Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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169. Staub.

Quelle: Professor Dr. Otto N. Witt: »Narthekion«. Verlag von Rudolf Mückenberger, 1901. Z.

Jahrtausende lang hat sich die Menschheit mit dem Staub herumgeplagt, ohne sich – in ähnlicher Nachlässigkeit wie bei der Luft – die Frage vorzulegen, was denn diese abscheuliche, allgegenwärtige Substanz eigentlich sei. „Der Erste, der sich methodisch mit ihr befaßt und dadurch berechtigten Ruhm geerntet hat, war Ehrenberg, der Schützling und gelegentliche Reisegefährte des großen Alexander von Humboldt. Sein ganzes Leben lang hat er Staubproben untersucht, die er an den verschiedensten Orten sammeln ließ, und seine zahllosen, in den Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin veröffentlichten Aufsätze »Über das unsichtbare von der Atmosphäre getragene organische Leben« sind ein schönes Denkmal unermüdlichen Forscherfleißes.

Das Wichtigste, das die Neuzeit den Ehrenbergschen Untersuchungen hinzugefügt hat, ist die Erkenntnis, daß der atmosphärische Staub als nie fehlende Bestandteile die Keime der Organismen der Gärung und Fäulnis und nicht selten auch diejenigen von Krankheitserregern enthält. Der gewöhnliche Staub besteht aber noch nicht zum tausendsten, ja vielleicht noch nicht zum hunderttausendsten Teil aus solchen Keimen.

Dem Gewicht nach weitaus die Hauptmenge des Staubs bilden Dinge 232 ganz anderer Art. Feinst verteilte Mineralien, Quarz, Ton, Glimmer und dergleichen, der richtige Erdstaub, wie er sich bei der Bearbeitung des Bodens, bei der Benutzung der Straßen durch Fußgänger und Gefährte, beim Wühlen des Winds in lockerem Boden bildet, fehlen in keinem Staub und sind die Ursache, daß er beim Reiben knirscht und polierte Flächen jeglicher Art allmählich matt macht. In Fabrikbezirken und großen Städten ist Ruß einer der Hauptbestandteile des Staubs, der dann weit dunkler erscheint, als der Staub ländlicher Bezirke. Im Winter ist, wie wohl schon Jedermann bemerkt haben wird, der Staub schwärzer als im Sommer, weil alsdann durch den Betrieb einer größeren Anzahl von Feuerungen mehr Ruß produziert und gleichzeitig durch Schnee und Regen die Aufwirbelung von Straßenstaub verringert wird.

Neben diesen anorganischen Gebilden finden wir im Staub viel Organisches, insbesondere Fäserchen, wie sie durch das Abtragen von Kleidungsstücken aller Art hervorgebracht werden. Das Unansehnlichwerden unserer Kleidung beruht auf einem Abscheuerungsprozeß, der ununterbrochen vorwärtsschreitet und in einem fortwährenden Materialverlust besteht. Die zarten Fäserchen, die sich dabei von unseren Gewändern loslösen, schweben lange in der Luft, mischen sich dem übrigen Staub bei und bewirken dessen lockere, wollige Erscheinung in ruhenden Schichten.

Sehr interessant sind die bloß zu gewissen Jahreszeiten auftretenden Staubbestandteile. Der Forscher, der mitten in der Stadt eifrig mit mikroskopischen Arbeiten beschäftigt ist, kann ganz genau den Moment erkennen, wenn draußen im Wald die Fichten zu blühen beginnen. Dann erscheinen plötzlich auch im städtischen Staub die charakteristischen, hantelförmig gestalteten Pollenkörner der Koniferen. In der gleichen Weise macht sich das Blühen gewisser Gräser auf weite Entfernungen hin bemerkbar.”

Der Staubgehalt der Luft ist sehr wechselnd. Aitken fand in freier Luft bei Regen in einem Kubikzentimeter 32 000 Staubteilchen, bei schönem Wetter 130 000, in Zimmerluft 1 860 000, an der Zimmerdecke 5 420 000, aber auf dem Gipfel des Rigi nur 210 Staubteilchen in der gleichen Luftmenge.


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