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II.

Tupia's Morgengeschäft. Fische, Krebse, Bananen, steile Felswände und schäumende Wasserfälle. Tahiti'sche Kochkunst. Ein hölzernes Kopfkissen. Sonderbare Stühle und Teller. Helene lernt die Landessprache; sie wird in Tapatuch und Matten gekleidet.


Am folgenden Morgen, ehe noch die Sonne die Bergspitzen vergoldete, erhob sich Tupia von den Schlafmatten und verließ geräuschlos die Hütte. Draußen warf er einen Blick auf die rauschenden Baumwipfel und ging dann eilenden Schrittes dem Flusse nach das Thal hinauf. Bald verengte es sich wieder und zu beiden Seiten traten die schroffen Felsenwände so dicht an das Wasser, daß für seinen geschmeidigen Körper kaum Platz genug blieb, sich durchzuwinden.

An einer Stelle, wo sich der Felsen wie ein Thor über dem Bache wölbte, blieb er stehen, zog ein Netz aus seiner Kleidung, befestigte einen Stab daran und senkte es in die Fluth, welche hier einen tiefen Tümpel bildete. Fische und Krebse wurden in Menge seine Beute.

Zufrieden lächelnd, band er das Netz oben zu, steckte den Stab schief zwischen das Gestein und ließ es in's Wasser hinabhängen; dann setzte er seinen Weg fort und gelangte bald an eine Stelle, wo sich der Fluß theilte und ein Arm desselben aus schwindelnder Höhe als Wasserfall niederstürzte. Der weiße, stäubende Schaum zischte von Absatz zu Absatz; in Millionen Tröpfchen und Bläschen sammelte er sich dann in der Tiefe und rann murmelnd weiter, um Poma den Gruß Tupia's zu bringen.

An dem andern Arm des Baches stiegen die Felsen, senkrechten Mauern gleich, in die Höhe; ein Europäer würde sich niemals an das Wagniß gegeben haben, einen Ersteigungsversuch zu machen. Tupia aber war nicht lange unentschlossen. Mit hellen Augen spähte er nach den scharfen, spitzigen Kanten, die hier und dort, mit Bananen und anderen Tropenpflanzen bedeckt, einen greifbaren Punkt boten.

Mit der Geschmeidigkeit eines Wiesels schwang er sich auf den ersten Vorsprung. Der gähnende Abgrund unter ihm war überall mit reichwuchernden Pflanzen bedeckt, aber Tupia ließ sich dadurch nicht täuschen; er wußte, daß ein einziger Fehltritt sein Leben kostete.

Und doch schreckte ihn die Gefahr nicht, wiewohl er nicht selten die mitgebrachten Stricke zu Hülse nehmen mußte, um weiter zu kommen.

Nachdem er Wand um Wand erklettert hatte, gelangte er an brausenden Wasserfällen vorbei in ein kleines Thal, wo er sich im Schatten der Fegé oder Borybanen niederließ. Eine kurze Rast that ihm Noth, denn die Sonne brannte schon versengend hernieder, obgleich es noch früh am Morgen war. Ueberdieß war hier gerade der Ort, wohin das Ziel seiner beschwerlichen Wanderung ging.

Er wußte, daß die Bananen hier schmackhafter waren, als irgendwo, und sein weißes Mädchen sollte das Beste haben, was die Umgegend bot. Diese Bananen, obgleich nur einen einzigen Sommer alt, erhoben sich mit ihren ellenlangen Blättern zwanzig bis fünfundzwanzig Fuß hoch in die Luft und ihr Stamm hatte einen Umfang von drei bis vier Fuß.

Der Boden, wo Tupia im Schatten lag, war überall mit ihren Früchten bedeckt. Er sammelte die besten davon, legte sie zwischen zwei der großen Blätter, umwickelte sie mit Bast und Schlingpflanzen und band sie fest auf seinen Rücken.

Mit dieser reichen Beute noch nicht zufrieden, schnitt er wildes Zuckerrohr und sammelte die jungen Blätter des Taro, welche wie unser Spinat schmecken. In ein zweites Bananenblatt pflückte er eine Menge von uns unbekannten Beeren, befestigte auch diese über die Schultern und trat dann den Rückweg an.

War die Reise schon ohne Gepäck gefährlich, so wurde sie es jetzt doppelt, denn der geringste Stoß gegen die Felsmauern konnte ihn aus dem Gleichgewichte bringen und ihn in den Abgrund schleudern.

Aber die Hand, welche ihn den unwegsamen Pfad hinaufgeführt hatte, geleitete ihn auch wieder hinab. Schweißtriefend kam er an der Stelle an, wo im Netze die Fische und Krebse zappelten. Er hob es aus dem Wasser und beeilte seine Schritte, um Poma über sein langes Ausbleiben nicht in Unruhe zu versetzen.

Er fand sie bereits vor der Hütte. Helene saß auf ihrem Schooße und schaute schon mit größerer Zutraulichkeit zu ihr empor. Es war ein liebliches Bild, wie die beiden verzweifelte Anstrengungen machten, sich gegenseitig zu verstehen, und doch nicht zum Ziele gelangten.

Poma gestikulirte sich ganz heiß und Helene wiederholte immer und immer wieder dieselben Worte, welche für das Ohr der braunen Frau keine Bedeutung hatten. Endlich brach Poma die zwecklose Unterhaltung lachend ab, drückte das Kind fest an die Brust und bedeckte es mit Küssen.

Jetzt trat Tupia hervor, welcher sich bis jetzt beobachtend lächelnd im Schatten der Brodbäume gehalten hatte, und legte seiner Frau die mitgebrachten Schätze zu Füßen.

Gut, Tupia, sprach sie, ich hatte schon darauf gedacht, was wir dem weißen Mädchen zu essen geben würden, denn immer Brodfrucht und Cocosnüsse das würde ihr doch zuletzt nicht mehr munden, und sicherlich hat sie in ihrem Vaterlande Besseres genossen.

Sie stand auf und bereitete aus dem Mitgebrachten ein einfaches Mahl, wobei Helene sich außerordentlich über ihre Art zu kochen wunderte.

Tupia nahm zwei Holzstücke und rieb die Spitze des einen mit starken Fäusten so lange über das andere, bis es Feuer fing. Poma brachte Reisig herbei und in wenigen Minuten loderten die Flammen lustig in die Höhe. Auf dieses Feuer legte sie kleine Steine, die bald glühend heiß wurden. Tupia hatte unterdessen die Fische und die Bananen einzeln in Blätter gewickelt. Diese grünen Päckchen nahm sie und legte sie zwischen die glühenden Steine; dann bedeckte sie Feuer und Steine dicht mit Erde, so daß die Hitze nicht entweichen konnte.

Fast ebenso schnell wie in unseren deutschen Küchen wurde das einfache, naturgemäße Mahl gar. Poma schob mit einem Stecken die Steine auseinander und nahm die verkohlten Päckchen aus der Asche, die sie dann ihrer Hülle entledigte.

Helene schüttelte sich ein wenig vor dem Genusse einer solchen Mahlzeit, denn sie dachte, es würde nun Alles voll Asche und Erde sein. Als sie aber sah, wie sauber Poma die Fische herausschälte, da langte sie zu und obschon die Buttersauce fehlte, glaubte sie doch, niemals von einem glänzend weißen Tischtuche so lecker gespeist zu haben, wie hier von den großen Baumblättern, welche Tupia aus dem Rasen ausgebreitet hatte. Cocosmilch und frisches Quellwasser waren der gesunde Trank zu dem landesüblichen Mahle.

Wir haben gesehen, wie Tupia die Einrichtung seiner Hütte, die ihm so lange schön und vollständig genug geschienen hatte, nun auf einmal gar zu dürftig und aller Bequemlichkeit bar fand. Für sich selbst beanspruchte er auch jetzt nichts mehr, als das Altgewohnte, aber das weiße Kind!

Zunächst sollte sie ein Kopfkissen haben. Er nahm also ein Beil und ging in den Wald, um eines zu machen.

In den Wald? Mit einem Beile? werden meine Leser rufen. Und doch war es so, denn Niemanden auf Tahiti fiel es ein, ein weiches Polster zu diesem Ende zu benutzen. Ein niedriger Klotz aus dem härtesten Holze, welcher oben eine Vertiefung für den Kopf enthält, wird bei den vornehmsten Bewohnern der Insel für praktisch und gut befunden; auch Helene müßte sich an diesen Luxus gewöhnen, den sie anfänglich viel lieber entbehrt hätte. Aber der Mensch gewöhnt sich an Alles, selbst das Zweckwidrigste und Unbequemste wird ihm im Gebrauche unentbehrlich. Auch für Helene kam die Zeit, wo sie glaubte, es sei unmöglich, ohne das hölzerne Kopfkissen zu schlafen.

Kaum hatte Tupia bemerkt, daß es seinem weißen Kinde schwer fiel, mit gekreuzten Beinen, wie es auf Tahiti Landessitte ist, zu sitzen, als er sich entschloß, ihr einen Iri, d. h. einen Stuhl zu machen.

Wenn ich sage, einen Stuhl, so darf man sich darunter wieder kein europäisches Möbel denken, wie es bei uns in jeder Stube zu finden ist; denn der Iri besteht nur aus einem einzigen, schweren Blocke von sehr schwerem Holze, welches zur Bequemlichkeit des Sitzens ebenfalls eine Vertiefung hat. Bei den nur sehr unvollkommenen Instrumenten, welche Tupia besaß, dauerte es übrigens lange, bis er damit zu Stande kam. Um so größer aber war auch nun sein Vergnügen. Als Helene zum erstenmale darauf saß, klatschte er vor Freude in die Hände und seine Frau umtanzte das Kind mit lautem Lachen.

Als der Erfindungsgeist Tupia's einmal erwacht war, ließ es ihm keine Ruhe mehr. Es gefiel ihm nicht, daß Helene immer von einem Bananen-Blatte speisen mußte. Es deuchte ihm, daß der beste Schweinebraten, den seine Frau sehr wohlschmeckend zu bereiten verstand, noch einmal so gut von einer Umatis oder Schüssel schmecken müsse. Eine solche Schüssel ist eigentlich nichts anderes als eine aus einem einzigen Holzblocke gehauene flache Krippe mit vier Beinen, die wegen ihrer Schwere nur mit Anstrengung von einem Orte zum andern gebracht werden kann.

So nahm die Hütte Tupia's nach und nach eine ganz andere Gestalt an. An den Pfosten derselben hingen große, ausgehöhlte Kürbisse mit frischem Wasser, nebst Trinkschalen, welche aus dem Holze der Cocosnuß geschnitzt waren.

Damit die zahlreichen Ratten und Mäuse den Mundvorrath nicht benagten, wurden die Speisekörbe an eine hohe glatte Stange gehängt, die sie nicht erklettern konnten. Mit einem Worte, es sah in der Hütte des armen Mannes mit der Zeit fast noch vornehmer, als bei einem Häuptlinge aus, und doch war Tupia noch immer nicht recht zufrieden.

Helene war noch zu jung, um lange der Trauer und Betrübniß Raum zu geben; nach und nach stillte sich ihr Schmerz und sie gewöhnte sich an das lachende Thal wie an ihre zweite Heimath. Die beiden guten Menschen wurden ihr so lieb und theuer wie der Vater.

Poma aber besaß auch die rechte Art, mit Kindern umzugehen, und da das an Nahrungsstoffen so reiche Land fast gar keine Arbeit von seinen Bewohnern verlangt, so hatte sie überflüssige Zeit, um sich fortwährend mit ihrem Lieblinge zu beschäftigen.

Ehe noch ein Jahr vergangen war, konnte sich Helene mit seinen Pflegeeltern in der Landessprache geläufig unterhalten. Freilich sprach sie viele Wörter mit einer so ungewöhnlichen Betonung und Mundstellung aus, daß Poma sich des Lachens nicht enthalten konnte.

Da sie aus ihrem alten Vaterlande eine Menge von Vorstellungen mitgebracht hatte, für welche es in der Sprache der Insel keine Worte gab, so fehlte es nicht an spaßhaften Wendungen aller Art, die von allen dreien recht herzhaft belacht wurden.

Helene entwickelte sich unter dem schönen Himmel Tahiti's mit jedem Tage mehr; ihre Haut bräunte sich leicht unter den sengenden Strahlen der Sonne, aber ihre Gesichtsfarbe blieb doch immer so weiß und lieblich, daß sie Poma wie ein Wesen aus einer andern Welt vorkam; auch war ihre ganze Art so verschieden von den Kindern des Landes, ihre Auffassungsgabe so rasch, ihr Urtheil so richtig und treffend, daß sie wie ein Wunder angesehen und demgemäß behandelt wurde.

Ihre Kleidung paßte längst nicht mehr für ihre kräftig gewordenen Glieder und Poma mußte sich mit Schmerz an den Gedanken gewöhnen, sie in das heimische Tapatuch zu kleiden.

Unsere Leser werden es uns Dank wissen, wenn wir hier eine Abschweifung machen und sie über die einfache Bereitung desselben belehren.

Tupia bestieg einen Brodbaum, streifte die Rinde von den Aesten und übergab dieselbe dem Wasser, wo sie einige Zeit in der Weiche liegen mußte, wie bei uns der Flachs in der Röste.

Schien die Rinde hinreichend mürbe, so legte er sie aus ein langes Brett, nahm eine Muschel und schabte mit derselben die obere Rinde hinweg, bis der Bast zum Vorscheine kam und die langen, netzartigen Fasern sichtbar wurden.

Ein großer, vierkantiger Hammer, dessen vier Seiten mit Furchen versehen waren und zwar so, daß die folgende Seite immer enger gerippt war, als die vorhergehende, wurde nun zum Schlagen des Bastes benutzt.

Nachdem alle vier Seiten dieses großen Hammers ihre Schuldigkeit gethan hatten, gewann der Bast das Ansehen eines Gewebes und das Tapatuch war fertig. Eine Rolle davon, welche um die Hüften gewickelt wurde und fast bis auf die Füße hinabhing, machte den untern Theil der Kleidung aus. Ein anderer viereckiger Lappen, welcher zum Durchstecken des Kopfes ein Loch hatte, diente als Mantel und Oberkleid.

Dieses Tapatuch ließ an Feinheit und Geschmeidigkeit nichts zu wünschen übrig, aber es hatte einen schlimmen Fehler, welcher es für unser nordisches Klima untauglich machen würde; es konnte nämlich ebensowenig den Regen vertragen wie unser Papier.

Da es nun auch auf Tahiti regnet, so müssen die Einwohner für solche Tage noch andere Kleider besitzen, und diese bestehen aus feingeflochtenen Matten, welche aus den Blättern und dem Baste des Hibiscus geflochten werden.

Die Einwohner haben eine solche Geschicklichkeit im Herstellen dieser Flechtwerke, daß wir mit unserer verfeinerten Kunst und mit unsern vielgestaltigen Instrumenten nicht im Stande sein würden, es ihnen gleich zu thun.


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