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11. Als die Fremdlinge und Pilgrime.

Ermunterungslied für Pilger

Kommt, Kinder, laßt uns gehen,
Der Abend kommt herbei;
Es ist gefährlich stehen
In dieser Wüstenei;
Kommt, stärket euren Mut,
Zur Ewigkeit zu wandern,
Von einer Kraft zur andern;
Es ist das Ende gut.

Es soll uns nicht gereuen
Der schmale Pilgerpfad,
Wir kennen ja den Treuen,
Der uns gerufen hat:
Kommt, folgt und trauet dem!
Ein jeder sein Gesichte
Mit ganzer Wendung richte
Steif nach Jerusalem.

Der Ausgang, der geschehen,
Ist uns fürwahr nicht leid,
Es soll noch besser gehen
Zur Abgeschiedenheit.
Nein, Kinder, seid nicht bang,
Verachtet tausend Welten,
Ihr Locken und ihr Schelten,
Und geht nur euern Gang.

Geht's der Natur entgegen,
So geht's gerad' und fein;
Die Fleisch und Sinne pflegen,
Noch schlechte Pilger sein:
Verlaßt die Kreatur
Und was euch sonst will binden,
Laßt gar euch selbst dahinten,
Es geht durchs Sterben nur.

Man muß wie Pilger wandeln,
Frei, bloß und wahrlich leer;
Viel sammeln, halten, handeln
Macht unsern Gang nur schwer:
Wer will, der trag' sich tot,
Wir reisen abgeschieden,
Mit wenigem zufrieden,
Wir brauchen's nur zur Not.

Schmückt euer Herz aufs beste,
Sonst weder Leib noch Haus;
Wir sind hier fremde Gäste
Und ziehen bald hinaus:
Gemach bringt Ungemach;
Ein Pilger muß sich schicken,
Sich dulden und sich bücken
Den kurzen Pilgertag.

Laßt uns nicht viel besehen
Das Kinderspiel am Weg:
Durch Säumen und durch Stehen
Wird man verstrickt und träg';

Es geht uns all' nicht an:
Nur fort durch dick und dünne!
Kehrt ein die leichten Sinne,
Es ist so bald getan.

Ist gleich der Weg was enge,
So einsam, krumm und schlecht,
Der Dornen in der Menge
Und manches Kreuzchen trägt;
Es ist doch nur ein Weg:
Laß sein! wir gehen weiter,
Wir folgen unserm Leiter
Und brechen durchs Geheg'.

Was wir hier hör'n und sehen,
Das hör'n und seh'n wir kaum,
Wir lassen's da und gehen,
Es irret uns kein Traum:
Wir geh'n ins Ew'ge ein,
Mit Gott muß unser Handel,
Im Himmel unser Wandel
Und Herz und alles sein.

Wir wandeln eingekehret,
Veracht't und unbekannt;
Man siehet, kennt und höret
Uns kaum im fremden Land,
Und höret man uns ja,
So höret man uns singen
Von unsern großen Dingen,
Die auf uns warten da.

Kommt, Kinder, laßt uns gehen,
Der Vater gehet mit,
Er selbst will bei uns stehen
In jedem sauern Tritt:
Er will uns machen Mut,
Mit süßen Sonnenblicken
Uns locken und erquicken:
Ach ja, wir haben's gut!

Ein jeder munter eile,
Wir sind vom Ziel noch fern;
Schaut auf die Feuersäule,
Die Gegenwart des Herrn:
Das Aug' nur eingekehrt,
Da uns die Liebe winket
Und den, der folgt und sinket,
Den wahren Ausgang lehrt.

Des süßen Lammes Wesen
Wird uns da eingedrückt,
Man kann's am Wandel lesen,
Wie kindlich, wie gebückt,
Wie sanft, gerad' und still
Die Lämmer vor sich sehen
Und ohne Forschen gehen
So, wie ihr Führer will.

Kommt, Kinder, laßt uns wandern,
Wir gehen Hand in Hand:
Eins freuet sich am andern
In diesem wilden Land:

Kommt, laßt uns kindlich sein,
Uns auf dem Weg nicht streiten;
Die Engel uns begleiten
Als uns're Brüderlein.

Sollt' wo ein Schwacher fallen,
So greif' der Stärk're zu:
Man trag', man helfe allen,
Man pflanze Lieb' und Ruh'.
Kommt, bindet fester an;
Ein jeder sei der Kleinste,
Doch auch wohl gern der Reinste
Auf uns'rer Liebesbahn.

Kommt, laßt uns munter wandern,
Der Weg kürzt immer ab;
Ein Tag, der folgt dem andern,
Bald fällt das Fleisch ins Grab:
Nur noch ein wenig Mut,
Nur noch ein wenig treuer,
Von allen Dingen freier,
Gewandt zum ew'gen Gut!

Es wird nicht lang mehr währen,
Halt noch ein wenig aus,
Es wird nicht lang mehr währen,
So kommen wir nach Haus:
Da wird man ewig ruh'n,
Wann wir mit allen Frommen
Daheim beim Vater kommen,
Wie wohl, wie wohl wird's tun!

Drauf wollen wir's denn wagen,
Es ist wohl wagenswert,
Und gründlich dem absagen,
Was aufhält und beschwert:
Welt, du bist uns zu klein,
Wir geh'n durch Jesu Leiten
Hin in die Ewigkeiten;
Es soll nur Jesus sein.

O Freund, den wir erlesen,
O allvergnügend Gut,

O ewig bleibend Wesen,
Wie reizest du den Mut!
Wir freuen uns in dir,
Du uns're Wonn' und Leben,
Worin wir ewig schweben,
Du uns're ganze Zier.

Der vorsichtige Pilger

Ein Pilger, der sich müd' gereist,
Setzt sich ein wenig stille nieder;
So kehr' ich dann und wann im Geist
Zu meiner süßen Ruhe wieder.
So reis' ich, und kann auch daneben
Daheime bei dem Vater leben.

Der Pilger Ausgang

Von allen Dingen ab,
Die nicht mitgeh'n durchs Grab,
Soll meine Seel' sich wenden:
Herr, gürte meine Lenden,
Laß mich hinfort auf Erden
Ein'n wahren Fremdling werden.

Die Welt hat nichts an mir,
Und ich hab' nichts allhier
Zu hoffen, zu genießen,
Ich will die Augen schließen:
Ein ewig wahres Wesen,
Kein Traum, kann mich genesen.

Ich tu Verzicht darauf,
Was sonst im Pilgerlauf
Sich mir anpreisen würde;
Es ist nur eine Bürde:
Ich laß sie andern stehen,
Ich kann also nicht gehen.

Ich bin ein Wandersmann;
Was geht's den Fremdling an?
Ich reise gern mit Frieden,
Frei, bloß und abgeschieden:
Geld, Ehre, Lust, Vergnügen,
Ich laß euch alle liegen.

Ich kehr auch von dem ab,
Was ich zur Not noch hab':
Was mein ist, ist nicht meine,
Gott ist mein Gut alleine,
Mein Teil, mein Trost, mein Leben,
Was such' ich noch daneben?

Weg Herzleid, weg Betrug!
Mein Gott, du bist mir g'nug:
Man hat's in dir alleine
So wesentlich, so reine,
So ruhig, so inwendig,
Man hat's in dir beständig.

Mein Ausgang völlig sei,
So wird der Eingang frei,
So komm' ich in die Weite
Und mich in dir ausbreite
Daheim im Vaterlande;
Zerreiß' denn meine Bande.

Verbirg mich tief bei dir,
Daß ich recht einsam hier
Und dir gemeinsam lebe,
Dir frei und fest anklebe,
Mein irdisch Teil nicht schone
Und stets im Geist nur wohne.

Nun, hin zur Ewigkeit
Durchs fremde Land der Zeit!
Halt fest, mein treuer Leiter;
Aus mir und allem weiter
Dein Schäflein heimwärts trage:
Mit dir allein ich's wage.

Ein matter Blick vom ew'gen Glück

Bald endet sich mein Pilgerweg:
Mein mattes Herze, werd' nicht träg,
Laß dich dein's Freundes treuen Händen.
Durchseufzt ist schon so manches Jahr,
Manch saurer Tritt, Druck und Gefahr;
Gott half, Gott hilft, Gott wird's vollenden:
Ich glaub', lieb', hoff', bis mir's geschicht;
Dort find' ich's gar, das fehlet nicht.

Was werden wir dann finden da
Im Reich der ew'gen Gloria?
Nicht Sünd', nicht Furcht, nicht Müh' noch Leiden!
Wer Herzens-Ach gesäet hat,
Wer Böses litt und Gutes tat,
Find't da die Ernte reif mit Freuden.
Drum sät im Glauben reichlich fort,
Nichts geht verlor'n, wir finden's dort.

Wir finden da das Paradies,
Der reinen Sinne rein Genieß
In Lustrevier'n von allem Schönen.
O, Garten Gottes, neue Welt,
Du unverwelklich's Blumenfeld,
Da Himmels-Nachtigallen tönen!
Man ißt von Lebensbäumen frei
Das Mark der Früchte mancherlei.

Wir finden Gottes Stadt da steh'n,
So groß, so heilig, herrlich schön,
Von Perlen, Gold und Edelsteinen.
Gott ist in Salem drinnen nah;
Herein! die Tor' sind offen ja:
Doch muß ich fein und rein erscheinen,
Wo Gott und Lamm sind Kirch und Licht;
In Mesech hier gefällt's mir nicht.

Wir finden da auch uns're Leut',
Die wir gekannt in Leid und Streit,
Mit allen Heil'gen triumphieren.
Das wird ein Willkommheißen sein,
Ein Freundlichtun, ein Hocherfreu'n,
Ein süß' Gespräch, ein Jubilieren:
Man geht wie Kindlein Hand in Hand.
Ging's auch schon so im Pilgerstand!

Die Engel, die uns hier bewahr'n,
Die lieben, schönen, sel'gen Schar'n,
Wir finden da vergnügt in Menge.
In unserm Glück sie sich erfreu'n,
Sie nehmen uns mit in den Reih'n;
Hört doch ihr frohes Lobgesänge:
Ehr' sei Gott in sei'm hohen Reich,
Nun hat er Wohlgefall'n in euch!

Jetzt triumphiert ein englisch' Chor,
Bald steigt ein andres schön empor,
Dem Fest ein'n neuen Glanz zu bringen:
Throngeister, Cherub, Seraphim,
Wann seh' ich's, wie ihr dienet ihm?
Wann hör' ich Heilig, Heilig singen?
Mein Gott, wann fall' ich nieder auch,
Dich betend an nach Himmels Brauch?

Noch mehr, wir finden da den Freund,
Des Liebe Gott und Mensch vereint,
Der für uns blutend ist gestorben,
Der uns erlöst und durchgeführt,
Der uns mit weißer Seide ziert,
Die ew'ge Wonn' und Ruh' erworben
Erkaufte Scharen, beugt die Knie
Vorm Thron des Lammes dort und hie.

Du weißt, mein Jesu, wer ich war,
Doch stellst du mich untadlig dar;
Ach, ewig bin ich dir verbunden.
Dein Blut macht Höllenwürd'ge rein:
Werd' ich einst glücklich bei dir sein,
Wie will ich küssen deine Wunden!
Wie fröhlich will ich singen da!
Dir, holdes Lamm, Halleluja!

Auch schauen wir von Angesicht
Den sel'gen Gott im reinsten Licht:
Dies Schauen ist ein Hochgenießen.
O Heiligtum! O Dunkelheit!
Hier lehrt die stille Ewigkeit
Anbeten, beugen und herfließen.
Drei Eins: Gott, Gott! o wunderbar!
Ach Sela! hier verstumm ich gar.

Mein Herz kehr dich denn ganz hinein
Da, wo du ewig wünschst zu sein,
Und laß die schlechten Sachen fahren;
O Gott, dein Himmelreich ist nah,
Ich such's im Geist und warte da,
Bis du dich mir wirst offenbaren.
Du bist mein Himmel, Lohn und Zier:
Wen hab', was such' ich neben dir?

Sterbensgedanken einer gläubigen Seele

So geht's von Schritt zu Schritt zur großen Ewigkeit!
So unvermerkt verschwind't die kurze Lebenszeit!
Wo blieb so mancher Tag? und wo so manches Jahr?
Was hat ein Sterblicher von dem, das gestern war?

Du, Gott der Ewigkeit, der mir dies Leben gab,
Ich geb' es dir zurück samt was ich bin und hab':
Ich will nur leben dir, dir will ich sterben auch;
Gib, daß ich Zeit und Kraft zu deinem Dienst nur brauch'.

Ich schließ' die Augen jetzt und sage gute Nacht
Der Sichtbarkeit, dem Traum, damit ich auf der Wacht
Mit Herzensinnigkeit vor deinen Augen leb'
Und deinem Geiste Raum in mir zu wirken geb.

Nun, ich verlass' die Welt und will zum Vater geh'n,
Hier bin ich nicht zu Haus, hier will ich nichts anseh'n,
Der kurze Rest der Zeit soll dir gewidmet sein,
Zu werden, Vater, dir und jener Welt gemein.

Ich lege meinen Geist in deine treue Hand,
Mein Heiland, du bewahrst dies dir vertraute Pfand:
Mein'n letzten Atemzug laß reine Liebe sein,
Ausgehend geh mein Geist zu deiner Ruhe ein.

Bereite mich, und wann dies Leben ist vorbei,
Mein ewigbleibend Gut, mein wahres Leben sei:
Verlaß mich denn auch nicht im letzten Augenblick,
Daß ich mag Jesum seh'n und nicht auf mich zurück.

Ich leer' mich gänzlich aus vor dir mit höchstem Recht,
Ich bin ein armer Wurm und ein unnützer Knecht:
So ganz entblößt sink' ich in Jesu Wunden ein,
Will auch nur jetzt und dann in ihm erfunden sein.

Der Feind hat nichts an mir, das Herz in Jesu ruht;
Tief in mein Nichts versenkt ist Jesus all mein Gut;
O wie verdank ich's dir, daß du zu mir gewandt
Dein offnes Vaterherz und wurdest mir bekannt!

Dich, Vater, Sohn und Geist, ich meinen Gott bekenn,
Den ich als Schöpfer ehr' und auch Erlöser nenn':
Es ist mir herzlich lieb, daß du bist, der du bist,
Und daß mein ganzes Heil in deinen Händen ist.

Ich zeuge, daß du bist das ewig sel'ge Gut,
Worin der Geist allein und höchst zufrieden ruht:
Dich, Majestät, verehr'n, dein Dienst ist Seligkeit,
Und dazu wünsch' ich mir die ganze Ewigkeit.

O Ruh der Ewigkeit! Da wird's denn doch gescheh'n,
Daß ich dich, höchstes Gut, so wie du bist, werd' seh'n
Und ewig bei dir sein mit jener sel'gen Schar.
Ich bet' gebücket an: Mein Gott, du bist es gar.


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