Wilhelm Fischer
Frauendienst
Wilhelm Fischer

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VIII.

Auch die beiden Frauen lauschten den Klängen, die aus dem Wipfel ertönten, und sie erkannten, daß sie ungewöhnlicher als sonst bei ähnlicher Gelegenheit waren. Die Weise jubelte aus dem Laube heraus, geführt von einer starken und süß tönenden Fiedel, der sich alle andern Instrumente willig fügten. Mitunter klang auch ein Lied herab, das von einem der Spielleute angestimmt wurde: meistens in kurzen Zeilen, die von dörflicher Liebe in zusammengefaßter Kraft schalkhaft handelten; bis auch einmal ein Lied ertönte, das nicht auf ländlichem Boden gewachsen war. Es hub so an: 55

»In dem luftesüßen Maien,
So der Wald gekleidet steht,
Sieht man wandeln schön zu zweien
Alles, was da liebes hat,
Und ist mit einander froh:
Das ist recht; die Zeit will's so.

Wo zwei Lieb einander meinen
Herzlich gar und ohne Wank,
Und sich beide so vereinen,
Daß die Liebe niemals krank,
Die hat Gott zusammen geben
Auf ein wonnigliches Leben.«

In diesem Gange bewegte es sich fort bis zu Ende. Die Weise war neu und innig, und die Spielleute sahen verwundert auf ihn, der sang: es war der Gast, der zu ihnen gestoßen war, und da stieg ihnen der Verdacht auf, daß er doch nicht zu ihnen gehörte, der solch höfisches Lied anstimmte. Aber jener merkte alsbald das Mißtrauen, mit dem sie ihn betrachteten, und um diesen Eindruck auszulöschen, strich er über die Fiedel und ließ einen Ridewanz ertönen, wie ihn nur je Spielleute kräftig den Dörfern zum Reigen aufspielten. Da fielen alle gleich fröhlich ein, 56 und unter dem jungen Volke unten ging der Tanzschritt mit festem Gestampfe einher, und es scholl weithin jubelnd:

traranuretum, traranuretum,
traranuriruntundeie!

Dann erschien es allen geboten, sich auch einer Rast zu erfreuen. Das junge Volk setzte sich an die Tische, um sich zu erlaben, und auch die Musikanten im Wipfel bekamen Urlaub herab zu kommen und sich herzhaft zu atzen und tränken. Auch der fremde Vogel betrat da wieder den Erdboden und strich wie von ungefähr an dem Tische vorbei, wo die edlen Frauen saßen. Frau Elsabechts Söhnlein, das vorhin sich den Sänger auf der Linde gemerkt hatte, erkannte ihn nun und hielt ihn mit den Worten an: »Ich möchte auch so schön singen können, wie du, Spielmann!«

Diesen Wunsch beantwortete jener mit einem Gegenwunsche: »Also mögest du dereinst so schön und noch schöner singen können, als ich armer fahrender Geselle, du edles, junges Blut!« und dabei legte er seine Hand liebkosend auf das 57 blonde Haupt des Knäbleins, das zu ihm freundlich aufblickte.

Frau Elsabecht gab dem Gegenwunsche mütterlichen Dank, und da sie seine stattliche Gestalt betrachtet hatte, lud sie ihn ein, näher zu treten und sich an den Tisch zu setzen, wo sie ihm einen Becher Weines reichen ließ. Der Gast leerte ihn mit Zucht und Sitte auf das Heil der beiden Frauen, wie auch auf die tugendlichen künftigen Thaten des Knäbleins, das sich an ihn schmiegte.

Brechtel neigte die Stirn zum Danke und hielt den Blick beharrlich gesenkt, so daß er sich sagte: Mich hat der lichte Schein ihrer Augen so eben noch angeblitzt, und nun senkt sich ein Vorhang darüber von dunkler Seide. Aber darunter flimmert und zuckt es wie unter einem Wölklein, das die Sonne verdeckt.

Brechtel war von seiner Anwesenheit überrascht; so blieb sie schweigend. Auch er vergaß der Rede, weil er sie ansah. Aber Frau Elsabecht fragte ihn, wo er sein Geigenspiel erlernt, und er gab ihr zur Antwort, daß er in welschen Landen gefahren sei und von den dortigen Meistern 58 viel zu Nutz und Frommen gelernt habe. Er bat um die Erlaubnis, morgen in die Burg schreiten zu dürfen: dort wolle er den Frauen noch manches von seiner Kunst bieten. Das Knäblein von Stadeck schlug freudig die Hände zusammen und rief:

»Ja, ja, liebe Mutter! laß ihn kommen, den guten Spielmann!«

Nun erhob Brechtel die Stirn und sprach zu ihm:

»Ihr seid wohl auch viel in steirischen Landen gefahren?«

»Gewiß«, sagte er, »und immer habe ich den Spruch bewährt gefunden:

Güte ist wohl das beste Frauengewand,
Das an Weibes Leib je ward gewandt.«

»Das mag sein. Und Ihr habt Euch überall Lob gekauft mit Eurem Spiel?«

»Wenn ich es erhielt, so hat meine Geige darum geworben, nicht ich. Laßt mich nur morgen in die Burg kommen, so gebt Ihr mir Freude Euch damit zu dienen. Und je mehr Ihr mir 59 Freude gebt, je mehr will ich sie wieder zahlen mit gutem Spiel.«

»Ihr sprecht mutig, aber unsere Weibessitte will doch Eurer Spielmannsart entbehren.«

»Spreche ich mutig, so glaubt mir: Mannesmut und Weibessitte gesellen sich am edelsten.«

Frau Elsabecht sagte jetzt: »Liebe Schwester, ist es doch nicht wider Zucht und Ehre, den Spielmann in die Burg zu laden, auf daß er uns mit seiner Geige erfreue, das ist allenthalben Brauch.«

Und das Söhnlein stimmte ihr eifrig bei.

»Weißt du's, Schwester?« erwiderte Brechtel, »dann wird es wohl sein. Der Spielmann mag denn zur Burg schreiten und dich ergötzen. Aber lausche meinen Worten, Spielmann! – du bist viel im Lande gefahren und hast guten Ruf gewonnen. Ich weiß es; denn eine hohe Frau verlangt nach dir und will deine Geige hören: die Herzogin von Belrepeire.«

»Wie?« fragte Frau Elsabecht erstaunt. »Sind mir doch alle edlen Geschlechter im Lande wohlbekannt, und doch habe ich noch nie von einer Herzogin dieses Namens vernommen!«

60 »Laß dich's nicht verdrießen, Schwester,« erwiderte Brechtel. »Sie lebt im Lande, und dieser Spielmann weiß gar wohl, wo ihre Burg steht. – Nun sagt, wollt Ihr ihrem Rufe folgen und vor dem Thore erscheinen, wo die hohe Frau sitzt?«

Jener blieb stumm. Dann raffte er sich zur Frage auf:

»Ist es wahr, hat sie nach mir begehrt?«

»Es ist wahr,« antwortete sie mit lächelnden Augen.

Er kämpfte eine Weile mit sich einen schweren Kampf und sagte dann:

»Es giebt eine Frau, der ich zu ferne bin, weil sie mir immer zu nahe ist.«

»Ihr?« fragte Frau Elsabecht immer mehr verwundert. »Als ein Spielmann führt Ihr sonderbare Reden. Das ist wohl eine Frau, die wie Ihr durch die Lande fährt?«

»Auch die Sonne fährt durch die Lande,« erwiderte er, »und ich werde nie abstehen von meiner Treue gegen sie.«

»Sie wird Euch, Sonntagskind, Dank wissen,« 61 sagte Brechtel mit unmerklichem Spott, »glaubt es mir. – Nun, Schwester, entbiete ihn zur Burg. Du wirst sehen, wie er kommen wird, um dich und unsern Neffen hier zu ergötzen.«

»Ja,« sagte das Knäblein, »das wird er thun.«

Inzwischen war die Rast, die sich die junge Dorfgenossenschaft gegönnt, wieder vorbei. Die Musikanten bestiegen den Wipfel der Linde, einen neuen Reigen zu beginnen und riefen ihrem Gesellen zu, der noch bei den edlen Frauen saß, ihnen zu folgen.

Dieser stand auf und sagte:

»Meines Weilens ist nicht mehr hier; ich muß dem Rufe folgen. Meine Treue gehört Euch, allerschönste Herzogin von Belrepeire!« und indem er Brechtel fest anblickte, neigte er sich vor den Frauen und entschritt.

»Das ist ein wunderlicher Geselle,« sagte Frau Elsabecht. »Hast du ihn närrisch gemacht mit deiner Herzogin von Belrepeire?«

Sie lachte: »Hältst du mich für klug genug, um einen närrisch zu machen?«

62 Die Musikanten warteten aber vergebens auf ihn, der mit seiner Geige den Reigen führen sollte. Er kam nicht und blieb entschwunden. Sie mußten denn das Spiel ohne ihn beginnen, was sie mit viel Fragen, Erstaunen und Ärger auch thaten.

Jener aber schritt schon, ferne dem Dorfe, durch die Aue der Stadt zu.



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