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Entsatz

Zwei Tage waren vergangen, seit die Gesandtschaft auf Bulak eingeschlossen worden war. Die Vorräte begannen sich zu lichten, so daß man sich gezwungen sah, die Rationen zu verkleinern und sorgsam einzuteilen. Im übrigen aber war man in keiner Weise behelligt worden.

Am dritten Tage jedoch schien den Sarazenen die Zeit lang zu werden. Sie begannen in kleinen Booten die Insel zu umkreisen und sie von allen Seiten mit Pfeilschüssen zu überschütten, die allerdings meist nur die unmittelbar am Ufer liegenden Plätze gefährdeten.

Offenbar sollte dieses Manöver auch nur bezwecken, die Franken zu beunruhigen und sie zu irgendwelchen Gegenmaßregeln zu veranlassen, die Gelegenheit gegeben hätten, sie in einen ungleichen Kampf zu verwickeln.

Und in der Tat hätten sie diesen Zweck beinahe erreicht.

Der Fürst, dem bei seinem leidenschaftlichen Temperament die unfreiwillige Muße längst zuwider war, hatte von vornherein große Neigung verspürt, die Herausforderung zu beantworten, und war selbst durch die dringenden Bitten der älteren Ritter kaum davon zurückzuhalten gewesen, Flöße bauen zu lassen, um auf diesen gegen die lästigen Angreifer vorzugehen.

Unwillig fügte er sich endlich, als ein unglückliches Ereignis aufs neue seinen Zorn entfachte.

Mechthildis hatte sich mit ihrer Begleiterin an einem Platze niedergelassen, der gegen die feindlichen Schüsse vollständig gesichert zu sein schien.

Plötzlich aber sah Katuscha einen Pfeil daherkommen, der unmittelbar auf die Gräfin gerichtet war.

Mit entsetztem Geschrei sprang sie auf, um ihre Herrin, die das Geschoß nicht bemerkt zu haben schien, beiseite zu reißen.

Im nächsten Augenblick aber brach Katuscha blutüberströmt zusammen.

In der Angst um ihre Herrin war sie gerade in die Schußlinie hineingelaufen, so daß der Pfeil ihr von hinten her in den Hals gedrungen war.

Ohne an sich selbst zu denken, warf sich Mechthildis, laut um Hilfe rufend, über sie, zog den Pfeil aus der Wunde und suchte den Blutstrom zurückzuhalten. Aber das Geschoß hatte die große Schlagader zerschnitten, und selbst die heilkundigen Knechte, die bald darauf herbeigeholt wurden, bemühten sich vergeblich, die Blutung zu stillen.

»Dafür ist kein Kräutlein gewachsen,« meinten sie kopfschüttelnd, und mit Grausen mußte Mechthildis sehen, wie der rote Lebensquell unaufhaltsam aus der Wunde hervorströmte, bis er allmählich schwächer und schwächer wurde, um schließlich ganz zu versiegen. Plötzlich öffnete Katuscha, die gleich nach der Verwundung die Besinnung verloren hatte, die Augen noch einmal. – Mit müdem Lächeln schaute sie die Herrin an, die sich weinend über sie gebeugt hatte, und sagte mit leiser, halbgebrochener Stimme: »Ich danke dir – für alles. O! – Es ist so schön, für eine so gute Herrin zu sterben! – Leb wohl! – Gott schenke dir Gnade – und lasse dich glücklich zu deinem Vater heimkehren, – zu deinem Vater!«

Ein unendlich schmerzlicher Zug zuckte in diesem Augenblick über Katuschas Gesicht. – Sie mochte wohl an den eigenen Vater denken, der daheim, geblendet, ohne Stütze, in der Wüste umherirrte, und den sie nun nie mehr wiedersehen sollte.

Aber der Tod erlöste sie bald von diesen Gedanken. – Noch einmal blickte sie zu Mechthildis auf, dann verschied sie.

* * *

Der Fürst war durch diesen Vorfall dergestalt in Zorn versetzt, daß er, allen Warnungen seiner Berater entgegen, nun doch Befehl gab, die Flöße herzurichten, und schon war man rüstig dabei, die Schranken der Arena zu diesem Zwecke niederzureißen, als die Ägypter das Schießen einstellten und mit ihren Booten eins nach dem anderen verschwanden.

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Mechthildis warf sich wehklagend über die Verwundete.

Bald darauf erschien ein Unterhändler, der sich vor den Fürsten führen ließ und ihn aufforderte, ihn mit zwei Rittern zum Kalifen zu begleiten.

Der Fürst war aber noch so im Zorn, daß er den Boten niedergeschlagen hätte, wenn ihm die Ritter nicht in die Arme gefallen wären.

Endlich wurde der Bote mit der Antwort heimgeschickt, wenn der Kalif ihn zu sprechen wünsche, möge er sich zu ihm bemühen. – Er seinerseits habe keine Veranlassung, sich jemand anzuvertrauen, der so wenig Achtung vor den Gesetzen der Völker bezeige.

Der Bote fuhr wieder ab, und es vergingen nun mehrere Stunden, ohne daß die Sarazenen wieder etwas von sich hätten hören lassen.

Plötzlich sah man die Kähne wieder heranrudern, und der Fürst, der nicht anders dachte, als daß das Schießen wieder beginnen würde, wollte schon Anordnungen treffen, um ihnen diesmal das Handwerk zu legen. Aber statt um die Insel herumzufahren, sammelten sich die Fahrzeuge neben der zerstörten Brücke, und bald ließ sich erkennen, daß die Ägypter sich anschickten, mit ihnen eine Schiffbrücke nach der Insel herzustellen.

Mit überraschender Schnelligkeit war von vielen hundert Händen das schwierige Werk vollbracht, das bei der gewaltigen Strömung nur dadurch zu stande kam, daß man die Boote mit Ketten an den beim Brande stehengebliebenen Pfeilern der Brücke befestigte.

Kaum aber war der letzte Balken gelegt, als am gegenüberliegenden Ufer eine glänzende Reiterschar erschien und sich über die Brücke hinweg nach der Insel begab, wo man sie, über die plötzliche Wendung der Dinge nicht wenig erfreut, mit verwunderten Gesichtern erwartete.

An der Spitze der Botschaft ritt der Wesir selbst, der sich freilich nur schweren Herzens zu diesem Schritte entschlossen hatte, nachdem er durch die von der Küste und von seinem eigenen Heere eingetroffenen Nachrichten überzeugt worden war, daß nur durch schleuniges Einlenken eine große Gefahr abgewendet werden könne.

Wenn es sich bewahrheitete, daß die christlichen Heere von Gazza und Joppe gegen die ägyptische Grenze aufgebrochen seien, so fanden sie das Land fast vollständig offen; denn trotz aller Anstrengungen hatte der Wesir nur wenige tausend Mann nach Unterägypten heranzuziehen vermocht, während die Hauptmacht von Kossêr aus wieder nach Nubien hatte zurückgeschickt werden müssen, wo aufs neue der Fürst von Dongola die Grenzen bedrohte.

Unter diesen Umständen mochte er die Verantwortung, das Land auch noch in einen Krieg mit den Christen zu verwickeln, nicht auf sich nehmen, und so entschloß er sich, trotz aller Wutausbrüche und Vernichtungsschwüre des Kalifen, mit den Franken Verhandlungen anzuknüpfen, die umso aussichtsreicher schienen, als die auf Bulak Eingeschlossenen ja von dem Anrücken ihrer Heere noch nichts erfahren haben konnten.

Der Fürst wußte denn auch in der Tat nicht, wodurch er sich den plötzlichen Umschwung erklären sollte. Seine durch den Kopten nach Alexandrien gesandte Mitteilung von ihrer Lage konnte im günstigsten Falle erst jetzt nach Gazza oder Joppe gelangt sein; wenn also die Heere wirklich bereits aufgebrochen waren, so war es doch ganz unmöglich, daß die Ägypter schon davon benachrichtigt sein konnten.

Anderseits teilte er die Befürchtungen einiger Ritter, daß man sie nur von der Insel locken wolle, um sie in irgend einem Hinterhalt zu vernichten, nicht. Er vertraute viel zu sehr der eigenen Tapferkeit und der seiner Begleiter, um diesen Gedanken für möglich zu halten. Jedenfalls aber beschloß er, auf der Hut zu sein und lieber bis zum Äußersten auszuharren, als den Ägyptern irgendwelche Zugeständnisse zu machen.

Er befahl also dem Schenk von Rofen, sich der Brücke zu versichern, ließ vor der ehemaligen Tribüne einen erhöhten Platz herrichten, auf dem er in voller Rüstung, von seinen Rittern umgeben, Aufstellung nahm, und sandte dann einen Herold ab, um die Ägypter herbeizuführen, die sofort nach ihrer Ankunft auf der Insel von den Pferden gestiegen waren, um so die Aufforderung des christlichen Führers zu erwarten.

In demütiger Haltung nahten sie jetzt. Der Wesir warf sich vor dem Fürsten auf den Boden nieder, und alle folgten diesem Beispiel.

Mit stolzer Miene schaute Boemund auf sie nieder und ließ einige Zeit verstreichen, bis er sie aufforderte, sich zu erheben. Aber auch dann maß er sie noch eine ganze Weile mit strafenden und verächtlichen Blicken.

Endlich fragte er sie in strengem, herrischem Ton nach ihrem Begehr, und nun öffnete der Wesir die Schleusen seiner Beredsamkeit und ließ eine solche Flut von schönen Redensarten über den Fürsten sich ergießen, daß dieser, von einer so weitschweifigen und gewundenen Art angewidert, bald unwillig wurde und dem Sprecher in ziemlich kräftigen Worten zu verstehen gab, er möge entweder kurz und deutlich reden, oder gar nicht.

Nun bequemte sich der Wesir endlich, jedoch ohne sich durch die Zurechtweisung im übrigen in irgend einer Weise beirren zu lassen, dem Kern der Sache näher zu kommen, diese dabei aber so zu drehen, daß es den Anschein gewann, als seien an den Vorkommnissen der letzten Tage nicht die Ägypter, sondern die Franken schuld, und als müßten sie den Kalifen noch um Entschuldigung bitten, daß sie ihn am Tage ihrer Ankunft hätten warten lassen.

Der Fürst war über diese Unverschämtheit so empört, daß ihn seine Umgebung nur mit Mühe zurückhalten konnte, das Schwert zu ziehen und den Wesir niederzuschlagen. Von einer Fortsetzung der Verhandlung wollte er aber unter keinen Umständen etwas wissen, und erst nach langem Hin und Her gelang es den vermittelnden Worten Hermanns von Camp endlich, ihn zu veranlassen, den Wesir noch weiter anzuhören.

Aber der schlaue Wesir hatte mit dieser Anzapfung nur sehen wollen, wie er mit dem Fürsten daran war und wie weit er mit ihm würde gehen können. Jetzt kannte er seinen Gegner und wußte ihn bald so geschickt zu fassen, daß der Fürst schließlich einwilligte, vor dem Kalifen zu erscheinen und mit ihm zu verhandeln, unter der Bedingung freilich, daß ihm als gleichberechtigtem Herrscher die gebührende Stellung neben dem Kalifen eingeräumt werde und daß alle auf der Insel befindlichen Christen ihn sollten begleiten dürfen.

Die letztere Bedingung gestand der Wesir ohne weiteres zu, die erstere erst nach längerem Bedenken, in der Hoffnung, daß der Kalif mit Rücksicht auf die bedrängte Lage sich schließlich doch bewegen lassen würde, in diesem Falle auf das Vorrecht, als König aller Könige einen erhöhten Thronsitz einzunehmen, zu verzichten.

So wurde denn vereinbart, daß die Gesandtschaft unmittelbar nach dem Mittagsgebet in großem Aufzuge nach dem Schlosse reiten und dort vom Kalifen empfangen werden solle, daß den Franken aber die Berechtigung eingeräumt werde, schon vorher eine Abordnung nach dem Palaste zu senden, um sich zu überzeugen, ob die Vorbereitungen auch der Würde des Fürsten entsprächen.

Hierauf gab Boemund das Zeichen zur Entlassung.

Wieder warfen sich die Ägypter vor ihm auf den Boden nieder, bestiegen dann ihre Pferde und verließen die Insel, auf der man nun sofort begann, sich für den Zug zu rüsten.

Die Rüstungen wurden geputzt, die Pferde gestriegelt und ihnen die Mähnen eingeflochten, und nachdem alles zum Aufsitzen fertig war, hielt der Abt von Jericho in der Arena eine feierliche Messe ab, in der er für die bevorstehende Unternehmung den Segen Gottes erflehte.

Nach dem Gottesdienst ließ der Fürst den schwarzen Junker vor sich kommen, reichte ihm die Hand und sagte: »Dietrich von Camp, als ersten Lohn für Eure würdige Haltung soll Euch heute die Auszeichnung zu teil werden, als unser Marschall zu gelten. – Wählet Euch zwei Herolde und zehn Knechte und reitet mit ihnen auf das Schloß. – Sorget dafür, daß die frechen Sarazenen ihr Versprechen halten, und daß wir uns bei dem Empfange nichts vergeben. – Sehet Euch auch in der Stadt ein wenig um; denn ob ich gleich die Bedenken einiger Ritter nicht teile, daß man Arges gegen uns im Schilde führen könne, ist es doch gut, wenn Ihr die Augen offen haltet.«

Der Junker, nicht wenig erfreut über diesen ehrenvollen Auftrag, bedankte sich, beauftragte Hen mit der Auswahl der anderen neun Knechte, ließ eines der im Troß mitgeführten Ersatzpferde, einen prächtigen Rapphengst, für sich satteln, beurlaubte sich vom Vater und von Mechthildis, die mit den Vorbereitungen zur Beerdigung ihrer treuen Dienerin beschäftigt war, und machte sich dann sogleich auf den Weg.

Voran ließ er die beiden Herolde reiten, dann folgte er mit Hen, der die ritterliche Tracht, in die ihn die Ägypter für das Schauspiel gesteckt hatten, inzwischen wieder mit einem schlichten Lederkoller vertauscht hatte. Den Schluß bildeten die anderen Knechte, lauter ältere, erfahrene Männer, die Hen von früheren gemeinsamen Kriegszügen her persönlich kannte.

»Was meinst du, Alter?« sagte der Junker, als sie so über die Schiffsbrücke hin in die Stadt einzogen, die sich mit ihren unzähligen Kuppeln und Minaretts so prächtig vor ihnen aufbaute. »Das ist ein ander Ding wie neulich!«

»Das ist es freilich,« antwortete der Alte. »Aber ich hab' es ja immer gesagt: Gott verläßt keinen Deutschen nicht, und wer bei dem heiligen Florian einen Stein im Brett hat, der ist wohl geborgen. – Aber seht doch, Herr, den Mann da unten am Flusse, der sich mit dem Boote zu schaffen macht und dabei so auffällig zu uns herüberschaut. – Ist das nicht der alte Isegrimm, der uns neulich in der Höhle das Fräulein zugeführt hat?«

»Wahrhaftig!« rief der Junker überrascht. »Es ist der Kopte. – Ich müßte mich sehr täuschen, wenn der nicht eine Botschaft für uns hätte. Laß uns nach dem Nil abbiegen und unsere Pferde tränken, damit ich unauffällig mit ihm reden kann.«

Der Junker führte seine Reiter zum Flusse, und nachdem sie das Ufer erreicht hatten, lenkten sie ihre Rosse mit so gleichgültigen Mienen nach dem Wasser, daß es selbst einem argwöhnischen Zuschauer nicht hätte auffällig erscheinen können.

Der Junker hatte sich in seiner Annahme nicht getäuscht. Kaum hatte er sein Roß dicht neben dem Kopten an den Fluß gebracht, als dieser, ohne in seiner Arbeit innezuhalten, sich zu ihm beugte und ihm zuraunte: »Herr! Seit langer Zeit warte ich schon hier, daß einer von euch herüberkommen sollte; denn bei Tage hätte ich nicht nach der Insel gelangen können, ohne euch und mich zu verraten. Ich habe euch wichtige Nachrichten zu bringen: In Thamiatis ist gestern abend eine große Flotte von Joppe gelandet, und wie es heißt, steht auch bei Pelusium ein fränkisches Heer. Sie wissen, daß ihr in großer Gefahr seid und rücken eilig zu eurer Hilfe heran.«

»Weißt du das gewiß?« fragte der Junker in freudiger Überraschung.

»Ja, ganz gewiß! Und wenn du den Fisch aufheben willst, der dort auf dem Rand meines Bootes liegt, so wirst du in seinem Innern eine Botschaft eures Königs finden.«

»So warst du selbst in Thamiatis?« forschte der Junker weiter, indem er sich niederbeugte, um scheinbar seinem Pferde den Hals zu streicheln, in Wirklichkeit aber, um den toten Fisch zu ergreifen und unter der Satteldecke verschwinden zu lassen.

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»So warst du selbst in Thamiatis?« forschte der Junker, indem er sich niederbeugte, um scheinbar seinem Pferde den Hals zu streicheln.

»Ja,« antwortete der Kopte in einer Stellung, als bemühe er sich, sein Boot noch weiter an das Land zu ziehen. »Gestern abend bin ich von dort fortgeritten und, wie es scheint, noch gerade zur rechten Zeit gekommen. – Denn ich weiß noch mehr: In Nubien ist wieder Krieg, und der Kalif somit in zwiefacher Gefahr. Wenn ihr es geschickt anzufangen wißt, könnt ihr jetzt alles von ihm erreichen. – Sage deinem Herrn, daß er unserer nicht vergessen soll, und mache dich jetzt fort; die Leute fangen an, aufmerksam zu werden.«

»Was hast du hier mit deinem Pferde zu suchen, ungläubiger Hund?« fuhr der Kopte in scheltendem Tone gegen den Junker gewendet, mit lauter Stimme fort, um das Volk irrezuführen, das sich jetzt in der Tat von allen Seiten neugierig herandrängte. »Helft mir doch, ihn davon zu treiben, und die anderen da auch. Was haben die fremden Schufte an unserem Wasser zu suchen? Auf! Steinigt sie!«

Wirklich machte die Menge, die inzwischen immer mehr angewachsen war, jetzt Miene, die Reiter anzugreifen. Aber der Junker merkte wohl, daß dies nur eine neue List des verschlagenen Kopten war, um ihm Gelegenheit zu geben, unauffällig nach der Insel zurückkehren zu können. Und rasch entschlossen, wußte er sich den Vorfall zu nutze zu machen.

»Zurück!« rief er, sich mit drohender Miene im Sattel aufrichtend. »Wißt ihr nicht, daß wir unter dem Schutz eures Herrn, des Kalifen, stehen und daß jeder des Todes ist, der uns anzurühren wagt? – Aber ich werde mich nicht mit euch einlassen. Mag der Kalif selbst zuvor dafür sorgen, daß seine Gäste ungehindert in den Straßen reiten können, die zu seinem Palaste führen. – Kommt! – Wir kehren um. – Sie werden schon ihren Lohn dafür erhalten, wenn ihr Herr vergeblich auf uns warten muß.«

Damit lenkte er mit gekränkter Miene sein Pferd wieder der Brücke zu und kehrte mit seinen Begleitern nach der Insel zurück, wohl bemerkend, daß schon die Schergen herbeieilten, um mit ihren Peitschen die Lehre zu verbreiten, daß man in Zukunft höflicher gegen die Gäste des erhabenen Gebieters zu sein habe.

Bald darauf erschien denn auch ein Pascha, um für das Vorkommnis um Entschuldigung zu bitten und zu versichern, daß die Herren von nun an keinerlei Belästigungen mehr zu fürchten haben würden.

Aber die Franken hatten es nicht allzu eilig, die Probe darauf zu machen.

Die freudigen Nachrichten des Kopten, die der Junker mitsamt dem inhaltsreichen Fisch sogleich dem Fürsten überbrachte, hatten die ganze Lage vollständig verändert. Jetzt waren sie nicht mehr die Verlangenden, sondern die Gewährenden, und es entsprach ganz dem feurigen Temperament des Fürsten, daß er in dem eiligst berufenen Kriegsrat rundweg den Vorschlag machte, jetzt einfach den Spieß umzudrehen, den Kalifen gefangen zu nehmen und Ägypten zu einer Provinz des christlichen Königreichs zu erklären.

Dieser Vorschlag wurde allerdings sofort hinfällig, nachdem man den Fisch geöffnet und die darin verborgene königliche Botschaft zur Verlesung gebracht hatte. Denn der König beschwor darin den Fürsten, wenn er die schwere Gefahr, in der er sich, wie ihm gemeldet, befinde, überstehen und noch rechtzeitig Verbindung mit den anrückenden Heeren gewinnen sollte, diese ja nicht länger als irgend nötig in Ägypten zurückzuhalten.

Er habe allen Grund anzunehmen, daß der Sultan von Damaskus im Falle eines Krieges mit Ägypten ebenfalls sofort die Feindseligkeiten wieder aufnehmen und das Königreich dann in eine höchst gefährliche Lage bringen würde. Der Fürst möge also unter allen Umständen ernsthafte Verwickelungen vermeiden und, sobald es mit Ehren möglich sei, zurückkehren.

Der Fürst war im höchsten Grade ergrimmt über diesen Befehl. Aber da er erwarten mußte, daß die Ritter ihm die Gefolgschaft aufsagen würden, wenn er ihm zuwider handelte, und da außerdem bei einem Angriff des Sultans von Damaskus sein eigenes Reich am ersten gefährdet war, blieb ihm nichts übrig, als zu gehorchen und seine Absicht, den Krieg mit den Ägyptern vom Zaun zu brechen, fallen zu lassen.

Dagegen bestand er fest darauf, die günstige Lage bis auf das Äußerste auszunutzen und dem Kalifen Bedingungen zu stellen, die denen eines allmächtigen Siegers völlig gleichkamen. Vor allem wollte er durchaus nicht davon abgehen, daß die Küstenstädte Alexandrien und Thamiatis an die Christen abgetreten werden müßten, und erst nach langen Verhandlungen ließ er sich halbwegs davon überzeugen, daß diese Forderung die Ägypter unter allen Umständen zum Kriege zwingen müsse und daß man schließlich doch nicht im stande sein würde, die Hafenplätze dauernd zu behaupten.

Endlich einigte man sich auf folgende Bedingungen.

Erstens: Der Kalif bittet persönlich in Gegenwart der ganzen christlichen Gesandtschaft und seines eigenen Hofes die Gräfin von Petra und den Ritter von Camp um Entschuldigung für die ihnen angetane Unbill und läßt sie unter einem Ehrengeleit von zwanzig Großen des Reiches nach Jerusalem zurückbringen.

Zweitens: Die Mitglieder dieses Ehrengeleites, dem mindestens drei nahe Anverwandte des Kalifen angehören müssen, bleiben als Geiseln in der Obhut des Königs von Jerusalem und sind dem Tode verfallen, sobald sich die Ägypter wiederum Übergriffe gegen christliche Untertanen zu schulden kommen lassen sollten. – Sie bürgen gleichzeitig für den Frieden.

Drittens: Die Leichname der drei ermordeten Knechte werden im Beisein des Sultans an geweihter Stätte feierlich beigesetzt, und diese Stätte bleibt für alle Zeiten unantastbares christliches Eigentum, so daß jeder Muselmann, der sie zu betreten wagt, mit dem Tode bestraft werden soll. Außerdem zahlt der Kalif an die Hinterbliebenen der drei Getöteten tausend und an deren Herren weitere zehntausend Goldbyzantiner Sühnegeld.

Viertens: Der Kalif schwört, allen in seinem Reiche lebenden Christen fürderhin und für alle Zeiten die freie Betätigung ihres Glaubens zu gewähren und sie dabei zu schützen und zu unterstützen. Zu diesem Zwecke wird wiederum ein koptischer Patriarch eingesetzt, der seinen Sitz in Alexandrien hat, die Angelegenheiten der christlichen Gemeinden in Ägypten ohne Einmischung der Staatsgewalt überwacht und in regelmäßiger Verbindung mit dem lateinischen Patriarchen in Jerusalem steht. Alle den Kopten entzogenen Gotteshäuser sind diesen unverzüglich zurückzugeben und in den früheren Stand zu setzen.

Fünftens: Ist der Kalif bereit, diese vier Punkte in allen Teilen zu erfüllen, so werden die Gesandtschaft und die christlichen Heere ohne Aufenthalt das Land verlassen; anderenfalls es aber mit Krieg überziehen und nicht eher ruhen, bis der letzte Sarazene getötet oder aus dem Lande vertrieben ist.

Diese Bedingungen wurden vom Fürsten und einer kleinen Mehrheit der Ritter gutgeheißen und sofort vom Abt von Jericho in arabischer Schrift aufgezeichnet, obwohl es an lauten Warnern nicht fehlte, die erklärten, die Bedingungen wären viel zu hart und man werde sich damit alles verderben; der Abt wollte namentlich den von den Kopten handelnden Punkt gestrichen wissen.

»Nun wohl denn!« rief der Fürst, den Kriegsrat aufhebend. »Mögen sie immerhin hart sein; ist das Los des edlen Fräuleins und das des wackeren Ritters nicht ebenfalls hart gewesen? – Wer, den Hammer in der Faust, am Amboß steht und nicht zuschlägt, wenn das Eisen weich und biegsam vor ihm liegt, der ist, meiner Treu, ein schlechter Schmied! Und was die Kopten anlangt, so haben wir, denk' ich, allen Grund, uns ihnen für die Dienste, die sie uns leisteten, dankbar zu bezeigen! – Ich wollte nicht mit Ehren vor den König hintreten, wenn ich von diesen Forderungen auch nur die kleinste sollte zurücknehmen müssen!«

Nachdem das Schriftstück abgefaßt und vom Fürsten mit seinem Insiegel versehen war, wurde der Junker abermals beschieden und beauftragt, es ohne Aufenthalt dem Kalifen persönlich zu überbringen und ihm gleichzeitig mitzuteilen, daß der Fürst nicht eher in friedlicher Absicht auf dem Schlosse erscheinen werde, bis alle diese Forderungen bewilligt, die sie bestätigenden Verträge unterzeichnet und die zu Geiseln bestimmten zwanzig Großen in seiner Hand sein würden.

Als der Junker diesmal über die Brücke kam und in die Stadt hinaufritt, fand er die Straßen leer, und nur auf den flachen Dächern der niedrigen Häuser hockte und stand eine ungeheure Menge, die den Zug der christlichen Gesandtschaft sehen wollte. Denn das Mittagsgebet war vorüber, und auch oben auf dem Schlosse war schon alles zum Empfange bereit.

Der Wesir selbst stand am Tore, um den Fürsten zu erwarten und nach dem Prunksaal zu geleiten, war aber nicht wenig enttäuscht, als er nur die kleine Schar den Hügel heraufsprengen sah.

Der Junker verlangte sogleich vor den Kalifen geführt zu werden.

Man bedeutete ihm, daß der Kalif nur den Fürsten selbst empfangen werde.

»Mein Herr, der große Fürst von Antiochien, wird nicht eher vor dem Kalifen erscheinen, als bis alle in diesem Schriftstück aufgeführten Bedingungen erfüllt sein werden!« antwortete der Junker fest.

»Was für Bedingungen?« rief der Wesir erschreckt. »Hat dein Fürst nicht schon über alle Bedingungen mit mir selbst verhandelt, und habe ich ihm nicht schon mehr zugestanden, als ich der Würde meines erhabenen Herrn schuldig gewesen wäre?«

»Was du mit meinem Herrn verhandelt hast, tut hier nichts zur Sache,« entgegnete der Junker mit Bestimmtheit. »Ich habe den Auftrag, dieses Schriftstück dem Kalifen zu überbringen, und bitte, mich unverzüglich zu ihm zu führen, damit ich meinen Auftrag ausführen kann.«

Der Wesir brachte noch eine ganze Reihe von Ausflüchten vor und suchte den Junker namentlich durch die Mitteilung einzuschüchtern, daß sein Herr schon jetzt über die Forderungen des Fürsten in höchstem Maße erzürnt sei und sicher alle Franken töten lassen würde, wenn man es wagte, ihn noch mehr zu reizen.

Aber der Junker ließ sich dadurch nicht beirren, so daß dem Wesir nichts übrig blieb, als sein Verlangen zu erfüllen und den Kalifen selbst auf die neue unangenehme Überraschung vorzubereiten.

Nach längerem Warten wurde der Junker endlich in ein kleines Gemach geführt. Wieder verstrich einige Zeit. Dann wurde plötzlich ein Teppich zurückgeschlagen, und nun erschien der Kalif, nur vom Wesir begleitet.

Der Junker verneigte sich ehrfurchtsvoll und wollte das Schriftstück mit dem Bemerken überreichen, daß sein Herr ihm befohlen habe, es nur in die Hand des erhabenen Herrschers selbst zu legen.

Aber der Kalif schien ihn gar nicht zu beachten, ließ sich auf einem hohen Seidenkissen nieder und winkte, ohne den Junker auch nur eines Blickes zu würdigen, dem Wesir, der nun an seiner Stelle das Pergament in Empfang nahm, es aufrollte und vorzulesen begann.

Aber kaum hatte er die ersten Worte gelesen, die davon handelten, daß der Kalif persönlich das Fräulein und den Ritter um Entschuldigung bitten solle, als der Kalif mit wütender Gebärde aufsprang und rief: »Ist niemand da, der den Erben des Propheten gegen solche Unverschämtheiten schützt? – Den Kopf ihm herunter!«

Sogleich kam hinter dem Teppich eine Schar von Kriegern hervor, um sich mit gezückten Schwertern auf den Junker zu stürzen.

Aber dieser hatte sich wohl vorgesehen und auch seine Leute mitgehen heißen. Im Nu hatte er die Tür aufgestoßen, durch die er vorhin eingetreten war, und im nächsten Augenblick stürmten Hen, die Herolde und die neun anderen Knechte mit blanken Schwertern in das Gemach.

Die Sarazenen prallten zurück, während der Wesir mit aufgeregten Mienen leise auf den Kalifen einzureden suchte.

Endlich schien es ihm gelungen zu sein, seinen Herrn von der Unzweckmäßigkeit einer neuen Gewalttat zu überzeugen; denn plötzlich gab der Kalif ein leichtes Zeichen mit der Hand, worauf die Krieger sogleich wieder hinter dem Teppich verschwanden.

Auch der Junker hieß nun seine Leute wieder abtreten, schärfte ihnen aber ein, auf der Hut zu sein und ihm sofort ohne weiteres Meldung zu machen, wenn sie draußen etwas Verdächtiges bemerken sollten.

Sobald die letzten hinaus waren, trat der Wesir auf den Junker zu und sagte: »Du wirst jetzt eingesehen haben, daß du eurer aller Leben aufs Spiel setzest, wenn du es wagst, die Geduld meines erhabenen Herrn noch länger zu mißbrauchen. Nimm also dein Schriftstück nur wieder mit und sage deinem Fürsten, was du gesehen und gehört hast.«

»Ich werde nicht eher zurückkehren, als mir eine Antwort zu teil geworden ist, die mehr der hohen Würde meines Fürsten entspricht und der großen Macht, über die er gebietet,« entgegnete der Junker mit entschlossener Miene, die Hand am Schwertknauf. »Oder ist es deinem erhabenen Gebieter nicht bekannt, daß kaum eine Tagereise von hier zwei große fränkische Heere bereit stehen, nur des Winkes harrend, sich dieses ganzen Landes zu bemächtigen, von dem wir wohl wissen, daß es in diesem Augenblick genug mit seinen Feinden im Süden zu tun hat, und daher gezwungen ist, jede Bedingung von uns anzunehmen? Wenn also dein erhabener Herr nicht gewärtig sein will, vollends die Gnade meines großen Fürsten zu verscherzen, so tätest du gut, ihm zu raten, dieses Schriftstück zu Ende zu hören und die Hand nicht zurückzuweisen, die mein Fürst ihm zur Versöhnung bietet.«

Diese klugen und energischen Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, und sobald der Wesir aus ihnen entnahm, daß die Franken über die wirkliche Lage wohl unterrichtet waren, wußte er, daß er sein Spiel verloren hatte.

Mit heruntergezogenen Augenbrauen und zusammengekniffenem Munde stand er eine Weile schweigend da, während der Kalif in sich zusammengesunken auf den Kissen hockte und mit blöden Augen hilflos auf seinen Berater starrte.

»Ziehe dich jetzt, wenn es dir genehm ist, zurück,« sagte der Wesir endlich mit einer Höflichkeit, die ganz seltsam gegen das hochfahrende Wesen abstach, mit dem er dem Junker vorhin begegnet war. »Mein erhabener Herr wird die Vorschläge deines edlen Fürsten bedenken und dir, wenn es möglich ist, befriedigende Antwort geben.«

Der Junker empfand wohl, daß es dem Wesir nur darum zu tun war, seinem Herrn die Demütigung zu ersparen, in Gegenwart eines Fremden die harten Bedingungen anhören zu müssen, die seinem Allmachtsbewußtsein einen so schweren Stoß versetzten. Diese Rücksicht zu üben, schien ihm ritterlich und zweckmäßig. Er antwortete also, daß er gern bereit sei, diesen Wunsch zu erfüllen, daß man ihn aber nicht zu lange warten lassen möge; er verneigte sich vor dem Kalifen, der noch immer wie teilnahmslos dasaß und verließ das Gemach.

Der Muezzin hatte schon zum Nachmittagsgebet gerufen, als er wieder hineingeführt wurde.

Diesmal empfing ihn der Wesir allein.

Er kam mit gedrückter Miene, ein Pergament in der Hand, auf ihn zu und sagte: »Es sind schwere Bedingungen, die dein edler Fürst zu stellen beliebt hat. Aber mein erhabener Herr will den Frieden. – Er ist bereit, sie zu erfüllen, soweit es in seinen Kräften steht. – Hier dieses Schriftstück enthält die Bestätigung. – Überbringe es deinem edlen Fürsten und sage ihm, mein erhabener Herr würde es sich zur Ehre schätzen, einen so erlauchten Gast unter seinem Dache willkommen zu heißen.«

Mit Jubel im Herzen ergriff der Junker das bedeutungsvolle Pergament, nicht ahnend, wie viel Tücke auch in ihm wieder verborgen lag und daß der Wesir seinen Herrn nur dadurch zur Nachgiebigkeit zu bewegen vermocht hatte, daß er ihm vorstellte, er vergebe sich nichts, wenn er in der gegenwärtigen Notlage auf die Bedingungen scheinbar eingehe, die ja doch keine Bedeutung mehr hätten, sobald nur erst die fränkischen Heere wieder aus dem Lande wären. Es werde sich schon bald eine Gelegenheit finden, sich an den Christen zu rächen, und da die geforderten Geiseln von vornherein von jedem Eide entbunden seien, den die Christen sie zu schwören zwingen würden, so würden auch sie schon wissen, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

In Begleitung der zwanzig Geiseln, unter denen sich wirklich, der Forderung gemäß, drei Brüder des Kalifen befanden, kehrte der Junker nun zum Fürsten zurück, der inzwischen voller Ungeduld die Insel bereits verlassen hatte und vor das nördliche Stadttor gerückt war, vollständig gerüstet, im Falle einer unbefriedigenden Antwort sofort nach Thamiatis abzureiten, um die anrückenden Heere gegen die Hauptstadt heranzuführen.

Als er jetzt aber den Junker in Begleitung der zwanzig Sarazenen herankommen sah, die in angemessener Entfernung vom Pferde stiegen und in demütiger Haltung ihr Schicksal erwarteten, rief er freudig aus: »Seht ihr nun, ihr Herren? Das Eisen war weich genug, um sich nach unserem Willen biegen zu lassen, und wie es scheint, hat der Schmied einen tüchtigen Gehilfen bei seiner Arbeit gehabt!«

Mit diesen Worten sprengte er dem Junker entgegen, der ihm statt aller Meldung mit strahlendem Gesicht das Pergament überreichte und nur die Worte hervorstieß: »Herr! – Alles genehmigt! – Gott hat geholfen!«

»Wahrlich! – Alle Bedingungen unterschrieben!« rief der Abt, der mit den Rittern jetzt ebenfalls herangekommen war, nachdem er in das Schriftstück geblickt hatte, das ihm vom Fürsten übergeben worden war.

Mit triumphierender Miene blickte der Fürst einen Augenblick auf die herrliche Stadt des Kalifen, der nun den stolzen Nacken vor ihm gebeugt hatte. Dann reichte er dem Junker die Hand und sagte: »Ihr habt Eure Sache gut gemacht, Dietrich von Camp! Dieser wackere Dienst soll Euch nicht vergessen werden! – Und auch Ihr, Ritter,« fuhr er, sich zu Hermann von Camp wendend, fort, »nehmt meine Hand. Ich wünsche Euch Glück zu solch einem Sohne!«

Der Ritter verneigte sich stumm, entgegnete aber nichts und warf einen düsteren Blick auf seinen Sohn, der eben dem Fräulein die Hand küßte, das an ihn herangeritten war, um ihn zu seinem Erfolge zu beglückwünschen.

Der Fürst wandte sich nun zu den Sarazenen, begrüßte sie in ritterlicher Form, forderte sie auf, ihre Pferde wieder zu besteigen und sich seinem Gefolge anzuschließen, das nichts versäumen werde, um ihnen die Erfüllung ihrer schweren Aufgabe so leicht und angenehm als möglich zu machen.

Inzwischen waren auch die Abgesandten des Kalifen eingetroffen, um die ganze Gesellschaft zu ihrem Herrn zu führen, und in glänzendem Zuge ging es nun hinauf zum Palast.

Der Empfang war nun nur noch eine bloße Förmlichkeit und vollzog sich ohne besondere Zwischenfälle, nachdem man dem Fürsten ohne weiteres einen ebenbürtigen Platz neben dem Kalifen eingeräumt und auch sonst alles getan hatte, um den Franken und ihrem Führer die gebührende Achtung zu bezeigen.

Der Kalif bat die Gräfin von Petra und den Ritter Hermann von Camp um Entschuldigung, allerdings mit so leiser Stimme, daß niemand außer diesen beiden, dem Fürsten und dem Wesir, etwas davon hören konnte.

Der Wesir verlas einen Erlaß, in dem allen Christen im Reiche des Kalifen Schutz und Religionsfreiheit, sowie die Zurückgabe ihrer Kirchen zugesichert wurde.

Der Schatzmeister übergab dem Fürsten die elftausend Goldbyzantiner als Sühnegeld für die drei erschlagenen Knechte, deren Leichname und Köpfe hierauf, nachdem der Abt von Jericho sie eingesegnet hatte, am Rande des an das Schloß grenzenden Parkes feierlich beigesetzt wurden, wobei der Kalif vom Altan des Palastes aus zuschaute.

Hierauf wurden dem Fürsten zehn prächtige Rosse als Gastgeschenk vorgeführt, welche Gabe er durch Überreichung einer von einem byzantinischen Künstler gefertigten kostbaren Darstellung des Felsendomes zu Jerusalem erwiderte, der ja auch den Mohammedanern nach der Kaaba in Mekka als das höchste Heiligtum galt und noch heute gilt.

Damit war die Zeremonie beendet.

Eine Stunde später verließ die Gesandtschaft die Kalifenstadt Ägyptens wieder, in der ihr nach drei schweren Tagen durch die Gunst der Verhältnisse und die Tüchtigkeit und unbeugsame Entschlossenheit ihres Führers ein für die ganze Christenheit so bedeutungsvoller Erfolg beschieden war. Mechthildis ritt dabei an des Ritters Seite in der Mitte des sarazenischen Ehrengeleites, das beauftragt war, sie in die Heimat zurückzuführen.

Als sie eben das Tor erreicht hatten, sahen sie neben sich drei Männer stehen, deren Anblick sie noch einmal an all die Trübsal erinnerte, die sie in Ägypten erfahren hatten, zugleich aber auch an treue Dienste und selbstlosen Opfermut.

Es waren Zenab von Fostât und die beiden aus dem Turm zu Bulak befreiten Haftgenossen des Ritters.

Obwohl der Erlaß, der ihrer Kirche die langersehnte Freiheit zusicherte, bereits in der Stadt bekannt geworden war, trauten sie den Sarazenen nicht. Sie wußten wohl, was auf moslemische Versprechungen zu geben war und daß sie nur so lange in Ruhe sich ihres Lebens und ihres Gottes würden erfreuen können, als die Furcht vor den fränkischen Waffen sie schützte. Sie hüteten sich also wohl, sich als Christen zu verraten und vermieden es deshalb auch jetzt, den scheidenden Beschützern ihren Dank und ihre ferneren Hoffnungen offen zum Ausdruck zu bringen.

Aber ihre Blicke verrieten, was ihre Herzen bewegte, und Mechthildis verstand sie wohl.

Im Vorüberreiten neigte sie sich leicht zu ihnen nieder und sagte leise: »Habt Dank für alles, ihr wackeren Leute. Ihr sollt auch in Jerusalem nicht vergessen werden. – Gott schütze euch und eure Freunde!«

Dann schmetterten die Fanfaren, die Sporen wurden eingesetzt, und fort ging es gen Norden, der Heimat zu, wo Mechthildis es als eine ihrer ersten Aufgaben betrachtete, den Kopten ihre Kapelle in der heiligen Grabeskirche wieder zu verschaffen, die sie noch heute als unantastbares Eigentum innehaben.

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