußte. Sie war noch bleicher, als Fürchtegott Ammer sie in Surinam gefunden; gerade diese tiefe Blässe erhöhte in den Augen des jungen Mannes ihre Schönheit.

Der Bischof erhob sich und sprach ein kurzes Gebet mit ergreifender, noch immer sonorer Stimme. Darauf hielt er eine jener zum Herzen dringenden Reden, die nicht eigentlich Predigten heißen können, noch auch sein wollen, weil sie aber gewöhnlich dem Bedürfnisse der Gemeinde, oft sogar nur dem Momente angepaßt sind, nie spurlos verhallen. Er sprach von den Segnungen christlicher Sendboten, die als Säeleute des Herrn berufen sind, unter fremden Himmelsstrichen den Samen der Liebe auszustreuen, gleichviel, ob der Boden, auf welchen dieser Samen fällt, ein fruchtbarer oder unfruchtbarer, mit Steinen und Dornen überdeckter sein möge. Daran knüpfte er Betrachtungen über die Worte, daß dem Gerechten seine Werke nachfolgten, und erläuterte dieselben in so ergreifender Weise, daß eine lebhafte Rührung in den Reihen der Brüder und Schwestern sich bemerkbar machte. Endlich forderte er die Versammelten auf, eine jener von Gott Gerufenen, die mit Liebe und Ausdauer, mit Demuth und Glaubensfreudigkeit ihre Pflicht als apostolische Missionärin treu erfüllt habe, bis die Aeltesten der Gemeinde ihr zugerufen, sie möge nun ausruhen von ihrer Arbeit, zu begrüßen und freudig als Schwester wieder aufzunehmen.

Ein kaum merklicher Wink veranlaßte die Begleiterinnen der Heimgekehrten diese selbst dem Bischof zuzuführen. Erdmuthe wollte dem ehrwürdigen Greise die Hände küssen, dieser aber faßte die Zitternde, zog sie an sich, gab ihr den Bruderkuß und sagte:

Nicht mir, dem Heilande allein gebührt die Ehre. Der Herr segne deinen Eingang, wie er deinen Ausgang gesegnet hat! Der Herr gebe Frieden deiner Seele, jenen schönen Frieden des starken Glaubens, den du gepredigt hast mit Engelslippen unter den Heiden und dadurch Seelen gewonnen dem Himmelreich! Der Herr erleuchte dich ferner und gebe zu Begleitern durch's Leben dir die Engel der Zufriedenheit und Geduld, damit dem Mund, nie ein Wort der Klage hören lasse und die Schläge deines Herzens ein fortgesetztes Loblied seien zum Preise Dessen, der dich geschaffen hat. Amen!

Die Hände des Bischofs ruhten auf dem Haupte der tief Erschütterten. Graf Alban näherte sich jetzt mit Fürchtegott der von Allen mit Andacht betrachteten Gruppe.

Hochwürdiger Bruder, sprach er, dies ist der Mann, dem die Schwester sich vermählen will für die Dauer dieses Lebens. Er bittet, ihn im Angesicht aller Brüder und Schwestern derjenigen zu verloben, die Gott ihm in der Wildniß auserwählt zu seiner künftigen Lebensgefährtin.

Der Bischof reichte Fürchtegott die Hand, zog ihn zu sich heran und küßte seine Stirn. Hierauf legte er die Hand des jungen Mannes in die der gewesenen Missionärin. Die Blicke Beider trafen sich in diesem heiligen Moment.

Fürchtegott Ammer, sagte der Greis, ich verlobe dich im Namen Dessen, der über alle Namen ist, dessen Rathschlüsse wunderbar und unerforschlich sind, und der da immer unser Bestes will, auch wenn wir es nicht immer einsehen können; ich verlobe dich Erdmuthe, der nachgelassenen Wittwe des in dem Herrn verstorbenen Missionärs, Johannes Gottvertraut. Sei ihr eine Stütze auf dem dornigen Wege durch's Leben, behüte ihre Seele als ein dir anvertrautes Heiligthum, und liebe sie so rein und wahr und treu, daß eure Herzen eins werden und ihr Gott und Menschen gleich angenehm bleibet, so lange ihr lebet!

Berauscht von dem ihm gewordenen Glück, das er jetzt fest in seine Arme schloß, vergaß Fürchtegott dem ehrwürdigen Greise zu danken. Die geliebte Gestalt ruhte an seinem Herzen, leise schluchzend. Seine Lippen küßten wiederholt das weiche, blonde Haar, das unter dem schlichten Häubchen hervorsah, und als er seine Blicke erhob, war der Saal beinahe von allen Brüdern und Schwestern verlassen. Nur Graf Alban und die Führerinnen Erdmuthe's standen in einiger Entfernung.

Erdmuthe entzog sich sanft den Armen ihres Geliebten, trat zu den Schwestern und drückte ihnen dankend die Hände.

Ich werde euch nie vergessen, sagte sie weich. Ihr bleibt meinem Herzen immer die Nächsten.

Dann wandte sie sich wieder zu Fürchtegott, umarmte ihn, trat auf den Grafen zu und sprach:

Sie waren der Mittler, Herr Graf, zwischen ein paar verwaisten Herzen. Möge Gott Ihnen dafür lohnen! Und nun, nicht mehr mein Bruder, sondern mein Herr, fuhr sie mit einem Anflug heitern Humors zu Fürchtegott gewendet fort, nun bitte ich vor Allem, führe mich in das Haus deiner Eltern, daß ich mir auch deren Liebe und Achtung erwerbe und so deiner ganz würdig mich zeige.

Erst als die beiden Verlobten in Begleitung des Grafen das Bethaus verließen, fiel es Fürchtegott auf, daß er den alten Wimmer nicht unter den Brüdern gewahrt hatte. Es war ihm dies angenehm, weßhalb, wußte er sich selbst nicht genau zu sagen. Auch daß er ihn nach der Rückkehr in die Behausung des Grafen daselbst ebenfalls nicht traf, machte ihm Freude. Dafür trat ihm schon unter der Hausthür sein Freund Walter aus Paramaribo entgegen. Dieser junge Mann hatte mit anerkennenswerther Aufopferung dem Dienste Erdmuthe's sich geweiht. Unter seiner Führung hatte sie, nach erfolgter Abberufung durch die Aeltesten, die von ihr begründete Gemeinde verlassen. Walter sorgte wie ein Bruder für sie, während ihres ziemlich lange dauernden Aufenthaltes in der geräuschvollen Hafenstadt Surinams und pflegte sie während der Ueberfahrt, die wiederholter Stürme wegen eine Menge Unannehmlichkeiten in ihrem Gefolge führte.

Die Begrüßung der Freunde war herzlich.

Du hast's erreicht, Octavio! sprach Walter heiter, dem Freund auf die Schulter klopfend. Damals, als wir noch mit einander im Urwalde herumkrochen und Abends, ehe wir uns schlafen legten, die Füße uns doppelt verhüllten, damit uns die Vampyrmäuse nicht das Blut aussaugen möchten, hatte ich nicht geglaubt, daß ich dich im Vaterlande als Bräutigam würde umherwandeln sehen. So weit bring' ich's nicht, ich armer Schelm, setzte er seufzend hinzu. Weiß der liebe Gott, wie's kommt, alle Mädchen mögen mich gern, mich aber zu heirathen, dazu hat kein einziges Courage. Ich glaube, ich habe das ganze weibliche Geschlecht, soweit das nicht schon an den Mann gebracht ist, zu Geliebten, die Hand für immer gibt mir nicht das liebebedürftigste Geschöpf. Mich soll es aber nicht unglücklich machen. Wozu wäre ich denn Arzt geworden? Doch wohl nur, um Andern zu helfen, wo es nöthig ist. So bin ich denn überall ein gern gesehener Gast, heute als Brautführer, wenn es an einem so gutmüthigen Thoren fehlt, morgen heile ich als Heftpflaster klaffende Wunden, schlage ein andermal dergleichen in Gestalt eines Skalpells, um gar zu unruhig gewordenes Blut wieder fein sanft durch die ihm angewiesenen Kanäle fließen zu lassen, versenke mich als Sonde in schmerzende Geheimnisse und lindere als kühlendes Bäuschchen von Charpie offenes Weh. Ich bin mit einem Wort das unentbehrliche Factotum für eine Familie, deren Glückshimmel bisweilen von drohendem Gewölk verdunkelt wird, aus dem bald da, bald dort ein Blitzstrahl niederfährt, sei's nun, um zu zerstören, bloß, um zu schrecken oder zu warnen. Willst du mich als solches Universalmittel für innere und äußere Schätzen in Lohn und Brod nehmen, so bin ich dein mit Haut und Haar!

So ist's mir recht,
Bin dein Diener, bin dein Knecht!

Ein langer, heißer Händedruck Fürchtegott's dankte dem erprobten Freunde.

Ich denke, sprach der Glückliche, wir bleiben von jetzt an unzertrennlich verbunden. Nicht aber mein Knecht oder Diener, mein Bruder und Freund sollst du sein. Das Haus der Ammer ist groß, es hat Raum für Alle, die ihm gewogen sind. Und wie dein Rath mir nicht entging in der neuen Welt, so oft ich desselben bedurfte, so wirst du mir diesen auch in der Heimath nicht entziehen, wenn die Verhältnisse schwierig werden und das Wort eines treuen und redlichen Freundes schwerer in's Gewicht fallen sollte, als Stufen lauteren Goldes.

Graf Alban hatte für ein frugales Mahl gesorgt. Während die Wiedervereinten dasselbe einnahmen, hatte Erdmuthe Gelegenheit, manche merkwürdige Scene ihres bewegten Lebens dem Grafen mitzutheilen. Da nämlich Beide in fortwährendem brieflichen Verkehr mit einander geblieben waren, und häufig von der Missionärin entsendete Briefe über den Zustand der kleinen Christengemeinden unter den Indianern Surinam's Gegenstand langer Unterhaltungen in den Versammlungen der Aeltesten gewesen waren, konnte Graf Alban die frühere Missionärin leicht an Ereignisse und Vorgänge erinnern, welche Beiden wichtig sein mußten.

So verging die Zeit auf die angenehmste Weise und hätte Fürchtegott nicht wiederholt an baldiges Aufbrechen gemahnt, so würde man bis spät unter Gesprächen beisammen geblieben sein, die ziemlich erschöpfend ein Thema behandelten, das allen wahren Freunden des Christenthums stets wichtig bleiben muß. Fürchtegott jedoch hatte durchaus keine Ruhe. Er konnte, was ihm weder Graf Alban noch Walter verdachte, den Augenblick kaum erwarten, wo er die Auserwählte seines Herzens, die ihm vor Kurzem feierlich vor dem Angesicht der ganzen Gemeinde Verlobte, seinen Eltern und Geschwistern als Braut vorstellen sollte.

Eine Stunde vor Sonnenuntergang fuhr Fürchtegott Ammer's Equipage vor. Erdmuthe erschrak vor der blendenden Eleganz dieses Wiener Wagens.

O nein, ich bitte! sprach sie zögernd: das ist kein Wagen für eine arme Missionärin. Für mich ist ein Korbwagen zu gut.

Das muß ich sagen, bemerkte Walter, du hast dich nicht übel eingerichtet. Den blauen Himmel über dir, im Himmel sitzend, fährst du, den fertigen Engel im Arm, geradeswegs in's Himmelreich hinein.

Fürchtegott lächelte, indem er den Wagenschlag öffnete und Erdmuthe einzusteigen nöthigte. Diese aber zögerte und sagte bewegt:

Mein theurer Freund, ist es auch recht, die mittellose Magd des Herrn aus der Rohrhütte in der Wildniß so plötzlich mitten in den Glanz der großen, reichen Welt zu führen? Zürne nicht, mein Freund, aber mir wird bange im Herzen vor solcher Pracht und Herrlichkeit. Nicht, daß ich fürchte, übermüthig und stolz zu werden, nur die Befangenheit wird an die Stelle der Offenheit treten, wenn du mich mit so ungewohntem Schimmer umgibst. Du wirst mich stumm machen, statt mittheilsam, und das Brod der Liebe werde ich nicht in treuen Worten, ach nein, nur in schweigsamen, todten Küssen reichen können. Laß uns lieber demüthig sein, mein lieber, lieber Fürchtegott!

Der junge Ammer gerieth bei dieser Erklärung in eine seltsame Stimmung. Die köstliche Natürlichkeit dieser unverdorbenen, dem Weltleben so gänzlich abgewandten Seele entzückte ihn, und doch hätte er ihr harte Worte sagen mögen. Ihn freute es, die aus der weiten Welt Heimgekehrte, die er sich mit seinen heißesten Pulsschlägen erobert hatte, mitten in den lachenden Glanz seines durch rastlose Strebsamkeit erworbenen Reichthums führen zu können. Er war stolz auf Erdmuthe, ihrer großen und seltenen Eigenschaften wegen; aber es würde ihn gekränkt haben, wäre irgend Jemand auf den Einfall gekommen, ihm Vorschriften machen zu wollen, in welcher Weise er sein Vermögen anwenden solle. Diese, seinem Dafürhalten nach zu weit getriebene Bescheidenheit Erdmuthe's verletzte ihn und ein erster Mißton lief schrillend über die Saiten seiner Seele.

Zögere nicht länger, meine theure Erdmuthe, sagte er, während er fühlte, daß ihm das Blut zu Gesichte stieg. Dieser Wagen ist mein, oder wenn du das lieber hörst, meines Bruders, denn er hat ihn gekauft. Die Zeit verrinnt, und wollen wir die Eltern noch wach treffen, so müssen wir eilen. Es geht langsam auf unsern schlecht gehaltenen Wegen. Also rasch, mein Herz! Fasse dich nur, du wirst dann schon merken, daß sich's auf diesen Polstern bequemer sitzt, als auf deinem Mattenlager in Surinam.

Mehr von Fürchtegott gehoben, als selbst gehend, stieg Erdmuthe in den Wagen. Sie zitterte und ein feuchter Glanz schimmerte in den zauberisch schönen Augen, deren himmlische Milde Jedermann entzücken mußte. Schnell sprang Fürchtegott ihr nach, schlang seinen Arm um ihren Leib und bedeckte ihren Mund mit leidenschaftlichen Küssen.

Walter stieg gelassen ein und nahm Platz auf dem Rücksitze.

Ein prächtiger Doctorwagen, sagte er schalkhaft. Wenn meine künftige Frau Gebieterin ihren Abscheu gegen weiche Kissen in himmelblauer Umhüllung nicht sollte überwinden können, so werde ich wohl gleich Gebrauch von meiner Kunst machen müssen. Ich verschreibe dann zu besserer Heilung von allzuweit getriebener Bescheidenheit, weil dieselbe eine Schwäche ist und jede Schwäche der Gesundheit des ganzen Menschen Schaden bringen muß, daß sie zur Stärkung ihrer zu reizbaren Nerven täglich ein- bis zweimal an meiner Seite in dieser himmelblauen Muschel, genannt Wiener Wagen, spazieren fahren soll.

Mit heiterer Miene reichte er dem fein lächelnden Grafen die Hand, während Erdmuthe von dem bewährten Freunde noch durch eine stille Kopfbewegung Abschied nahm. Fürchtegott grüßte noch mehrmals mit der Hand, die schon längst unruhig stampfenden Rosse zogen an, und die elegante Equipage, zwei der glücklichsten und doch von den widersprechendsten Empfindungen gepeinigten Menschen tragend, rollte, von den Blicken vieler Neugierigen angestaunt, in den nahegelegenen rauschenden Fichtenwald hinein.


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