George Sand
Die Grille oder die kleine Fadette
George Sand

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Fünfunddreißigstes Kapitel.

Vater Barbeau fürchtete indessen, daß die kleine Fadette wegen der früheren Kränkungen noch einen heimlichen Groll gegen ihn bewahrt haben könnte, und ob sie nicht vielleicht durch die lange Abwesenheit Landrys allmählich abgekühlt, schon einen anderen im Sinn haben möchte. Als sie auf den Zwillingshof gekommen war, um Sylvinet zu pflegen, hatte er einen Versuch gemacht mit ihr von Landry zu reden; aber sie hatte gethan, als ob sie ihn gar nicht verstehe, und er geriet dadurch in große Verlegenheit.

Eines Morgens endlich faßte er einen bestimmten Entschluß und machte sich auf, die Fadette zu besuchen.

»Fränzchen Fadet,« sprach er zu ihr, »ich komme zu Ihnen, um Sie über etwas zu befragen, worauf ich Sie bitte mir eine ehrliche und aufrichtige Antwort zu geben. Haben Sie vor dem Tode Ihrer Großmutter eine Ahnung davon gehabt, daß diese Ihnen ein so großes Vermögen hinterlassen würde?«

»Ja, Vater Barbeau,« lautete die Antwort der kleinen Fadette, »ich habe eine Ahnung davon gehabt, weil ich oft gesehen habe, wie die Großmutter Gold und Silber zählte, und doch sah ich nie etwas anderes für unsere Ausgaben verwenden als grobe Sousstücke. Auch sagte die Großmutter mir oft, wenn die anderen Kinder mich wegen meiner zerlumpten Kleider verspotteten: ›Mache dir keine Sorge deshalb, Kleine. Du wirst einst reicher sein, als sie alle und der Tag wird kommen, wo du vom Kopf bis zu den Füßen in Seide gekleidet einhergehen kannst, wenn es dir so gefallen sollte.‹«

»Und dann noch eins,« hob der Vater Barbeau wieder an, »hast du dies Landry erzählt, und wäre es da nicht möglich, daß es dein Geld war, weshalb mein Sohn so that, als ob er in dich verliebt sei?«

»O, deshalb! Vater Barbeau, wo denken Sie hin?« antwortete die kleine Fadette, »da ich immer geglaubt habe, daß er mich meiner schönen Augen wegen liebte, die das Einzige sind, was man mir niemals abgesprochen hat, so war ich doch nicht so dumm Landry jemals wissen zu lassen, daß meine schönen Augen eine mächtige Unterstützung in der ledernen Tasche meiner Großmutter haben würden. Dennoch hätte ich es ihm ohne Gefahr sagen können, denn Landry liebte mich so in allen Ehren und von ganzem Herzen, daß er sich nie darum bekümmert hätte, ob ich reich oder bettelarm gewesen wäre.«

»Mein liebes Fränzchen,« nahm der Vater Barbeau wiederum das Wort, »kannst du mir dein Ehrenwort darauf geben, daß Landry weder durch dich noch durch sonst irgend jemanden etwas davon erfahren hat, wie es eigentlich mit deinen Verhältnissen steht.«

»Darauf gebe ich Euch mein Wort,« sagte die Fadette. »So wahr ich Gott liebe, seid Ihr, außer mir, auf der ganzen Welt die einzige Person, die etwas von dieser Sache weiß.«

»Und was nun Landrys Liebe betrifft, glaubst du wohl, daß er sie dir bewahrt hat? Und hast du seit dem Tode deiner Großmutter wohl irgend ein Zeichen erhalten, daß er dir auch nicht untreu gewesen ist?«

»Darüber habe ich den besten Beweis erhalten,« antwortete sie; »denn ich will Ihnen nur gestehen, daß er drei Tage nach dem Tode meiner Großmutter gekommen ist, mich zu besuchen, und daß er geschworen hat, er werde vor Kummer sterben, wenn ich nicht seine Frau würde.«

»Und, was hast du ihm darauf geantwortet, Fadette?«

»Das wäre ich nun wohl nicht verpflichtet Ihnen zu sagen, Vater Barbeau; aber, um Sie zufrieden zu stellen, werde ich es thun. Ich antwortete ihm, daß es mit uns noch Zeit hätte ans Heiraten zu denken, und daß ich mich aus freien Stücken nie für einen Burschen entscheiden würde, der gegen den Willen seiner Eltern um mich werben würde.«

Da die kleine Fadette dies alles in einem stolzen und sicheren Ton gesagt hatte, wurde der Vater Barbeau etwas beunruhigt dadurch. »Es steht mir nicht zu Sie auszufragen, Fränzchen Fadette,« sagte er, »und ich kann ja auch nichts davon wissen, ob Sie die Absicht haben meinen Sohn für sein ganzes Leben glücklich oder unglücklich zu machen, aber das weiß ich, daß er über die Maßen in Sie verliebt ist, und wenn ich an Ihrer Stelle wäre und glaubte, daß er mich nur, um meiner selbst willen liebe, dann würde ich sagen: Landry Barbeau hat mich geliebt, als ich in Lumpen einherging und die ganze Welt mich zurückstieß, und als sogar seine Eltern so weit gingen ihm seine Liebe zu mir als eine Sünde vorzuwerfen. Er hat mich schön gefunden, als die ganze Welt mir die Möglichkeit absprach es je werden zu können; er hat mich geliebt trotz alle der peinlichen Leiden, welche diese Liebe über ihn brachte; er hat mich geliebt, gleichviel ob ich hier in der Heimat oder in der Fremde abwesend war; und schließlich hat er mich so aufrichtig und selbstlos geliebt, das ich ihm nicht mißtrauen kann, und daß ich niemals einen anderen zum Manne haben will.«

»Das alles habe ich mir schon lange selbst gesagt, Vater Barbeau,« gab die kleine Fadette zur Antwort; »aber ich wiederhole es Ihnen noch einmal, daß es mir höchlichst zuwider wäre, in eine Familie einzutreten, die sich meiner schämt, und die nur aus Schwachheit und Mitleiden der Neigung ihres Sohnes nachgeben würde.«

»Wenn es nur das ist, was dich abhält, Fränzchen,« hob der Vater Barbeau wieder an, »so entschließe dich. Landrys Familie achtet dich und wünscht dich aufzunehmen. Denke nicht, daß wir unseren Sinn geändert hätten, weil du reich geworden bist. Nicht deine Armut war es, weshalb wir gegen dich eingenommen waren, sondern die übelen Reden, die über dich geführt wurden. Wenn sie einen Grund gehabt hätten, würde ich niemals, und wenn auch mein Landry darüber zu Grunde ginge, einwilligen, daß du meine Schwiegertochter werden solltest. Aber ich habe keine Mühe gescheut, mir über alle diese Reden Aufschluß zu verschaffen. Ich bin deshalb nur in dieser Absicht nach Chateau Meillant gegangen und habe in dieser Gegend so gut wie in der unsrigen über die geringste Nachrede meine Erkundigungen eingezogen. Jetzt weiß ich, daß man mich belogen hatte, und daß du, wie Landry es mir so eifrig versichert hatte, ein verständiges und ehrenhaftes Mädchen bist. Ich komme also, Fränzchen Fadet, dich zu bitten, meinen Sohn zu heiraten, und wenn du ›Ja‹ dazu sagst, ist er in acht Tagen wieder hier.«

Über diese Eröffnung, die sie allerdings wohl erwartet hatte, fühlte die kleine Fadette sich sehr befriedigt, aber sie wollte sich dies nicht zu sehr anmerken lassen, weil sie von ihren künftigen Verwandten für immer geachtet sein wollte, und so antwortete sie nur mit großer Zurückhaltung. Der Vater Barbeau sagte ihr darauf:

»Ich sehe, meine Tochter, daß du gegen mich und die Meinigen noch etwas auf dem Herzen hast. Verlange nicht, daß ein Mann in reifen Jahren dir Entschuldigungen machen soll; begnüge dich mit einem guten Worte, und wenn ich dir sage, daß du bei uns geachtet und geliebt sein wirst, so kannst du dich auf das Wort des Vaters Barbeau verlassen, der noch niemals jemand hintergangen hat. Komm, bist du bereit dem Vormund, den du dir erwählt hattest, oder dem Vater, der dich als Tochter aufnehmen will, den Friedenskuß zu geben?«

Die kleine Fadette konnte sich nicht länger zurückhalten; sie schlang ihre beiden Arme um den Nacken des Vaters Barbeau, dessen altes Herz hocherfreut darüber war.


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