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7. Der Quersack

Einst sprach der Vater Zeus: »An meines Thrones Stufen
Erscheine, was da lebt; und wer sich an Gestalt
Und Wesen zu Beschwer berechtigt und berufen
Vermeint, der red' ohn' Hinterhalt!
Wo's geht, bin ich zu helfen willig.
Du, Affe, sprich zuerst! Schau dir, wie recht und billig,
Die Tiere alle an, vergleich' ihr Angesicht
Und ihre Formen mit den deinen.
Bist du zufrieden?« »»Ich?«« sprach er »»Warum denn nicht?
Ich hab' vier Füße doch wie jene, sollt' ich meinen!
Und mit Vergnügen stets hab' ich mein Bild beschaut.
Allein mein Bruder Bär ist gar zu plump gebaut,
Und keinem Maler sollt' er je zu sitzen wagen!««
Der Bär tritt vor – man glaubt, er wolle sich beklagen;
Doch weit gefehlt! Hört nur, wie seinen Wuchs er rühmt!
Jedoch der Elefant – so schmäht er unverblümt –
Hätt' das am Ohr zu viel, was ihm am Schwanze fehlte;
Unförmlich, massenhaft, sei er der Schönheit bar!
Der Elefant, der sonst sogar
Ein kluges Tier, erschien doch heut als Tor und schmälte,
Daß für sein Maul, das nicht gering,
Der Walfisch sich zu dick erwiese!
Der Ameis' schien die Milb' ein gar zu winzig Ding,
Dagegen wär sie selbst ein Riese!
Zeus schickt sie alle heim, die sich so mild und lind
Selbstlobend kritisiert. Wir Menschen aber sind
Der Toren törichtste, da alle wir im Leben,
Luxscharf für andre, nur für uns stets maulwurfblind,
Uns selber alles, doch dem Nächsten nichts vergeben.
Nie gleichen Blicks hast dein du wie des Andern acht.
Es schuf des höchsten Schöpfers Macht
Als Lumpenvolk uns all', heut wie in frühern Tagen:
Quer auf die Schulter legt' er uns den Bettelsack,
Drin unsrer Sünden Last wir auf dem Rücken tragen,
Doch vorn, uns sichtbar stets, der fremden Fehler Pack.


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