Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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116. Flammarions Experimente mit Eusapia Palladino

Quelle: Camille Flammarion: »Unbekannte Naturkräfte«. Verlegt bei Julius Hoffmann, Stuttgart, 1908. Z.

Zu den bekanntesten spiritistischen Medien gehört die Italienerin Eusapia Palladino. Camille Flammarion, ein bekannter Astronom, der seit Jahrzehnten in seiner eigenen Sternwarte zu Juvisy bei Paris arbeitet und als Gelehrter einen Ruf hat, wenn er sich auch in mancherlei allzu phantastischen Schlußfolgerungen aus seinen Beobachtungen gefällt, gibt von seiner ersten Sitzung mit dem Medium folgenden hier auszugsweise mitgeteilten Bericht.

„Eusapia Palladino wird mir vorgestellt. Eine Frau von ganz gewöhnlichem Aussehen, braun, von kaum mittelgroßer Gestalt, ungefähr vierzig Jahre alt, durchaus nicht neuropathisch, vielmehr etwas grob und dick. Sie wurde am 21. Januar 1854 in einem apulischen Dorf geboren. Die Mutter war bei der Geburt Eusapias gestorben, ihr Vater wurde acht Jahre später, 1862, von süditalienischen Räubern getötet. Sie hat sich mit einem bescheidenen Kaufmann, Raphael Delgaiz, verheiratet, wohnt in Neapel, hat einen kleinen Laden, ist ungebildet und kann weder lesen noch schreiben, versteht kaum französisch.

Ich unterhalte mich mit ihr, merke aber sofort, daß sie keine eigene Meinung hat, und daß sie die unter ihrem Einfluß erzeugten Erscheinungen nicht zu erklären sucht. . . . Das Medium setzt sich vor einen Vorhang, dem es den Rücken zukehrt. Ein Tisch steht vor ihm, ein Küchentisch von Tannenholz, sieben Kilogramm 300 Gramm schwer, den ich genau angesehen, und der nichts Verdächtiges hatte. Man konnte diesen Tisch nach allen Richtungen bewegen.

Ich setzte mich zuerst links, dann rechts von Eusapia. So gut wie möglich kontrollierte ich persönlich ihre Hände, Beine und Füße. Gleich anfangs nahm ich zum Beispiel, um sicher zu sein, daß sie den Tisch nicht etwa mit den Händen, Beinen oder Füßen hebe, ihre linke Hand in meine Linke, legte meine Rechte über ihre beiden Knie und setzte meinen rechten Fuß auf ihren linken Fuß. Mir gegenüber hielt Herr Guillaume de Fontenay, der ebensowenig wie ich getäuscht werden wollte, ihre rechte Hand und ihren rechten Fuß.

Es geschah das alles beim vollem Licht einer großen Petroleumlampe mit hellgelbem Lampenschirm. Außerdem brannten zwei Kerzen. Nach drei Minuten bewegte sich der Tisch, indem er schwankte und sich bald zur Rechten, bald zur Linken hob. Eine Minute später war er ganz vom Boden gehoben, ungefähr 15 Zentimeter hoch, und blieb zwei Sekunden lang so.

Bei einem zweiten Experiment nahm ich beide Hände der Eusapia in die meinen; fast unter den gleichen Bedingungen erfolgte eine große Hebung des Tischs. Das gleiche Experiment wurde noch dreimal wiederholt, und zwar so, daß in einer Viertelstunde fünf Hebungen erzielt wurden, wobei sich die vier 158 Füße des Tischs vollständig vom Boden hoben, ungefähr fünfzehn Zentimeter hoch und einige Sekunden lang. Während der Hebung berührten die Anwesenden den Tisch nicht mehr, bildeten vielmehr in der Luft über diesem die Kette, wobei Eusapia beteiligt war. . . . Ein kleines, rundes, einfüßiges Tischchen, das zu meiner Rechten stand, bewegte sich – das Zimmer war immer noch vollständig erleuchtet – vorwärts, ohne daß ein Kontakt stattgefunden hätte, gegen den Tisch, als ob es auf diesen klettern wollte, und fiel. Da niemand seinen Sitz geändert, noch sich dem Vorhang genähert hatte, so kann für diese Bewegung keine Erklärung gegeben werden. . . .

Fünf Schläge im Tisch zeigen nach einem vom Medium angegebenen Übereinkommen an, daß die unbekannte Ursache weniger Licht verlange. . . . Die Kerzen wurden ausgelöscht, die Lampe kleiner geschraubt, aber es blieb genügend hell, und man konnte deutlich alles sehen, was im Salon vorging. Der einfüßige Tisch, den ich aufgehoben und zur Seite gestellt hatte, näherte sich dem Tisch und versuchte zu mehreren Malen, auf diesen zu steigen. Ich stützte mich auf ihn, um ihn niederzuhalten, aber ich fühlte einen so starken elastischen Widerstand, daß es mir nicht gelang. Der freie Rand des einfüßigen Tischs legte sich über den Rand des andern; da er aber durch den dreibeinigen Fuß zurückgehalten wurde, gelang es ihm nicht, genügend wegzurücken, um über ihn zu steigen. . . .

Fünf neue Schläge verlangten noch weniger Licht. Die Lampe wird fast vollständig tiefgeschraubt, aber nicht ausgelöscht. Die Augen, die sich an das Halbdunkel gewöhnten, konnten noch deutlich genug sehen, was vorging. Der Vorhang blähte sich von neuem auf, und ich fühlte mich durch den Stoff hindurch wie von einer geballten Faust berührt. Der Stuhl in dem Kabinett, auf dem eine Musikdose und ein Glöcklein lagen, bewegte sich heftig, und diese Gegenstände fielen zur Erde.

Da das Medium noch weniger Licht verlangte, stellte man eine rote Photographenlaterne auf das Klavier und löschte die Lampe aus.

Die genaue Kontrolle setzte nicht aus. Das Medium überließ sich ihr übrigens mit der größten Bereitwilligkeit.

Die Musikdose spielte mit Unterbrechungen einige Melodien hinter dem Vorhang, als ob sie von einer Hand gedreht würde, ungefähr eine Minute lang. Der Vorhang bewegte sich wieder gegen mich und eine starke Hand faßte mich am Arm. Sofort streckte ich den Arm aus, um die Hand zu packen, aber ich griff ins Leere. Nun nahm ich beide Beine des Mediums zwischen die meinen und hielt seine linke Hand in meiner Rechten fest gepackt. Auf der andren Seite wurde seine Rechte sehr stark in Herrn de Fontenays linker Hand gehalten. 159 Nun führte Eusapia dessen Hand gegen meine Wange und ahmte mit dem Finger des Herrn de Fontenay die Bewegung einer kleinen Kurbel nach, die gedreht wird. Die Musikdose, die durch eine Kurbel in Bewegung zu setzen war, spielte gleichzeitig hinter dem Vorhang und zwar in ganz und gar demselben Zeitmaß. Wenn Eusapias Hand stillhielt, hörte auch die Musik auf. Alle Bewegungen stimmten überein, wie bei einem Morseschen Telegraphen. . . .

Der einfüßige Tisch, der . . . . zur Linken des Mediums aufgestellt worden war, näherte sich dem Tisch, erstieg ihn vollständig und ließ sich quer auf ihm nieder. Dann hörte man die Gitarre, welche im Kabinett war, sich bewegen und einige Töne von sich geben. Der Vorhang blähte sich auf, die Gitarre wurde auf den Tisch gebracht und an die Schulter des Herrn de Fontenay gelehnt. Darauf lag sie auf einmal auf dem Tisch, mit dem breiten Ende gegen das Medium, erhob sich dann und spazierte über die Köpfe der Anwesenden hinweg, ohne sie zu berühren. Sie gab mehrere Töne von sich. Das Phänomen dauerte ungefähr fünfzehn Sekunden. Man sah ganz deutlich die Gitarre schweben und den Widerschein der roten Lampe über ihr glänzendes Holz gleiten.” (Siehe auch den folgenden Abschnitt.)


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