Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Dreizehntes Kapitel.

Jesus / dein Vorbild in Demut und Gehorsam.

Mein Sohn / wer gern das Band des Gehorsams lösen möchte / das ihn an seinen Obern knüpft / der löst auch das Band der Gnade auf / das ihn an Gott knüpft. Und wer immer nur Eigenes haben will / der verliert am Ende das Gemeinsame. Wer seiner Obrigkeit nicht gern und willig gehorcht / der beweist eben dadurch / daß ihm seine sinnliche Natur noch nicht vollkommen Gehorsam leistet / sondern oft wider ihren Herrn murrt und sich auflehnt. Lerne also / deinem Obern ohne Widerrede dich zu unterwerfen / wenn du dein eigenes Fleisch unter das Joch bringen willst. Dein äußerer Feind / der Leib / wird bald zur Ordnung gebracht sein / wenn in deinem inneren Menschen / in deinem Geiste / keine Unordnung herrscht. Dein schlimmster und lästigster Feind bist du selbst / sofern du mit dem heiligen Gesetze deines Geistes dich entzweist. Du mußt also dich selbst wahrhaft verachten lernen / wenn du über Fleisch und Blut Herr sein willst. Eben deswegen / weil du dich selbst wider alle Ordnung so unsinnig liebst / sträubt sich dein Wille so sehr / einem fremden Willen vollkommen sich zu unterwerfen.

Aber was ist es denn Großes / wenn du / Staub und Nichts vor mir / um Gottes willen einem andern Menschen dich unterwirfst / nachdem ich / der Allmächtige / der Allerhöchste / der Schöpfer aller Dinge / um des Menschen willen dem Menschen mich unterworfen habe? Ich bin der Allerniedrigste und Allerletzte geworden / um durch meine Demut deinen Stolz zu brechen. Lerne gehorsam sein / du Erdenstaub / lerne dich erniedrigen / denn du bist aus Staub gemacht / lerne dich unter alle Sterblichen erniedrigen. Lerne deinen Eigenwillen brechen und gern allen Menschen untertänig sein.

Laß einen heiligen Eifer in dir wider dich entbrennen / laß den aufblähenden Stolz in dir nicht Wurzel fassen / nicht Leben gewinnen. Sei so klein in deinen Augen und so willig zum Gehorsam / daß jeder Pilger über dich Erdenstaub hinweggehen / und jeder Fußtritt wie Gassenkot dich zertreten könne. O Mensch / du unstetes / eitles Ding / worüber hast du denn zu klagen? Ein Sünder voll Geschwüre / wie darfst du wider die / die dich lästern / deinen Mund auftun / du / der du wider deinen Gott so oft gesündigt und der Höllenstrafe so oft dich schuldig gemacht hast? Aber sieh / schonend blickte mein Vaterauge auf dich herab / weil dein unsterblicher Geist vor meinem Angesicht kostbar ist. Schonend blickte mein Vaterauge auf dich herab / damit du meine Liebe noch einmal erkennen und im Dankgefühl gegen mich wahre Demut und wahren Gehorsam gegen andere Menschen beweisen und die Verachtung / die von andern dir begegnet / mit Geduld möchtest ertragen lernen.


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