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Von den Sonnen- und Mondfinsternissen.

Viele tausend Jahre hängt die Erde, die wir bewohnen, hängen alle jene große und kleinere Welten, die wir in glänzender Ferne erblicken, in freier Luft, und bewegen sich nach unwandelbaren Gesetzen, in den ihnen von Gott angewiesenen Bahnen. Keiner ist von dieser Bahn je abgewichen, und es würde dieß nicht geschehen können, ohne das Ganze in Unordnung zu bringen. Wie wär es sonst möglich, daß man Sonnen- und Mondfinsternisse auf eine Minute vorher ausrechnen könnte? Eine solche Finsterniß ist ein würdiger Gegenstand, der Betrachtung werth, daß man auf sie hinschaue, um den Schöpfer aus seinen Werken zu erkennen. Unempfindliche Seelen, die sich kaum die Mühe geben, die Sonne in ihrer Verfinsterung zu betrachten, sind noch verächtlicher, als die dabei ihre Unwissenheit und die Schwäche ihrer Vernunft verrathen. Schlafhaube, der Bette und Lehnstuhl als die vortreflichsten Erfindungen preißt, und die Ruhe, als das höchste betrachtet, meint: Ihm gehe die Finsternis nichts an, und die Narren werden wohl sehen, wie sie sich durch ihr Gaffen die Augen verderben. Eine Pfeiffe Tabak ist besser, als in der kalten Luft frieren. Dort steht ein bedauernswürdiger Haufe, der die Finsternis betrachtet und einmal über das andere ausruft: Ach seht, wie sich die liebe Sonne, der liebe Mond quält! Gott, was wird das bedeuten? Es ist ohnedem schon so viel Unglück auf der Welt; wohl dem, der todt ist. – Da sich alle Weltköper um ihre eigene Axe und somit viele um andere, in näherer und weiterer Entfernung drehen; so begreift man leicht, daß ihre Stellungen gegen einander, in dem Ansehen, daß sie in unsern Augen haben, eine gewisse Veränderung hervorbringen können. Der Mond hat, so wie unsre Erde, sein eigen Licht nicht; sondern empfängt es von der Sonne. Der Mond bewegt sich jährlich dreyzehnmal um unsre Erde, und mit derselben jährlich einmal um die Sonne. Kommt nun unsre Erde zwischen Mond und Sonne zu stehen; so daß diese den Mond nicht erleuchtet, indem ihre Strahlen durch die dazwischen stehende Erde nicht hindurch fallen können; so wird der Theil des Mondes verfinstert, vor welchem die Erde steht, und ihr rundes Gesicht zeigt sich in demselben. Tritt aber der Mond zwischen unsre Erde und die Sonne, so daß diese ihre Strahlen durch den Mond nicht auf unsre Erde schießen kann; oder wir wegen dem dazwischen stehenden Mond, einen Theil der Sonne nicht sehen können; so ist das eine Sonnenfinsternis, so wie jenes eine Mondfinsternis war: Und das runde Bild des Mondes zeigt sich uns dann in der Sonne; so wie bei einer Mondfinsternis das runde Bild der Erde im Mond. Was könnte also eine verfinsterte Sonne oder Mond anders bedeuten, als daß das Weltgebäude noch in unverrückter Ordnung stehe; daß Erde, Sonne, Mond und gewiß auch die Sterne, so wie vor Jahrtausenden, also noch jetzt ihre Bahn wandeln. Noch nie ist die Pest, theure Zeit, Blutvergießen x. auf eine Sonnen- oder Mondfinsternis eingetreten! und wenn je einmal ein Uebel darauf erfolgte, so war sie doch nicht die Ursach davon: Dieß würde auch ohne Sonnen- oder Mondfinsternis eingetroffen seyn. Geht doch fast kein Jahr hin, wo nicht der Mond oder die Sonne, wenigstens einmal, verfinstert würde; wir müßten ja beständig unglücklich seyn, wenn darauf unglückliche Begebenheiten folgten. An vielen Orten deckt man bey Sonnenfinsternissen die offenen Brunnen zu, und treibt das Vieh nicht eher auf die Weide, als bis die Finsternis vorbey ist; aus Besorgnis, daß ein giftiger Thau falle und Brunnen und Viehweide vergifte. Kann man sich wohl noch einen größern Unsinn denken? Die Sonne, die 18 Millionen Meilen von uns entfernt ist, sollte zu der Zeit, da der Mond einen Schatten auf die Erde wirft, Gift fallen lassen? – Dieß Gift könnte also erst im 25igsten Jahr nach der Sonnenfinsternis auf die Erde kommen, denn ein jeder Körper brauchte ungefähr so lange und wohl noch länger, um von der Sonne auf die Erde zu gelangen, wenn er auch mit der Schnelligkeit einer abgeschossenen Canonenkugel flöge. – Doch Aberglauben geht über Narrheit!


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