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Niederbayern.

– – Diese Reiche gleichen den Equipagen. Die Pferde sind das Volk: die Räder sind die öffentlichen Einkünfte. Die Kutsche ist das Land, worein sich die Ministere setzen, und spatzieren fahren lassen. Der Kutscher, der auf dem Bock sitzt, ist der Regent.

Abt St. Real.

Physik.

Wenn einst das Haus Oesterreich, so wie man sich zu Wien ins Ohr raunet, zum Erbe von Niederbayern gelangen wird, so wird es nicht der schlechteste Stein in der Krone desselben seyn.

Bayern ist von der Natur nicht stiefmütterlich behandelt worden. Auf dem Felsenberge, in einem der Gärten der Churfürsten, stehet die allegorische Statue Bayerns in Metall, unter dem Bilde eines Mädchens. Das Haupt mit Eichenlaub bekrönt, zum Merkmale des Gehölzes; an dem rechten Arm eine hangende Hirschhaut, den Reichthum an Wildpret; in der linken Hand eine Kornähre, den Ueberfluß an Getraide; zu den Füßen eine Salzscheibe und eine Biertonne, die vornehmsten Landeszeugnisse auszudrücken. Das Piedestal stellet den Donaufluß und die Viehzucht vor.

Das Mädchen selbst deutet vermuthlich die Vorzüge dieses Produkts, in Bayern, an.

Es ist wahr, die Zusammensetzung dieser Sinnbilder ist nicht von äusserst feinem Geschmack: aber man begnügt sich, daß sie von der Wahrheit selbst erfunden sind.

Bayern ist ungemein bevölkert, und schön bevölkert. Die Werbofficier zu Regensburg behaupten, daß sie sich getraueten, 6000 junge Mann in Bayern auszuheben, die im Alter, Wuchse und Schönheit alle unter Einer Linie stünden. Die bayerschen Officiere setzen hinzu, daß ihr Land wol 15000 zum Dienst fertige Mannschaft enthielte. Die bayerschen Bauren sind die schönsten Kerle in Oberdeutschland, und die Mädchens übertreffen ihre Nachbarinnen gegen alle vier Weltseiten.

Finanzpolitik. Eine Meynung vom Mauthwesen.

Man könnte den Ertrag des Churfürstenthum Bayern leicht bestimmen, wenn es erlaubt wäre, die Einkünfte grosser Herren zu kontrolliren. Sie sinds nicht, worüber man sich beschwert: die Ausgaben sinds – man tadelt den Ueberfluß des Civiletats allhier.

Da die Handlung in diesem Lande nichts ist, so bestehen die Quellen der Finanz größtentheils in der Steuer. Sie ist die menschlichste und natürlichste unter allen Auflagen, weil sie ein Beweis der Freyheit und des eigenthümlichen Besitzes ist. Dann die Länder, die diese Vorzüge nicht haben, verdienen nicht einmal die Ehre, Steuer zu geben.

Die übrigen Einkünfte der Kammer fliessen aus dem Wasserzoll, den Pachtungen und tausend neuen Finanzerfindungen unseres Jahrhunderts, deren Namen eben so schwer zu bestimmen sind, als ihr Nutzen.

Die Bayern werfen dem Ministerio vor, daß es nichts könne, als Oesterreich nachäffen. – Das Muster wäre nicht schlimm – Wenn irgend eine Seite desselben falsch kopirt worden, so mag es die Mautheinrichtung seyn.

Man siehet nicht ein, welche Politik die Finanzkammer zu München verleiten konnte, ein Mauthsystem nach dem Beyspiel Oesterreichs zu errichten. Große Fehler sind nur für große Staaten. Die Mauth ist kein Cameralzweig, weil ihre Einkünfte zufällig und ungewiß sind. Ihre Natur ist der Strafe ähnlich. Sie ist nicht da, um in sie zu verfallen, sondern um sie zu vermeiden. Nie wird sie ein bewährter Finanzoperateur unter die nützlichen und wahren Cameralquellen zählen.

Eine Nation, die so arm an Handlungsstof für die Ausländer ist, wie Bayern; kurz, die keinen Aktivhandel hat; bey der der Luxus ein Charakter ist; die so vielerley Bedürfnisse vom Ausland nicht entbehren kan; deren natürliche Lage einem strengen Mauthgesetze durchaus widerspricht – Diese errichtet eine Mauth. Es ist, den Durst von seinem eigenen Blute löschen.

Jede Mauth verzehrt sich selbst, indem sie die Consumtion vermindert. Sie ist eine Feindin mittelmäßiger Staaten, indem sie den Unterhalt der arbeitenden Klasse, welches die bedürftigste, und zu gleicher Zeit die nützlichste ist, erschweret! Durchgängig betrachtet, wäre zu wünschen, daß kein Staat jemals von der Erfindung der Mauth einigen Nutzen zu ziehen das Glück haben möchte. Die Erfindung der Mauth ist die Epoche der Schleichhändler, der Uebelthäter, der Galeeren, der Zuchthäuser und der Strickreuter.

Charakteristik.

Das Temperament der Bayern ist bey weitem nicht so menschlich, wie der Oesterreicher, ihrer Nachbarn. Der Bayer ist falsch, grausam, abergläubisch, und verwegen. Nirgendwo trift man mehr Räder, Galgen und Schergen an, als in Bayern. Hier sind die Landstrassen auf beeden Seiten mit Galgen bepflanzt, so wie sie in policirten Ländern mit Maulbeerbäumen bepflanzt sind.

Man muß gestehen, die Criminalgerechtigkeit des Landes ist scharf, kurz und exakt. Es ist ein Unglück, daß sie es zu seyn nöthig hat. Diese Gesetztugend scheint eine Folge vom Laster selbst zu seyn. Ohne die Schärfe der Gerichte, spricht der Postillion, der mich heute führte, würde unserm Churfürsten die Mütze auf dem Kopfe nicht sicher seyn.

Diese unglückliche Verfassung ist eine Folge der Nationalerziehung, und nicht des Clima. Die eine Hälfte des Pöbels bestehet aus Studenten, und dem, was aus dieser löblichen Pflanzschule entspringet – Pfaffen, Schreibern, Musikanten, Gauklern, Landstreichern, Jägern und Wilddieben. Die andere Hälfte ist dem Feldbau überlassen. – In der That, sie ist in allen Ländern die verehrenswürdigste und beste Hälfte.

Von bayrischer Art und Kunst.

Man kennt die dramatische Meisterstücke des Herrn Karl Edmund von Speckner, des heiligen römischen Reichs Ritters, Churfürstlich-Bayrischen Regierungsraths zu Burghausen, und Landrichters zu Schwobenhausen. Die deutsche Schaubühne zu München genießt, so wie ihre Schwestern, die Ehre, daß Ministere für sie arbeiten, und Barone unter ihren Akteurs sind.

Unterdessen befindet sie sich in nichts hierdurch gebessert. Sie ist gemüßigt, mit einem Buchhändler von Augspurg im Vertrage zu leben, um neue Stücke zu bekommen. Dieser Papierheld versiehet sie mit dem Ausschusse der Fabriken zu Hamburg, Wien und Berlin. Hieraus macht man zu München, so gut möglich, Probrollen, Forcerollen, Debitrollen.

Die Stärke der bayrischen Schauspieler bestehet im Gebrauche der Attributen, wie es die neue Dramaturgie nennt. Hierunter verstehet man das Schnupftuch, den Stock, die Colombinschürze etc. etc. Gleichwol haben sie einen der sinnreichsten Geste, den man seit sechs Jahren auf dem deutschen Theater erfunden hat, an sich gebracht.

Ich besuchte vorgestern das Theater. Gott ließ zu, daß man Darius gab. Ich war bey der trotzigen Gebärde des Schauspielers, welcher den Alexander vorstellte, erschröckt. Aber der Tod des Darius brachte mich in Verzweiflung. Er starb am Athemholen. – Der Natur nach stirbt man am Aussenbleiben des Athem. Der Schauspieler hatte die Kunst der Neuern aufs feinste gebracht. Diese Kunst bestehet in einer heftigen Athmung, wobey der Schauspieler mit dem Munde gegen der Luft schnappt, so wie eine Forelle, die aus dem Wasser gesetzt wird. Diese Luftpompe kan man zu allen Leidenschaften brauchen, Entzücken, Wuth, Erstaunen, Liebe, Schmerz und Tod.

In Bayern haben die Gesetze sehr wenig für die Ausbildung des Verstands, und die Schulen noch weniger gethan. An der Spitze der Nationalignoranz stehen die Beamten und Geistlichen.

Die Universität zu Ingolstadt liegt in einen Winkel verworfen. Sie ist der Sitz einiger gelehrten Spinnen, welche ihr Gewebe hier trieben: das Sanctuarium der lateinischen Barbarey. Hieher floh die lateinische Sprache, als sie aus den benachbarten Theilen des gesitteten Deutschlands vertrieben ward.

Ueber sie erhebt sich die Akademie zu München, eine frühzeitige Geburt der Wissenschaften. In der That der elende Zustand der Sprache in Bayern hätte ein Meteor von dieser Art nicht vermuthen lassen sollen. Die Akademie giebt ihre besten Werke lateinisch heraus; dann die Sprache des Clima ist barbarisch. Die erste Akademie, womit man in Frankreich den Anfang machte, war eine Akademie für die Sprache ( l'Academie française.) Es scheint, daß man zuerst reden können müsse, bevor man sich ausdrücken will.

Die bayersche Akademie ist, wenn ich mich nicht irre, für die mathematischen, physikalischen und historischen Wissenschaften gestiftet. Ihr Zweck ist also so erhaben, als der Akademien zu Berlin und Petersburg. – Sie besitzt wenigstens würdige Mitglieder. Aber ein Wurm, den sie von ihrer Geburt an im Busen trägt, nagt ihr am Leben. Ihre Kasse ist ein Zankapfel, worüber sich die Mitglieder theilen. Dieser unwürdige Streit vermindert den Ruhm der Akademie, und hat ihre Früchten bis itzo erstickt.

Ausser dieser Akademie besitzt Bayern noch eine Ackerbaugesellschaft. Sie ist eine Schule der Höflichkeit. Die Mitglieder bemühen sich, einander in wechselseitigen Complimenten wegen ihrer Talente zu übertreffen. Man liest die artigsten Sachen Injurien von besondrer Art: eine schwäbische Lokalbrochure. hievon im Druck. Erlauben sie, daß ich sie in Himmel erhebe: damit sie mich zum Halbgotte erklären, spricht Scapin zu Colombine.

Mitten unter einer Menge gothischer Denkmäler der Baukunst und Mahlerey in Bayern siehet man den Pinsel eines Assan herfürstrahlen. Diß ist in der Kirche des heiligen Nepomuck zu München; einer Kirche, die wegen der Geschichte und dem Wunderwerk ihres Baues Aufmerksamkeit erweckt.

Vom Hofe zu München. Eine rührende Anektode.

Wenn das Beyspiel eines tugendhaften Prinzen jemals so viel Kraft besäße, auf einen verderbten Hof zu wirken, so müßte es zu München seyn. Dieser Hof bestehet aus einigen Ministern von illustrem Rang. Die Nahmen der Grafen Baumgarten, Preysing, Berchem, Töring, in deren Händen die Staatsgeschäfte sind, werden von den Ausländern mit Ehrfurcht genennt. An sie schließt sich eine schimmernde Reihe Maitres, Kammerherrn und Generals.

Die untere Abtheilung hingegen wird von einer Menge Dienerschaft, Kanzleyverwandten, Pensionisten und Schmaruzern eingenommen, die sich, so wie an allen unglücklichen Höfen, als Insekten an das Brod des Regenten hängen, und es vergiften. Die Ausschweifungen, die Räncke, die Erpressungen dieses Hofpöbels sind unerträglich. Der Churfürst befindet sich mitten an seinem Hofe wie in einem Lande, in welches von allen Seiten die Feinde eindringen, und das in der Plünderung begriffen ist. Dieses Unglück blicket er mit Gelassenheit an.

Die Veränderung der Krone in Bayern ist, dem heutigen Anschein nach, unvermeidlich. Man sagt, daß Maximilian Joseph dieser Katastrophe mit einer bewundernswürdigen Grösse der Seele entgegen sehe. Die Hofchronik zu München behauptet, daß, um denselben vorzubeugen, das Ministerium dem Churfürsten vorgeschlagen hätte, sich von der Prinzessin, seine Gemahlin, zu trennen, und eine zwote Ehe einzugehen, zu deren Fruchtbarkeit das Land vielleicht einige Hoffnung schöpfen könnte.

Die Churfürstin wäre auch bereit gewesen, der Politick dieses heldenmüthige Opfer zu thun. Sie hätte ihrem Gemahl selbst Vorstellungen gemacht. Allein seine Zärtlichkeit wäre hierdurch beleidigt worden. Dieser tugendhafte Prinz hätte seine Gemahlin versichert, daß der Gedanke hieran seine Ruhe unterbreche, und er hätte den Ministern bey seiner höchsten Ungnade verbothen, jemals davon wieder zu reden.

Das Ministerium.

Woher kommt der heftige Hang zur österreichischen Regierung, welchen man unter den heutigen Bayern bemerkt? Ists Sympathie? – Nichts ist so sehr verschieden, als die sittlichen Grundsätze beyder Nationen. – Ists Grille? – Die Kriege von 1740 veranlassen sie nicht. – Völker! ihr habt keine gefährlichern Feinde, als wenn weise und gütige Regenten eure Nachbarn sind.

Die Bayern nennen die gegenwärtige Regierung, aus Abscheu, eine Ministerwirthschaft. – Sie ist vielleicht die vollkommenste, die das Land jemals gehabt hat, und die es seiner Eigenschaft nach zu ertragen fähig ist. – Unterdessen schreyet das Publikum über den Druck der Pachter, der Beamten, der Gerichtsdiener. In der That, diß siehet ein wenig asiatisch aus.

Aber sollte man die Klagen des Publici ohne Einschränkung annehmen müssen? So ist das Naturell der Menschen: bey einer guten Mahlzeit sind sie aufrührisch wie die Riesenkinder. Man schmälere ihnen die Suppe, so singen sie wie die Sirenen.

Nach der heutigen Spannung des Landesclima würde man schwerlich einen Nationalen in Bayern finden, welcher irgend eine Unternehmung einzuschlagen geneigt wäre, die vom Hofe aufgebracht ist. Ausserdem, daß die Speculationskraft nicht das herrschende Antheil eines Bayern ist, so würde ihm jenes Maas Ehrgeiz und Vaterlandsliebe fehlen, welches die vornehmste Triebfeder in Unternehmungen ist, deren Zweck aufs öffentliche Beste abzielt, und das man nur unter gebildeten Nationen antrift.

Bey einer solchen Situation hat der Staat oder der Minister, der ihn vorstellt, kein anderes Mittel übrig, als, selbst in den Entwurf zu treten, wenn er dem hohen Gefühl des Patriotismus entsprechen will. Bayern ist ein Beweis, wie nothwendig es ist, um eine ersprießliche Gestalt empor zu bringen, daß zuweilen diejenigen, so das Staatsruder führen, sich selbst vergessen, und das thun, was dem Hofe oder den Unterthanen zukäme.

Vermuthlich ist es auf diese Art geschehen, daß einige Grosse sich bey Fabriken, Pachtungen und andern öffentlichen Staatseinkünften interessirt haben. Der Pöbel, welcher in keinem Theile der Welt geneigt ist, von irgend einem Minister etwas Günstiges zu vermuthen, und dessen Gehirn leicht erschüttert wird, weil es nicht mehr als 6 Zoll in der Breite und 4½ Zoll in der Höhe hat, schreyet sie für unrechtmäßige Besitzer aus.

Gleichwohl ist es die heutige Regierung, welcher das Land unermeßliche Vortheile zu verdanken hat. Die Künste und die Wissenschaften erwachen. Die Hydra der Pfafferey – ein noch weit grausameres und tyrannischeres Ungeheur als der Ministerialismus selbst – wird zu Boden getretten. Die Kirchendisciplin nimmt ihren Anfang. Es bildet sich eine Art von Militaire. Die Baukunst, das gereinigte Schauspiel und die Manufakturen werden bekannt. Die Akademie der Wissenschaften zu München entstehet. Die Verbesserung der Schulen, und die Aufklärung der Kanzleyen schlagen Wurzel. Die Quellen der Staatseinkünfte werden aufgedeckt, und die Kanäle, wordurch sie fliessen, gesäubert. Man siehet öffentliche Belohnungen für Nationalverdienste und für Nationaltugenden bestimmt. – In der That diß ist keine verächtliche Regierung.

Allein man predigt den Fischen. Ein Volk, welches einmal den Grundsatz angenommen hat, den Regenten als eine gleichgültige Person, und die Ministere als seine Feinde zu betrachten, ist zu keiner Achtung für sich selbst mehr fähig. Es wird in seinem Vaterlandseifer erkalten, und die Aenderung seines Schicksals von nichts mehr erwarten, als von der Aenderung der Regierung. Dieses Volk wird sein Heil in eine gänzliche Revolution, und seine Ruhe auf das Joch eines Fremden setzen.

Diß ist die Lage der Bayern. Der Hof zu München scheint keinen Zielpunkt seiner Politik mehr zu haben. Da die Regierung mit dem itztlebenden Churfürsten sich endigt, und das Land in den Besitz fremder Kronen kommt, so betrachtet der Hof den Regenten als einen Reisenden, welcher keine andere Angelegenheit hat, als sich während seinem Aufenthalte so gut möglich zu divertiren. Die Diener haben vielleicht noch einen Zielpunkt – es ist der, sich die Zeit zu nütze zu machen.

München.

Wenn zu dem Vorzuge einer Stadt mehr nicht gehört, als schöne Gebäude, so verdient München schon diesen Rang. Gleichwohl hat dieser Ort noch einige andere Reize, welche ihn der Aufmerksamkeit würdig machen.

Er ist die Residenz eines der vornehmsten und liebreichesten Prinzen in Deutschland, und der Sitz einer Akademie der Musen. Man kan urtheilen – die Versammlung eines zahlreichen und vermöglichen Adels hinzugesetzt – daß ihm diese Verdienste hinlänglichen Stof mittheilen, die Lebensart und die Vergnügungen zu vermehren.

Auch herrscht der Luxus in seiner Art zu München, so wie er aller Orten herrscht, wo ein Hof ist, und wo die meisten Leute mehr leben, um Einkünfte zu verzehren, als zu gewinnen. Nirgendswo aber trägt er noch stärkere Kennzeichen seines gothischen Ursprungs an sich. Mehr Ueberfluß und Glanz in den Meubles und der Kleidung, als Geschmack und Zartheit. Man liebt hier die Verbrähmung. Ein Reisender, welcher von Wien kommt, wo die goldenen und silbernen Tressen ausser der Mode sind, weil es das Beyspiel eines der weisesten Regenten mit sich bringt, siehet ganz München für eine Schauspielergesellschaft an.

Der Pallast des Churfürsten ist der Residenz eines großen Prinzen würdig. Er enthält einen Schatz von Kostbarkeiten, Gemählden und Alterthümern. Der große Kaisersaal; der Geschlechtsaal; der Perspectivensaal; der Antiquitätensaal; die Hofkapelle; die silberne Orgel; das Antiquarium; das Bad; die Schatzkammer; die Kunstkammer; die Bibliothek; der Garten; das Turnierhaus, sind sehenswürdige Theile desselben. Der Hofbediente, welcher mich leitete, behauptet, daß die Tapezereyen der sogenannten Kleiderkammer auf zwölf Millionen Gulden geschätzt würden. Es ist möglich, ich zweifle aber, ob sie mein Freund Ephraim dafür in Kommission nähme. – Man muß der Gasconade der Nation etwas zollen.

In der Schloßkirche zeigte man mir die Statue des heiligen Georgs mit seinem Pferd und Drachen von blankem Gold. Der Heilige ist dick mit Juwelen besetzt, und macht eine Miene, als ob er über das Projekt der heutigen Staatsklugheit gegen die Vermehrung der Kirchenschätze, spotte.

Unter den Schönheiten der Kunstkammer hat mir nichts beträchtlicher geschienen, als eine Figur von petrificirtem Palmenholz: obgleich der Stein, welchen Herzog Christoph in Bayern, 1420, von der Erde hob und zwölf Schritte weit schleuderte, ein Felse von 340 Pfund im Gewichte, nicht zu verachten ist.

Das Schwerd des tapfern Hanns von Fronsperg, mit der Haut seines Feindes überzogen, scheint einen zweyten Göthe herauszufordern, den Pendant zum Göz von Berlichingen zu liefern.

Die vornehmsten übrigen Merkwürdigkeiten sind: die Kirchen St. Anna, wo man Altäre von Rubens und Basseto findet; zu U. L. F. wegen dem Mauseläum Ludovici Bavarici, und bey den Theatinern, welche eine Scala sancta haben: das Graf Preisingische Palais; das Landhaus; und der Pallast der Akademie.

Man müßte sich länger in München aufhalten, als ich, um mehrere Merkwürdigkeiten anführen zu können. Das letzte, was mir aufs Aug fiel, war die Wachparade. Die Menge der Staabsofficiers ist so groß, daß die Bayern behaupten, wenn ein Feind vors Land käme, so könnte man ihn blos mit Generals aus dem Felde schlagen. Gleichwohl bestehen die Truppen des Churfürsten aus mehr nicht als 6 Infanterieregimentern und 3 Regimentern Pferde. Da die erstern nicht über 500, und die letztern blos 200 stark sind: so beträgt der ganze Etat 3600 Mann.

Diese Truppen haben weder Ordnung noch Exerciz, noch Reglement. Mag erhält weder die mindeste Uebereinstimmung im Maaße noch im Alter, noch in der Figur. Ihre Waffen sind vom ältesten Kalibre. Die Garde des Churfürsten ausgenommen, sind die bayrischen Truppen – in Vergleichung der österreichischen, preußischen und rußischen Soldaten – nicht mehr als Miliz.

Appendix.

Die künftigen Besitznehmer Bayerns treffen in der Landcharte des Churfürstenthums einen Erdbezirk an, welcher ihrer Aufmerksamkeit nicht unwürdig ist. Es ist das Erzbißthum Salzburg. Die bayrische Geschichte behauptet, daß dieses beträchtliche Land ganz zum Herzogthum Bayern gehöre, und daß es durch Schenkungen veräussert worden, deren Urkunden eben so zweifelhaft seyen, als das Testament der Gräfin Mathildis.

Eine Vermuthung, die sich durch die Politik des Salzburgischen Hofs selbst zu bestättigen scheint. Man weiß, daß dieser Hof festgesetzt hat, niemals einen Prinzen aus einem regierenden Haus in Europa in sein Kapitel aufzunehmen. Die Kritik erklärt diese Maxime so: daß man hierdurch aller Gefahr vorzubeugen suche, einen Prinzen aus dem Hause Bayern zu bekommen, der einst die Lande der Klerisey wieder mit dem Erbtheile seines Hauses verbinden möchte.

Dieser Undank, welcher in der Kirchengeschichte eine gewöhnliche Stelle ist, hat sich so weit erstreckt, daß die Erzbischöfe von Salzburg sich sogar in den Sitzungen der allgemeinen deutschen Staatsversammlung von der Seite Bayern getrennt, und zum österreichischen Kraise geschlagen haben.

Wenn das Haus Bayern keine gültigere Urkunden seiner Ansprüche hätte, so müßte es die Einförmigkeit des Clima, der Sitten und der Natur zwischen beyden Ländern seyn. Diese Eindrücke sind unauslöschlich, wenn man nicht einwenden will, daß die Kröpfe der Salzburger um 15 Unzen grösser sind, als die der Bayern.

Eine Reise über Land.

Von München nach Regensburg ist ein sehr unangenehmer Weg. Elende Strassen und schlechtbestellte Gasthöfe. Man kömmt durch das Städtgen Landshut. Diß ist eine considerable Festung, welche von einem Riesen mit einer Hellebarde vertheidigt wird, der sich über dem Thor angemahlt befindet.

In einem Städchen weiterhin wohnte ich einem Pferderennen bey, welche Art Spiele in Bayern gewöhnlich ist, und nicht weit von der englischen abweicht. Die Laufbahn betrug sechs Viertelmeilen auf der gewöhnlichen Landstrasse. Die Reuter hatten zwey Dörfer zu passiren, und noch eine große Strecke gepflasterten Weg bis zum Zielpunkt, welcher sich mitten im Städtchen befand. Die Pferde schlugen Feuer aus den Steinen, wie die Hengste des Peleus.

Mitten im Zielpunkte saß ein Frauenzimmer, welches der schönen Hippodamia Hippodamia, Prinzessin aus Argivien, wollte nur demjenigen ihrer Freyer ihre Hand geben, welcher seine Nebenbuhler im Pferderennen überträfe. Sie war bey dem Kampfspiele zugegen, und erkannte dem Pelops den Preis zu. ähnlich war. Sie war von den vornehmsten Herrn der Stadt umgeben, welche theils als Kampfrichter, theils als Eigenthümer der Pferde zugegen waren, und sie hielt den Preis in der Hand, der aus einem scharlachnen Brustfleck bestund. Die Jungen, welche auf den Mähren saßen, trieben scharf. Endlich sprengte eine hirschbraune Stutte die andern vor. Sie hatte den Preis schon zum fünftenmale gewonnen.

Man hat sich lang genug bemühet, den wahren Genie des lapidarischen Styls ausfindig zu machen. Die Franzosen haben diese Untersuchung einer eigenen Gesellschaft aufgetragen. Aber ich zweifle, ob weder die Akademie der Innschriften zu Paris, noch der Kardinal Cibo selbst, etwas Sinnreicheres erfunden haben, als folgende Entdeckung enthält.

Die Neugierde bewog mich, einige Augenblicke auf einem Gottesacker abzutretten, an welchem die Poststraße vorbeygehet, und der die Pfarrkirche eines dazu gehörigen Dorfs umzirkt. Hier fand ich unter freyem Himmel einen Leichenstein, worauf ich folgende unvergeßliche Worte las:

Unter diesem Stein

liegt begraben

weiland Eva Maria Steinerin, Lorenz Steiners,

bürgerlichen Steinmezenmeisters eheliche Hausfrau,

gebürtig von Steinach,

hat den 16. May 1741, frühe 4 Uhr,

dieses Stein- und Jammerthal verlassen,

und ihre Seele in Stein, woraus sie genommen ist, verwandelt.

Gott geb ihr eine ewige Ruhe
Und verleih ihr eine fröliche
Auferstehung.

Regenspurg.

Regenspurg ist eine finstere, melancholische, in sich selbst vertiefte Stadt. Kaum wird sie durch die Höfe der Gesandten, welche den deutschen Reichsconvent formiren, aufgehellet, daß man sich von einer Strasse in die andere finden kan. Nichts stellt ein lebhafteres Bild von dem schwermüthigen Reichsverfassungskörper vor, den sie verwahret, als sie.

Die Stadt ist eine Reichsstadt. Ihre Devise ist: Dannhirsche. Man muß wissen, daß jede Reichsstadt eine eigne Art lebendige Thiere unterhält, welche ihr zur Devise dienen. Hier sinds Dannhirsche. Diese Thierchen laufen in den Stadtgräben, und dienen zum Zeitvertreib des Magistrats. Sie sind so heilig, wie Schwäne des Apollo.

Da die Reichstagsgesandten, mit ihren Angehörigen, eine Art von einer eigenen Republik ausmachen, deren Bezirk sich kein Fremder nähern darf, so ist man in der Stadt von der Stadt verlassen.

Der vornehmste unter den Gesandten ist der kaiserl. Principalcommissarius. Der itzige ist der Fürst von Thurn und Taxis. Er führt einen vortreflichen Staat, und übertrift alle übrigen Gesandten eben so sehr im Prachte seines Hofs, als er sie am Stande und in persönlichen Vorzügen übertrift. Er würde vermöge der Anlage seines Charakters und der Hochachtung, welche ihm ganz Europa huldigt, der glücklichste Prinz von der Welt seyn, wenn seine Ruhe nicht von häuslichen Unannehmlichkeiten unterbrochen worden wäre.

Der zweyte Gesandte im Rang und im Staate ist der Freyherr von Erthal, kaiserlicher Commissarius.

Hierauf folgen, der Graf Neipperg, Gesandter von Böhmen, und die Gesandten der französischen und englischen Kronen.

Die übrigen Gesandten des Reichs verbreiten nicht viel Licht. Sie leben von der Charge: mit diesem Kapital ökonomisiren sie so sehr es Wohlstand, und die Würde ihrer Höfe zuläßt.

Ausser den Gesandten hält noch der Graf Palm ein Haus allhier, dessen Vater einer der reichsten Partikuliere in Deutschland war. In dem Pallaste desselben trift man eine sehr vollständige und sehr gelehrte Bibliothek an, welche dem Zutritte der Fremden eröfnet ist.

Der Hof des Bischofs von Regenspurg, eines vornehmen Reichsfürsten, macht sehr wenig Geräusche. Er bestehet aus einigen Geistlichen und Lakeyen, die ihre Zeit mit Litaneyen bey St. Emeran hinbringen.

Die alte Geographie zählte die Brücke, worüber man von der Stadt in den Erdkreis des Churfürsten von Bayern geht, unter die Wunderwerke Deutschlands. Sie ist stark, und völlig in lombardischem Styl. Allein die Geographie konnte sie, ungeachtet der Wunderstärke, welche sie ihr beylegt, doch nicht vor sehr beschwerlichen Ausbesserungen beschützen, die ihr der Eisstoß jedes Jahr zuziehet, und welche die Schatzkammer der Stadt Regenspurg sehr scheniren.

 


 


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