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Neunzehntes Kapitel.
Änderung des Gesetzes

Nachdem wir gemeinsam alles unter Beachtung der Gesetze der Wissenschaft, der Natur, der Geschichte und der Sittlichkeit ausgiebig erörtert haben, kommen wir dazu, Vorschläge zu machen, die vielleicht den Männern dienlich sein werden, in deren Hand – letzten Endes – die Ausführung meiner Anregungen liegen wird. Daß diese neue Regelung kommen wird, weil sie kommen muß, daran zweifle ich nicht! Jeder Staatsbürger hat das verfassungsmäßige Recht, seine Meinung frei zu äußern und deshalb darf ich es auch wagen, dem Herrn Reichspräsidenten die herzliche Bitte vorzutragen, jetzt unverzüglich tatkräftig voranzugehen und mit der ganzen Wucht seines Ansehens den Anstoß zu geben, daß Wandel geschaffen werde. Unser ehrwürdiger Präsident hat schon einmal bewiesen, daß ihm sein Volk über alles andere geht! Damals, als er unser Heer glücklich in die Heimat zurückführte, hat dies den im kaiserlichen Dienst Ergrauten sicher schwere innere Kämpfe gekostet. Er weiß aber auch wie kaum ein anderer, was unser Volk und ganz besonders seine untersten Schichten, Männer wie Frauen, während des Krieges geleistet haben. Der Hilferuf, den ich an ihn richte, darf nicht ungehört verhallen! Wenn er sich entschließen würde, diese ganze Frage selber in Fluß zu bringen, wäre dies von unberechenbarem Vorteil! Viele würden ihm Gefolgschaft leisten – vertrauend auf die Richtigkeit seiner Entschließungen –, die sonst im Lager meiner Gegner blieben. Ich meine da vor allem einzelne Abgeordnete rechtsstehender Parteien, die sich – bis zu einem gewissen Grade – sonst für verpflichtet halten könnten, die Belange einzelner unter ihrer Wählerschaft vorherrschend vertretener Stände – zum Beispiel des Gewerbestandes – gegenüber denen des übrigen Volkes zu bevorzugen. Möchten sie doch alle erkennen, daß letzten Endes auch jeder einzelne Stand nur dann gedeihen kann, wenn das ganze Volk, und nicht nur einige bevorzugte Stände, im uneingeschränkten Genuß jener unveräußerlichen Menschenrechte sind, die das Dasein überhaupt erst erträglich und lebenswert machen. Das Vorgehen des Herrn Reichspräsidenten würde darin zu bestehen haben, daß er den Deutschen Reichstag aufforderte, über folgenden Zusatz zu dem § 218 des Strafgesetzbuches (in der neuen Fassung) Beschluß zu fassen:

 

»Unterbrechungen der Schwangerschaft, die durch approbierte Ärzte nach den jeweils geltenden, vom Reichsgesundheitsrat aufgestellten Grundsätzen vorgenommen werden, sind straffrei.«

 

Diese knappe Form würde genügen. Sie ließe auch genügend Spielraum! Man könnte sich durch Änderung der Richtlinien des Reichsgesundheitsrates jederzeit veränderten – dann hoffentlich verbesserten – Verhältnissen anpassen, ohne den beschwerlichen Weg einer neuen Gesetzgebung oder Gesetzesänderung beschreiten zu müssen. Sollte der Herr Reichspräsident nicht in der Lage sein, den angeregten Schritt zu tun, werden sich – das hoffe ich zuversichtlich – Männer und Parteien finden, die an seine Stelle treten werden, und sollte wider Erwarten keine Möglichkeit bestehen, eine Mehrheit im Deutschen Reichstage für die Annahme der vorgeschlagenen Gesetzesänderung zustande zu bringen, so sollte man ohne langes Zögern einen Volksentscheid herbeiführen, über dessen Ausfall bei niemand Zweifel bestehen könnten, der die wahre Stimmung des Volkes kennt. Ich bin überzeugt: Die deutschnationale Beamtenfrau, die sonst so verläßliche Zentrumswählerin werden mit der Proletarierfrau vereint in geheimer Abstimmung den § 218 zu Fall bringen!!


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