Wilhelm Fischer
Frauendienst
Wilhelm Fischer

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V.

Sonach schritt der Gast am Kirchtage unkenntlich in seiner unscheinbaren Tracht mit der Fiedel am Rücken ins Freie. Der Frühling war zum jungen Sommer geworden und prangte in leisem Anflug der künftigen Fülle. Das anmutige, edel gegliederte Hügelgelände zog sich dem Wanderer zur Rechten bis zu dem höher ansteigenden Gebirge hinan, das in dunkelblauer Herrlichkeit die Landschaft abschloß. Überall grünte und sproßte es wie in einem weiten Garten, blumig geschmückt auf saftigem Grunde, mit jungen Reben auf den Hügeln und üppigen Obstbäumen unter dem lachend blauen Himmel.

Aber zur Linken strömte jugendlich heiter der Bergstrom durch die grüne Aue dahin, die Mur 40 und goldene Funken leuchteten von ihrem Antlitze auf. Drüben dehnte sich weit das Feld dahin mit fruchtbarem Ackerboden, den wogende Saat mit bläulich grünem Scheine bedeckte. Aus gänzlich ebenem Grunde stieg auch drüben, unweit vom Strome, ein silbern graulich schimmernder Fels steil empor, wie ein seltsames Gebilde, und trug auf seinem Scheitel ein weißes Kirchlein.

Erst weit jenseits begrenzte eine stattliche Hügelkette wieder den Horizont, und dort, wo der Strom aus der Bergenge hervorbrach, krönte eine stolze Burg einen der vielen Gipfel. Aber aus dem Oberlande blickten die Alpen, vom schneeigen Mantel umhüllt, auf die in stiller Schönheit ruhende Landschaft herab.

Der jugendliche Gast schritt wohlgemut dahin, und der sonnige Äther, der ihn umwebte, füllte ihm Augen und Herz mit lichtem Scheine. Weit in der Ferne, auf dem Wiesenraine zwischen den Äckern tauchte eine seltsame Erscheinung auf: ein Wagen mit zwei weißen Kühen bespannt, auf welchem ein geschmücktes Bild in Gestalt eines seltsamen Weibes geführt wurde, und Gesang 41 und Jauchzen der Dorfgenossenschaft umhallte das Gefährte. Es war der Zug der alten heidnischen Göttin, die die Felder segnete. Etwas wie ein Zauberhauch berührte die Landschaft im Morgenglanze. Davon ward ihm das Herz bewegt, daß es Sprache gewann, um seine Freude zu verkünden, und er sang vor sich hin:

»In dem Walde süße Töne
Singen kleine Vögelein;
Auf der Auen Blumen schöne
Blühen in des Maien Schein.
Also blüht mein hoher Mut
Im Gedanken ihrer Blüte,
Die bereichet mein Gemüte,
Wie's ein Traum dem Armen thut.«

Wenn er in den Himmel über sich blickte, der Ströme blauen Lichtes herabsandte, dachte er an Brechtels Augen: die gewannen ihr Licht von der Seele des Weibes. Diese, die Seele des Weibes, war die Sonne, welche die ganze Gestalt umspielte und in Anmut tauchte, so daß jede ihrer Gebärden, wenn sie ging oder saß, selig war. Lachendes Glück im jungen Mädchenleib, 42 so war sie ihm erschienen. Daraus war ihm Sehnsucht nach ihr im eigenen Herzen erblüht.

Seiner hohen Herrin, der Herzogin von Belrepeire, wollte er immer dienen, das war Ritterart; Brechtel aber wollte er liebend als sein Weib umarmen, das war Menschenart. Nun fuhr der überschwengliche Ritter aus, um die Wirklichkeit zu erobern, und ein silbernes Lachen zog in den Lüften mit ihm.

Auf der Wegscheide lag ein Gehöfte mit einer Schmiede. Der Schmied, ein freier Mann, hielt Herberge und schänkte den eignen Wein aus, der ihm auf der Sonnenleiten des Hügels wuchs. Dort saßen in einer offenen Laube um den Tisch mehrere Gesellen, die schienen guten Mutes zu sein, obgleich sie nicht viel Reichtum mit sich trugen. Denn ihre Gewänder waren fadenscheinig und hatten mit Wind und Wetter überlange Bekanntschaft gepflogen. Aber ein bäuchiger Krug Weines stand vor ihnen auf dem Tische, und sie tranken aus irdenen Köpfen und Näpfen fröhlich in den Tag. Ihnen zur Seite lagen Futterale aus grünem Zwilch, aus denen Geigen und Flöten 43 hervorblickten, und der Gast, der heranschritt, merkte, daß es eine Gilde sei, zu der er selbst nun gehörte: die der fahrenden Musikanten.

Da setzte er sich ohne viel Bedenken mit freiem Gruße frisch und fröhlich zu ihnen, die ihn darob verwundert ansahen, denn er schien ihnen doch nicht gänzlich ihresgleichen zu sein. Aber als er keck das Wort ergriff und nach woher? und wohin? fragte, ergab sich aus Rede und Gegenrede, daß sie gerade nach Gabriach wollten, wo Kirchweih wäre, um dem Dorfvolke unter der Linde zum Reigen aufzuspielen. Das füge sich gut, denn er wandere nur so ins Blaue hinein, sagte er, und wenn sie ihn in ihre edle Genossenschaft aufnehmen wollten, so sei er dabei. Besser eine Geige mehr als weniger, denn die Beine der Bauern seien rastlos beim Tanz; und je kräftiger es von den Fiedeln klinge, destomehr Silberpfennige kämen von den reichen Bauern in die Taschen der Musikanten gesprungen. Denn die Geige locke Pfennige herbei, wie die Salzschüssel Schafe: sie kommen zu Haus. Also fröhlich den Tag begonnen, und noch fröhlicher 44 beendet! Das sei fahrender Leute Art. Und gleich noch einen Krug vom Besten bestellt! seinen Teil der Zeche lege er auf den Tisch. Und ist ein Krug und der zweite zu wenig, so gebe Gott einen dritten.

Damit gewann er bald das Wohlgefallen der Gesellen und ward mit ihnen eines Herzens und Sinnes, so daß sie ihn in ihre Gemeinschaft mit Eid und Handveste ohne Tinte und Pergament aufnahmen. Da saß er nun unter ihnen, der wohlgemute Gast, in ärmlicher Tracht. Es ahnte wohl keiner von den fahrenden Leuten, daß dieser schon zu manchem Feste herrlich geschritten war in einem Kleide von grünem Pfelle, darein goldene Ranken gestickt waren, und einem Mantel von Scharlach darüber, mit einem Hut auf dem Haupte, der köstlich mit Perlen geziert war, mit goldenen Sporen an den Fersen, und das ritterliche Schwert zur Seite. Nun war er im Gehaben und Gebahren wie einer von ihnen.

»Höre, Geselle,« sprach der Älteste des Volkes zu ihm und strich sich seinen wirren grauen Bart: »wenn du nach Gabriach kommst, daß du 45 mir nicht zu sehr nach den hübschen Bauerndirnen gaffst; denn die Bursche dort sind stolze Hähne auf ihrem Mist und leiden es nicht, daß ein anderer ihnen ins Gäu kommt. Sie schlagen derb zu und finden je mehr Spaß daran, je länger sie es thun. Und wir sind ein friedlich Volk.«

»Die Bauern hier sind noch lange nicht so arg,« ließ sich ein anderer vernehmen; »aber zu Tuln an der Donau, da sollte man sie sehen! Da stolzieren sie einher wie die Ritter mit Schwert an der Seite, tragen eine bunt gestickte Gickelhaube auf dem Schädel und ein rundes Spiegelchen um den Hals gehängt, darin sie sich oft verwundert ob ihrer Holdseligkeit betrachten. Die sind rasch und ungestüm; aber auch die Hiesigen führen immerhin die Faust wuchtig genug, das ist wahr, wenn sie Hagelwetter machen.«

Der Gast beruhigte sie mit der Versicherung, daß auch er ein friedlicher Mann sei, der jedem das Seine gönne und kein Spiel verderbe. Im übrigen stelle er auch seinen Mann, so es die Not gebiete; was sie ihm gerne glaubten. 46



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