Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

14. Die beiden Glücksritter und der Talisman

Es ist kein Blumenpfad, steil ist der Weg zum Ruhme.
Man sieht's an Herkules und seinen Werken; kaum
Ist noch für seinesgleichen Raum
In Fabeln und in der Geschichte Heiligtume.
Doch weiß ich einen, den in das romant'sche Land
Ein alter Talisman zur Jagd nach Glück gesandt.
Mit einem Freund macht' er die Reise;
An einem Pfosten fand 'nen Zettel unser Paar,
Auf welchem dies zu lesen war:
»Herr Abenteurer, willst du schaun in sondrer Weise,
Was kein Glücksritter noch jemals vor dir gesehn,
Brauchst nur durch diesen Strom zu gehn;
Den Elefanten dann nimm, den, aus Stein gehauen,
Du wirst am Boden liegend schauen;
In einem Atem trag' den Berg ihn unverzagt
Hinauf, des Riesenhaupt dort in den Himmel ragt.«
Dem einen fällt das Herz – wohin? will ich nicht sagen!
»Der Strom ist tief und reißend; wagen
Wir's wirklich« spricht er »und wir kommen gar ans Land,
Wozu dann, frag' ich, noch der schwere Elefant?
Was für ein lächerlich Beginnen!
Ein Kluger möchte sich vielleicht nicht lang' besinnen,
Wenn um vier Schritte nur sich handelte der Spaß;
Allein den Berg hinauf in einem Atem, das
Vermag kein Sterblicher! Unmöglich ist's; es wäre
Ein Däumling denn, ein Zwerg der Elefant, ein Kopf,
Geschnitzt für einen Stock als Knopf.
Ist dies der Fall, wo bleibt des Abenteuers Ehre?
's wird ein Denkzettel nur, für Narren eine Lehre,
Ein Schelmenrätsel wird's, ein Kinderstückchen sein!
Du und dein Elefant, ich lass' euch drum allein.«
Der Schwätzer geht, es springt der andre in die Wellen,
Geschloßnen Aug's hat er's gewagt.
Nicht Tiefe, nicht des Stromes Schnellen
Halten ihn auf; jenseits liegt, wie der Zettel sagt,
Der Elefant am Strand. Als er ihn aufgenommen
Und richtig mit der Last des Berges Höh' erklommen,
Sieht eine Ebne er, in der 'ne Stadt erbaut.
Da gibt der Elefant von sich 'nen schrillen Laut;
Bewaffnet strömen Volkeshaufen
Herbei. Ein andrer wär' sogleich davongelaufen;
Doch unser Ritter, kühn behauptet er das Feld;
Und muß er fallen, will er sterben als ein Held.
Erstaunt hört er die Schar zum Herrscher ihn ausrufen,
Da durch des Königs Tod der Thron erledigt wär';
Er läßt sich bitten und ersteigt des Thrones Stufen,
Obwohl – er sagt's – die Last ihm doch ein wenig schwer.
So mocht' auch Sixtus bei der Papstwahl sich gebärden –
Ist König oder Papst zu werden
Denn ein so großes Ungemach?
Bald sah man, daß er doch nicht allzu ehrlich sprach.

Blindes Glück wird zum Lohn oft blindem Mut im Leben.
Der Weise wählt mit Recht manchmal die schnelle Tat,
Eh' zum Erwägen er der Weisheit Frist gegeben,
Und leistet gern Verzicht auf ihren guten Rat.


 << zurück weiter >>