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Aventiure, wie der Herre Uolrich Küneginne Wise fuor durch diu Lant mit Ritterschefte

Sofort begann ich die Fahrt vorzubereiten und zog verstohlen als Pilgersmann mit Tasche und Stab, die mir ein Priester gab, aus dem Lande, als ob ich nach Rom ziehen wolle.

Bald kam ich nach Venedig und nahm, damit mich niemand dort erkenne, Herberge in einer entlegenen Gegend, lag dort den ganzen Winter. In dieser Zeit ließ ich mir Frauenkleidung herrichten und zwar zwölf Röcke und dreißig Ärmel an kleinen Hemden. Dazu erkaufte ich zwei schöne Zöpfe, die ich reich mit Perlen flocht. Dann schnitt man mir drei Überwürfe von weißem Samt. Die Sättel waren silberweiß, mit Decken aus weißem Tuche. Auch verschaffte ich mir köstliches Zaumzeug.

Für zwölf Knappen verfertigte man aus weißem Tuche Kleidung, machte nach meinem Auftrage an 100 versilberte Speere. Alles, was die Meinen hatten, war weiß wie Schnee.

Mein Schild war weiß, weiß mein Helm. Aus 5 großen Stücken weißen Samtes ließ ich drei Wappendecken für meine Rosse schneiden. Mein eigener Wappenrock aber war ein Röcklein aus weißem Tuche mit vielen Falten.

Man brâht mir mîniu ros zehant
vil gar verholne durch diu lant:
des muosten ouch die knechte mîn
von vremden landen alle sîn.
di vlizen willeclîchen sich
min vart ze helen: des bat ich.
mîn nam vil wol verswigen wart
von in für wâr gar al die vart.

Nun waren ich und die Meinen wohl bereit. Da sandte ich einen Boten mit einem Briefe in die Länder, durch die meine Fahrt gehen sollte und bat ihn inständig, meinen Namen niemanden zu nennen. Was er zu tun versprach und auch einhielt.

In dem Briefe aber stand, meisterlich geschrieben, meine ganze Fahrt und wo ich Herberge nehmen werde. Ich aber blieb, als der Bote abgegangen war, noch 30 Tage in Venedig.

Nun höret, was im Briefe stand:

»Die werte Königin Venus, Göttin der Minne, entbietet all den Rittern, die in der Lombardei und in Friaul und in Kärnten und in Steiermark und in Österreich und in Böhmen sitzen, ihre Huld und ihren Gruß, und tut ihnen kund, daß sie gnädiglich zu ihnen kommen und sie lehren will, mit welchen Dingen sie die Liebe werter Frauen verdienen oder erwerben sollen. Sie tut ihnen kund, daß sie sich den nächsten Morgen nach dem Tage St. Georgi aus dem Meere zu Mestre (Meisters) erhebt und bis nach Böhmen (Beheim) fährt, mit folgenden Bedingungen.

Jedem Ritter, der gegen sie anreitet und einen Speer an ihr entzwei sticht, dem gibt sie einen goldenen Ring zum Lohne. Den soll er dem Weibe schicken, das ihm die Liebste ist. Das Ringlein aber hat die Kraft, daß die Fraue, der man es gesendet hat, immer schöner werde und den ohne Falsch minnen muß, der es ihr geschickt hat. Sticht meine Frau Venus einen Ritter nieder, so soll sich der in die vier Weltrichtungen neigen, einem Weibe zu Ehren. Wird sie aber von einem Ritter niedergestochen, so fallen ihm alle Rosse zu, die sie mit sich führt. Sie fährt den ersten Tag bis nach Treviso (Tervis), den zweiten Tag an den Piave (Plat), den dritten bis Sacile (Schetschin), den vierten bis St. Odorico (Uolrich), den fünften bis Gemona (Glemaun), den sechsten bis Chiusaforte (Cluse), den siebenten bis Thörl (ze dem tor), des achten Tages bis Villach. Dort ruht sie den neunten Tag.

Den zehnten Tag kommt sie nach Feldkirchen (Veltkirchen), den elften nach St. Veit (ze sante Vite), den zwölften nach Friesach (Vrisach), den dreizehnten nach Scheufling (Scheuflich), den vierzehnten nach Judenburg, den fünfzehnten nach Knittelfeld (Knütelvelde), den sechzehnten nach Leoben (Liuben), den siebzehnten nach Kapfenberg, den achtzehnten nach Mürzzuschlag (Murzuslage), den neunzehnten nach Gloggnitz (Glokenz). Den zwanzigsten Tag verbleibt sie dort. Am einundzwanzigsten Tage gelangt sie nach Neunkirchen (Niunkirchen), am zweiundzwanzigsten nach Wiener-Neustadt (Niwenstadt), an dem dreiundzwanzigsten nach Traiskirchen (Dreskirchen), an dem vierundzwanzigsten nach Wien, wo sie den fünfundzwanzigsten Tag über bleibt. Am sechsundzwanzigsten übernachtet sie in Kornneuburg (Niuwenburg), an dem siebenundzwanzigsten in Mistelbach, an dem achtundzwanzigsten in Feldsberg, (Velsperc), an dem neunundzwanzigsten Tage ist sie auf dem anderen Ufer der Thaya (Tye) in Böhmen. Dort hat ihre Fahrt ein Ende. Sie will auf der Fahrt niemanden weder ihr Antlitz noch ihre Hände sehen lassen und mit niemanden ein Wort sprechen. Sie entbietet auf den achten Tag nach dem Ende ihrer Fahrt ein Turnier zu Kornneuburg. Jeden Ritter, der von dieser Fahrt vernimmt und nicht gegen sie reitet, den tut sie in der Minne und allen guter Frauen Acht. Denn sie hat darum alle ihre Herbergsorte in den Brief geschrieben, damit jeder Ritter wisse, wo und wann er am besten gegen sie kommen könne.«

Als mein Brief in die Länder kam, und den Rittern bekannt wurde, wurden sie alle froh. Denn damals war in den deutschen Landen niemand reich an Ehre, der nicht ritterliche Fahrten unternahm und um Frauengunst rang. So war damals die Sitte – und die war gut. Überall bereiteten sich die Ritter – ich aber brach, wie ich es schon gesagt habe, am Tage nach dem St. Georgstage in aller Frühe auf. In Scharen zogen die Menschen herbei, um meinen Auszug zu betrachten.

Selbfünft ritten ein Marschall und mein Koch vor mir her. Die mußten mir ritterliche Herberge machen. Nach ihnen führte man ein Banner, weiß wie ein Schwan, bei dem zwei Mann ritten. Und der Schall der Posaunen erfüllte Mestre. Dann führten drei Pagen drei Saumtiere, hinter ihnen kamen meine Streitrosse, mit Decken wohl zugedeckt, jedes in der Pflege eines Knappen, und mit starken, silberweißen Sätteln versehen. Bei den Rossen führte man auch meinen weißen Schild und meinen Helm, der mit einer kostbaren Krone versehen war. Dann kam ein Holrebläser mit einem, der eine Pauke schlug. Hinter ihm ritten vier schön gekleidete Knappen, deren jeder in seiner Hand drei zusammengebundene große Speere hielt.

Nach ihnen ritten zwei hübsche Mägdlein, die beide ganz weiß gekleidet waren. Ihnen folgten zwei Fiedler, die Märsche spielten. Dann kam ich selber in einem weißen Überwurf aus Samt. Ich trug einen perlenbesetzten Hut, zwei lange braune Zöpfe, die noch weit über meinen Gürtel fielen und die mit Perlenketten durchflochten waren, ein Röcklein, das jede Frau geziert hätte, ein Hemd mit zwei Ärmeln, seidene Handschuhe. So kam ich von dem Meere, von einer gewaltigen Menge umdrängt, die mich anstaunte.

Ich ließ fragen, ob auch Ritter da wären. »O ja!« hieß es, »tausend oder noch mehr! Aber sie dürfen nicht stechen, weil der Podesta es nicht erlaubt. Der von Treviso ist's; der sagt, wer mit euch einen Speer verstechen wolle, müsse ihm fünftausend Pfund oder noch mehr geben. Er ist ein zorniger Mann, der nicht auf Freude achtet und den man auch nur selten lachen sieht.«

So zog ich also von Mestre aus und ritt gegen Treviso. Dorthin war Graf Meinhard von Görz, der liebevoll empfangen wurde, mit 50 Rittern gekommen. Der kam also – und als er hörte, daß man mich nicht stechen lasse, wurde er sehr ungehalten. »Das ist eine Missetat,« sprach er, »ich will versuchen, es ins Bessere zu wenden.«

Er sprang auf sein Pferd und ritt mit vielen Herren zum Podesta, bat ihn bei seinem Dienste, sie doch nicht in ihrem Vergnügen zu stören und sie stechen zu lassen. Der sprach: »Ich verwehre euch keine Freude, welche uns keine Gefahr bringen kann. Aber das sag ich euch – ich versage es jedermann, hier in Treviso gerüstet zu sein. Es sind mir zu viele Fremde in die Stadt gekommen – und deshalb kann ich es nicht erlauben, daß jemand seinen Harnisch anlege. Ich wäre wirklich die heilige Einfalt, wollte ich diese Torheit gestatten – und ich bitte euch, meine Weigerung nicht als eine Unhöflichkeit zu betrachten.« So schied er von dem Podesta und ritt unmutig in die Stadt, wo er viele schöne Frauen antraf. Denen klagte er, daß der Podesta keinem Ritter erlauben wolle, in Treviso mit mir zu stechen. Er fürchte, dies könnte der Stadt Schaden bringen.

Da sprachen die Frauen: »Wartet nur, Herr! Nun werden wir den Versuch machen und wir glauben nicht, daß er uns Frauen die Bitte abschlagen wird.«

Da ritt Einer rasch um den Podesta – und um diese Zeit gelangte auch ich in die Stadt, durchzog sie ritterlich mit Schall. Ich bat meine Leute, langsam zu reiten, und so zog ich festlich ein, von mancher schönen Frau begrüßt. Durch ein arges Gedränge kam ich zu meiner Herberge, wo ich die Nacht über verbleiben wollte. Unterdessen suchte der Podesta die Frauen auf. Die sprachen: »Herr, ihr sollt uns gewähren, was wir alle von euch begehren. Ihr sollt die Königin ihr Spiel hier haben lassen, damit wir ihre Ritterkünste sehen. Dies erlaubet unsertwillen.«

Der erwiderte: »Ungerne nur kann ich es gewähren. Dem Grafen will ich, über eure Bitte, zwei Speere gestatten und keinen mehr.«

Da trat mit einem Male auch Herr Leutfried von Eppenstein vor, und bat, man möge auch ihm einen Speer verstatten. Auch für ihn setzten sich die Frauen ein und erreichten es, daß auch er die Erlaubnis erhielt. Voll Freude eilte der Graf, sich zu wappnen. Köstlich war sein Wappenrock, ritterlich sein Helmschmuck.

Hart wie Diamant war der Helm, glänzte von Gold. Als Zier trug er einen Kranz von Federn. Die waren geschlitzt, mit Silberblättern behangen. Und an jedem Kiele war eine Quaste von Pfauenfedern gebunden. Der Schild war nach dem Schwerte gegen Boden geteilt schräg-links.

Der obere Teil war blau wie ein Saphir. Darauf war aus Gold ein gekrönter Löwe geschlagen, dessen Krone voll edler Steine saß. Der untere Teil war rot von Kehlen, weiß von Hermelin, in acht Stücken geschnitten. Den Rand aber hatte der Meister mit roten, weißen, goldenen und blauen Borten wohl eingefaßt. Wappenrock und Decke waren aus grasgrünem Samte, mit Schildlein, gleich dem, den er am Arme führte, bestreut. Grasgrün war auch sein mächtiger Speer. Gürtel und Spange gaben lichten Schein, Halsberg und Hose schimmerten von geflochtenem Eisen, an den Füßen klirrten goldene Sporen.

Auf einem schnellen Rosse sprengte er hochgemut durch die Stadt, daß alle weithin Platz machten. So kam er ritterlich einhergefahren.

Mit ihm war auch ich bereit. Die Krone meines Helmes gab lichten Schein. Meine Zöpfe waren lang, so lang, daß sie noch den Sattel berührten und in ein dichtes Perlennetz gehüllt. Ich trug ein weißes Röckel, dessen viele Falten von fleißiger Frauenhände Arbeit zeugten. Der Gürtel war drei Finger breit, mit Gold beschlagen, und auf der Brust trug ich eine kostbare goldene Spange.

Mein Hengst war groß, stark, trug mich schnaubend in gewaltigen Sätzen; Decken aus weißem Samt, von Meisterhand geschnitten, umflatterten ihn. Silberweiß war mein Schild, weiß mein Speer, silberblank blitzte mein Harnisch. So klirrte ich, in Frauentracht und doch als Ritter auf dem tanzenden Rosse durch die übervollen Gassen der Stadt. Vergebens versuchte der Podesta uns einen Ring zu schaffen, vergebens befahl, vergebens bat er. So viele Leute waren nach Treviso gekommen, mich zu sehen, daß es nirgends einen freien Raum gab. Es war so, daß der Graf und ich nicht aneinander geraten konnten. Endlich, auf einer Brücke, sah ich ihn.

Zwar führte sie hoch über einen Bach. Aber da es dem Podesta gelang, hier die Leute zurückzuhalten, mußten wir es zufrieden sein. Manch rosenroter Mund hat da uns ängstlich gesegnet und für uns gebetet.

Als ich den Grafen heransprengen sah, gab ich meinem Rosse die Sporen. Unsere Augen trügten uns nicht. Unser beider Tjost gelang, saß, wo sich Schild und Helm schneiden. Die Speere gaben einen lauten Krach, ihre Stücke flogen in die Luft, unsere Schilde prallten aneinander. Rasch reichte man uns andere Speere, und so verstachen wir, ohne je zu fehlen, sechs Stangen.

Da band der Graf seinen Helm ab – ich aber sendete ihm ein goldenes Ringlein. Das solle er seiner Liebsten geben. An ihm würde sie seine stäte Treue erkennen. Diese Kraft hatte der Ring.

Herr Leutfried von Eppenstein war der Nächste, der sich mir kampflich entgegenstellte. Reich war der Mann, an der Mur wohlbekannt und stark. Der führte einen gewaltigen, rot gefärbten Speer in der Hand.

Da bedachte ich: »Dies ist ein Mann, in Ritterkünsten wohl erfahren.« Nahm mit Absicht einen langen Anlauf. Ihm aber sank, eben deswegen, der Speer zu tief herab, so daß er mein Roß durch den Hals stach, während mein Stoß ihn auf die Brust traf. Mein Pferd raste in Schmerzen, so daß ich rasch absitzen mußte, und da ging auch schon der Tag zur Rüste und ich zog zu meiner Herberge. Da hätten mich die Herren noch gar gerne gesehen. Aber es gelang ihnen nicht, wie denn überhaupt während der ganzen Fahrt kein Mann mein Gesicht gesehen hat.

Am anderen Morgen – ich lag noch im Bette – kamen 200 Frauen oder mehr zu meiner Herberge und wollten wissen, wann ich zur Kirche gehen werde. Und auch anderes mehr suchte man zu erfahren. Einer meiner Knappen sah die Frauen herankommen und sprach zu mir: »Stehet auf, Frau Königin. Ich glaube, ihr habt noch nicht vernommen, daß alle Frauen aus der Stadt sich nahen. Stehet rasch auf!«

Diese Nachricht trieb mich. Schnell kleidete ich mich in ein Gewand, das jede vornehme Frau in Ehren hätte tragen können. Zuerst nahm ich ein Hemd, blütenweiß, von rechter Länge. Dazu kamen zwei prächtige Ärmel, ein Röcklein, weiß wie Schnee. Darüber legte ich einen Mantel aus köstlichem und kostbarem weißem Samt an, in dem mancherlei Tiere aus Gold eingewebt waren. Ihr könnt mir glauben – der Mantel war von voller Länge und meisterhafter Arbeit.

Die Haube, an der meine Zöpfe befestigt waren, war reich, die Zöpfe selbst aber waren da und dort mit Perlenschnüren durchflochten. Mein Gesicht verhüllte ich unter einem Schleier, so daß niemand von mir etwas anderes sehen konnte, als das Funkeln der Augen. Schließlich setzte ich einen Pfauenhut auf und verhüllte die Hände mit Handschuhen.

Also gekleidet eilte ich frohgemut zu den Frauen, die sich zierlich neigten und mich mit den Worten: »Gott zum Gruße, Königin Venus«, empfingen. Und da gar manch holdselig Kind unter ihnen stand, gefiel mir der Gruß gar wohl.

Es litt den Grafen von Görz nicht, untätig zu sein, während die Frauen mir ihren Gruß boten. So begann er denn zu buhurtieren; ritterlich wurde da vor den Damen kunstgerecht geritten, daß das Spiel hin und her wogte. 500 Ritter sprengten gegeneinander, daß die Schilde im Anprall dröhnten, Speere barsten. So huldigten sie den reinen, schönen Frauen.

Da bat ich sie, den Buhurt abzubrechen, was zu meinen Ehren auch geschah. Darauf ging ich zur Kirche – und da war es eine Gräfin, die mit der eigenen weißen Hand den Saum meines Kleides aufhob und trug. Voll hoher Freude nahm ich diesen Dienst an. Vor mir eilte mein Kämmerer mit einem schönen Teppich und einem kostbaren Polster in die Kirche, legte beides auf einen Faltstuhl, an dem ich zu Gott zu beten pflegte, er möge durch seine himmlische Gnade mich in Ehren meinen Lebensweg machen lassen. Man sang eine schöne Messe. Während derselben aber war so ein Gedränge von Frauen um mich, daß, als ich zum Opfer gehen sollte, man sie bitten mußte, mehr Platz zu lassen. So sittsam war dabei mein Gehen, mein Gebaren, als man die Kußtafel reichte, daß darob viel gelacht wurde.

Den Friedenskuß gab ich, entgegen der Sitte, verschleiert. Als ich ihn der Gräfin bot, sprach die edle Frau: »Wenn ihr mir den Kuß geben wollt, so schickt es sich, dies ohne den Schleier zu tun.« Kaum hatte sie das gesagt, hob ich das Gewebe. Da lachte die schöne Frau fröhlich auf und sagte: »Welch Wunder! Ich seh, ihr seid ein Mann! Was soll ich? Ich gebe euch den Kuß doch! Im Namen und zu Ehren aller edlen Frauen will ich euch zum Dank dafür küssen, daß ihr Frauengewand angelegt habt.« Froh und hochgemut gab und nahm ich den Friedenskuß. Allen jenen aber, die es noch nicht wissen, sei es gesagt, daß es nichts Süßeres gibt, als den Kuß einer edlen Frau. Wenn eine edle, wohlgestalte Frau mit küßlich rotem Munde einen Mann küßt, der Frauenküsse zu schätzen weiß, so wird er davon noch froher als er schon war. Um Frauenküsse steht es so, daß sie noch besser sind als gut, und das Herz mit Freude erfüllen.

Nachdem die Messe beendet worden war, verließen ich und die Frauen die Kirche. In den Gassen gab es arges Gedränge. Vor uns her schmetterten die Posaunen und alles war Licht, Frohsinn und Freude.

So kam ich vor meine Herberge gezogen, nahm dort feierlich Abschied von den minniglichen Frauen, die mir frohen Mut gaben. Denn sie baten Gott, mich in seinen Schutz zu nehmen – und wirklich blieb von da an das Glück an meiner Seite. – Mir scheint – selbst Gott kann bittenden Frauen nichts abschlagen.

Viele Ritter baten den Podesta, er möge mich hier noch stechen lassen. Doch er verweigerte seine Zustimmung und sagte, wer noch tjostieren wolle, könne mich an den Piave begleiten. Dagegen habe er nichts.

Ich erfuhr von seiner Rede und befliß mich daraufhin, mit den Meinen möglichst prunkvoll und in Ordnung durch die Stadt zu ziehen. Und so klirrten wir, ich wieder in Frauenkleider gehüllt, feierlich und in Prächten durch die übervollen Gassen der Stadt, im Geleite vieler Ritter hinaus an die Ufer des Piave. Dort sah ich in einer lieblichen Au ein Banner flattern. Es war Herr Reinprecht von Mureck, und ohne Panzer, bloß mit Helm, Schild und Speer, in ein Hemd von schneeweißer Seide gekleidet, kam er einhergesprengt, daß die kostbaren Decken seines Hengstes flogen.

Sofort ließ ich mich wappnen. Im Nu war ich bereit, band den Helm auf und nahm, ohne viel zu überlegen, einen meiner weißen Speers in die Hand.

Nun kam er in vollem Laufe näher, schlug den glänzend vergoldeten Schaft unter den Arm. Da setzte ich meinen senkrecht auf den Schenkel. Sein Speer brach berstend durch meinen Schild, während ich die Spitze des meinen nicht einmal neigte. So bestanden wir beide den Kampf in Ehren, und ich gab ihm das goldene Ringelein, das er sich ritterlich erworben und für das er mir vielen Dank sagte.

Hernach traten gegen mich Herr Herrmann von Plintenbach und drei ehrgeizige Welsche an. Alle ritten sie kunstgerecht gegen mich, trafen mich so, daß jeder sein Ringlein erhielt. Ich selbst verstach vier Speere und zog dann mit dem Geleite fort nach Sacile, wo ich der Ruhe pflegen wollte.

Ich fand freudigen Empfang. Die Lauben waren voll von Frauen, die mich begrüßen wollten. Dort hab ich über die Nacht Herberge genommen und bin den nächsten Morgen weitergezogen. Vor einem wunderlieben Waldlager hat mich der Graf von Görz mit viel Gefolge erwartet. Die Namen habe ich nicht erfahren. Zwölf der Ritter waren unterm Helme. Da sprach ich zu den Meinen: »Ich sehe, hier möchten Ritter Lanzen brechen! Gerne wollen wir ihnen dabei helfen.«

Rasch sprang ich auf den Streithengst, nahm den Schild, band den Helm fest, ergriff einen Speer. Und schon fegten sie gegen mich heran. Der bunte Speer des Grafen brach an meinem Helme, während meiner an seinem Halse barst. Ich verstach elf Speere – sieben gingen an mir in Stücke. Fünf Ritter verfehlten mich, denen ich daher auch keine Ringe gab.

Ich band mir den Helm ab – der Graf aber und die Seinen tjostierten weiter. Der Graf traf dabei, ich sah es selbst, einen Gegner so, daß die Helmschnüre rissen und der Mann kaum im Sattel sich hielt.

An hundert Ritter oder mehr maßen ihre Kräfte zu Ehren der Frauen und um Ruhm zu erwerben. Ich mußte weiterziehen – die Scharen der Ritter aber verliefen sich. Manche zogen mit mir diesen Tag bis St. Odorico, wo ich nächtigte und schon beim ersten Morgensonnenschein aufbrach. Eilends wappnete ich mich, nahm, starrende weiße Speere hinter mir, den Weg auf das Feld, wo ich mit jenen, die zu Ehren der Frauen gekommen waren, stechen sollte. Von dem einen hatte ich schon gehört, der mit einem Kleinod, der Spende seiner Frowe, gekommen war. Mit dem hoffte ich einen schönen Tjost zu haben. Herr Otto von Spengenberg hieß er, der wohl gezimiert, recht wie ein Frauenritter sein soll, hinter mir dahertrabte. Sein Kleinod, ein um den Helm gewundener Schleier, leuchtete weithin. Beide waren wir voller Freude über unser Zusammentreffen. Sorgsam wählten wir zwei große, starke Speere, nahmen einen langen Anlauf. Er dachte mich zu Fall zu bringen. Und auch ich dachte: »Ich will sehen, ob der im Sattel bleibt, wenn ich ihn so treffe, wie ich will, oder ob er sich Spott holt.«

Mit gesenktem Speere jagte er sein Roß in Sprüngen gegen mich. Ich aber, in der Absicht, den Mann zu fällen, hielt das Pferd zuerst zurück, trieb es dann jäh gegen ihn und traf ihn so am Halse, daß der hochgemute Mann beinahe das Fallen gelernt hätte. Auch er fehlte nicht, und ihr könnt mir glauben, daß er eine gewaltige Stange an mir verstach, die krachend brach, deren Stücke hoch in die Luft flogen. Er verlor Zaum und Bügel, und hätte er nicht den Sattelknauf gefaßt, sich an ihm festgehalten und wieder aufgerichtet – er wäre in das Gras geflogen. Mit noch fünf anderen maß ich mich; keiner verfehlte mich. Allen gab ich goldene Ringe und zog gegen Gemona. Da hatte sich ein Ritter in Zelte gelagert, um mir den Weg zu sperren.

Er hieß Herr Mathis, war ehrliebend, tapfer, reich an Tugend. Der sendete ein reizendes Mädchen in reicher Kleidung auf edlem Rosse mir entgegen, das in seiner Hand einen Speer führte.

Als mich das Mägdlein sah, zwitscherte es: »Gott zum Gruße, Königin Venus! Herr Mathis läßt euch durch mich seinen Gruß bieten und sagen, daß ihr ihm willkommen seid. Sagen soll ich auch, daß er euch von Herzen gerne sieht. Auch sendet er euch, vielliebe Frau, durch mich diesen Speer, damit ihr mit ihm gegen ihn stechet. Dies bat er mich, euch in Züchten zu melden. So nehmet denn, Herrin, den Speer zu Ehren aller Frauen.« Willig nahm ich das Geschenk, dankte der Botschaft und ließ der holden Maid sagen, ich sei bereit zu tun, was sie gebeten. Die dankte herzlich und ritt frohgemut davon.

Ich wappnete mich, band den Helm auf, nahm Schild und Speer. Da kam auch schon Herr Mathis auf einen grünen Anger herangetrabt, wohlgeschmückt, wie es ein Mann sein soll, der Frauengruß verdienen will. Als Wimpel flatterte an seinem Speere ein Schleier, auf dem Helme flimmerte ein Kranz von Goldblättern und Perlen. Die Frowe, der er diente, mußte gnädig sein.

Nun waren wir beide einander schon so nahe gekommen, daß es an der Zeit war, zum Anlaufe einzusetzen. Beide gaben wir den Rossen die Sporen, bemühten wir uns, kunstgerecht anzureiten, den Gegner zu treffen. Auch diesmal mußten die Speere daran glauben. Ich stach ihm den Helm vom Kopfe, sein Anprall aber riß ein großes Loch in meinen Schild, gerade dort, wo der Rand mir die linke Schulter deckte, und dort blieb auch sein Schleier hängen. Nach Herren Mathis kamen noch sechs Ritter, deren jeder einen mächtigen Speer führte. Gegen die wendete ich mich nun, fehlte keinen, während bloß vier mich trafen. Dem von Glemaun und den vier Rittern gab ich mit eigener Hand die Ringe. Traurig zogen die beiden anderen, die mich gefehlt hatten und daher leer ausgingen, ab. Dann band ich den Helm los und ritt in die Herberge, wo ich gute Unterkunft vorbereitet fand.

Als ich des Abends, wie eine Königin gekleidet, am Fenster meiner Bleibe saß, kamen die Ritter mit einem prächtigen Kampfspiele einhergezogen. So kunstgerecht wurde vor mir geritten, daß ich mit Vergnügen zusah, wie die Ritter sich im Spiele fröhlich übten.

Als ich mich lange genug an dem Anblicke ergötzt, ließ ich ihnen aus meiner Herberge Wein zutragen; denn nach der Arbeit tut man gerne einen guten Schluck. Da grüßten mich alle und gingen fröhlich ihrer Wege.

Hier hatte mein Kämmerer vier Röckchen zur Wäsche gegeben. Eine edle Frau erfuhr davon und sendete zu der Wäscherin einen Rock, indem sie ihr bei Strafe befahl, ihn unter die meinen zu verbergen. In dem Rocke aber waren eine schöne Spange, ein Gürtel, ein Kranz und ein Brief eingewickelt. Gütig und edel war die Frau, die dies, ohne daß ich sie gebeten, tat. So erhielt mein Kämmerer, ohne zu wissen, was all nun darin enthalten sei, das Bündel von der Wäsche zurück. Bei Tagesanbruch hörte ich heimlich eine Messe, kleidete und wappnete mich auf das Beste und wollte bald meinen Zug fortsetzen. Um den Rittern anzuzeigen, daß ich bereit sei, bliesen meine Posaunen eine schmetternde, süße Weise. Da begann man sich zu rüsten; durch die Gassen wurden hin und her Helme, Schilde, Speere getragen.

Ich aber ritt hinaus auf das Feld. Dort hatte Herr Mathis mir zum Ärgernis sein Zelt gerade über meinen Weg aufgeschlagen und hielt gewappnet unter Helm und Schild vor demselben. Da sah er mich heranreiten, gab seinem Rosse die Sporen und wir prallten so mächtig und kunstgerecht aneinander, daß ich nie besseren Tjost gesehen. Vom Pralle barsten die Schilde, und die Speere spritzten in Stücklein durch die Luft.

Derweil waren wohl dreißig Ritter aus der Stadt gerüstet auf den Anger gekommen. Da gab's ein fröhlich Spornen, Ansprengen und Stechen. Wer viele Speere zu verstechen begehrte, dessen Brust war das Ziel Vieler.

Da wurde so eifrig turniert, daß das Feld voll Bruchholz der Speere lag. Auch etliche Schilde waren dabei. Ich selbst stach mit elf Gegnern – neun Speere zerbrach ich an ihnen – zwei fehlte ich. Dann band ich den Helm ab.

Sieben Ringe gab ich dahin – die vier aber, deren Speere ganz geblieben waren, waren traurig oder ärgerlich, weil sie mich gefehlt hatten.

So zog ich von Glemaun weiter. Die meisten Ritter verabschiedeten sich da von mir. Nur drei blieben an meiner Seite: Herr Heinrich von Lienz und zwei hochgesinnte Welsche, deren Namen mir entfallen sind, die aber edle, tapfere und aufrichtige Männer waren.

Zu Klausen blieb ich die Nacht. Den anderen Morgen stach ich mit dem von Lienz und den Welschen gar ritterlich. Sechs Speere gingen in Stücke, so daß jeder sein Ringlein erhielt.

Frohgemut ritt ich diesen Tag bis nach Thörl, wo ich keinen einzigen Gegner fand. Denn der Herzog von Kärnten stürmte mit seinen Mannen eben diese Nacht ein nahe gelegenes festes Haus, namens Golperg, das er ganz niederbrechen ließ.

Frühmorgens brach ich von Thörl auf. Auf einem breiten, grünen Anger hatte sich der Herzog, wie er es gerne tat, mit ungefähr hundert Rittern zu einer Mahlzeit gelagert.

Als ich diese große Schar vor mir sah, freute ich mich herzlich und ließ eine schmetternde Weise blasen, die weithin durch das Land erklang.

Als der Herzog und die Seinen den Schall hörten, erstaunten sie und fragten: »Wer zieht denn gegen uns einher?« Man gab ihnen die Antwort: »Die Königin Venus zieht des Weges, wie ihr es aus den Briefen erfahren habt.« »Die ist hochwillkommen«, erwiderten sie: »In Glanz wollen wir sie empfangen.«

Der Herzog und seine Gesellen hießen mich willkommen, riefen: »Gott zum Gruße und Geleite, Königin Venus!« Dann ließen sie mich fragen, ob ich bereit sei, gleich hier zu tjostieren. Freudig bejahte ich. Sofort eilten die Wackeren, sich zu rüsten, und in Kürze schon trabten mindestens fünfzig im Wappenkleide unter Helm und Schild heran. Der erste, der herrlich gezimiert gegen mich anritt, war Herrmann, der Schenk von Osterwitz, fromm, tapfer und ehrliebend.

Wir beide ein tyost dâ ritterlîch
vil sohône riten. Wîchâ, wîch!
ruoft man dô beide dort unde hie.
unser tyost alsus ergie.
daz man diu sper dâ presten sach:
úf beiden helmen daz geschach.
daz fiur dâ úz den helmen spranc.
der tyost muosz man uns wizen danc.

Rasch reichte man mir einen anderen Speer – denn schon kam gegen mich Herr Kol von Finkenstein, ein erfahrener Kämpe, was sich auch diesmal zeigte. Denn er verstach seinen Speer auf meinem Helme, während meiner seinen Schild durchbrach.

Um es kurz zu sagen – volle fünfzehn Speere wurden da auf mir verstochen, während ich deren achtzehn in Stücke brach. Fünfzehn Ringe gab ich jenen, die sie verdient hatten, band meinen Helm ab und zog freudvoll weiter, während der Herzog durch das Rastal heute Rosental. seinen Weg nahm. Mit mir aber zog seine ganze Ritterschaft nach Villach, wo mancher Schaft verstochen wurde.

In der Stadt hatte ich gute Herberge, hörte den nächsten Morgen eine schöne Messe, zu der ich in reichem Frauenkleide ging. Wie man mich so sittsam und züchtiglich schreiten sah, lachte mancher Mann herzlich hinter mir drein. Als ich von der Messe kam, wollte ich mich besonders schön kleiden und sah alle meine Gewänder durch. Dabei bemerkte ich ein fremdes Röcklein im Ballen. Als ich es fand, stellte ich meinen Kämmerer zur Rede: »Was ist das? Wer hat das dazugegeben? Sag's rasch, sonst könnt' es dir schlecht gehen.«

»Fürwahr, ich weiß es nicht!« gab er zur Antwort.

»Das müßte dann rein ein Wunder sein!« höhnte ich ihn – »Wer könnte dir denn ein Kleid geben, ohne daß du es wüßtest?« Ich legte den Rock auseinander und fand darein eingewickelt einen Gürtel, einen Kranz und eine Spange, wie man sich's nicht schöner wünschen kann. Dabei ein Brieflein in deutscher Sprache. Darüber geriet ich in Zorn, schalt heftig mit dem Kämmerer, der mich zu beschwichtigen suchte und immer wieder versicherte, er wisse nicht, wie die Sachen herkämen.

Da bat ich, mir den Brief vorzulesen.

Der lautete:

Venus, vieledle Königin,
Heilgruß und all die Dienste mein
Entbiet ich euch ganz sonder Wank.
Euch sollten alle wissen Dank,
Daß ihr einer jeden Frau zur Ehr'
Ihr Kleid nun traget ob der Wehr.
D'rum sollt mein Kleinod ihr erhalten,
Es ohne weiters auch behalten.
Das ich euch so hab zugesandt:
Denn – bleiben will ich unbekannt;
Denn so verlangt's von mir die Ehr.
Und wenn ihr Ehr und Lieb erfahrt.
Die Freude sich auch mir zukehrt
Von Herzen bitt' Gott ich, er möge geleiten,
Euch glückhaft durch alle Engen und Weiten
Des ritterlich Weges, den ihr da geht.
Seinen Segen für euch habe ich erfleht.

Kaum hatte ich den Brief vernommen, da kam auch schon ein Bote, der meldete, die Ritter seien bereit.

Frohgemut wappnete ich mich, ritt in meinem schneeweißen Wappenkleid hinaus, wo ich schon bei vierzig Ritter unter Helm und Schild mit Speeren wartend fand.

Als erster führte Herr Swikher von Frauenstein einen starken Speer gegen mich, den er auf meiner Brust verstach. Mein Speer brach auch – ich aber trieb das Roß noch weiter, daß Schild laut an Schild prallte. Hinter ihm sprengte, prächtig behelmt, Herr Rudolf von Ras, ein edler tapferer Ritter, der mir in tadellosem Tjost den Helm vom Haupte stach, während ich ihn leider am Arme verwundete. Galopp! Galopp! Auf und nieder das Feld! Tjost auf Tjost, Krach auf Krach, daß überall Speerstücke lagen. Deren fünfzehn verstach ich, gab, ehe ich in die Herberge zog, zwölf Ringe hin. Dann saß ich, umgekleidet, in Ruhe auf dem Umgange des Hauses. Kaum aber hatte man mich erblickt, begann man auch schon wieder ein Ritterspiel.

Mindestens fünfzig Speere wurden da auf dem Marktplatze verstochen und ihr könnt mir glauben, es war ein schönes Tjostieren, das ich da sah.

Der Tag neigte sich dem Abend zu. Die Ritter hatten von der Früh an Ungemach zu ertragen gehabt, daß mancher vor Müde Schmerzen in allen Gliedern hatte, die Nacht daher gerne kommen sah. Andere aber hätten ihren Frowen zu Ehren noch gerne weiter gekämpft. Doch machte die Dunkelheit dies unmöglich. Als der Morgen kam, brach ich froh mit wohl zwanzig tapferen Rittern nach Feldkirchen auf. An diesem Tage zogen alle Ritter der Umgebung gewappnet und geschmückt gegen mich heran. Doch weiß ich nur von einem Teile die Namen.

Da waren Herr Gottfried von Hafnerburg und sein Bruder Arnold, die sich jeder einen Ring holten, Herr Kol, die Herren Bernhard und Ulrich von Treffen, dann der von Himmelberg, durch seine Lieder weithin bekannt, der den Namen Zachäus führte. Er hatte über den Harnisch ein Mönchsgewand angetan. Und auf seinem Helme trug er eine Perücke von Flachs, der eine breite Platte ausgeschoren war. Er hatte sich dessen verschworen, daß er die Königin niederstechen werde. Darnach also stand sein Sinn.

Elf Ritter kamen gegen mich – auf denen ich zehn Speere verstach, während sie elf brachen. Da kam der, der wie ein Mönch aussah, in den Ring. Aber da wollte ich nicht. Als ich ihn gegen mich heranreiten sah, ließ ich mir den Helm abbinden und ihm sagen, daß, da er Mönchsgewand trage, lieber Mönch scheinen, als Ritter sein wolle, die Königin es nicht für schicklich halte, ihm wie einem Ritter zu begegnen.

In meiner Herberge fand ich gut Gemach und verließ den Ort den nächsten Tag nach Sonnenaufgang.

Diesen Tag ging's nach St. Veit.

Als ich in die Nähe der Stadt gelangte und meine Ankunft dort bekannt wurde, kamen mir die Ritter voller Freude entgegen und empfingen mich, wie man einen Freund empfangen soll. Nach einer frohen Begrüßung ritten wir in die Stadt. Ich aber ließ den Rittern sagen, wer sich mit mir messen wolle, möge sich rüsten. Das war ihnen eine frohe Botschaft und sofort legten mindestens fünfundzwanzig Ritter ihren Harnisch an.

Eine neue silberweiße Decke wurde auf mein Roß gelegt, ein Frauenkleid, weiß wie Schnee, war mein Wappenrock. Was soll ich mehr sagen? Ich war noch nie besser geschmückt gewesen. Als ich mit meinen langen Zöpfen auf den Hengst sprang, und mir den Helm aufband, dachte ich: »Hier ist mancher Mann, dem ich jede Ehre gönne. Aber mir darf meine eigene dabei nicht gemindert werden.«

Ich zog auf das Feld, auf dem man mich schon erwartete. Ich nahm einen Speer und schon sprengte gegen mich Herr Reinherr von Aichelberg. Einen schönen Tjost ritten wir beide. Wir hatten richtig gemessen, so daß die Späne hoch aufflogen. Dann bestanden mich Herr Konrad von Lebmach, Herr Küon von Freiberg, Herr Jakob von Berg, Konrad von Tainach, Rudolin von Nußberg, Gundacker von Frauenstein, Heinrich von Griffenfels, Wülfing von Gurnitz, Heinrich von Grafenstein. Mit den beiden letzten verstach ich ritterlich zwei Speere. Da kam der Mönch neuerlich in den Ring. Er hielt einen neuen Speer in der Hand und wollte mit mir tjostieren. Als ich ihn mir gegenüber aufziehen sah, sprach ich unwillig:

»Fürwahr, ich sage euch in allem Ernste – mit euch steche ich nicht!«

Dabei band ich den Helm ab und suchte meine Bleibe auf. Bei Morgenanbruch dachte ich an die Weiterfahrt. Doch da ich gewappnet war, ließ ich die Ritter fragen, ob vielleicht noch jemand stechen wolle.

Sofort waren sechs dazu bereit und warteten voll Kampfeslust, den Speer in der Hand, auf mich. Als erster nahm mich Herr Ortolf von Osterwitz an, daß die Speere auf den Halsbergen zersplitterten und die Stücke in der Luft schwirrten. Herr Weickhard von Karlsberg nahm nicht so scharfen Anlauf. Deshalb blieb seine Stange auch heil. Ihm folgten dann die Herren Engelram und Engelbrecht von Straßburg sowie der in Kärnten wohlbekannte Herr Siegfried mit dem Beinamen der Sachse. Und neuerlich zog der Mönch auf, der gerne auf meine Kosten Ruhm erlangen wollte. Da ließ ich ihm durch einen Boten in Züchten vermelden, daß, solange er dieses Gewand trage, ich nicht mit ihm stäche. Denn das sei für mich keine Ehre. Da sprach der Mönch: »Wohin sie sich auch wenden mag – ich fahre der Königin nach! Das kann mir niemand verbieten. Ich muß mit ihr stechen und lasse diese Absicht nicht bis zum Tode.«

Darauf kamen die Ritter zu mir und baten: »Königin, ihr sollt gewähren, um was wir euch bitten. Verzeihet dem Mönche, daß er sich so gekleidet hat, um euch zu begegnen. Und, da sein Sinn nach Ehre geht, verstechet einen Speer mit ihm.«

Ich erwiderte: »Auf eure Fürbitte hin will ich, euch zuliebe seinen Wunsch erfüllen,« ließ mir einen Speer reichen und nahm einen langen Anlauf. Ich war wütend auf ihn und es war mein fester Wille, ihn am Helme zu treffen. Ich sag's nun: Ritterlich verstach er seinen Speer. Ich aber stach ihn mit meiner Hand vom Rosse auf das Land, daß er bewußtlos liegen blieb. Sein Sturz machte mir nur wenig Sorge. Schaden und Spott mußte er leiden und dazu noch mein Lob hören. So wie ich es gewollt, hatte ich ihn am Helm getroffen. Ihm und den anderen reichte ich vierzehn Ringlein und schied froh und vergnügt, um Friesach zu erreichen.

In Friesach ward ich von den Rittern gar freundlich empfangen. Sie ritten mir weit entgegen und fragten mich, ob ich noch denselben Tag stechen wolle. Ich antwortete mit ja; sie aber baten mich alle, es auf den nächsten Morgen zu verschieben. Mir war es auch recht und so suchte ich mein Quartier auf. Davor gab es ein groß' Gedränge. Es begann ein lustig Buhurtieren, daß die Schilde laut erklangen, die Pferde weiß vom Schaume wurden. Bis zum Abende dauerte das ritterliche Spiel.

Langsam stieg der Tag empor. Alles legte den Harnisch an und gemeinsam zogen wir aufs Feld, ich von Herzen froh, daß ich auch an diesem Tage wieder in dem Dienste meiner Frowe stehen sollte.

Auf dem Felde vor der Stadt hielt schon Herr Konrad von Neudegg. Gleich gab er seinem Rosse die Sporen und rannte mich an. Ritterlich verstach er seinen Speer so, daß ich es an meinem Halse fühlte. Ich aber verwundete seine rechte Hand, was mir herzlich leid tat. Otto und Dietrich von Buchs fehlten mich – und waren ärgerlich, daß sie deshalb die Ringe nicht erhielten. Denn sie dachten mehr auf Erwerb als auf Minnesold. Mit sieben Rittern stach ich, fünf Ringe gab ich.

Dann brach ich auf und ritt nach Scheifling in Steiermark.

Neunzehn Ritter ritten da mir entgegen, grüßten: »Venus, edle Königin, seid mit Freuden hier in der schönen Steiermark willkommen.« Doch nur fünf baten mich um einen Tjost. In Scheifling nächtigte ich. In der Früh wappnete ich mich, ebenso die Ritter, die mich bestehen wollten.

Als erster trabte Herr Ilsung von Scheifling einher, der immer nach Ritterehren und den höchsten Zielen strebte.

Fünf hundert schellen oder mêr
fuort an im der muotes hêr.
sîn orsse vil kleiner sprunge spranc:
sin zimir dâ sô lûte erklanc
daz man dâ bî gehôrte niht
silbervel und goltvel lieht
zendâl rôt, gruen als ein gras,
dâ sunderbâr gehouen was.

Gezimirt was der lantman mîn
daz nie kein ritter umb den Rîn
gezimirt wart für wâr nie baz:
von rehter wârheit sprich ich daz.
er fuort ein sper in sîner hant,
daz man vil wol gekleidet vant;
dar an vil kleiner schellen hie,
gestreut vil schône dart unde hie.

Sîn lîp was in diu tyost gestalt:
er moht wol heizen Swendenwalt.
sin orsse er nam vast mit den sporn.
ein schoene tyost wart dâ niht vlorn:
er stach mir abe dem arme min
den schilt, da zal die riemen sîn
brâsten als ein donerslac
din tyost erhal: der schilt gelac.

Min sper uf siner ahsel brast,
als der ein dürren grozen ast
ab einem poume zerret nider.
ich gehôrt dâ vor noch niender sider
von tyost nic sô grozen krach
als von der tyost aldâ geschach
sîn schellen harte wîte stuben:
di schilde von dei tyost sich kluben

Dann stach ich mit den vier anderen und gab fünf Ringe. Sie aber wünschten mir viel Glück zu meiner weiteren Fahrt und befahlen mich, als ich den Weg gegen Judenburg einschlug, Gottes Obhut. Zu Judenburg empfing man mich feierlich. Dort verstach ich den nächsten Morgen mit neun Rittern neun Speere, gab sechs Ringe und brach rasch nach Knittelfeld auf, wo ich zwei Speere zerbrach und zwei Ringe hingab.

Dann ging es weiter nach Leoben, wo zwanzig Ritter mich erwarteten, die mit mir Lanzen brechen wollten. Als ich des Morgens erwachte, hörte ich in den Gassen Pfeifen und Flötenklänge. Die aufgehende Sonne sprang über ragende Speereisen, Stahlhelme im Schmucke der Zimiere, bunte Wappenkleider und farbige Decken. Es waren die Ritter, die auf das Feld zogen. Rasch wappnete ich mich und folgte ihnen in meinem schneeweißen Wappenkleide, hinter mir zehn weiße Speere. Kaum war ich angelangt – hatte die Zeit gefunden, einen Speer in die Hand zu nehmen, da dröhnte schon Dietmar von Steyr gegen mich; wir spornten die Rosse, krachten aneinander, daß die Schäfte in Stücklein zerstoben. Nach ihm kam Siegfried von Torsiul, ein Sänger frommer Lieder, tapfer, männlich und ritterlich gesinnt. So gewaltig war der Anprall, daß Splitter hoch in die Luft schwirrten. Dreizehn Speere zerbrachen da in Leoben an mir – ich selbst fehlte dreimal. Dreizehn Ringe gab ich – und ritt weiter von Leoben talab, wo die kraftvolle Mürz in die schäumende, fischreiche Mur mündet. Von da ging ich flußauf, bis zu einer Burg, die hoch über dem Tale liegt und, in Steiermark wohl bekannt, Kapfenberg heißt.

Auf der saß damals Wülfing von Stubenberg, ein Mann, der unbeirrt darnach strebte, sich Lob als Ritter zu erwerben. Er war freigebig, hochgemut, kühn und edel, lebte lobesam und bieder. Als der von meiner Ankunft erfuhr, sprach er: »Die edle Königin sei mir willkommen« – und ließ meinen Boten sagen, sie mögen das Einkaufen Für die Verpflegung des stattlichen Gefolges. Hrsg. lassen, da die Königin sein Gast sein sollte.

Da wollten meine Boten wieder weiter, er aber sagte ihnen: »Wenn eure Frau so hochgemut ist, daß sie nichts umsonst annehmen will, so kaufet von mir aus, was ihr wollt, in Mengen oder wenig ein. Aber lieber sähe ich sie als meinen Gast, das könnt ihr mir glauben.«

Mein Schaffner erwiderte: »Dank der Rede, Herr! Meine Frau ist so gesinnt, daß sie mir bei schwerer Strafe verboten hat, etwas, was man umsonst reichen wolle, zu nehmen.«

Darauf ließ der Stubenberger meinen Herbergswirt wissen, daß er bei Leibesstrafe mir für Dinge im Werte von drei Mark nicht mehr als einen Pfennig rechnen dürfe. Als mein Schaffner das vernahm, brach er sofort auf. Herr Wülfing aber setzte ihm nach und fragte: »Wo willst du hin?« Der antwortete: »Lieber Herr – weg von hier! Denn hier kauft man gar zu billig ein!«

Da lächelte der Stubenberger und erwiderte: »Ich seh, der Ehre wegen die Königin hier zu begrüßen, muß ich euch euren Willen lassen. Tut also was ihr wollt.«

Gar ritterlich empfing er mich mit großem Geleite. Noch nirgends hatte ich bis nun solche Begrüßung gefunden, wie er sie mir, mit über dreißig Rittern bot. Ungewappnet ritt ich in meine Herberge. Doch am nächsten Tage legte ich freudig den Harnisch an, band den Helm fest und suchte das Feld auf, wo der von Stubenberg, schon gepanzert und geschmückt, wartete. Bunt war sein Wappenkleid, so reich sein Schmuck, als käme er aus dem Paradies. Der Tjost gelang. Dröhnend schlugen die Speere Löcher in die Schilde, daß Schild und Speer splitterten, unser beider Arme Male trugen, Harnischringe zerrissen waren.

Da bat mich der Stubenberger um den Ring, den ich ihm gerne gab. Dann verstach ich noch zwölf Speere, ohne jemals zu fehlen. Zwölf Speere gingen an mir in Trümmer, zwölf Ringe gab ich hin. Dann nahm ich Abschied, suchte Kindberg auf. Dort saß ein zuchtreicher, mannhafter, tapferer und hochgemuter Degen, Herr Otto von Buchau. Wohl eine Meile weit kam mir sein Bote entgegen und meldete: »Edle Königin, ein windisch Weib heißt euch in diesem Lande willkommen. Das will in ritterlichem Kampfe sich mit euch zu messen versuchen, soferne ihr es gestattet. In diesem Tale sitzt nämlich nirgends ein Ritter, der tjostieren möchte. Deshalb ist es bereit, unter Helm und Schild gegen euch zu kommen und bittet euch inständig, ihm diese Gnade nicht zu versagen.« Ich lächelte, ließ dem Boten sagen, daß ich, wenn ich gegen Frauen tjostiert, nie einen Harnisch getragen hätte; sei trotzdem heil davongekommen, ja, solche Tjoste hätten mir gefallen, meine auch, gegen sie solle man sich nicht wappnen.

Der Bote sprach: »Fraue – ihr tragt Weiberkleider. Darunter tragt ihr den Harnisch und besteht manchen Mann. Deswegen will auch meine Herrin gegen euch nicht ohne Harnisch sein. Mit Harnisch, ritterlich wie ein Mann, will sie mit euch kämpfen.« Ich sprach: »Herr Bote – euch sage ich – ich scheine den Männern ein Weib zu sein. Ich bin aber zu ihrer und meiner Freude in holder Frauen Arm gelegen. Ist eure Frowe ein Weib – fürwahr – harnischlos will ich mit ihr ringen, ihre Gunst erlangen.« Da erwiderte der Bote: »Nun muß ich euch meine Herrin wohl nennen. Es ist ein Ritter, weithin bekannt, der aus Minne Frauenkleid angelegt hat und seiner Liebe wegen oftmals sein Leben wagt.«

»Wenn eure Frau ein Mann ist, und mich zu seiner eigenen Ehre bestehen will, sich aus Liebe als Frau kleidet, so saget ihm, daß ich freudig seinen Wunsch gewähre, um dessen Erfüllung er so artig bittet.«

Da legte der Ritter seinen funkelnden Harnisch an und band den blanken Helm, von dem ich seltsame Märe künden will, auf. Denn auf ihm war ein weiter Ring befestigt, in dem Helme aber waren kostbare Ohrringe, die tief herabhingen, in Menge festgemacht. Zwei blonde, lange und dicke Zöpfe, die bis zum Sattel leichten, quollen unter dem Eisen hervor. Außerdem trug er ein windisch Weibergewand und einen köstlich blauen Schild, auf den zierlich, da und dort, Kränzlein gestreut waren. Die Pferdedecke war aus blauem Zendal, voll von Kränzelein, die alle Farben der Maienblumen hatten. Sein großer Speer war um und um mit Blumen umwunden.

So kam er gegen mich her. Da nahm auch ich einen starken Speer – und schnell flogen wir gegeneinander, daß die Funken stoben, Splitter surrten durch die Luft, beide Schilde waren durchstoßen.

Kaum war dieser Gang vorüber, so ritt Ottokar Traege gegen mich an. Dessen Speer war fast so dick wie ein Baum, doch half ihm dies nicht viel. Ich wollte so – und traf seinen Helm bei den Fenstern, daß die Bänder rissen, ich den Helm wohl ackersbreit auf meinem Eisen davonführte. Unsere beiden Speere blieben ganz – und so stachen wir ein zweitesmal. Auch diesmal traf ich den Helm so, daß ihm Nase und Mund verletzt wurden. Auf das hin hatte er genug und wollte nicht mehr.

Heran dröhnte Herr Sibot von Reichenfels, der mich gut traf. Andere Gegner fanden sich nicht ein. Da erhielten der von Peuchenbach (Teuffenbach?) und Herr Sibot ihre Ringe. Des Traege ungefüger Speer fiel mir, wie ich es wünschte, zu. Ich ließ ihn daher auf meinen Wagen legen und erreichte noch denselben Tag Mürzzuschlag. Es ist das einzige Mal, daß Ulrich die Waffe eines Gegners für sich beansprucht. Man kann daraus schließen, daß der Speer des Traege geradezu als Kuriosität gelten konnte. Hrsg.

Bei Sonnenaufgang ging's dann über den Semmering nach Gloggnitz, wo sechs Ritter mich kampflustig, gerüstet erwarteten. Als erster verstach der von Ringenberg (Rinkenberg?) seinen Speer an mir, ich aber stach den nächsten Gegner glatt vom Pferde, dessen er sich seither oft geschämt hat. Er hieß Ulrich von Torsewel, rannte mich ritterlich an, zersplitterte seinen Speer an mir – ich aber legte ihn hinter den Gaul in das Gras. Darnach verstach ich noch vier Speere. Da niemand mehr antreten wollte, band ich den Helm ab, schenkte sechs Ringe, legte in der Herberge den Harnisch ab, ließ das Haus absperren, nahm bloß einen ganz verläßlichen Knecht mit, verließ heimlich das Haus und ritt freudig zu dem Orte, an dem ich meine Gattin fand. Sie empfing mich, wie es eine gute Frau soll, aus frohem Herzen, mit zärtlichen Küssen. Gar hold war der Empfang durch die Süße, die mich bis zum dritten Tage pflegte. Am Morgen hörte ich dann eine Messe, schied mit Freundessegen und ritt gegen Gloggnitz, wo mich mein Gesinde reisebereit erwartete.

In glänzendem Zuge ging es nach Neunkirchen, wo man mir ritterlichen Gruß bot. Neun waren es, die mich, gerüstet und geschmückt, um die Ehre eines Tjostes baten. Der erste war Ortolf von Graz, ein minnegehrender, tapferer Mann, der mich durch Schild und Harnisch an der Brust verwundete. Als ich das Blut sah, deckte ich Blut und Wunde mit dem Rocke zu und verstach auf Otto und Heinrich von Pitten je einen Speer. Dann kamen die anderen sechs an die Reihe, die alle ihren Speer kunstgerecht führten. Erst dann suchte ich meiner Verletzung wegen die Herberge auf, ließ die Wunde verbinden und sendete den Kämpfern die wohlverdienten neun Ringe.

Rasch sprach es sich herum, die Königin sei in einem Tjoste so verletzt worden, daß sie nicht mehr stechen könne. Als man mir dies Gerede mitteilte, sagte ich: »Morgen, so lange noch die Ritter hier sind, will ich zur Kirche gehen, damit sie sehen, ich sei gesund. Dieser kleine Kratzer macht nichts aus. Den werde ich verbergen und mich so gehaben, daß niemand auch nur eine Spur davon merkt.«

Als die Sonne hoch stand, kleidete ich mich köstlich als Weib, und ging mit fürstlichem Gepränge zur Kirche. Wer mich so fröhlich und stolz einherschreiten sah, der sprach: »Bei Gott, die Königin ist wohlauf und gesund. Sie ist freudevoll, hochgemut und kann nicht verwundet sein.«

So arg drängte man sich um mich, daß, als man die Kirche verließ, deren Türe eingedrückt wurde. Nach der Messe hätte ich gerne noch gestochen – doch es fand sich kein Gegner mehr.

So ging die Fahrt weiter nach Neustadt. Mein Gefolge aber bat ich, in Ordnung zu reiten. Denn Zucht ist bei aller Fröhlichkeit gut. So kamen wir an den Kehrbach. Da zog auf der Straße gegen mich her ein Panier – zehn Speereisen funkelten um dasselbe. Weiß leuchtete es in der Sonne – in der Mitte aber trug es einen blauen Eimer. Hinter dem kam ein schön geschmückter Ritter, Herr Berthold mit Namen, der mich höfisch grüßte. Er strebte, wie schon oft, nach Ehre und Ruhm. Als ich ihn gesehen, hatte ich mich rasch wappnen lassen. Und schon kam er herangebraust (schön war der Anlauf und lang). Beide Speere zersplitterten, daß die Funken von den Helmen stoben. Er stach den meinen so stark gegen mein Kinn, daß ich blutete. Da band ich zum Glücke den Helm ab. Denn seine Riemen waren fast geborsten. Dann kam gegen mich Wülfing von Hörschendorf. Auf den verstach ich drei Speere, während er mich stets fehlte. Ihm folgten fünf Ritter, deren Tjoste durchweg gelangen. Ehe ich das Feld verließ, gab ich sechs Ringe als Geschenk. Nur Herr Wülfing, der mich nicht getroffen hatte, erhielt zu seinem Leidwesen keinen. Ich aber ritt in die Stadt und bat meinen Kämmerer, mir außerhalb der Mauer ein Wasserbad zurichten zu lassen, aber so, daß niemand etwas davon wisse.

Heimlich kam ich hin und vergaß im Wasser meine Müdigkeit. Keiner der Badegehilfen erkannte mich und so badete ich fröhlich. Nun widerfuhr mir im Bade eine wunderliche Geschichte, die mir durch Frauengunst süßes Leid und heiteres Ungemach brachte.

Wie ich vergnügt im Bade saß, verließ mich mein Kämmerer, um mir aus der Herberge neue Kleidung zu holen. So war ich allein, ohne jemanden von meinen Leuten, und habe es an mir erfahren, daß das, was geschehen soll, geschieht. Denn mit einem Male trat ein wohlgekleideter, höfischer und kluger, mir aber wildfremder Knecht ein, der einen schönen Teppich trug. Den legte er vor die Wanne, auf ihn aber Frauenkleidung – einen Schleier, einen Rock, einen Gürtel, zwei kostbare Spangen, einen Kranz und einen Ring. Dessen Stein war ein Rubin, rot wie ein Frauenmund, der Männerherzen wundet. Daneben legte er ein Brieflein, das mit holden Worten sagte, wer mir die Kleinode gesendet hatte.

Als ich das sah, geriet ich in Zorn. »Wem habt ihr das gebracht?« rief ich, »ich nehme es nicht! Packt es zusammen, aber schon rasch.«

Der Knappe schwieg und ging und kam mit zwei anderen zurück, die ihm prächtige frische Rosen nachtrugen. Die streute er schweigend in solchen Mengen, daß man weder mich noch das Bad sah. Was ich auch fluchte und bat – schweigend streute er Rosen auf den Boden, daß die ganze Diele voll Farben lag. Was ich auch schalt und sprach – er schwieg, neigte sich züchtiglich und nahm schweigend Abschied, ohne daß ich ihn erkannt hätte. So ließ er mich in großem Zorne zurück.

Nun kam mein Kämmerer mit meinem Gewande. Als er die Geschenke bei mir sah, sprach er verblüfft: »Frau Königin, was ist denn das? Ihr selbst seid mit Rosen überstreut und weithin ist alles mit ihnen bedeckt?«

Ich erwiderte: »Gar übel war es, daß du mich so allein gelassen. All dies, die Blumen, das Kleinod und das Gewand brachte ein unbekannter Knappe. Es ist zu toll; gegen meinen Willen hat er all das Zeug hier stehen gelassen. Solche Unart hab ich noch nie erlebt. Gib rasch das Kleid. Ich will gehen, und alle Sachen hier liegen lassen«. »Das solltet ihr nicht tun,« entgegnete der Kämmerer, »denn das wäre vom Übel. Denn fänden die Bader die Kleinode, würde bald jedermann wissen, wer euch die Geschenke gesendet hat. Das wäre nicht in Ordnung. Es könnte aber auch jene, die euch das gesendet hat, aus einflußreichem Hause sein. Die könnte euch schaden, hörte sie, wie ihr ihre Gabe verschmäht habt. Ich rate euch, nehmet aus Klugheit alles mit, damit ihr die Spenderin und euch vor Schaden bewahrt. Vielleicht kann man ihr die Geschenke später zurückstellen. Denn seht! Sie ist euch wohlgesinnt und da müßt ihr sie vor übler Nachrede bewahren.«

»Nun wohl,« erwiderte ich, »so nimm denn all dies in Verwahrung. Doch nur zum Scheine. Denn erfahre ich, wer den Knappen geschickt, sende ich ihr alles zurück. Ich habe all mein Leben gehört, daß niemand einem anderen gegen seinen Willen etwas schenken könne. Es hieße Untreue, von einer anderen als meiner Frowe ein Geschenk anzunehmen.«

So sprang ich aus dem Bade, schlich heimlich in die Stadt, sah den ganzen Tag voll Ärger nicht aus dem Hause heraus. Ich hatte wenig Freude an den unerwünschten Geschenken. Ich dachte hin, ich dachte her, wer wohl um Himmelswillen mir die Kleinode gesendet haben könne, doch konnte ich es nicht erraten.

Da beschloß ich: »Ich will mir den Brief hier vorlesen lassen! Vielleicht daß ihr Name darin steht.«

Da bat ich, mir den Brief zu lesen, der wohl meisterlich geschrieben, mir doch nicht gelegen kam.

Also sprach der Brief:

Könnt ich mit Worten süßen
Euch Fraue lieblich grüßen
So tat ich's bei der Treue min.
Venus, vieledle Königin,
Mein Dienst sei euch zur Zierde
Vermehre eure Würde.
Dies hat verdient wohl euer Leib,
Daß euch jedes werte Weib
Grüße und ehre,
Eure Ehre mehre.
Ihr habt den Sinn auf Ehr gewendet,
D'rum war mein Kleinod euch gesendet
Zu unserer beiden Ehre.
Ich bitt euch Fraue, hehre,
Daß ihr es nehmet hin als gut
Für euern tugendreichen Mut.
Ich hab's euch nur zur Ehr gesandt
Und will euch bleiben unbekannt.
Dies soll euch, Fraue, nicht verdrießen.
Auf meine Zucht tut lieber schließen.
Sollt mir das Glück einmal geschehen,
Daß ich euch könnte einmal sehen.
So geb ich selber euch bekannt.
Warum ich's Kleinod euch gesandt
Euch lieben süßen Fraue mein.
Nun möget ihr befohlen sein
Dem, der beherrscht die ganze Welt
Und auch den Teufel hat gefällt
Gewaltiglich.
Der wende sich
In Gnaden auch zu euch
Und mach' euch ehrenreich.
Mit Treuen ich es wünschen will.
Daß ihr erreicht des Zuges Ziel
Mit Ruhm bedeckt. Die Stund
Lobpreiset Gott mein Mund.

Als ich dies gehört, tat es mir leid, daß sich jene, die mir den Schmuck gesendet, nicht genannt. Was soll ich davon mehr sprechen? Mir war leid, mir war weh und dabei war ich aufgebracht. Vor Sorgen konnte ich die Nacht kaum schlafen. Den nächsten Morgen brach ich nach der Messe auf. Ritterlich war meine Ausfahrt, stolz mein Zug gegen Österreich. Als ich an die Bistritz kam, sah ich lichte Schilde blitzen, Helme, flatternde Wimpel mir entgegenkommen. Freudig begrüßten mich die Ritter: »Venus, viel edle Königin, zur Freude hat Gott euch hergesendet. Wir alle sind euerer Ankunft froh. Ihr habt es erreicht, daß euere Ehre immer höher steigt, alle Großen euch gewogen sind.«

Wohl dreißig oder mehr empfingen mich derart. Unter ihnen war Wolfger von Gars, ein so vollendeter Edelmann, daß man nie etwas Ungünstiges über ihn vernommen hat. Der sprach zu mir: »Königin, viel edle Frau, ich will euch innig bitten, mich unter euer Ingesinde aufzunehmen. Euer Kämmereramt wollet ihr mir gnädigst übertragen.«

Als er so gesprochen, ritt Gottfried von Tozenbach zu mir heran. »Nun hört, was ich bitte,« sprach dieser. »Mich sendet mein Herr und läßt euch im Namen Gottes und seinem eigenen in diesem Lande willkommen sein. Mein Herr ist der Domvogt von Regensburg. Er ist bereit, euch nach Kräften zu dienen und statt seiner beschwöre ich, daß er euch um den Dank edler Frauen ohne Wanken dienen will. Durch meinen Mund läßt er, Königin, euch bitten, euer Marschall werden zu dürfen. Er ist an Gut und Mut reich, bereit, euch wegen eurer Tugend ritterlich zu dienen.« Beiden ließ ich antworten, daß ich ihnen gerne die erbetenen Ämter verleihe. Doch wer von mir ein Amt wolle, müsse es mit dem Speere empfangen und ein tüchtiger Tjostierer sein. Meine Ämter seien ritterlich und doch ärmlich. Ja, mein Amtmann könne dabei all seine Ehre verlieren, aber auch reiche Ehre gewinnen. Vor derlei dürften meine Leute nicht zagen. »An meinem Hofe gibt's viel Krach zerberstender Speere.«

Da antwortete Wolfger von Gars: »Was soll das viele Sprechen, Frau? Wenn euer Hof ritterlich ist, muß man an ihm viel Ehre gewinnen. Und wollt ihr mir euer Kämmereramt geben, so nehme ich's unbesehen und will's auch gerne, soferne es eure Sitte gebietet, vom Speere annehmen.«

»Das soll zu Traiskirchen geschehen,« sprach ich. Da dankte er mir und ritt nach Traiskirchen, wo er Harnisch und Wappenkleid vorfand. Geschmückt war er wie einer aus den himmlischen Heerscharen.

Als er von mir fortritt, fragte der von Totzenbach: »Was soll ich, vielgelobte Königin, von euch meinem Herren sagen? Mein Verweilen nützt euch wenig – gar gerne käme mein Herr gegen euch.« »Ihr sollt dem Domvogt von mir sagen, will er durch Frauenpreis Ehre erjagen, so kann er zu meinem Gesinde stoßen. Will er mein Marschall sein, so muß er im Tjoste Speerschäfte brechen. Ist er dazu bereit, so verleihe ich ihm gerne das Amt.« Da ritt er weg nach Wien, wo er meine Botschaft seinem Herren brachte, der sich ihrer freute, in der Nacht noch für sich und seine Gesellen vielerlei herrichten ließ.

Unterdessen kam ich nach Traiskirchen, wohin mich der ehrenfeste Wolfger von Gars gebeten hatte. In prachtvollem Helmschmucke kam er mir entgegen. Da band ich den Helm fest und ritt ihm unter dem Freudengeschrei der Ritter entgegen. Zuerst ging es im Schritte, dann gaben er, wie ich dem Rosse die Sporen. Kunstgerecht ritten wir den Tjost, daß im Anpralle die Schilde brachen, die Speere gewaltig auf den Helmen zerkrachten. So empfing mich mein Kämmerer. Nach ihm bestanden mich zehn Ritter, von denen sieben mich trafen, drei mich fehlten, die sich darob arg schämten. Ich selbst verstach elf Speere. Die sieben und auch mein Kämmerer erhielten die Ringe von mir. Herr Wolfger hatte sich denselben durch seine Ritterlichkeit und sein ehrenvolles Leben wohl verdient.

So holte ich mir meinen Kämmerer. Der hatte sich und sieben Gesellen herrlich gekleidet. Nun sprang er vom Rosse, kam zu Fuß zu mir, nahm meinen Harnisch in Empfang, den er blank wie Silber machen hieß. Er nahm mein Pferd beim Zügel, geleitete mich in die Herberge. Da meinte er: »Frau, euch tut Ruhe not« und ließ das Haus sperren, in dem ich der Ruhe pflag. Den nächsten Tag ward ich in wonniges, leuchtend weißes Frauengewand gekleidet, welches ich noch nie getragen hatte. Denn ich wußte, daß ich diesen Tag manch holde Frau sehen würde.

Dann brach ich mit meinem Gefolge auf. Mein Kämmerer, der edle ehrenfeste Herr von Gars ließ es sich nicht nehmen, reichgekleidet, zu Fuß mein Roß am Zaume zu führen.

Froh zog ich die Straße gegen Möllersdorf, da kam mir ein Knappe von feiner Zucht entgegen, den ich wohl kannte, war es doch mein Bote. Daß ich ihn mir entgegen reiten sah, machte mein Herz noch freudiger schlagen.

Zierlich neigte er sich vor mir – ich tat, als kenne ich ihn nicht. Doch trieb ich bald mein Roß in seine Nähe. Er folgte mir und sang ein Liedchen, mit dem er mir kund tat, daß er mit froher Botschaft käme.

Laut klang das Lied in mir – mein Herz sang voller Freude mit, als der kluge Jüngling sang. Es klang so süß, es klang so gut, von dem ward ich gar hochgemut.

Nun hört das Lied – das sprach also:

Ihr sollt sprechen: »Hochwillkommen«
Der euch Märe bringt, bin ich!
Alles, was ihr habt vernommen
Ist gar eitel – fragt ihr mich. –
Ich aber will Lohn – und wenn er recht gut –
Sag' ich euch gerne, was Freude euch tut. Das Lied ist von Walter von der Vogelweide. Hrsg.

Als ich das Lied vernommen, war ich froh und doch voll Sorgen. Ich dachte hin und her: – »Herrgott, wie spreche ich mit ihm, daß es niemand hier versteht? Gebe Gott, daß ich den Boten recht bald sprechen, seine Nachricht vernehmen könne.« Als ich so schweigend dachte – da lag neben der Straße eine schöne Aue. Dorthin ritt ich. Mein Kämmerer ließ nicht zu, daß jemand mir folge. Mein Bote war aber nicht nur höfisch, sondern auch klug. Von einer anderen Seite kam er hin, so daß niemand es bemerkte.

Zu fünft ritten wir in die Au – dann sprang ich ab und ging allein weiter, bis ich den Boten traf. Ich sprach: »Willkommen lieber Bote!« Er sprach: » Den Gruß nehm ich nicht an! Denn er ist für meine Botschaft viel zu gering. Kniet ihr nicht vor mir nieder, so nehm ich sie wieder mit.« Kaum hatte er das gesagt, so lag ich auf meinen Knien, als spräche ich ein Gebet. Er lachte: »Steht auf, es ist genug! Noch nie hat ein Mann so hohen Preis davongetragen! Froh und hochgemut muß er davon sein – und euer Stolz mag noch größer werden. Solch eine Kunde habe ich gebracht, daß sie euch sicher selig macht. Euch heißet froh willkommen sein, euer Herzen Maienschein. Sie läßt euch grüßen minniglich und läßt euch fragen, ob ihr wohl Freude habt. Deß war sie von Herzen froh. Sie läßt euch auch sagen, daß sie stolz auf eure Taten ist.

Die Schöne, Tugendreiche sagt, sie habe gegen euch Ehrenpflicht. Ihretwegen habt ihr die Fahrt getan – und sie nimmt an allen Ehren teil, die euch widerfahren. Diesen Ring, den sie mehr als zehn Jahre an der eigenen Hand trug, sendet sie euch. Das ließ sie euch sagen, und ihr könnt es glauben – sie ist euch hold.«

Als ich das Ringlein empfing, kniete ich wieder nieder und küßte es voll Herzensfreude wohl hundertmal und sprach: »Dies kleine Ringlein soll mir hohen Mut geben, muß die Trauer von mir bannen, solange ich lebe. Heil mir, Heil der wonnespendenden Gabe. Mir muß dies kleine Ringelein viellieb in meinem Herzen sein. Ich habe es lieber als all mein Gut, lieber als alles, was ich habe und noch je haben werde. Heil mir, daß ich war geboren, Heil mir, daß ich sie hab erkoren, das reine, süße, holde Weib, zur Herrin über meinen Leib. Sie Herrin all der Freuden mein, sie meines Herzens Freudenschein, sie spendet mir die Freuden hoh, die machen mir das Leben froh!«

Da meinte der Bote: »Ihr dürft nicht länger hier verweilen, sollt rasch gegen Wien fahren, wo euch Gott beschützen möge. Denn die euch dort mit Speeren erwarten, sind gar hohen Mutes!« »Du kannst ohne Sorgen sein,« erwiderte ich. »Wie soll es mir schlecht ergehen, wenn meine Frowe mir gnädig ist? Und wenn jeder drei Mannesstärke hätte – ich getraue mich sie abzuwehren.«

So schied ich froh und hochgemut von meinem Boten und dachte – während ich zu den Rossen ging: »Denen, die sich wappnen, will ich ungelegen sein!«

Als er mich kommen sah, rief einer meiner Knappen »Königin! Ihr könnt hübsch lang Blumen pflücken.« Ich erwiderte: »Mag sein, daß ich lange ausblieb. Aber ich fand ein Blümlein, das meinem Herzen gar wohl gefiel. Darüber sollst du dich mit mir freuen! Nun aber reite hinüber zu den Rittern und sage ihnen, daß sie sich wappnen sollen. Denn mit Speereskrach will ich meiner Frowe dienen.« Er brachte die Nachricht. Da schrien alle: »Harnisch her!« Rasch waren sie gerüstet und kamen mir entgegen, der ich herrlich zimiert in weißem Wappenkleide, sie mit einem starken Speer in der Hand erwartete. Als erster sprengte der von Horschendorf gegen mich heran, der mich gerne bestanden, sich ein Ringlein geholt hätte. Aber es kam anders. Zehn Speere verstach ich auf ihn, während er mich nicht ein einziges Mal traf. Sein zehnter Tjost ist gar arg mißlungen. Denn zu seinem eigenen Leidwesen stach er mein Roß in den Kopf, daß es kaum von der Wunde genas. Sofort wechselte ich das Pferd und hätte gar gerne weiter gestochen. Da kam aber mein Kämmerer, der von Gars, und erklärte, es sei genug, er lasse mich nicht weiter stechen. Da legte ich wieder Frauenkleider an und ritt gegen Wien im Geleite von wenigstens achtzig reichgeschmückten, hochgemuten Rittern.

Auch ich war hochgemut, voll Freude über die Botschaft über das Ringlein.

Da kam mir die Straße her der Domvogt in feierlichem Aufzuge entgegen. Voran ein Banner, der Länge nach rotweiß geteilt. Dann kamen fünfzig Armbrustschützen mit ihren Armbrüsten, vor ihnen fünfzig leichte, schnellfüßige Pferde mit starken, türkischen Sätteln. So zogen die Schützen. Dann kamen fünfzig nach ihrer Art gekleidete Knappen in Paaren geritten. Für jeden führte man bei einem leichten Pferde einen Speer. Dann kam wieder ein Banner, gleich dem ersten, kamen fünfzig Rosse, daneben fünfzig leuchtend neue Schilde, die noch nie im Tjoste gedient hatten. Die waren ganz gleich. Der obere Teil war von gefärbtem Pelzwerke – weiß und blau, der untere war golden. Seiner Zeit sind unter diesem Wappen oft Frauendank und süße Umarmung erstritten worden.

Danach führte man dreihundert starke Speere. Die Knappen schwiegen bei meinem Gruße, neigten sich aber zierlich zum Danke und zogen in schöner Ordnung vorbei.

Dann folgten fünfzig Ritter in prächtigen grünen Mänteln, die mir hochgemut entgegenritten, mich als Freunde grüßten.

Laut klirrten die Panzer, die Ketten, die Geschmeide des Zuges – da kam, in einen scharlachroten Mantel gehüllt, der Domvogt selbst. Am Haupte trug er einen Hut von Pfauenfedern, reich mit Perlen geschmückt. Sein Seidenwams war grün wie Gras, reich mit goldenen Tieren bestickt. Seine Hosen waren schwarz – an den Füßen trug er goldene Sporen. Sein Pferd war stark, von sanfter Bewegung, so schön, daß ich weder früher noch später ein schöneres gesehen habe. Zaum und Sattelzeug waren von herrlicher Arbeit. Als er mich herannahen sah, sprach er: »Venus, vieledle Königin, seid willkommen! Dienen will ich euch willig, in Treuen ohne Zaudern!« Ich neigte mich und ließ ihm sagen, ich wolle ihm gnädig sein, da er vor Schande sich bewahrt, sich Ehre erworben und sich zu Dienst bereit gefunden habe. Davon erwachse ihm von Rechtens hoher Ruhm. Er erwiderte: »Edle Königin, ich bitte euch nur dieses – verleihet mir euer Marschallamt. Als Marschall will ich euch treu dienen; denn in eurem Dienste zu stehen strebte ich mein Leben lang. Schon heute möchte ich, wenn ihr es gestattet, das Amt antreten. Herbergen würde ich beschaffen und ein jeder Ritter sollte sie von euch nehmen.«

»Viel lieber Marschall,« erwiderte ich, »was ihr gebietet, soll geschehen. Ihr seid so ritterlich gesinnt, daß ich alles, was ihr tut, wohl getan weiß.«

Da sprengte der Domvogt gegen Wien. Seine Schützen und Knappen ritten mit ihm, seine Ritter aber blieben bei mir. Mit heiteren Gesprächen vertrieben wir die Zeit.

Als der Domvogt nach Wien kam, machte er dort gewaltig Herberge. Da war kein Bürger so reich, daß er nicht Räume abgeben mußte. Der Domvogt aber bat die Gäste, in der Stadt züchtiglich zu leben.

Als die Frauen von meiner Ankunft erfuhren, begannen sie sich zu schmücken, köstlich Geschmeide anzulegen. Im Wetteifer mit einander putzten sie sich, jede bestrebt, die andere zu übertreffen und die Einfachere blickte der Prächtigeren voll Neid nach.

Der vroven muot ist sô gestalt
sî sîn junc oder alt,
si habent gern gewandes vil
swelhiu sîn doch niht tragen wil
diu hât ez gern, mac sîz bejagen,
dar umbe, daz si müge gesagen
»und wolde ich, ich waer baz gekleit
danne mangiu, diu ez vil gern treit.«

Gut Kleid den Frauen schöne steht, darum einfältiger Mann es rät, daß man sie gerne kleide wohl, wie ein gut Mann sein gut Weib soll lieb haben wie den eigenen Leib.

Die vrowen wâren wol gekleit
ze Wienen, dô ich zuo in reit,
di gazzen waren alle vol,
von vrowen. daz tet mir sô wol,
daz ich dâ von wart hôchgemuot
ich sach dô manige vrowen guot
von denn wart ich empfangen sô,
daz ich sîn wart von herzen vrô.

Vor meiner eigenen Herberge in Wien aber erwartete mich Hadmar von Kuenring mit einer ritterlichen Schar. Herrlich war der Empfang! Im Kampfspiele stießen die Schilde zusammen, wogten die Reihen durcheinander. In einem Vorbaue sitzend sah ich zu. Ehrgeizig ritten die Jungen in Rotten mit gewaltigen Stößen und Rucken um mein Lob als Preis.

Als ich die Ritter ermüden sah, ließ ich sie durch meinen Kämmerer bitten, vom Spiele abzustehen. Sie folgten meinem Wunsche und zogen jeder in sein Quartier. Als dann der Abend hereingebrochen war, ließ ich um meinen Boten senden und empfing ihn heimlich. »Sag mir«, sprach ich, »bei deiner Treue, wie es meiner Frowe geht, ob sie traurig oder froh ist. Sie ist's, an der mein Heil hängt, der mein Dienst gehört, der ich lebe. Sie ist's, die mir Freude gibt – sie ist's, deren Huld ich zu erringen trachte.«

»Sie ist wohlauf,« erwiderte mein Bote »und fröhlich. Ich hört' sie sagen, daß, was euch an Gutem widerfahre, sie herzlich freue – ja, sie sprach sogar: »Was ihm an Ehren widerfährt, davon ist Freude mir beschert.« Ihr könnt mir glauben, sie ist euch gewogen und sie hat das auch offen gezeigt, da sie euch durch mich den Ring gesendet hat, den sie selbst getragen. Sie hat mir auch gesagt, daß ihr durch eure ritterlichen Taten ihr lieb und wert geworden seid, daß sie die Ehren, die man euch darbringt, als eure Huldigung empfindet.«

»Deine Botschaft macht mich froh! Sie tut mir wohl, wie das Streicheln einer lieben Hand. Und nun höre Bote, und rate. Ich habe mir nämlich folgendes erdacht. Wenn meine Fahrt zu Ende ist, am achten Tage darnach, will ich meiner Frau zu Ehren turnieren. Die Kosten sind mir einerlei – denn ich will Ehre erringen. Fünfzig Ritter sollen da meinen Schild, sollen herrlich meinen Helmschmuck tragen. Zu Korneuburg soll man es sehen, wie ich den Frauendienst verstehe. Sie hat mir das Ringlein geschenkt und nun will ich, muß ich etwas tun, was sie erfreut. Was rätst du mir?«

»Herr,« sprach der, »dienet ihr in lauterer Treue. Sie mag's euch lohnen, wenn sie will. Ich meine – sie ist so hochgesinnt, daß sie euch schließlich ihre Gnade schenkt. Mir behagt das mit dem Turniere sehr wohl, und da ihr damit sicherlich Ehre einbringen werdet, so rate ich es euch.«

»Mein lieber Bote, ich bitte dich, gewähre mir noch dies: Reite wieder zu meiner Frowe und bitte sie, daß sie mir zu dem Turniere durch dich ein Kleinod sende, damit ich daran erkenne, ob sie meinen Dienst in Gnaden aufnimmt. Wenn ich von ihr ein Kleinod habe, kann mir sicherlich nichts mehr mißlingen.«

»Herr und Freund, ich eile. Ich werbe um das Kleinod, so gut ich nur kann und komme in kurzer Frist zu melden, ob sie meine Bitte erfüllt hat.«

»Fahre also – Gott möge dich behüten, hier und auf allen deinen Wegen. Möge Gelingen mit dir reiten. Wird dir das Kleinod dort beschert, so hast du, was mein Herz begehrt. So leb' denn wohl, beschirm dich Gott, viellieber Freund, getreuer Bot.«

Der Bote schied – ich aber schlief bis zum Morgen, hörte eine Messe und befahl mich Gott, ohne dessen Willen niemand seine Ehre auch nur einen halben Tag bewahren kann. Ich empfing den Segen und ließ mich in meiner Kammer sorgfältig wappnen. Über den Harnisch legte ich ein weißes Frauenkleid an. Darüber kam ein drei Finger breiter Gürtel; an die Brust heftete ich eine spannlange Spange und verhüllte den Kopf in einen Schleier. Dann ließ ich die Posaunen blasen, daß es durch die Gassen schmetterte, zur Kunde, daß ich bereit sei. Rasch ging ich dorthin, wo mein Hengst in eine silberweiße, kunstvoll verzierte Decke gehüllt stand. Er war stark, schnell und gut. Auf ihn sprang ich voll Kampfeslust. Dreißig versilberte Speere führte man mit mir. Der Schleier verdeckte mein Antlitz ganz, doch konnte ich gut durch ihn blicken. Als ich aus der Herberge ritt, erwartete mich vor ihr, reich gekleidet, mit sieben anderen Herren, der von Gars, mein Kämmerer. Der ließ es sich nicht nehmen und führte mein Roß zu Fuß am Zaume, während viele andere mich begleiteten. Um mich gab's ein groß Gedränge. Alle Hausvorbauten, Erker, Gänge, waren besetzt und so wie die Fenster, voll von Frauen. Da sah ich manch berückend schönes Weib – dessen Anblick mich freute. Langsam zog ich also durch die Stadt. Wohl hundert Ritter in Festgewändern und reichem Schmucke gaben mir zu Pferde das Geleite. Alle waren fröhlich und sangen, sechzig aber ritten in Waffen unter Helm und Schild, köstlich geziert. So kam ich auf das Feld gezogen, auf das mich der ritterliche Domvogt gebeten hatte. Dort hielt er zu Roß. Als er mich nahen sah, band er den Helm auf, nahm einen Speer in die Hand. Ein Busch Pfauenfedern, wohl eine Elle hoch, mit einem seidenen Tüchlein auf dem Helme festgebunden, war sein Zimier; rotsamten war sein Wappenrock, behängt mit Eichenblättern aus Eisen. Ebenso war auch die Pferdedecke. Sein Schild war unten Gold, oben aber Pelzwerk. Das Roß war stark, schnell und gut.

Mein Kämmerer, der von Gars, sprach zu mir: »Königin – hier kommt der Domvogt gegen euch! Nehmt den Speer – und sitzet fest. Denn der ist kampfesfroh gesinnt, ein starker Mann und kühner Reiter.« Ich ergriff einen Speer – dem Domvogte aber kam ein Ritter vor, der hieß Gundacker von Steir. Der ritt rasch gegen mich an – der Domvogt aber blieb nicht zurück. So trieben beide um die Wette ihre Rosse gegen mich. Da gab ich dem Hengste die Sporen, verfehlte den ersten Gegner mit Absicht und traf den zweiten dort, wo Schild und Helm aneinander stoßen und der Halsberg den Hals bedeckt so, daß der Halsberg riß und der starke Mann im Sattel schwankte. Daß mein Stoß ihn gerade da traf, tat uns beiden weh.

Ob beide mich verfehlten? Nein! Beide verstachen ihren Speer an mir! Der von Steir freute sich darob sehr, da er einen Ring an mir verdiente.

Das Gedränge auf dem Felde war so arg, daß ich unmutig wurde. Die drängten hier, die drängten dort, so daß ich nirgends einen Ring zum Kampfe gewinnen konnte. Es war ein mühselig Ding. Ich mußte mich mit kurzen Anläufen begnügen, da ich keinen Platz für längere hatte. Alle wünschten gegen mich zu kämpfen. Oft rannten drei mich gleichzeitig an. Wenn ich so was sah, setzte ich mich noch fester, empfahl meine Ehre Gott und ließ sie kommen. Mit aller Kunst ritt ich diesen Tag, so daß ich es glücklich vermied, niedergeritten zu werden. Das ganze Feld war voller Ritter, die fleißig Speere verstachen. Als ich schon zwanzig Speere verstochen hatte, höret, was mir da geschah. Da rannte ein Ritter, Herr Konrad von Streitwiesen gegen mich an, versuchte mich umzureiten. Der trieb sein Roß so gewaltig gegen mich, daß sein Speer zerberstend mir die Platte unter dem Harnisch durchschlug. Ich aber traf ihn ober dem Schilde so am Halse, daß er dann erzählen konnte, wie das ist, wenn man im Grase liegt.

Sein Fall machte auf dem Felde groß Gerede und man sprach spottend: »Seht nur, wie die Königin die Ritter niedersticht! Ich sah noch nie eine Frau einen Ritter so bedienen, wie sie eben tat.«

Man reichte mir einen anderen Speer. Da kam Herr Siegfried von Totzenbach angerannt, der mich so knapp streifte, daß er mir mit dem Schilde den Ärmel aus dem Rocke riß. Ich aber traf ihn beim Augenschlitze des Helmes so, daß die Riemen barsten und der Helm zu Boden fiel. Er selbst blieb im Sattel. Darnach verstach ich noch neun Speere. Nun war aber mein Schild so zerstochen und gebrochen, daß er kaum in den Riemen hing. Da kam der Domvogt, nahm mir den Schild, band mir den Helm ab und sprach: »Edle Königin, ihr habt heute bei dreißig Speere verstochen. Das ist genug. Ich gestatte euch keinen weiteren.« Dabei ergriff er die Zügel und führte mich davon, zu einer Stelle, wo den Boden ein Teppich deckte. Dort entwappnete ich mich, kleidete mich kostbar als Frau und ritt dann umher, sah dem Tjostieren zu.

Als ich genugsam zugesehen, bat ich die Ritter, aufzuhören. Zusammen zogen wir in die Stadt. Da ritt ein Ritter zu mir vor, der sprach: »Edle Königin, mein Herr, Hadmar von Kuenring, läßt euch sagen, daß er euch gerne dienen wolle, wenn ihr wartet, bis er sich gewappnet. Gerne möchte er noch heute einen Speer mit euch verstechen. Ich bitte euch um Antwort, edle Königin.«

Ich antwortete: »Saget Herrn Hadmar, daß ich heute gar müde bin; er möge mir den Gefallen tun und bis morgen warten. Dann will ich gerne zehn Speere mit ihm verstechen. Ich weiß, er ist so hochgemut, daß er meine Bitte gerne erfüllt.«

Der Bote darauf? »Edle Königin, er wird's euch sicher gewähren, da ihr ja morgen bereit seid.«

Damit ritt der Bote zu Herren Hadmar, der es zufrieden war. In meiner Herberge erfuhr ich dann ein Gerücht, das mir herzlich leid tat. Es hieß: »Die Königin hat dem Hadmar den Tjost versagt. Das tat sie bis nun nie. Gewiß hat sie das deshalb getan, weil es heißt, er liebe Männer.«

Diese Rede kam auch zu Herren Hadmar, der darob gegen mich tiefen Zorn faßte – wo ich doch daran völlig schuldlos war. Er sprach: »Dieser Rede wegen muß die Königin zu Boden gehen!«

Als ich schon ruhte, kam ein Ritter zu mir, der edle Engelschalk von Königsbrunn. Der tat mir heimlich kund, daß Herr Hadmar mir aufsässig sei, und auch warum, und warnte mich, da Hadmar es sich geschworen habe, mir ein Leid anzutun. Ich meinte: »Das rührt mich nicht sehr. Wenn er mich etwa niederreiten lassen will, so kann es dem Angreifer ebenso ergehen wie mir. Wenn einer mich angeht, so treibe ich mein Roß so gegen ihn, daß wir beide am Boden liegen.« Doch dankte ich dem wackeren Manne für seine Warnung.

Des Morgens setzte ich über die Donau, ritt gegen Korneuburg, wo mich wohl hundert Ritter erwarteten, die sich beflissen, mich würdig zu empfangen. Es war noch früh – da gabs ein schönes Ritterspiel. Sie waren schön geschmückt, ich wohl gerüstet. Zuerst stach ich mit Herren Gottfried von Totzenbach, der um Frauengunst warb und viele gute Lieder zu ihren Ehren sang. Der nächste war Herr Ulrich von Stentz, der dritte Herr Otto von Ottenstein. Der verstach einen großen Speer an mir. Als vierter rannte mich der starke Mann von Kiaue an. Sein Speer drang durch meinen Schild, daß man den Krach weithin hörte. Heinrich von Hackenberg war der nächste, ein armer Edelmann, der doch hohen Ruhm errungen hat. Denn er war nicht nur tapfer, sondern auch weise. Ich könnte euch ausführlich vermelden, mit wem alles ich stach. Aber dadurch würde die Märe zu lange. So erzähle ich lieber bloß, daß es schöne Tjoste gab, daß man mir den Tag dreimal den Helm vom Haupte stach, trotzdem ich ihn mit starken seidenen Schnüren festgebunden hatte. Doch ich wankte nie. Den ganzen Tag dauerte das Ritterspiel, da niemand etwas anderes tat, als zu Ehren der Frauen zu tjostieren, so daß viele müde wurden. Zu ihnen gehörte auch ich, da ich bis zum Abend den Speer führte, und deren wohl an die vierzig verstach. Als Herr Hadmar merkte, daß ich vor Ermattung schwach wurde wie ein Mägdlein, tat er eine gar böse Sache. Er brachte gegen mich in den Ring einen Ritter, der mich niederreiten sollte. Als man ihn gegen mich aufziehen sah, sagte der Königsbrunn: »Frau Königin, dies ist der Ritter, der euch niederreiten soll! Fürwahr! Zu meiner Zeit gab's keine solche Schandtat, wie sie Herr Hadmar eben begeht.«

Ich erwiderte: »Wer weiß wie's kommt! Wenn er den Anprall nicht vermeidet, so könnet ihr wohl sehen, daß ihn eher Schaden trifft als mich. Denn ihr dürft mir glauben – ich kenne alle Möglichkeiten.«

Ich war voll Zorn und nahm einen langen Anlauf. Und auch er begann gegen mich zu rennen. Es war mein Wunsch, ihn von der Seite zu fassen. Es gelang. Schräg kam ich an den Mann und traf ihn mit meinem Hengste so, daß er straucheln mußte. Mit dem Pralle kam ich aber auch so nah an ihn, daß ich ihm Sattelbausch und Bügel abriß. Und wenn ihn nicht ein Freund gestützt hätte – er wäre am Boden gelegen. Da hieß Hadmar einen neuen Sattel bringen und auf das Roß legen. Man gab uns zwei andere Speere. Ich dachte: »Nun muß es sein – nun müssen wir entweder beide stürzen oder es muß einer so siegen, daß ihm die ganze Ehre bleibt.«

Da spornte ich mein Pferd wütend heran. Er aber, als er wahrnahm, daß ich auf das Anreiten ausgehe, begann so vor mir zu weichen, daß man seiner laut spottete. Ich aber ließ nicht locker und stach ihm schließlich den Helm vom Kopfe. Ich sag' euch nun auch, wie der hieß. Es war Popo von Busenberg, ein Mann, der treu den Frauen diente.

Es ging schon gegen Abend, da kam gegen mich Herr Rüdiger von Anschowe. Wappenrock, Decke und Speer waren hellrot. In fremden Landen hatte er große Not erlitten. Da es schon finster war, sendete ich um Fackeln. Man brachte deren eine Menge heraus und so stachen des Nachts bei Fackelschein Herr Rüdiger und ich sechs Speere in Trümmer. Und, nachdem ich fünfunddreißig Ringe allen jenen gegeben hatte, die einen Speer an mir zerbrochen hatten, zog ich in die Herberge. Ich selbst aber hatte dreiundvierzig Speere verbraucht.

Den nächsten Tag ging es nach Mistelbach. Da verstach ich im Tjoste zehn Speere und gab elf Ringe und ritt den anderen Tag weiter, mit mehr als zweihundert Rittern in ritterlicher Kleidung als Geleite, gegen Feldsberg, wo uns der Burgherr Kadolt von Feldsberg gar wohl empfing. Der ritt mir mit zehn prächtig gekleideten Rittern entgegen. Er ließ mich bitten, sein Gast sein zu wollen. Ich ließ ihm sagen, ich bäte ihn, seine Einladung zurückzunehmen, denn ich nähme auf der ganzen Fahrt nirgends Gastfreundschaft, ja nicht einmal ein Bündel Flachs an. Er gab nach. Doch wolle er mich Frauen sehen lassen, gut, edel und schön. Ich sprach: »Das tue ich gerne, wenn ihr mir erlasset, euer Gast zu sein.« Er war von der Antwort enttäuscht – ich aber ritt in meine Herberge. Während ich mich dort aufhielt, kam vor sie Herr Dietmar von Liechtenstein gar herrlich gepanzert und gekleidet, aufgezogen und hielt mit aufgerichtetem Speere. Da ritt, ebenfalls prächtig gekleidet, gegen ihn mein Kämmerer, Herr Wolfgar von Gars, wie einer der Ritterschaft begehrt. Der Liechtensteiner gewährte sie ihm auch. Ihr Tjost geriet, daß die Speere zerbrachen, die Splitter hoch aufflogen. So brachen sie Speer um Speer, während schöne Frauen dem Spiele zusahen. Eine Weile sah auch ich zu – dann rief ich nach meinem Panzerhemde und ließ ausrufen, daß ich mich jedem stellen würde, der bereit sei, zu Ehren der Frauen eine Lanze zu brechen.

Die Ritter eilten, sich zu wappnen, zogen mit Schall auf das Feld, wo man schönen Frauendienst fand.

Auf das Feld war auch ein Ritter gekommen, dessen Ruhm weithin erklang, der im Dienste der Frauen manchen Preis errungen hatte. Siegfried Weise war er genannt. Gepanzert hielt er auf dem Felde, den großen Speer, mit dem er tjostieren wollte, in der Hand. Gar bald rannten er und ich gegeneinander. Der Weise dachte mich niederzustechen – dasselbe wollte ich ihm tun. Da gabs Speerkrach, Anprall, daß die Schilde barsten, Knie an Knie stieß, daß sie blutig wurden, Spritzeln durch die Luft surrten, die Speereisen weite Löcher in die Halsberge rissen. Als nächster nahm mich Berthold, der Rebstock, an, dessen Helm, Schild, Decke und Wappenrock blau geschacht waren. Sein Speer ging an meinem Helme, so daß es laut erklang, in Bruch. Der hochgemute Mann aber führte meinen Speer in seinem Schilde davon. Dort, wo Schild und Helm aneinanderstoßen, dort hing er im Schilde. Darnach verstach ich noch einundzwanzig Speere. Der eine brach bei einem schönen Tjoste, tat aber einen Schaden, der mir viel Kummer machte.

Eben hatte ich einen starken Speer aufgenommen, da ging mich Herr Ruprecht von Purstendorf an. So gab ich dem Rosse die Sporen, wie es mein Recht war und stach ihn durch den Harnisch in den Hals, daß er stark blutend hinter das Pferd zu Boden fiel. Man meinte, er sei tot – so daß ich voll Trauer in die Herberge ritt. Doch genas er von der Wunde. Den nächsten Tag wollte ich weiterziehen, doch da ließ mich Herr Kadolt höflich bitten, seine Frau und andere edle Damen zu besuchen. Ich sagte: »Das tue ich gerne. Ich will sie aufsuchen und eine Messe auf der Burg hören.« Darüber freuten sich Bote, Burgherr und Frauen. Meinetwegen kleideten sie sich köstlich – ich tat ebenso und ritt hochgemut auf die Burg, wo man mich mit Züchten grüßte und empfing. Die Hausfrau kam mir sogar eine Stiege hinab entgegen, von vielen Frauen geleitet, deren linde Gebärde, Sanftmut und Liebreiz meinem Herzen gar wohl taten. Da ich sie kommen sah, wollte ich sie nicht lange warten lassen und trippelte ihnen entgegen. Da lächelten sie, da ich es so ungeschickt anfing, ja lachten über meine Frauenkleider und langen Zöpfe. Die Hausfrau sprach: »Frau Königin, seid willkommen!« Da neigte ich mich zierlich und auf den Gruß der Frauen hin bot ich einer meinen Kuß. Die ward davon schier rosenrot – die nächste, der ich ihn antrug, schämte sich gar.

Die Hausfrau nahm mich bei der Hand und geleitete mich in die Kirche, in der eine schöne Messe, Gott zu Ehren, gesungen wurde. Um mich drängten sich die Frauen und ich muß gestehen, daß damals Gott nicht viel gedient wurde. Mich hätte bald die Minne mit den Ketten süßer Blicke, die von strahlenden Augen flogen, gefesselt. Daß ich der Gefahr entrann, das verdanke ich nur meiner stäten Treue. Eine Frau war da, reich an edlen Gebärden, liebreizender Schönheit, mit Augen, die durch meine bis auf den Grund der Seele blickten. Ihr rosenfarbener kleiner Mund – als ich den mich anlachen sah, und er zu mir süße Worte sprach – der hätte mir bald den Verstand genommen, wäre nicht meine Treue als Hüterin gekommen. Als ich die Frau voller Freude betrachtete, da trat die Stäte zu mir und sprach: »Was soll das sein? Willst du deine Frowe, an der nach Gott dein Leben hängt, und die voller hoher Tugenden ist, verlassen? Das gestatte ich dir nicht.« Da wurde ich traurig und dachte mir: »Ich will dieses wonnigliche Weib nicht mehr ansehen. Sie ist schön – so schön! Wollte ich sie noch lange betrachten, müßte meine Treue Schaden leiden.« Ich blickte von ihr weg; sann weiter: »Bei Gott, ich hätte es nicht gedacht! Bald hätte mich die lichte Schönheit dieser Frau an meiner viellieben Herrin zweifelnd gemacht. Unrecht wäre das gewesen. Daran sind meine Augen schuld. – Als die mich so anmutig anblickte, ich ihren roten Mund sah, da ließen sie den lichten Schein mitten in mein Herz hinein. Das soll nicht mehr geschehen! Wollte ich meinen Augen folgen – sie rieten mir so, daß ich meine Frowe lassen müßte.«

So stand ich in Gedanken verloren, wie jene, die an Frauen denken, so daß ich darauf vergaß, wo ich war, bis man das Evangelium las. Denn da wurde die Stimme eines anderen Geistlichen laut, und ich besann mich. Als es zum Opfer kam, bat ich die Hausfrau, voranzugehen. »Das sollt ihr mir erlassen,« erwiderte die, »es schickt sich nicht, daß ich vor einer Königin schreite. Das würde man mir als ungezogen anrechnen. Ihr solltet keine solchen Einfälle haben.«

So ging ich denn zum Opfer, nach mir erst die Frauen. Als ich da beim Gehen gar züchtig tat, lachte man da und dort darüber, denn meine Schritte waren kaum eine Spanne lang, meine Verbeugungen, Wendungen und Verneigungen aber gerieten groß. Endlich stand ich wieder wie früher, unter den minniglichen Frauen. Da brachte man mir die Kußtafel auf einem Buche; ich nahm sie, wie es die Frauen tun, bot sie dann da, dann dort an. Doch keine wollte sie übernehmen. Da wendete ich mich zu der Schönen. Da sprach sie tugendhaft: »Wohl! Doch sollt ihr mir den Kuß erlassen, denn man hält euch für einen Mann.«

Da endete die Messe und ich begehrte Urlaub. Burgherr und Hausfrau baten mich, einen Imbiß zu nehmen. Ich hätte es ihnen gerne gewährt, doch hatte ich es anders gelobt.

Beim Abschied segnete mich manch süßer Mund, sprachen alle Frauen: »Gott lasse euch selig werden! Wir empfehlen euch der Hut unseres Herren, Jesus Christus!«

So schied ich.

Da ritt ich in meine Herberge und sendete den Rittern, die Speere an mir verstochen hatten, Ringe. Es waren deren zwanzig, ich aber hatte zweiundzwanzig Stangen verbraucht.

Dann legte ich einen neuen Mantel, ein neues Röcklein an, bat mein Gefolge in festlicher Ordnung durch die Stadt zu reiten.

Über die Thaya zog ich freudig nach Böhmen. Da fand ich eine liebliche Aue. In die ritt ich und ließ verkünden, daß, wer durch Frauendienst Ehre erwerben wolle, sich wappnen möge. Auch ich wappnete mich und ritt langsam durch das Holz. Da bestand mich Otto von Schönkirchen, der, als er mich kommen sah, sein Roß spornte und scharf gegen mich trieb. Beide schlugen wir den Speer unter den Arm – beide Schäfte zerkrachten, da und dort stacken die Speereisen im Schilde. Wie ich gehört habe, sind wohl an die hundert Ritter dort auf das Feld gekommen, die mit mir tjostieren wollten. Ich gierte nach Kampf zu Ehren der Frauen, sie aber auch. Jeder wollte sein Glück versuchen – und so geschah es, daß manchmal drei gleichzeitig gegen mich anrannten, was von Rechtens nicht hätte sein dürfen. Aber es war so – und so wurden an diesem Tage an mir Schäfte in Mengen verstochen. Als ich achtzehn Speere verstochen hatte, kam der von Lengenbach gegen mich. Unsere Speere brachen. Dann band er seinen Helm ab und ging mich suchen. Er fand mich mit aufgestelltem Speere auf einen Gegner warten. Er sprach: »Ich lasse euch nicht länger, denn ihr habt genugsam gestochen.«

Am Zügel führte er mich davon. Ich bat ihn, das zu lassen. »Nein!« erwiderte er, nahm mir den Speer aus der Hand und sagte: »Edle Königin, laßt nunmehr das Tjostieren. Darum bitt' ich euch im Namen eurer Frowe.«

Da gab ich den Schild von der Hand, band den Helm ab, warf den Ärmel des Rockes über meinen Kopf, doch so, daß ich noch sehen konnte, was auf dem Felde geschah. Da wurde noch mancher schöner Tjost geritten, überall krachten Speere, schrie man: »Speer her!« band man Helme fest, nahm den Schild hoch. Schilde, Speere, Helme lagen herum. Da und dort brach ein Helm unter dem Stoße. Ja! Sogar Kämpen, denen es sonst fremd war, lagen im grünen Grase.

Ich meine, denen war nicht fröhlich zumute. Denn wenn einer um Ehre wirbt und es mißlingt ihm, so hat sein Frohsinn ein Ende. Nur wem es gelingt, hat Freude. Bei Ritterschaft steht es einmal so – heute Freud, morgen Leid. Da man so vor mir stach, sprach der Domvogt zu mir:

»Fraue, edle Königin – ihr solltet nicht länger bei uns sein. Hier hat eure Fahrt ein Ende. Kehret zurück! Euer Gefolge laßt bei mir, ich will es euch treulich bewahren.«

Ich tat, wie er mir riet. Neunzehn Ringe gab ich. Dann zog ich in das Holz, entwappnete mich rasch, verabschiedete mich herzlich von meinen Leuten und ritt heimlich davon. Mit mir war bloß ein Mann, und zwar Kol von Frohnhofen, ein Knappe des Domvogts. Er kannte alle die Straßen, die durch das Land nach Wien führten, ganz genau. So kam ich bald nach Wien, nahm dort heimlich Herberge, in der ich drei Tage lag. Und in dieser Zeit wurden mir köstliche Wappenkleider für fünfzig Ritter hergerichtet. Nach meinem Entfernen hatte mein Gefolge meine drei Hengste, Kappen und Kleider genommen, legte das, und was sonst zur Frauenkleidung gehörte, auf die Rosse und führte das Ganze aus dem Gehölze auf das Feld, wo viele Ritter verweilten. Die ritten, in der Meinung, mich zu finden, meinem Kämmerer entgegen. Da mich aber keiner erblickte, man aber wohl das Frauengewand auf den Rossen liegen sah, fragten sie: »Wo ist die Königin? Wohin ist sie gekommen?« Und die Ritter strömten von allen Seiten herbei. Da sprach mein Kämmerer: »Gar übel hat meine Herrin, die Königin, an mir gehandelt. Sie hat mich, zu meinem Leide, so heimlich verlassen, daß ich nicht weiß, wohin sie geraten ist. Pferde und Gewand ließ sie hier und ich weiß nicht, was ich nun damit beginnen soll. Deshalb möchte ich um einen Rat bitten. Nehme ich die Sachen mit, so ist es Unrecht. Soll ich sie hier lassen? Wer soll sie erhalten? Deshalb ratet. Euren Worten will ich folgen.«

Da sprach der Domvogt:

»Knappe, mir scheint, es ist das beste, wenn ihr die Sachen den Fahrenden, die hier sind, lasset und hochgemut seid. Eure Frau wird wohl noch anderes Gut erwerben. Ist sie so reich, wie man uns sagt, und wie es den Anschein hat, so schadet ihr eure Freigebigkeit nichts.«

Da erwiderte mein Kämmerer: »Dies will ich tun,« und gab die Sachen dem fahrenden Volke hin. Der Domvogt aber nahm sich meines Gefolges an und führte es geschlossen mit sich fort. Alle Ritter kehrten über die Thaya nach Österreich zurück, nach Feldsberg, wo sie der Burgherr, Herr Kadolt, gastlich aufnahm, über Nacht behielt, sie alle mit Speise und Wein versorgte. Den nächsten Tag brachen sie wieder auf – und als sie so ihres Weges zogen, ritt der Domvogt zu meinem Kämmerer und begann: »Freund! Nun sollst du mir sagen, wie viele Speere deine Frau auf der Fahrt verstochen hat!«

Der antwortete: »Herr! Dreihundert und sieben Speere hat sie verstochen. Bei Gott! – Gott hat sie beschützt, daß es ihr so wohl gelang. Als sie die Fahrt antrat, meinte ich nicht, daß es ihr nur halb so gut ergehen werde! Sie hat zweihunderteinundsiebzig Ringe verschenkt – und ebensoviele Speere sind an ihr gebrochen worden. Niemals war sie in Gefahr, aus dem Sattel zu kommen. Dafür aber hat sie vier Ritter vom Rosse gestochen. Sie kann stolz auf die Ehre sein, die sie erworben hat! Ich sag's euch, sie ist voll hohen Mutes und edel. Gott gebe, daß sie stets glücklich sei.«

Da sprach der Domvogt: »Gott weiß – selbst mir war bis nun keine so recht ritterliche Fahrt bekannt. Daß sie darüber an Ehren reich wurde, darüber soll sich niemand wundern. Sie hat mit ihrem Leibe, ihrem Gute so große Dinge vollbracht, daß ihr Lob untadelig dasteht.«

Und die Ritter, die dem Gespräche zuhörten, meinten: »Unselig jeder, der sie nicht preist! Denn wer sie nicht lobt, ist von unedler Gesinnung. Was sie vollbracht hat, muß man loben und preisen, so lange die Welt steht.«

Viel ward da geredet. Die einen freuten sich meines Glückes – anderen war es leid. Aber – wer um Ruhm ringt, muß Neid ertragen können. Neid ist ein Übel. Neid tut aber auch Gutes! Wer neidet, weil er niemanden Ehre gönnt, ist ein unedler Mann. Wer aber neidet, weil nicht er es getan, dessen Neid ist lobenswert.

Nun war der ganze Zug nach Wien gekommen und ich freute mich, als ich von der Ankunft meines Gefolges vernahm. Heimlich ließ ich meine Herberge bereiten, war von Herzen froh, daß ich die Ritter sehen sollte. Ich bat mir auch Pferde zu verschaffen; denn ich wollte in die Stadt reiten, um den Domvogt aufzusuchen. Da kam er, ehe ich die Rosse hatte, zu mir in meine Herberge. »Gott grüße euch, Königin,« begrüßte er mich, »Wunder hat Gott an euch getan! Denn vor vier Tagen wäret ihr noch ein Weib und jetzt seid ihr ein Mann! Daß ihr das Geschlecht so ändert, ist fürwahr ein Wunder. Ihr wart eine reiche Königin – nun seid ihr ein Mann wie wir. Wem habt ihr eure Königreiche übergeben?« Da lachten ich und die Ritter, die in meine Herberge gekommen waren, um mich zu sehen.

Den Domvogt sprach ich darnach noch heimlich an der Stadtmauer, bat ihn: »Lieber Herr, immer will ich zu euren Diensten stehen, wenn ihr mir die Gnade tut, bei dem Turniere mein Wappen zu führen. Ihr könnt es tun und ich bin euch dafür mein Leben lang dankbar.«

»Ich helfe euch gerne, wo immer ich nur vermag,« erwiderte der. »Gerne werde ich euer Wappen bei dem Turniere tragen –das ist abgemacht!«

Da mir der Vogt zugesagt hatte, ist jeder, an den ich mich noch wendete, meiner Bitte gerne gefolgt. Deshalb bat ich nur die Vornehmsten – Grafen, Freiherren und Dienstmannen.

Alle sagten zu – so daß ich fünfzig Vornehme gewann. Da mir keine einzige Absage kam, freute ich mich sehr. Sie aber nahmen Abschied von mir und bereiteten sich auf das Turnier vor. In Wien lagen wir in Fröhlichkeit vier Tage. Wir sahen dort manche Frau, die so schön war, daß ihr Anblick die Ritter verjüngte.

Da nun der Sonntag kam, blieb man nicht länger untätig. In der Stadt gab es überall von jenen, die sich auf den Weg machten, großen Lärm und Gewirre.

Ritterlich zogen wir gegen Korneuburg. Ich führte ein reiches Banner – das war aus einem weißen Zendal geschnitten, durch den von rechts nach links schräg zwei Balken von schwarzem Zendal liefen. Davor ritten meine Posaunenbläser. Nach dem Banner führte man meinen Helm aus blankem Stahle. Auf ihn war mit seidenen Schnüren ein goldener Schleier gebunden. Der war wundervoll gewebt, an jede Ecke war ein Büschel Pfauenfedern gebunden. Der Schleier selbst war in Falten gelegt und an jeder Falte hingen Blätter von Gold.

Dabei führte man meinen Schild. Der war aus weißem Hermelin, durch den zwei Schrägbalken aus schwarzem Zobel liefen. In der Mitte hatte er einen köstlichen Schildbuckel und seine Riemen waren aus guter Seide. Dann kam mein Roß mit der Decke. Ein Tuch aus rotem Scharlach hatte man mir gebracht, aus dem war die Decke mit Zadeln und Zacken, die bis an den Bug gingen, geschnitten. Mit Goldborten war sie gegittert, und wo die Borten sich schnitten, da waren silberne Rosen befestigt. So war die Decke, die mit gelbem Zendal gefüttert war, voll von Rosen. Darnach führte man des Domvogtes Roß. Dessen Decke war von rotem gezadeltem Zendal, zu meiner Freude mit meinem aufgestreuten Wappen reich verziert. Dann kam sein Helm, ebenso geschmückt wie damals, als er gegen mich stach. Die Rosse all jener, die mein Wappen trugen, wurden nach meinem Banner geführt, alle in Decken gehüllt, die jener des Domvogtes gleich waren. Der Helmschmuck der Herren, die damals mein Wappen führten, war verschieden – ihre Wappenkleider, Schilde, Decken aber waren gleich. So zogen wir gegen Korneuburg und waren mit Zucht hochgemut. Wer hohen Mut mit Zucht vereinigt, dessen Sinn geht nach hohen Ehren.

Da wir so ritten, ließen mich die Kuenringe begrüßen. Sie kamen mir mit vielen Rittern entgegen und empfingen mich herzlich, wie auch ich sie. So zogen wir in die Stadt – und jeder, so auch ich – kehrten in Herbergen ein.

In dieser Nacht wurde viel Gut vertan. Kerzen brannten in Menge, mit Lichtern ging man in der Stadt umher, so daß sogar jener, der keine Fackel hatte, genugsam sehen konnte. Manch Ritter besuchte mich, und ich selbst hätte die kühnen Leute nicht gerne in ihren Quartieren verweilen gesehen. Die halbe Nacht trieben wir es so – und mancher gewann damals einen treuen Freund.

Bei Tagesanbruch zogen wir in die Kirche an der Stadt, wo mancher heiß zu Gott flehte, er möge es ihm gelingen lassen. Nach der Messe teilte man das Turnier nach Rechten. Dritthalbhundert Ritter waren gekommen, um zu eigener und der reinen Frauen Ehre zu kämpfen. Da begannen die Groyer zu rufen: »Nun wappnet euch, ihr Ritter, wappnet euch und zieht hochgemut auf das Feld, auf dem man Ritterskraft und Frauenritter sehen soll.« Da begann man sich zu wappnen. Ich hatte eben ein Schulterstück und die blanken Eisenhosen angelegt. Da kam mein Bote, den ich immer gerne sah, obwohl er mir damals von Herzen weh tat.

Als ich ihn bemerkte, bat ich die Leute, uns allein zu lassen und begrüßte ihn freudig.

Er aber seufzte – und schwieg!

»Wie?« fragte ich, »was soll das sein? Was läßt meine Frowe mir entbieten? Wie ist dir? Ich sah dich noch nie so mißgestimmt. Meine Freuden sind verflogen, denn dein Schweigen gefällt mir nicht!« Er antwortete: »Herr, ich muß euch solche Rede sagen, daß ich von Herzen froh wäre, wenn ich sie verschweigen könnte. Eine Botschaft hab' ich, daß ihr, wenn ihr sie gehört, tausend Jahre klagen werdet!

»Eure Frowe läßt euch sagen, sie wolle immer Haß gegen euch hegen und euch nie und nimmer hold sein. Das hättet ihr durch manche Flatterhaftigkeit verdient. Sie sagt, sie werde euch in kurzer Zeit noch mehr Herzleid zufügen, beklagte, daß sie den Ring durch mich gesendet hat, bat mich, ihn euch abzunehmen und ihn ihr wieder zurückzubringen. Sie hat mir auch den Grund ihres Zornes gestanden. Sie hat es als ganz sicher erfahren, daß ihr bereit seid, einer anderen Frowe zu dienen. Das wisse sie mit völliger Sicherheit. Sie war über euch in solch einem Zorne, wie ich noch nie eine Frau erzürnt sah, so leidenschaftlich erregt, daß ich lieber das Land geräumt, als ihr zu widersprechen gewagt hätte.«

Ich sprach: »O weh! Nun muß ich Schmerzen bis an das Ende meiner Tage in meinem Herzen tragen! Die ich zu meiner Herrin mir erkor, der ich mit reinem Herzen diente – die tut mir nun so Übles an! Das ist eine jammervolle Not. Wollte Gott, ich wäre tot! Das ist also der Lohn meiner treuen Dienste, daß ich sie nun verliere! Unglückseliger Mann – unglücklich die Stünde, zu der ich geboren war. Gott weiß, daß, so übel sie auch an mir handelt, ich doch nie eine Falschheit gegen sie beging. Ja! Wäre ich ihr gegenüber schuldig – ich wollte es selbst an mir rächen. Oweh! Oweh der großen Not. Was ist mir nun mein Gut, was nützt mir mein Leben? Was soll mir mein Stolz frommen, was soll mein Leib, seitdem mir seind das holde Weib? Zu Fuß will ich davon wandern, recht als ein Bettelmann, der niemals noch in seinem Leben Gut oder Freunde sich gewann.« So saß ich, die Augen voller Tränen, schluchzend wie ein Kind. Und in der Brust schmerzte es mich unsäglich. Die Gelenke verkrümmten sich.

Gerade, als ich in solcher Klage saß, trat der Domvogt ein. »Was ist? Was soll das sein?« fragte er; und zum Boten: – »Mein Junker, geht eure Wege!« schloß nach ihm die Türe ab und fragte wieder: »Sagt, wer hat euch Leid getan? Daß ich euch so in Klagen sehe, tut mir in meiner Seele weh. Saget mir doch, was euch fehlt! Wenn jemand euch beleidigt hat, so soll er Buße tun, oder ich hasse ihn mein Leben lang.« Da er so liebevoll mit mir sprach, wurde mir noch elender zu Mute, so daß ich noch stärker weinte, als früher. Ich seufzte: »Wehe, dreimal wehe! Denn ich darf mein Leid niemanden klagen.«

Da der getreue Herr mich so sah, dies hörte, ging ihm meine Not so zu Herzen, daß auch er in Tränen ausbrach und, trotzdem er den Grund meines Kummers gar nicht kannte, mitweinte, als wäre ihm ein leiblicher Vetter gestorben. Und als ich das sah – tat es mir so weh, daß ich laut aufschrie: »Oweh, daß ich das sehe! Gott sende mir schnell den Tod!« So sehr wünschte ich mir das Ende herbei.

So saßen wir beide in Jammer – da trat mein Schwager, Herr Heinrich von Wasserberg ein. Der sagte zornig: »Da seht! Was ist denn da los? Wer hat euch beiden weh getan? So sagt es doch! Ihr weint ja wie arme Waisenkindlein, wie kranke, unbeholfene Frauen. Weint ein Ritter so? Nein! Ihr tut dem Ritterstande Schande an. Schämt euch!«

Da sprach der Domvogt: »Herr Heinrich, der Ulrich klagt so jämmerlich, wie ich es noch nie erlebt habe. Ich weiß nicht, was ihm widerfahren ist, und er will's mir nicht sagen. Doch ist sein Klagen so, daß es auch mir jede Freude nimmt.« »Herr Domvogt,« entgegnete da der Wasserberger, »laßt uns nun allein. Dann wird er wohl sagen, was sein Herz bedrückt. Ich will ihm dann tragen helfen, was ihm widerfahren ist.« Der Domvogt ging. Herr Heinrich sperrte die Türe zu, stellte sich zornig vor mir auf und sagte: »Was nun, ihr böser Mann? Pfui Herr – was treibt ihr denn? Wir sollten uns alle der hohen Ehren freuen, die ihr erkämpft habt. Sagt nun endlich, wer euch ein solches Leid angetan hat, daß ihr derart klagt. Bei meiner Ehre sag ich's euch, erfahren die Frauen davon – dann hassen sie euch wegen eures Schwachmutes. Seht zu, daß ihr das nimmer tut.«

Ich sah ihn an und antwortete: »Wisset – nie und nimmer werde ich froh und sollte ich tausend Jahre leben. Es dünke euch böse oder gut – ich leide – Warum? Das sag ich nicht!«

»Trotz eures Schweigens weiß ich doch, worüber ihr so klaget und den Grund nicht angeben möget. Sicherlich hat die Frowe, der ihr dienet, euch Botschaft gesendet und euch ihre Huld gekündigt. Hab ich es erraten? Wollt ihr mir's sagen?«

Kaum, daß er die Rede geendet, da brach mir Blut aus Mund und Nase. Als er das sah, da sprach er: »Viellieber Gott, ich dank dir, daß du mir vor meinem Tode den Mann gezeigt hast, der ein Weib so tief und aufrichtig liebt« (dabei kniete er nieder, hob die Hände und fuhr fort): »Heil mir, daß ich es sah! Heil mir, daß ich es weiß! Froh werd ich sein mein Leben lang.«

Er stand auf, umarmte mich, sprach: »Du sollst frohgemut sein. Ich will dein reines Herz erquicken. Bei meiner Treue will ich dir sagen – du liegst in wenig Tagen in den Armen deiner Frowe. Meine Seligkeit geb ich dafür zum Pfände. Ich kenne der Frauen Gehaben wohl tausendmal besser als du, Freund! Höre mich! Sie will dich damit nur versuchen, ob du stäte Treue bewahren kannst. Hüte dich nur, wie du deine Augen hütest, daß sie etwas erführe, das wie ein Wanken deiner Treue aussähe. Und wenn du deine Stätigkeit bewahrst, so weiß ich, daß dir bald Liebe von ihr widerfährt. Sei froh und lasse deine Tränen sein. Und wisse du – die Frauen betrachten Tränen nicht als Dienst – und es wäre auch wirklich traurig, wenn eine schöne, liebliche Frau einen gramvollen Diener hätte. Hoher Mut hilft dir da mehr als Trauer und Verzagtheit. Das ist ein Mann ohne Stolz, der sich Minne erweinen will. Es ist einmal so! Froh sein soll man im Frauendienst, da rechte Freude ihnen wohl gefällt. Dir aber sag' ich es noch einmal – ein hochgemuter Ritter erringt sich leicht ein wertes Weib!

»Nun wappne dich rasch! Denn es schickt sich nicht, daß die Edeln, die deinetwegen hergekommen, nun auf dich warten sollen; ich weiß nicht, ob man es dir gemeldet – aber sie halten schon vor deiner Herberge.«

Wieder brach ich unter Weinen nieder. Voll Jammer sprach ich: »Ich mag nicht turnieren! Denn ich bin nicht hochgemut. Wer Ritterschaft in Tränen treibt, der soll's lieber lassen. Ritterschaft und froher Mut, die gehören beim Frauendienste zusammen. Darum will ich mein Turnier lassen – weil ich nicht hochgemut bin. Was soll mein Leib, was soll mein Gut, wenn ich nicht froh sein kann? In Tränen, in tiefer Trauer muß ich leben! Gott weiß, ohne meine Schuld.« Da lachte der Wasserberger: »Ja mein Lieber, du wirst deinen Harnisch anlegen, ob du willst oder nicht. Und auch dein Wappenkleid.« Und begann mich zu rüsten, band mir eigenhändig rasch den Helm auf und führte mich zu meinem aufgezäumten Pferde. Traurig stieg ich auf, nahm traurig den Schild, den man mir gab und ritt traurig hinaus, wohin mich die anderen gebeten hatten.

Sie hielten vor meiner Herberge – hell glänzten Zimiere und Waffen. Mit ihnen ritt ich aufs Feld, wo schon Herr Hadmar von Kuenring und sein Bruder mit ihren Scharen ritterlich bereit standen. Da schlossen auch wir in Ordnung auf. Rasch wurden die Helme aufgebunden. Ich aber nahm einen starken Speer, raste, die Waffe in der Faust, allein gegen den Haufen des Hadmar. Da ich auf sie traf, zerkrachte mein Schaft; Speere und Schilde ritt ich entzwei, Herr Hadmar aber schrie: »Niemand darf ihn greifen – laßt ihn davonreiten!«

So ließ man mich reiten, ohne mich zu fangen – ich kehrte zurück, nahm einen anderen Speer und sprengte gegen Herrn Heinrich von Kuenring. Das war ein weiser junger Mann, hat mit Güte viel erreicht, was Ehre bringt, war auch ein guter Hauswirt. Als ich meinen Speer auf seine Schar verstach, sagte der junge Weise: »Laßt diesen guten Ritter weiter! Wer ihm hier Leid antut, den kenne ich nicht mehr. Lasset ihn seiner Frowe dienen. Ritterlich ist es, ihn nicht daran zu hindern.«

Da ritt ich zu meinen Leuten zurück: »Wir müssen das Turnier anfangen,« sprach ich. »Die drüben müssen mir Frieden gegeben haben. Verstäche ich auf sie noch dreißig Speere – hätte doch keiner Lust, mich anzureiten. Ich glaube schier, sie tatens aus Zucht.« Abermals ergriff ich einen Speer – da rückte auch schon Herr Hadmar heran. Da ließ ich Wendung gegen ihn machen, wie gegen den Feind zusammenschließen und klirrte langsam vor. Als wir nahegekommen waren, gab ich dem Rosse die Sporen und trieb es jählings auf Herren Hadmars Rotte, auf der ich die Stange verstach und dann mit dem Anpralle durchbrach. Die Meinen folgten mir und meinem Beispiele. Als wir die Schar durchritten hatten, hatte sich Herr Hadmar auch schon erholt und fing mir bei der Wendung drei Ritter ab. Doch brachten wir ihn durch Anreiten zum Weichen. Da kam sein Bruder, Herr Heinrich, ihm ritterlich zu Hilfe. Er und die Seinen brachen kühn in das Gedränge, ihre Speere krachten – wir aber gingen zurück. Da nun wir Feindesnot litten, kam uns zu Hilfe herangeritten Herr Wolfger von Gars. Der kam mit prächtigem Schwunge und durchbrach das Turnier mit Schildprall, so daß es Herren Hadmar schlecht erging. Das Turnier war nun im Gange. Auf jeder Seite standen je zwei Scharen, in der jeder Einzelne nach Lob und Ehre stiebte. Nun höret auf die Treue mein, ein Mann, der bloß will müßig sein, wird wenig Ehre sich erjagen. Deswegen aber laßt euch sagen, daß hohes Lob und müßig Leben, Gott niemand hat zusammen geben. Wer hohes Lob erwerben will, der muß an Arbeit leisten viel. Den Tag, da mancher wackrer Mann, mit Arbeit hohes Lob gewann. Die Bösen warben darum nicht, wie's heut an manchem Ort geschieht. Dem Edlen steht nach Ehr der Mut, dem Pöbel nur nach Geld und Gut und Ruhe daß er beides mehr' – und pfeift ansonsten auf die Ehr.

Prachtvoll ritten diesen Tag der von Lengenbach (der Domvogt), Wolfger von Gars – Herr Dietmar von Liechtenstein, Heinrich von Wasserberg, der starke Mann von Kiaue, Ulrich von Steutz, der Ottensteiner, Engelschalk von Königsbrunn, der Rebestock; sie alle gewannen den Tag hohes Lob und auch Ehre. Und wenn ich euch alle Ritter nennen wollte, die sich hervortaten, erzählte, wie der eine durch die Haufen brach, der und jener nach Ehre rang – die Märe würd euch viel zu lang. Ihr habt bisnun von Turnieren so viel vernommen, daß ich euch von diesem hier nicht mehr erzählen will, als das, daß ich dabei neun Stangen gebrochen habe.

Das Turnier nahm ein Ende und wir zogen vom Felde in die Stadt. Die Gefangenen aber wurden aus Zucht und mit Rücksicht auf mich frei. Die Nacht blieben wir in den Herbergen, den nächsten Tag aber ritten wir fröhlich heim. Auch ich ritt davon – aber voller Trauer. Und als mich mein Bote so traurig sah, sprach er: »Es tut mir in der Seele weh, daß ich euch so traurig seh.« Ich antwortete: »Mein Freund, sag selbst, worüber ich mich freuen soll! Meine Frowe hat mir durch dich solche Dinge entbieten lassen, daß ich nie mehr den Frohsinn erlangen kann, den ich einst hatte. Da muß ich wohl niedergeschlagen sein.«

»Herr, lasset das,« erwiderte er –»verzaget nicht. Ich kann euch nicht sagen, wie eure Frowe im Herzen euch gesinnt ist – ob sie euch nicht vielleicht bloß deshalb zürnt, um euch auf die Probe zu stellen. Darum will ich euch einen Rat geben, der auch mich angeht. Lasset mich versuchen zu erfahren, ob sie euch wirklich ungnädig ist, oder ob sie euch bloß auf die Probe stellt. Lieber, als daß ich euch so verzweifelt sehe, will ich es so rasch als möglich wagen. Gott schenke mir dazu seinen Beistand.«

»Bote – immer werde ich dir dankbar sein. Was du mir nun selbst geraten, das wagte ich nicht, dich zu bitten; da du mir aber aus Erbarmen selbst den Vorschlag machst, so lohne es dir Gott. Du sollst ihr sagen, daß, wenn sie ungnädig ist, sie keinen Grund dazu hat. Ich bin gegen sie ohne Falsch. Wenn irgend jemand, sei es Mann, sei es Weib, von mir anders erzählte, so hat der ein groß Unrecht getan. Ich kann dir nicht viel als Auftrag sagen. Eines nur will ich dich bitten: sei mein Anwalt bei der Frowe, sage ihr bei deiner Treue, wie ich gegen sie gesinnt bin. Und wenn es dir, lieber Freund, gefällt, will ich ein neues Lied von ihr singen, wie ich an ihr hänge, und was sie mir durch dich entboten hat.«

»Herr – mir scheint dies gut. Da nun einmal euer Heil an ihr hängt, ihr aus ihrem Dienst nicht scheiden wollt, so tut, was ihr Wohlgefallen kann. Das rate ich in Treuen.« Da begann ich zu dichten und sang ein Lied von meiner Frowe, daß ich ihr treu sei, sie nie verlassen werde, ob sie mir nun gütig sei, oder mir Leid antue. Als ich fertig war, nahm der Bote das aufgeschriebene Lied und ritt zu der, der mein Leib, mein Herz und meine Sinne auf Minnelohn dienen. Ich aber ritt niedergeschlagen weiter zu einer Stadt, in der ich Herberge fand und meine liebe Ehefrau traf. Ich hatte sie lieb, sehr lieb sogar – und doch hatte ich eine andere zur Herrin über mich. Dort lag ich zehn Tage – und da ich dem Boten gesagt, daß ich nicht länger dort verweilen werde, ritt ich gegen Liechtenstein. Nun hört, wie es meinem Knappen ging. Da er zu meiner Frowe kam, lachte die ihn an, fragte: »Wo ist jetzt dein Herr? Begehrt er mich noch zur Frowe?«

»Ja, Fraue! Er hat gegen euch so stäten Mut, daß er euch noch immer lieber hat als alle anderen Weiber. Er ist sonder Falsch, das beschwöre ich gerne. Als ich ihm euren Zorn erzählte, hat er so geklagt, wie ich es noch nie gesehen. Ich hörte ihn sagen – er wolle aus dem Lande als armer Bettelmann scheiden und nie mehr fröhlich werden. Blut floß ihm vor Leid aus Mund und Nase und wenn nicht Herr Heinrich von Wasserberg gewesen wäre, der ihn zu trösten verstand, läge er vielleicht schon tot.« »Bote, du brauchst mir nichts weiter von seinen Tränen und Klagen zu erzählen. Denn der Bote, den ich heimlich gesendet, hat durch ein Fenster gesehen und gehört, was er tat und sagte. So weiß ich von des Domvogts Tränen und den Reden des Wasserbergers.«

»Ja Fraue, wenn ihr das wisset, so muß ich daran glauben, daß Herr Ulrich doch noch in eurer Gunst steht. Noch nie hat ein minneheischender Mann seine Frowe so geliebt, wie er euch.« Sie sprach: »Ich bin ihm wohlgesinnt – das will ich nicht abstreiten. Aber das, was er von mir als Lohn begehrt, das wird er nie erhalten. Darüber aber soll er nicht zürnen. Denn das will ich niemandem gewähren.«

»Vielliebe Frau, ich weiß sehr wohl, daß sich ein Ritter den Lohn der Minne durch ritterliche Taten erwerben soll. Sein Dienst ist euch ohne Wanken geweiht. Das kann ich für ihn sagen. Er hat euch auch ein Lied durch mich gesendet. Ich soll es euch mit der Bitte übergeben, ihr möget es lesen. Es ist gut.« Sie nahm den Brief, den sie da und dort las und fand in ihm mit schöner Schrift Weise und Wort verzeichnet. Ihre Augen spielten über die Zeilen, sie lächelte, war vergnügt. Nun hört das Lied:

Gar selige Minne; hab' ich nun getan
Den Dienst, den deine Gewalt mir gebot,
So wende für mich deine Hilfe auch an
Hilf, wenn du es kannst, der sehnenden Not,
Daß die Vielsüße, die mich trauern läßt
Mich tröste aufs best.
Nun freuet mich beide – machet mir ein Fest.

Ihr edlen Frauen, ihr so reine Weib,
Ich hab' geworben für meine und eure Sach.
Daß niemand begehre mit Trug euren Leib,
Das wünsch ich euch. Dahin geht mein Plag,
Daß die so Süße, so Werte sehe ein
Die Stäte mein.
Darum will ich stets in Sorge sein.

Ich wünsche euch Frauen, daß ihr schöne lebt,
Bei sehnender Liebe ohne schweren Mut,
Und, mir zum Lohne, den Wunsch wiedergebt,
Daß sie mein Dienen noch werte so gut,
Daß sie, die Vielliebe, die ich im Herzen trage,
Nach kurzer Klage
Mir geben müsse viel fröhliche Tage.

Der Welt erschien' ich ein unwürd'ger Mann,
Der nie nach Ehr und Freuden rang,
Wenn ich ihr verlör' meine Treu daran;
Ich sei ihr nicht treu ergeben ohne Wank.
Mein Trost, meine Wonne, Herr in meiner Seligkeit,
Sei sie mir jederzeit.
Das begehrt meine Treue in all Ewigkeit.

Mich läßt nicht scheiden ihr wert süßer Leib
Von meiner Treue, noch das Herze mein.

Mich kann ihr untreu machen kein Weib.
So muß sie mir sein
Lieber als alle Frauen. Denn ihre Güte so tut,
Daß ich hohen Mut hab von ihr – wie immer sie auch tut.

Als sie das Lied gelesen hatte, sprach sie: »Mein Junge – zwar seid ihr – du und dein Herr – lose Schalke, das muß ich aber doch zugeben, daß das Lied gut ist. Ich will es mir aufbewahren. Nun reite zu deinem Herren, melde ihm das, und daß ich ihn gerne sehen möchte. Das muß aber so geschehen, daß er sich und mich vor übler Nachrede bewahrt. Seine Reise darf also von niemandem bemerkt werden. Sage ihm daher meinen Rat: »Ihr sollt am Sonntag Morgen als Aussätzige herkommen, zu den Aussätzigen gehen und eure Ankunft durch Klopfen anzeigen. Dann sende ich euch meinen Boten, tuet was der euch sagt. Du sollst aber deinem Herren noch mehr sagen. Er soll nicht in der Hoffnung herkommen, daß er auf meinem Lager einen Platz finden werde. Diesen Gedanken soll er daheim lassen. Er soll nicht glauben, daß ich ihm, weil ich ihn gerne sehe, der Liebe Lohn gewähren werde. Daran darf er nicht denken. Ich will ihn deshalb herkommen lassen, weil du sagst, er habe mir in Treue gedient. Nun merke, was ich dir noch sage: Ich will ihn hier mit Züchten bitten, wenn er mich zur Freundin haben will, mir nicht weiter zu dienen.«

»Fraue, ich melde ihm eure Worte. Ich weiß es auch schon, daß er eurem Wunsche entspricht und im Kleide eines armen Aussätzigen vor euch erscheint.«

Damit schied der Bote und ritt dorthin, wo er mich verlassen hatte. Dort fand er mich jedoch nimmer. So strich er auf meiner Spur einher, rasch, Tag und Nacht. Selten nahm er sich Ruhe und endlich fand er mich zu Liechtenstein. Am Freitag Abend war's. Eben ritt ich ein Pferd zu. Mir war leid, daß mein Bote nicht gekommen war, und ich dachte: »Was kann ihm denn geschehen sein? Sollte ich ihn nicht mehr sehen, so würde mein Kummer nur noch größer.«

Eben, als ich das dachte, kam er des Weges daher. Als ich ihn sah, sagte ich mir: »Nun will ich frohgemut sein. Denn nun kommt er, und mag mir Botschaft bringen, die meine Sehnsucht erfreut.« Da hielt es mich nicht länger. Ich ritt ihm entgegen, rief ihm zu: »Lieber Bote – Gott zum Gruße! Noch nie habe ich dich so gerne gesehen. Ich hoffe zu Gott, du bringst gute Kunde.«

Da sah er mich lächelnd an und sprach: »Ich nehm euren Gruß nicht, bis ihr niederkniet. Denn ich habe eine Botschaft bei mir, die euch erfreuen und eurem Herzen wohltun wird.«

Sofort sprang ich vom Rosse, kniete vor ihm nieder. Doch er ließ mich nicht lange so, sondern sagte: »Steht auf, Herr! Hohen Mutes könnt ihr sein! Gott hat an euer Heil gedacht und ich hab euch gute Mär gebracht.«

Die Rede freute mich – im Nu war ich wieder auf und fragte: »Mein lieber Bote, sag mir – ist meine Frowe noch böse mit mir? Oder hat sie sich bedacht und mich wieder in Gnade aufgenommen?«

»Die Tugendreiche ließ euch sagen, daß sie euch in Bälde sehen möchte. Und zwar soll das am Sonntage zur Zeit des Vormittagsmahles sein. Ein Steinhaufen liegt vor der Burg, zu dem sollt ihr verstohlen kommen. Ihr sollt ärmliche Kleidung, wie ein Aussätziger tragen, damit eure Ankunft nicht bemerkt werde – haltet euch dann daran, was euch ihr Bote sagt. Ihr sollt auch nicht die Hoffnung hegen, sie werde euch ihr Lager teilen lassen. Das kann nicht geschehen. Sie möchte euch nur sehen und sprechen.« »Wenn ich Sonntags Morgen hinkommen soll, so wird das kaum gelingen. Denn bis dorthin sind wohl vierzig Meilen. Ich fürchte, so sehr ich auch eile, so komme ich doch zu spät. Rate mir, wie ich fahren soll.«

»Herr, ihr habt übel daran getan, nicht dort zu bleiben, wo ich von euch schied. Und ich meine, sie wird euch ernstlich zürnen, wenn ihr nun nicht kommt. Die Frauen sind oft wunderlich. Sie wollen, daß man stets ihrem Willen nachkomme – wer das nicht tut, dem schadet es bei ihnen. Ich glaube, daß die Fraue, wenn ihr nun nicht kommt, auf alle Zeiten davon überzeugt sein wird, ihr habet aus Bequemlichkeit so gehandelt. Mir scheint, eure Aussichten stehen recht übel! Gott möge euch einen weisen Rat schenken.«

»Ich reite los! Gott wird mir sicher helfen. Die Tage sind nun lang, so daß man an einem Tag weit kommen kann. Wir nehmen zu der Fahrt bloß einen verschwiegenen Knecht. So sind wir bloß drei. Sechs Pferde aber nehmen wir mit – und ich reite sie von mir aus alle zuschanden, wenn wir nur am Sonntag ankommen.«

»Herr, so könnt' es vielleicht gelingen. Ich möchte auch fast glauben, daß wir noch in der Früh anlangen. Dann möge uns Gott aber auch weiterhin beistehen – denn es könnte uns sonst übel ergehen.«

Den Freitag blieb ich noch daheim – den Samstag in aller Früh brach ich selbstdritt auf. Kein Mensch wußte, wohin ich wollte, und ich sorgte, daß meine Abreise möglichst geheim blieb.

Bei meiner Ehre sag' ich euch – ich ritt an diesem Tage sechsunddreißig Meilen. Davon war ich sehr, sehr müde. Zwei Pferde lagen mir tot auf der Straße, aber das war mir einerlei. Die Nacht verbrachte ich in einer Stadt. Dort bat ich, mir Näpfe, wie sie die Aussätzigen haben, und ärmliche Kleidung zu besorgen. Die wurde von mir und meinem Boten in der Früh angelegt und konnte fürwahr kaum ärmlicher sein. Als Waffen nahmen wir lange Messer. Den Sonntag morgens ritt ich in dem Bettleranzuge noch zwei Meilen – ließ die Pferde verborgen stehen; dann gingen mein Bote und ich auf die prächtige Burg los, auf der damals meine Frowe saß. Dort fand ich eine große Menge armer Leute – wohl dreißig Aussätzige, wenn nicht sogar mehr. Zu denen mußte ich mich setzen. Ich hätte es lieber nicht getan, doch wies mich mein Geselle hin. Zu denen setzte ich mich also in das Gras. Als wir Platz genommen, fragten die Siechen uns, woher wir kämen. Die Frage kam mir ungelegen. Ich antwortete: »Wir sind Fremde, und noch nie hier gewesen. Unsere Armut riet uns, unser Glück an diesem Orte zu versuchen.«

»Da seid ihr recht gekommen,« erwiderten sie, »wir wissen nicht, ob ihr es gehört – daß die Hausfrau hier jetzo krank liegt. Darum gibt man uns oft genug Geld und Speise. Gerade früher trug uns eine Jungfrau – gesegnet sei sie ihr Leben lang – Trank und Speise her. Glaubet uns! Wüßte man, daß ihr hier seid, man brächte euch noch etwas. Geht, klopfet und bittet, wie es armer Leute Sitte ist. Man gibt euch sicherlich Wein und Brot. Und bekommt ihr heute kein Geld, so erhaltet ihr es sicher morgen.« Da ging ich denn von den Siechen weg, nahe an einen hölzernen Vorbau heran. Vor dem hing ein Teppich, wie dies oft der Fall ist, wenn man auf dem Vorbaue wind- und lichtgeschützt sein will. Dort also hing der Teppich, trotzdem nur wenig Wind ging. Da nahm ich meinen Napf und klopfte auf ihn so, daß man es bis in die Kemenate hörte. Dann bat ich kläglich um ein Brot, da ich argen Hunger litte.

Kaum hatte ich gesprochen, so blickte auch schon eine Jungfrau herab. Da sie uns so alleine stehen sah, ließ sie den Teppich wieder herunterfallen, ging zu ihrer Fraue, unsere Ankunft zu melden und wurde von ihr zu uns gesendet.

Die Jungfrau kam aus dem Tore, gab jedem Siechen einen Pfennig. Als die Reihe an uns kam, sagte sie: »Sagt an, wann seid ihr gekommen? Ich habe euch noch nie hier gesehen.«

Mit verstellter Stimme antwortete ich: »Durch Kummer litten wir, durch Siechtum und Armut. Was ihr uns um Gottes Willen Gutes tut, das wird euch einst vergolten werden. Wegen unserer großen Armut kamen wir – denn wir sind dem Hungertode nahe, leiden durch Armut schwere Not.«

Da trat sie näher heran: »Laßt mich wissen, wer ihr seid. Sagt es rasch – denn ich soll nicht länger bei euch stehen, als bei den anderen. Wenn ihr meiner Frau wegen gekommen seid, so sagt die Wahrheit.«

Da sprach ich zur Holden: »Mich ließ eure Fraue herkommen. Ich bin's, jener, der um ihre Gnade bittet.« »Wenn ihr je im Tjoste zu Ehren der Frauen Speere verstochen habt, so seid ihr an dieser Stelle nicht am richtigen Orte. Ich will meiner Frau eure Ankunft und daß ihr ihretwegen hergekommen seid, melden. Lieb wird ihr die Nachricht sein. Gleich komme ich wieder und sag euch, wie ihr euch verhalten sollt.« Damit ging sie und meldete ihrer Herrin, daß ich da sei. Die war darüber froh und sagte: »Tragt ihm irgend etwas hinaus und sagt ihm, aber so, daß es niemand hört, daß mich seine Ankunft freut. Dann soll er den Berg verlassen, sich vor Gesehenwerden hüten und meine Ehre bewahren. Am Abende soll er wieder herauf kommen, da will ich ihn wissen lassen, was ich seinetwegen ausgedacht, warum ich ihn hergebeten habe. Das wird er dann alles erfahren. Jetzt heiße ihn willkommen.«

Die Maid kam und fand mich noch wartend. Sie und eine andere Jungfrau brachten mir Speise und Trank genug. Da ich sie zu zweit kommen sah, stellte ich den Napf ferne von mir hin, und sagte: »Frau, legt es hinein, da ich leider siech bin.«

Da blieb die eine Jungfrau stehen, die andere aber trat näher. Die meinte: »Ich fürchte mich vor Siechtum nicht. Meine Frau läßt euch willkommen heißen und sagt, sie möchte euch gerne sehen, wenn es füglich geschehen kann. Sie läßt euch ferner durch mich sagen, ihr möget den Berg verlassen, euch vor Bemerktwerden hüten, gut hüten. Tut ihr es nicht, so seid ihr tot. Seid vorsichtig, das rate ich euch! Am Abende sollt ihr wieder heraufkommen. So soll ich meiner Fraue Botschaft ausrichten. Ich glaube, sie ist euch wohlgesinnt, so wohl gesinnt, wie noch nie einem Ritter.«

Als die Jungfrau von mir schied, nahm ich Speise und Trank, trug es zu den Aussätzigen und sprach: »Genug Speise und Trank hat uns die Frau gegeben. Gott lasse sie lange in Freuden leben. So groß Almosen erhielt ich noch nie und will es mit euch teilen. Was ich hier empfangen sollte, will ich auch euch geben, damit ihr, wenn man euch reichlich Speise reicht, uns dasselbe tut.« Sie erwiderten: »Gut – so soll es sein! Man gibt uns oft Fleisch, Brot und Wein. Das teilen wir dann nach Rechten mit euch und leben mit euch brüderlich«.

Wir setzten uns im Kreise, gaben die Speisen und den Wein in die Mitte. Da sah ich Hände so scheußlich, daß ich nicht wage, es zu sagen, und vor Grauen stiegen mir – bei meiner Ehre – die Haare zu Berge. Hier wurde ich mit gar eklen Dingen bekannt. Manchem waren die Finger der Hand so abgefault, als wäre er hundert Tage im Grabe gelegen, und ihr Atem stank wie ein Hund.

Mit denen zusammen mußte ich da essen. Um die Ehre meiner Frau zu hüten, mußte ich, so gerne ich mich entfernt hätte, mithalten. Denn hätte ich nicht so gehandelt, wäre man auf mich aufmerksam geworden.

Ich weiß wohl, mancher meint, ich könne mit den Siechen nicht eine ganze Weile beisammen gewesen sein, sonst hätten sie es sicherlich erkannt, daß ich nicht aussätzig sei. Diesen Zweiflern aber sage ich, daß man gar mancherlei mit Wurzeln und Krautwerk erreichen kann. Noch heute kenne ich eine Wurzel; wenn man die ordentlich in den Mund nimmt, so schwillt er davon an und wird mißfärbig, daß man durch alle Lande durchreisen kann, ohne erkannt zu werden. Das kann ich – so ungelehrt ich auch sonst bin. Diese Wurzel hatte ich. Zudem war mein Haar grau gefärbt. Das brauchte ich jetzt nicht zu tun. Denn trotzdem ich nach meinem Alter noch nicht so weit sein sollte, so ist mein Haupt von der Minne Sorgen und Leid doch schon grau.

Denn, wer der Minne dienen will – sie aber mag es ihm nicht lohnen, – der muß viel Weh schweigend ertragen.

Als wir so mit den Siechen gegessen hatten, ging ich den Berg hinab, strich in der Umgebung hemm und bettelte. Man gab mir da viele Stücklein allerschlechtestes Brot – die nahm ich in Gedanken an meine Frau. In einem Gebüsche legte ich sie schließlich nieder. Denn es gebührte mir nicht. Zur Kurzweile zog ich also umher, bis sich die Sonne mit ihrem Scheine gegen den Berg neigte und es Abend werden wollte. Da ging ich wieder vor die Burg und setzte mich auf einen Platz, wo ich auch die Siechen wiederfand. Die fragte ich, ob man schon gegessen habe. »Gerade ißt man,« erwiderten sie. »Zu rechter Zeit seid ihr gekommen. Das Almosen gibt man uns Armen des Abends so rechtzeitig, daß jeder noch Zeit hat, seine Herberge aufzusuchen.« Da ich nun eine Weile dort gesessen, kam die Maid wieder heraus; andere trugen Speise und Trank in Menge. Die sprach zu mir: »Ihr sollt weggehen und erst morgen zum Morgenimbiß wieder kommen. Denn heute ist's gefährlich.«

Ich erwiderte: »Was nützt meiner Herrin meine sonderbare Anwesenheit hier, wenn ich sie nicht heimlich sprechen kann?« Die Maid sprach: »Sie vermutete, als sie euch zur Fahrt einlud, daß es heute gehen werde. Aber es geht nicht. Erst morgen, wenn es Nacht ist. Seht zu, daß ihr nicht erkannt werdet.« Als die Jungfrau sich entfernt hatte, setzte ich mich zum Essen mit den Siechen, trotzdem mir ihre Gesellschaft wehe tat. Mühsam bekämpfte ich den Ekel vor ihren Leiden und ihrem stinkenden Atem.

Als wir dort die Speisen verzehrt hatten, luden mich die Siechen um die Wette ein, bei ihnen zu nächtigen. Da sagte ich: »Einer meiner Gesellen liegt krank. Den muß ich aufsuchen gehen, denn ich habe ihn schwach und elend gelassen. Bei dem will ich heute schlafen.« Damit ging ich von der Burg in ein abgelegenes Feld, wo Korn dicht, groß und hoch gewachsen war. Dorthin flohen wir, ich und mein Genosse, vor den Leuten. So wurde das Kornfeld meine Herberge, in der ich eine böse Nacht mitmachte. Denn – als die Nacht kam – erhob sich ein gewaltiger Wind, brach ein fürchterlicher Regenguß los. Gegen Regen und Wind waren bloß ein dünner Rock und ein elendes Mäntelchen mein Schutz. Ich war vor Frost beinahe erstarrt, außerdem aber mußte ich eine Not über mich ergehen lassen, von der ich kaum zu erzählen wage. Ungeziefer biß mich derart, daß ich am ganzen Leibe mit Pusteln bedeckt war. Die ganze Nacht fraßen mich Flöhe und Läuse, so daß ich, als der Morgen kam, herzlich froh war. Fleißig lief ich herum, um mich warm zu machen. Und ihr könnt mir glauben, als Erek in Eneits Armen lag, war ihm besser zumute, als mir in dieser Nacht. Das war die schlimmste Nacht meines Lebens, und wäre ich nicht von Liebeswahn befallen gewesen, so hätte ich sie kaum überstanden. Hoffnung ist an und für sich ein gut Ding – Hoffnung auf Liebe ein noch besseres.

Nun war die Sonne hochgekommen – trotzdem war, was ich am Leibe trug, naß. Da ging ich wieder vor die Burg, wo ich durch Klopfen kläglich um Speise bat. Da kam auch schon die Jungfrau. Mit ihr kamen viele Speisen; ich dachte mir: »Mir scheint, meine Frowe will mich wirklich krank machen.« Da kam die Maid zu mir, fragte: »Wo seid ihr heute Nacht gewesen? Wie seid ihr bei dem Wetter davongekommen? Ihr habt schweres Ungemach gelitten, wenn ihr kein Dach ober euch hattet.«

Ich sprach: »Ich habe Not gelitten. Halbtot war ich vor Frost und anderen Dingen, die ich nicht zu erzählen mich getraue. Doch macht das nichts aus, wenn nur meine Frowe gegen mich gnädig ist.«

Sie erwiderte: »Esset und verlasset bald den Berg. Kommt aber abends wieder. Bei meiner Treue sag ich euch, meine Herrin will euch nicht länger hier so verweilen lassen. – In Kürze – in dieser Nacht soll es geschehen.«

Darnach schied sie. Ihre Rede freute mich – und ich ging wieder zu den Kranken, aß mit ihnen, so ungern ichs auch tat. Dann ging ich in einen Wald, der von Vogelsang widerhallte, setzte mich auf ein sonniges Plätzchen, wo ich den Frost vergaß und sah meinem Gesellen zu, der in seinen Kleidern fleißig, gar fleißig klaubte und suchte, daß ihm der Tag rasch verging. Ein Wälscher hätte es nicht besser machen können. Noch nie war mir ein Tag so lang.

So saß ich in dem Walde, bis der Abend kam. Da stand ich auf und ging hin, wie ein Mann, dessen Sinn nach Hohem strebt. Wieder setzte ich mich vor die Burg, war aber so früh gekommen, daß die Leute noch nicht heimkamen, wie es doch sonst abends der Fall ist. So saß ich wartend und hochgemut, voll Liebessehnsucht und Hoffnung, meine Frowe bald zu sehen. Da kam die Maid heraus und sagte: »Es war klug, daß ihr so früh gekommen seid. Ich weiß nicht, ob ihr es schon gehört habt – der Siechen einer spricht herum, daß ihr kein Aussätziger wäret! Er sagt, ihr hättet ein so gutes Leinenkleid, daß auch ein Edelmann es tragen könnte. Ich weiß nicht, wo er's gesehen hat. Er hat davon zu mir gesprochen. Ich fürchte, er spricht auch zu anderen davon, und bin deswegen voller Sorgen.«

Ich sprach darauf: »Sollte man auf mich aufmerksam geworden sein, so liegt die Schuld an eurer Fraue. Was soll ich hier verweilen? Warum soll ich jeden Tag herkommen? Wie kann man mich hier erkannt haben? Ratet, was ich tun soll.«

Sie erwiderte: »Ihr sollt nicht zu lange hier herumstehen, sondern bald weggehen. Wenn aber Tag und Nacht sich scheiden, so kommet rasch wieder und verberget euch in dem Graben. Verbergt euch gut, denn das ist auch für euch von Nutzen. Macht das mit euch selbst aus. Sehet ihr dort oben diesen hölzernen Gang? Sowie ein Licht darauf erscheint, so säumet nicht länger, geht schnell unter den Gang. Dort werdet ihr zusammengebundene Leintücher hängen finden – an denen wird man euch emporziehen.«

Da tat ich, wie mir die Maid riet. Rasch nahm ich von ihr Abschied, verschwand in den Wald und war über alle Maßen froh – denn noch heute sollte ich meine herzliebe Frowe sehen.

Den Wald verließ ich erst, als der Tag zu Ende ging und die Nacht heranbrach. Da ging ich in den Graben und ummauerte mich mit Steinen, daß mich niemand sehen konnte. Dasselbe tat auch mein Geselle. Ganz still mußten wir uns verhalten – und als wir so verborgen lagen, machte der Hausschaffner selbstsiebent die Runde um die Burg. Emsig hielt er Umschau, ob sich jemand verstohlen der Burg genähert. Während das da und dort geschah, trat der Mann abseits von seinen Leuten und schlug sein Wasser gegen mich ab, daß ich davon ganz naß ward. Und ich wagte es nicht, ihm dies zu wehren. Ja! Das war eine sonderbare Geschichte! Dann ging er in die Burg zurück – ich aber saß naß da – was mir peinlich und ekelhaft war. Da sah ich das Licht leuchten – stand auf, zog das schlechte Gewand aus, das ich als Verkleidung trug, schlich mich unter den Gang, wo auch wirklich die Leintücher hingen. In die trat ich hinein – mein Geselle schob kräftig nach – hinauf aber zogen mich kleine Händchen. Als sie mich so hoch gehißt hatten, daß mein Geselle nicht mehr helfen konnte, da vermochten sie nicht, mich weiter zu bringen. So ließen sie mich wieder hinab und zogen mich neuerlich hinauf, genau so weit, wie das erstemal. Nicht um Haaresbreite konnten sie mich weiterbringen. Dies Mißgeschick widerfuhr mir dreimal. – Als ich das drittemal auf dem Boden ankam, trat ich aus den Leintüchern und sagte meinem Knappen, er sei an Gewicht geringer als ich. Daher würden sie ihn vielleicht eher in die Höhe heben. So trat er an meine Stelle, ich half nach, und rasch zogen sie ihn auf. Als er in die Kemenate kam, wurde er mit Kuß empfangen. Meine Niftel war's, da sie ihn für mich hielt, dessen sie sich seither oft geschämt hat. Als er einmal den Kuß erhalten hatte, ließ mein Geselle die Tücher rasch wieder hinunter. Ich trat in sie hinein – und schnell zog man mich zum Gange hinauf. Ich schwang mich hinein – meine Niftel küßte mich und wies mich in eine Ecke, wo ich mir eine Suchenie aus Paldekin anlegte. Damit angetan ging ich sofort dorthin, wo ich meine Frowe wußte. Die saß auf einem Bette und empfing mich in Züchten. Ich sag' euch nun, wie sie gekleidet war. Zunächst hatte sie ein seines weißes Hemdchen an, darüber eine Suchenie von Scharlach, die mit Hermelin gefüttert war. Ihr Mantel war grasgrün und hatte einen überfallenden Kragen aus Fuchsfell. Um die Wangen hatte sie einen Schleier gebunden. So saß sie in Gesellschaft von acht wohlgekleideten Frauen.

Über das Bett, auf dem sie saß, war eine Matratze von Samt gelegt, darüber zwei seidene Tücher und eine kostbare Decke. Ein prachtvolles Polster und zwei herrliche Kissen zierten das Lager. Vor lauter Teppichen sah man nirgends den Fußboden. Zu Füßen des Bettes brannten in zwei eisernen Leuchtern zwei große Kerzen und an den Wänden wohl hundert Lichter.

Die acht Frauen in der Kemenate waren wohl schön und lieblich, waren auch köstlich angezogen. Aber – sie waren zu viel! Ihre Anwesenheit machte mir keine Freude.

Die Frowe hieß mich willkommen – ich aber erwiderte: »Gnade, meine Frowe.« Da kniete ich vor ihr nieder und sprach: »Frowe, bei eurer hochgelobten Jugend, bei eurem reinen, süßen Mut – seid mir gnädig und gewogen! Herrin aller meiner Freuden, zeigt euch mir hold. Gedenket eurer Güte, gedenket der Sehnsucht meines Herzens, mit der ich nach eurer Minne strebe, gedenket, daß es für mich nichts köstlicheres gibt als euren Leib, daß ihr mir lieber seid, als alle anderen Frauen. Sollte ich heute in euren Armen ruhen, so ist mir alles gewährt, was ich mir je erhoffte.«

Da sprach die Reine: »Diesen Wunsch müßt ihr euch aus dem Sinn schlagen. Ich sag' es euch bei meiner Treue, daß ihr vergeblich bittet. Aufrichtig will ich euch sagen, weshalb ich euch zu dieser Stunde habe kommen lassen. Um euch zu ehren, habe ich euch gerne in diese Gemächer aufgenommen. Aber – daß ich gewähre, was ihr begehrt, – das kann nicht sein.

»So ritterlich habt ihr eure Fahrt getan, daß euch von rechtswegen jede Frau ehren muß. Um euch zu ehren, lud ich euch her. Ihr sollt wissen, daß ihr es als Ehrung empfinden sollt, daß ich euch hier Einlaß gab. Das widerführ noch keinem Ritter. Mein Gatte und Herr kann ohne Sorge sein, daß ich je einen anderen Mann lieben könnte. Und wenn ich es auch schon Gottes und meiner Ehre wegen nicht tue, so behütet er mich doch. Wollte ich aber – dann wäre seine Hut zwecklos. Besser ist mein freier Wille. Daß ich meine Ehre und seine Huld aufs Spiel setze, das geschieht euretwillen. Wurde jemand von eurer Anwesenheit hier erfahren – so wurde mein Ruf leiden. Deswegen sollt ihr mir Dank schuldig sein.«

»Ich will euch, liebe Frowe mein, immer von Herzen dankbar sein, dafür und für das, was ihr mir sonst noch tut. Ich weiß wohl – ihr seid so gut, daß mir heute doch lieb geschieht, daran zweifle ich nicht.«

Sie sprach: »Solche Rede, die auf meine Ehre zielt, sollt ihr lassen, wenn ihr meine Huld wollt. Wisset! Es kann nicht sein! Begehrt ihr es noch – so verliert ihr meine Zuneigung ganz! So ists!«

Ich erschrak und trat zu meiner Niftel: »Was soll das sein?« fragte ich sie. »Sollte ich vergeblich hergekommen sein, so ist mein hoher Mut dahin. Das will ich ihrer Güte nicht zutrauen. Denn das wäre eine arge Missetat, die meine Frowe sich wohl überlegen sollte. Niftel – was immer geschieht – oder kommen mag – ich geh' nicht von hier fort, ehe mir Liebes von ihr geschah. Ich fürchte nicht, daß sie mich hier zugrunde gehen lassen will. Es ist nicht gut, wenn sie mir Übles zufügt.«

Da sprach meine Niftel: »Ich sag dir fürwahr, daß sie dich aus keinem anderen Grunde herkommen ließ, als dem, den sie dir angab. Ich sag's dir – sie hat uns deswegen so viele hergebeten, damit es dir nicht einfalle, mit ihr zu ringen. Ich weiß auch, daß, wenn du sie gegen ihren Willen auch nur berührst, sie dir nie mehr gewogen sein wird. Aber eines hörte ich noch. Wankst du in ihrem Dienste nicht, so wird sie deine Liebe belohnen.«

Ich erwiederte: »Ich greife sie ohne ihren Willen nicht an. Aber wäret ihr nicht so viele – ich ränge mit ihr, bis ich der Sieger.«

»Neffe, folge mir! Ich kenne ihren Sinn gegen dich ganz genau. Tue, was ihr Willen ist! Dann magst du in Bälde an ihrer Seite ruhen. Deine Frowe ist so gütig, daß sie dir sicherlich Gnade widerfahren läßt. Geh nur wieder hin zu ihr. Knie vor ihr nieder und bitte sie um ihre Huld. Sie mag deine losen Worte nicht. Wenn Rittersmund gütlich redet, so nützt ihm dies bei edlen Frauen.«

So ging ich zu meiner Frowe: »Ihr sollt gnädig sein! Laßt mich nicht so von euch scheiden. Wenn man von euch mit Recht als von der Gütigen spricht, so zeigt es mir, so daß ich durch euch selig werde. Erweiset eure Güte an mir. Gnädig ließet ihr mich herkommen. Sollte ich nicht bei euch ruhen können, so bin ich auf immer ohne Freuden. Mir würde Not über Not. Herrin all der Freuden mein, Frowe, meiner Freuden Schein, Herrin über Herz und über Mut, Herrin über Leib und über Gut, Herrin über alles, was ich han oder noch gewinnen kann, Frowe, meiner Seligkeiten Hort, dir will ich dienen fort und fort. Und lebte ich gar tausend Jahr – meine Treue war unwandelbar. Laßt mich genießen, daß ihr seid, meiner Zeiten hohe Zeit. Und da mein Leib Holderes noch nie gewann oder je gewinnen kann, als euren reinen süßen Leib, vieltugendreiches, edles Weib tut mir, wie es die Gnade heischt. Wie stünde es eurem werten Namen, wenn ich von hinnen führe und immer unfroh sein müßt! – Durch eure Schuld, Frowe mein! Ihr sollt mir eure Minne geben – und damit hohen Mut und frohes Leben.«

Da sprach sie: »Eure Bitte nützt euch nichts. Hätte ich mich euch geben wollen, so hätte ich euch anders empfangen. Wenn ihr noch lange so sprecht, so werde ich gegen euch ernstlich aufgebracht.« Da trat ich vom Bette weg. Sie aber sagte: »Kommet mit mir – ich will euch noch andere Zimmer zeigen.« Da führte sie mich in einen prächtigen Speisesaal. Hier setzte sie sich nieder und begann: »Ihr müßt mir nun sagen – ist euch nicht Liebe durch mich geschehen, daß ihr zu dieser Stunde heimlich zu mir kommen durftet? Euretwillen habe ich damit meine Ehre sehr gewagt. Hochgemut sollet ihr sein, daß ich euch solche Ehre erweise.« »Frowe – ihr ehrt mich so sehr, daß ich euch Zeit meines Lebens dienen muß. Selbst im Schlafe begehre ich eure Liebe. Ihr seid, in der liegt meine Freud, ihr meines Herzens Maienzeit. Aber eben mit dem, daß ihr, Frowe, mich zu euch habt kommen lassen, nehmt ihr mir Wonne und frohen Mut – wenn ihr nicht gnädig seid, in meinen Armen ruht. Frowe – ich bitt euch – saget mir, ob ich etwas gegen euch getan habe – das nun macht, daß ich hier eure Minne entbehren muß. Und hab ich etwas verschuldet, so werde ich mir selbst alle Zeiten dieser Schuld wegen gram sein. Hab ich euch beleidigt, so verzeiht mir. Stets war ich zu eurem Dienste bereit und will euch in Hinkunft immer in Treue dienen. Ich weiß wohl – ihr seid so gut und so fraulich gesinnt, daß ihr, als ihr mich herkommen hießet, Willens wart, mir der Liebe Lohn zu gewähren. Wie habe ich das verwirkt?«

Da sprach sie: »Wisset – ich war euch noch nie böse! Aber ihr könnt meine Gewogenheit verlieren, wenn ihr die Bitte nicht lasset, die ihr freventlich tut. Ich habe es euch heute schon zweimal gesagt, daß ihr jetzt auf meine Liebe nicht rechnen könnt – und – wäret ihr klug – läge euch wirklich etwas an meiner Huld, ihr ließet von dieser Bitte, die euch nicht nützen, sondern bei mir nur schaden kann.

»Wollt ihr die Wahrheit hören, so hört: Ich rate euch, euch den Wunsch ganz aus dem Sinn zu schlagen. Sonst kommt ihr in die Gefahr, meine Zuneigung zu verlieren.«

Da stand ich auf, ging zu meiner Niftel und sagte: »Niftel, nun mußt du mir einen Rat geben – denn ich brauche ihn. Wisse, ich wäre lieber tot, als daß ich meine Frowe nicht lieben sollte.«

»Neffe, ich rate dir gerne; du aber sollst meinen Rat befolgen. Gehe – so, wie dich deine Frowe gehen heißt! Sie ist dir hold, das weiß ich wohl und lohnt dich auch, so wie sie soll. Diene ihr daher stäten Mutes weiter – das rate ich dir.« »Niftel, bei meiner Ehre sag' ich – wie du es rätst, geh ich nicht von hier. Wenn ich sie nicht besitze, so mag ich hier tot liegen bleiben. Nichts bringt mich von hier fort. Sollte ich von hier scheiden, ohne mein Ziel erreicht zu haben, so könnte ich es nicht ertragen. So will ich lieber hier sterben. Wenn ich nie mehr hochgemut sein kann, wozu ist mein Leben gut? Ich weiß, daß ich, wenn ich bis zum Morgen hier bleibe, mein Leben verwirkt habe. Dann hat sie aber mit mir ihren Ruf, ihre Ehre verloren. Das sollte meine Frowe wohl bedenken und mich nicht so heimschicken.«

Da sprach meine Niftel rasch: »Ich will es der Frowe sagen, daß du nicht weg willst. Was dir daraus Übles erwachse – das sei dir einerlei. Ihr aber könne es nicht einerlei sein, wenn sie Ehre bewahren wolle.«

Da ging denn meine Niftel zu Frowe, sagte es ihr und noch dazu: »Überlegt wohl, Herrin, was ihr tut. Denn mein Neffe Ulrich will nicht von hier weg, ehe ihm nicht Liebe durch euch geschehen ist. Nun seht zu, Fraue, daß ihr eure Ehre bewahrt.«

Meine Frowe: »Wenn er bliebe, so wär's uns beiden zum Schaden. Wenn ihm schon nichts an seinem Leben gelegen ist, so sollte er doch auf meine Ehre Rücksicht nehmen und in Gutem das Haus verlassen. Geh' also wieder zu ihm, bitte ihn, solche Gedanken sein zu lassen, heiße ihn hochgemut sein. Er hat darauf mein Wort, daß, wenn er diesmal meinen Willen tut, ich ihm Seinen tun werde. Sag' ihm auch, ich hätte ihm seine Bitte nicht verwehrt, wenn er früher meinem Willen gefolgt wäre. Will er mir aber meine Minne abtrotzen, so ist das ein gar arger Einfall. Hätte er freiwillig getan, was ich ihn hieß, – ungerne hätte ich ihn fortgelassen. In Liebe wollte ich ihn grüßen, wie ein gutes Weib den Gatten.«

Meine Niftel eilte zu mir und sagte: »Kopf hoch! Wenn du willst, trägst du dein Leid zu Grabe. Nie hat noch eine Frowe ihrem Ritter eine bessere Botschaft gesendet, als sie dir von deiner Frowe kommt – wenn du ihren Wunsch befolgst.

»Sie sagt, du könnest ihr ihre Minne nicht abtrotzen. Das leidet sie nicht und tut es auf keinen Fall. Aber sie hat mir eben gesagt, daß du noch heute Nacht deinen Wunsch erfüllt haben könntest, wenn du dafür ihrem Wunsche nachkommst.

Du sollst ihr, lieber Neffe, nicht Streit ansagen. Wenn du ihr nicht ihren Willen läßt, so mußt du ihre Huld auf immer entbehren. Willst du aber in Güte ihre Liebe erringen, so wird es dir gelingen. Das hat sie selber mir gesagt.«

Als wir so miteinander redeten, da kam meine Frowe zu uns und sagte: »Gott weiß, daß ich noch nie einen Mann so toll sah. Ihr solltet klugerweise rücksichtsvoll gegen mich sein, statt meine Liebe mit Gewalt ertrotzen zu wollen. Sagt – habt ihr das bedacht? Bleibt ihr hier, bis die Nacht vergangen, so verliert ihr das Leben. Klüger wäre es, zu gehen und meinen Rat zu befolgen. Wollt ihr gegen mich nicht Zucht bewahren, so begehret von mir nicht Freundschaft für euch. Man hat mir oft gesagt, daß ihr bereit seid, mir zu dienen. Ich seh', man hat mich belogen und betrogen. Das sehe ich nun mit eigenen Augen. Denn wie sehr ich euch auch bitte – es bleibt vergebens.«

Da erwiderte ich: »Liebe Frowe, ich will euch bis an meinen Tod in Treue dienen; lieber seid ihr mir als alle Frauen, als mein eigener Leib, als jedes Ding. Seid aber so gnädig, daß ihr die Meine werdet. Scheide ich ohne dem von euch, so hat dann noch nie eine Frau gegen einen Ritter so schlecht gehandelt, wie ihr gegen mich. Wie hab' ich das von euch verdient, daß ihr mich so verderben wollt? Ich habe euch immer in Treuen geliebt. Verlasse ich euch, ohne Gunst erhalten zu haben, so werd' ich nimmer meines Lebens froh.«

»Hätte ich euch liebevoll begrüßt,« erwiderte die Frowe, »ließe ich euch nicht so scheiden. Nun folget aber meiner Bitte. Tretet wieder in die Leinentücher. Ich lasse euch ein wenig herab, ziehe euch wieder herauf und grüße euch dann, wie ich selbst es möchte. Und wenn ich euch begrüßt – so könnt ihr mit mir beginnen, was ihr wollt. Denn euch habe ich unter allen Rittern zum Freunde erkoren.«

»Frowe, wüßte ich das für sicher, gerne täte ich euren Willen. Ich fürchte aber, ich werde meine Schuld büßen müssen, indem ihr mich wohl herunterlasset, nicht aber wieder hinaufziehet. Dann mußte ich meinen hohen Mut verlieren, glauben, daß ich zum Unglücke geboren bin.«

»Ich geb euch ein Pfand,« erwiderte sie. »Ihr könnt mich fest bei der Hand halten! Mir wills übrigens scheinen, daß ihr mir nicht ganz getreu sein dürftet, da ihr mir nicht trauen wollt, trotzdem ich euch zum Freunde erkoren.«

»Ich will mich, Frowe, eurer Gnade empfehlen, wie immer es mir dabei gehen mag. Ihr mögt mir wohl oder übel wollen – was ihr wollt ist recht. Da ihr sagt, daß ihr mich zum Freunde wollt, so will ich mich euch gerne anvertrauen.«

»Das soll euch Glück bringen,« erwiderte sie. »Wenn ihr meinen Willen tut, so habt hier mein Versprechen. Ihr könnt ganz sicher sein – ich tu euch euren Willen und ihr könnt mich besitzen.« Sie nahm mich bei der Hand, führte mich auf den Gang, von dem die Leintücher herabhingen. In die ließ sie mich treten – sprach: »Seid ohne Angst, vertraut meinen Worten. Da ich euch zum Freunde will, lasse ich euch nicht so gehen.«

Mit Sorgen trat ich in die Tücher. Da ließ man mich so weit herunter, daß man mich wieder hinaufziehen sollte. Da sprach sie: »Bei Gott, so lieben Ritter, wie jener, der mich bei der Hand hält, habe ich bis nun weder gesehen noch gekannt. Sei mir willkommen! Deine Leiden will ich dir nehmen, dich mit Freuden begrüßen.« Sie nahm mich beim Kinn, sprach: »Freund! Küsse mich!« Von diesen Worten war ich so froh, daß ich ihre Hand losließ. Da ward meine Niederfahrt so schnell, daß ich mich, wenn mich Gott nicht bewahrt hatte, sicher erschlagen hätte. Und als ich auf die Erde auffiel, zogen sie die Leintücher in die Höhe. Da lag ich einen Augenblick voll Sorgen und voll Leiden. Dann aber wurde das Herzweh so stark, daß ich laut aufschrie: »Oweh! Oweh! Mir immer weh! Oweh, daß ich je war geboren! Nun hab' ich Leib und Ehr verloren!« Dann sprang ich auf und rannte ohne Überlegung eine steile Riese bergab, auf ein tiefes Wasser zu. In dem wollte ich mich ertränken. War nicht mein Geselle schnell gekommen – ein elend End hätt' ich genommen.

Den hatte man rasch hinter mir herabgelassen. Als der meinen Aufschrei hörte, rannte er mir die Riese hin nach und packte mich, eben als ich den Sprung ins Wasser machen wollte. Er sprach: »Was soll das sein, mein lieber Herr und Freund? Wollt ihr euch selbst einen jämmerlichen Tod geben? Dann verliert ihr Leib und Seele dazu! Da wäret ihr besser ungeboren geblieben! Ihr seid doch ein so tapferer Mann und wollt nun eine solche Tat begehen!« »Ich muß Schluß machen – mein Leben muß ein Ende haben, da ich das süße Weib verloren habe. Ich will nicht länger leben.«

»Gerne sollt ihr leben,« widersprach er. »Eure Frowe hat mich geheißen, euch dies kleine Kissen zu bringen, auf dem manche Nacht ihre Wange gelegen ist. Sie hat gehofft, daß ihr heute Nacht bei ihr liegt, sie mit Liebe besieget. Nun will sie euch wenigstens so erfreuen. Weshalb wollt ihr also so handeln?« Als er so sprach, ich das Polsterlein sah, kam ich wieder ein wenig zu Sinnen. In großer Trauer setzte ich mich, sah den Getreuen weinend an, sagte: »Oweh – ich muß wohl gestehen, daß mir übel mitgespielt worden ist. Das süße Weib hat mich betrogen! Sie hieß mich auf ihre Treue bauen, daß sie mich nicht ganz herablassen werde, gab mir als Pfand ihre weiße, weiche Hand. Die nahm sie mir mit List. Das war nicht gut gehandelt.«

Da sprach mein Geselle: »Herr – ihr sollt freudig sein, ich sag euch, sie will euch ergötzen, euch so liebevoll grüßen, daß ihr mit ihr tun könnt, was ihr wollt. Doch solltet ihr nicht länger hierbleiben. Der Tag geht auf – es wird schon licht. Wir sollten nach dem jungen Knechte sehen, ob er noch bei den Pferden ist, ob man ihn erkannt hat. Ich fürchte, wir sind schon zu lange von ihm fort. Wenn ihn jemand dort sieht, ihn fragt, was er sucht, wem die Rosse gehören, die er pflegt – ihr seht ein, daß das Schaden bringen kann. Denn, weiß man einmal von den Pferden, so ist auch unsere Anwesenheit in der Gegend bekannt. Wir sind ganz sicher schon zu lange von ihm fort. Er weiß nicht, was mit uns geschehen ist. Er kann leicht glauben, daß wir verunglückt sind und ist auf und davon. Ich habe große Sorge deswegen. Er ahnt nicht, wie es um uns steht. Gehen wir zu ihm hin – das ist mein Rat.« Ich sprach: »Ich befolge ihn gerne, denn er scheint mir gut. Wir wollen schnell hingehen. Stehen unsere Pferde noch dort, so wollen wir bald wiederkehren, versuchen zu erfahren, ob meine Frowe mir noch gnädig gesinnt ist.« Da gingen wir rasch dorthin, wo wir die Pferde gelassen hatten. Die fanden wir wohl verborgen. Freudig sah mich der Knappe: »Viellieber Herr, willkommen,« sagte er, »ich habe mich arg gesorgt, fürchtete schon, es wäre euch was widerfahren.«

»Das möge Gott dir lohnen,« erwiderte ich. »Du hättest wohl auch Schaden gehabt, wäre ich zugrunde gegangen. Denn ich Hab' dich lieb wie einen Freund. Von den Knappen weiß sonst keiner von meiner Fahrt. Ich bin dir gut.«

Da sprach mein Fahrtgeselle: »Herr, ihr sollt klug sein! Ich darf euch nicht länger verschweigen, was euch eure Frowe entbietet; entschuldigt, daß ich euch heute morgen, als ihr mutlos wart, andere Dinge sprach, um euch zu beruhigen. Ich sag' euch, würde man erfahren, was ihr da tun wolltet, ihr würdet an Ansehen mächtig verlieren. Seht vor, daß ihr so was nie mehr tut. Das Benehmen war unmännlich. Allerdings – so große Untat geschah wohl noch niemanden und es freut mich, daß es niemand sah.« Da antwortete ich: »Freund – du sollst mir die nackte Wahrheit sagen. Was ist's, das du mir künden sollst? Verschweig's mir nicht länger. Sag's mir bei deiner Treue. Du darfst nicht fürchten, daß ich jetzt die Tat begehe, die mir in meinen Schmerzen nahe lag.« »Sie läßt euch sagen, daß ihr in zwanzig Tagen kommen sollt. Da will sie euch so empfangen, daß ihr dessen froh werdet, will euch angehören. Nur ungern hat sie euch diesmal so von dannen gelassen. Doch war unter den Frauen eine, der sie nicht völlig vertraut. Wäre die nicht gewesen, es wäre anders gekommen.. Die fährt nun weg und da sollt ihr wiederkehren. Zehn Tage werdet ihr bleiben können und sie wird euch von Herzen empfangen.« »Wollte Gott, du sprächst die Wahrheit. Aber nun sag mir, wo soll ich mich die Zeit über aufhalten?«

»Reitet,« meinte er, »Herr, den geraden Weg nach Liechtenstein! Dort weiß niemand, wo ihr hingeraten seid, und es ist daher gut, euch dort zu zeigen.«

So ritt ich denn eilends gegen Liechtenstein, wo ich mein Gesinde gelassen hatte. Freudig grüßte es mich und sagte: »Wir sind froh, euch wieder zu sehen. Niemand wußte, wo ihr hingeraten seid.«

Drei Tage blieb ich zu Hause, ritt dann gegen Österreich in das Land. Denn in St. Polten sollte ein Turnier stattfinden und an dem sollte ich mit fünf Freunden teilnehmen.

Mit mir ritt auch mein Bote.

Als ich so die Straße zog, kam wieder die tiefe, leidvolle Sehnsucht über mich. Da sprach ich zu meinem Boten: »Es wäre mir lieb, wenn du so gütig sein wolltest, nicht länger bei mir zu bleiben, sondern meine Frowe aufzusuchen. Von Herzen bitt' ich dich darum. Erfahre von ihr ihre Gesinnung gegen mich, ob sie mir gram oder hold sei. Wie soll ich heimlich zu ihr fahren und dann dort verweilen? Dies alles sollst du, viellieber Freund, mir erkunden.«

»Euretwegen fahre ich nochmals hin. Gott mache es zu eurem Glücke, daß ich sie wohlgemut finde. Denn gerne würde ich euch die Botschaft bringen, daß sie euch noch immer wohlgesinnt ist. In einigen Tagen kehre ich zurück. Ihr aber seiet bei dem Turniere guter Dinge. Sie erfährt sicher, was ihr da tut.«

So ritt er denn von mir, so lange, bis er meine Frowe fand. Als sie ihn sah, sprach sie: »Freund, deine Ankunft freut mich! Bei deiner Treue mußt du mir nun sagen, wie sich dein Herr befindet und mir nichts verschweigen.«

Da sprach mein Bote: »Fraue, wollt ihr ihm gnädig sein, so wird er sicher hochgemut. Ich aber wage es euch zu sagen, daß ihr, bei Gott, übel an ihm handelt. Denn ich habe noch nie einen Ritter gesehen, der es so gut meinte. Ich sag euch, wie es ihm erging, wie ihn sein Leid fast um den Verstand brachte. Als er von hier geschieden und man mich herabgelassen hatte, hörte ich, wie er laut Oweh! Oweh! aufschrie. Ich lief hinter ihm den Berg hinab – da fand ich ihn nicht bei Sinnen. Das war eine jammernswerte Not. Im Wasser da unten wollte er sich ertränken. Wäre es mir nicht gelungen, ihn geschickt auf andere Gedanken zu bringen, er hätte den Tod gesucht. Ich sagte ihm von euch eine gute Nachricht – die gab ihm seine Kraft wieder. Ich sagte ihm auch, daß er des Nachts zu euch kommen solle und daß ihr ihm angehören werdet. Das brachte ihn zu sich. Dann gab ich ihm euer kleines Kissen, und als er das sah, meinte er, alles was ich sagte, sei die lautere Wahrheit. Ich riet ihm dann, zu den Pferden zu gehen, die wir wohl verborgen fanden. Und als wir bei dem Knappen waren, sagte ich ihm von euch, Fraue, daß er euch in zwanzig Tagen sehen werde. Ferner sagte ich ihm, daß es euch von Herzen leid tue, ihn so weggelassen zu haben. Das wäre deshalb geschehen, weil eine Dame bei euch weilte, deren Treue ihr nicht sicher wart. Die sollte aber jetzt heimfahren. So hab ich ihm was vorgelogen, da ich fürchtete, der edle Mann werde sich selbst etwas antun, wodurch er in Ewigkeit in Schuld geraten wäre. Und ich sage euch die Wahrheit – seid ihr gegen ihn nicht gnädig, so verliert er noch den Verstand. Seine Treue gegen euch ist so wie am ersten Tage. Er hat mich neuerlich zu euch gesendet, da er in dem Wahne lebt, daß meine Worte die Wahrheit sprachen. In einigen Tagen soll ich ihn treffen und ihm euren Willen sagen. Ich finde ihn in St. Polten, wo er beim Turniere euch dienen will.« Da antwortete sie: »Er hätte lieber froh, statt traurig sein sollen. So töricht ich auch bin, so weiß ich doch wohl, daß ein Ritter von der traurigen Gestalt nie eine stolze Frau erringen wird. Und nun erzähle ich, Freund, was hier geschehen ist. Als Herr Ulrich so auf seine Zucht vergaß, daß er laut Oweh! Oweh! aufschrie, hörte ihn der Wächter am Turme, der erschreckt herabstieg und in der Burg erzählte, er hätte den Teufel gehört. Man fragte ihn, wie und wo? Da sprach er: »Seht bei der Mauer dort hörte ich ihn laut schreien Oweh! Oweh! Oweh! mir heut und jederzeit. Dann fuhr er die Riese so bergab, daß ich davon erschrak. Und da erblickte ich auch noch einen Gefährten. Der fuhr die Riese so, daß ihm die Steine nachpolterten. Ich weiß nicht, warum er es so eilig hatte. Ich empfahl meine Seele Gott – schlug ein Kreuz – aber ich kann euch sagen – so bin ich mein ganzes Leben noch nie erschrocken. Wie behagt dir das nun, Geselle, daß dein Herr also fährt? – Wenn ein Ritter so handelt, so ist er nicht gar männlich gesinnt! Wie paßt es für einen Ritter, zu klagen wie ein krankes Weib? Würde man das von ihm erfahren, so verlöre er seine Ehre ganz.« Da sprach der Bote: »Fraue, ich muß es wieder sagen, daß es ihm hier übel ergangen ist! Er war so verstört, daß ihm sein Leben gar nichts wert schien. Tot läge er, hätte ich ihn nicht mit süßen Worten getröstet. Er sehnt sich nach eurer Minne, wie ich es noch niemals sah. Ich weiß, daß wenn ihr ihm nicht bald gnädig seid, sein Leben nicht mehr lange währen wird.« »Bote, nun sag es dem Herren dein, will er verdienen die Minne mein, so muß er meinetwegen die Fahrt über das Meer machen. Wenn ihn Gott bewahrt, so daß er zurückkehrt, so geb ich ihm so viel Liebesglück, daß er sich nicht nur reich dünkt, sondern es wirklich ist. Du weißt gar wohl, daß ich seinen Dienst bis nun gar nicht annehmen wollte. Macht er die Fahrt, so rechne ich sie ihm als Dienst und lohne sie ihm mit meinem Leib, wie noch nie ein Ritter von seiner Frowe gelohnt ward. Sag ihm also, daß, wenn er die Fahrt mir zu Ehren besteht, er mich verdient hat.«

»Ich sag ihm, Fraue, euren Willen und weiß schon jetzt, daß er ihm nachkommt. Denn er hat mir gesagt, es könne ihm nichts lieberes geschehen, als daß ihr einen Dienst von ihm verlangt.«

Da schied mein Bote und fand mich zu Wasserberg, wohin ich nach dem Turniere geritten. Als der kam, nahm ich ihn mit mir in ein entlegenes Gemach und bat ihn um Nachricht. Der sprach: »Ich soll euch sagen, daß ihr euch den Minnesold noch nicht verdient habt. Ihr müßt ihr zuliebe noch eine Fahrt tun und wenn ihr von der zurückkehrt, so lohnt sie es euch nach eurem Wunsche. Die Fahrt soll ins gelobte Land gehen – und die edle Frau gibt euch dann zum Lohne ihren Leib.«

»Ich mache die Fahrt und was sie sonst noch von mir begehrt. Wenn sie mir darnach nur ihre Güte beweist. Ich diene ihr, wie sie will. Da ist keine Fahrt so lang, so schwierig, daß ich sie nicht unternehmen würde, um ihren Dank zu erringen.«

Der Bote erwiderte: »Mir gefällt die Fahrt nicht! Ihr müßt über das Meer und da könntet ihr leicht zugrunde gehen; und das ist dann die allergrößte Not, daß ihr die Seele auf immer verloren habt. Denn diese Fahrt soll man bloß Gott zu Ehren tun, der auch den Lohn gibt. Wenn man sie eines Weibes wegen fährt, und dabei das Leben verliert, so muß die Seele unselig werden. Das möget ihr, Herr, wohl bedenken.«

Da sprach ich: »Freund, Gott ist so gut, so voll Erbarmen und Liebe, daß er sicherlich nicht grollt, wenn einer einem Weibe von Herzen gut ist. Ists doch sein Wille, daß man bereit sein soll, den Frauen zu dienen. Also wird mir Gott Seele und Leib bewahren. Ich werde die Fahrt unternehmen, weil meine Frowe sie mir aufgetragen hat. Ich wäre furchtsam, wenn ich nicht dazu bereit wäre. Ich hab ihr meine Jahre ohne jeden Dank gedient. Würde ich jetzt den Dienst ausschlagen, den sie mir aufträgt, so müßte ich völlig mutlos sein.«

»Wenn ihr also nicht von der Fahrt ablassen wollt, wie ich es euch geraten, so melde ich ihr das bald. Ich bringe ihr die Botschaft willig, denn ich weiß, daß sie sie gerne hören und Freude haben wird.«

»Da du sagst, daß sie es gerne hören wird, so will ich auch, wenn du es mir ratest, zu der Botschaft ein kleines Büchlein dichten, in dem ich ihr sage, daß ich ihretwegen die Fahrt mit Freude unternehme.«

»Ich rat es euch sogar, Herr. Zu Frauen soll man süß sprechen. Wer gute Worte findet, der mag ihre Huld wohl erringen. Ja – ich hörte die Weisen sagen: – Mit stäter Treu und süßem Wort, gewinnt man die Frauen allerort.«

Mit dem schied ich vom Boten und dichtete schöne neue Lieder und ein Büchlein, in dem ich ihr meinen Entschluß wegen der Fahrt mitteilte. Nie ward noch ein Buch so liebevoll gedichtet als dies, das ich meiner Frowe sendete.

Mit Lied und Buch ritt der Bote zu meiner lieben Frowe, die ihn willkommen hieß, fragte: »Nun sag, will dein Herr den Lohn erringen, den ich ihm für die Fahrt gesetzt habe?« »Er hat mich zu euch gesendet, Fraue. Es ist sein Wunsch, euch zu dienen. Er ist zur Fahrt bereit, Und freut sich derselben. Er hat mir für euch ein Büchlein gegeben und auch manch neues gutes Lied. Er bat mich, euch dies zu überreichen. Das Büchlein kündet, daß er zur Fahrt bereit ist.« Lied und Büchel nahm und las sie.

Als sie Lied und Büchlein gelesen, ging sie zum Boten und sprach: »Von Herzen will ich immer deinem Herren dankbar sein, daß er gegen mich so gemut ist und freudig tut, um was ich ihn bitte. Ich lohn's ihm, wie ich's lohnen soll. Bitte ihn, daß er sich auf die Fahrt wohl vorbereite, damit er, wenn ich sie ihm ansage, alles bedacht habe. Ich will ihn aber noch vorher, wenn es nur irgendwie möglich ist, selbst sehen. Darüber kann er ohne Sorgen sein. Sag es ihm bei meiner Weibheit. Auch soll er dich nicht mehr so oft mit Botschaft hersenden. Ich fürchte, man merkt es schon, daß ich so viel mit dir rede. Das soll er bedenken und es lieber lassen. Wenn die Zeit kommt, zu der ich ihn sehen kann, lasse ich es ihn wissen.«

So schied der Bote – der fand mich aber nicht dort, wo er mich gelassen hatte, sondern zu Wien. Dorthin war ich zur Zerstreuung geritten, besuchte manch schönes Weib, manche schöne Frau, deren Anblick mir im Herzensgrunde wohl tat. Freudig begrüßte ich meinen Boten, der mir seinen Auftrag ausrichtete. Ich war zu allem bereit und freute mich, die Frowe noch einmal zu sehen. So schied ich frohgemut von Wien, ritt auf Besuche durch das Land, sah schöne Frauen, und als der Winter schied, sang ich das folgende Lied:

Jetzt ist des Maien hohe Zeit,
Reich an Freuden, reich an aller Seligkeit,
Die den Freudelosen leiht
Trost fürs Trauern, Trost und Rat gegen sehnend Leid.
Herzensliebe Frowe sprich!
Du alleine bist mein Maie, sag, wie willst du trösten mich?

Schaue, selig Frowe mein.
Wie der Maie sein Gesinde trösten kann.
Soll ich dabei traurig sein?
Nein! O Frowe, freu mich freudenarmen Mann,
Tu mir, wie' der Maie tut!
Der gibt Trostes viel den Seinen, dadurch freudenreichen Mut.

Selig Frowe, selig Weib,
Freude, Wonnetrost und Glück der Tage,
Deinen Trost, den hat mein Leib
Lange schon erfleht, mit sehnsuchtsvoller Klage.
Wann naht mir der Freudenschein?
Wann willst du, selig Frowe, freuen das arme Herze mein?

Wenn ich auch schon nicht genießen kann
Deine Güte und die lange Treue mein,
So laß mich so sehnsuchtsvollen Mann
Die genießen, denen ich durch den Willen dein,
Soll und muß stets dienen viel.
Das sind alle guten Frauen, deren Leib ich immer ehren will.

Guter Frauen milden Sinn
Und die Güt', die Gnadenwunder tut,
Lege ich als Vorbild hin
Deinem Mute, daß er mir noch werde gut.
Weibes Güte erzeige an mir.
Daß all ihre Güte, all ihr Wünschen müsse danken dir!

Dieses Lied kam, wie ich weiß, meiner Frowe zu Ohren. Den Sommer hielts mich selten länger als drei Tage an einem Ort. Man sah mich da, man sah mich dort, wo es eben Turniere und Ritterspiele gab. Es ward diesen Sommer viel turniert. Und so band ich oft den Helm auf, brach Schäfte zu Ehren meiner Frowe, bis der Winter wiederkam und das Turnieren sein Ende fand.

Da dachte ich: »Lieber Gott, wann soll es denn sein, daß mir meine Herrin eine Botschaft sendet? Wie soll ich ihre Gesinnung gegen mich erfahren? Wolle der Himmel, daß sie mir bald eine Nachricht sende. Traurig bin ich und unmutig, daß ich ihr meinen Boten nicht senden darf. Aber dennoch will ich ihr Lob singen.«

Als die Süße dies Lied vernahm, Güte in ihr Herze kam. Sie dachte: Fürwahr, ich muß ihn sehen, wenn es mit Züchten kann geschehen. So sehnend soll er nicht länger leben, hohen Mut will ich ihm geben. Er hat gedienet mir so viel, daß ichs ihm gerne lohnen will.

Sie sendete um einen Boten und schickte ihn mit einer Botschaft, die mir ihren Willen sagte. Mehr kann und will ich davon nicht erzählen. Die Gute erließ mir die Fahrt, sah mich gerne im Lande. So nahm mein Leid ein Ende – und als der Sommer wieder kam, war ich gar hochgemut. Eine lange Weise und eine Ausreise dichtete ich damals, denn in aller Heimlichkeit stand mein Mut all die Zeit gar hoch.

 

Eine Ausreise.

Will jemand in Ehren
Die Zeit wohl vertreiben.
Im Glücke verkehren.
In Freuden verbleiben,
Der diene mit Fleiß
In strahlender Treue
Um der Minne Preis.
Der ist süß, der ist rein
Voll Freud' und allein,
Edlen Herzen gemein.

Wer folget dem Schilde, der traget es schwer
Am Leibe, am Herzen; die Hand wird ihm leer;
Das lohnet gar hoch mit hohem Gewinne
Die vielliebe Minne.
Sie gibt Freude und Ehr.
Dank ihrer süßen Lehr
Kann sie trösten sehr.

Dem Dienste des Schildes ziemt kraftvolles Wagen;
Die Schand mit Gefolg nicht will ihm behagen.
Gott schütz ihn davor, daß man bei ihm finde
So schmählich Gesinde.
Er will, daß die Seinen
In Ehren erscheinen,
Keine Tugend beweinen.

Argsinn und Unfug und Roheit, die wilde,
Nicht ziemen dem Helme, nicht taugen dem Schilde.
Der Schild ist ein Dach, das Schand' nicht kann decken,
Sein Glanz muß erschrecken.
Die Feigen, die Weichen –
In Furcht sie erbleichen –
Mißfarb ist ihr Zeichen.

Hochsinnige Frauen, da sollt ihr nicht schwanken –
Getreuen Gesellen, in Treu ohne Wanken,
Den minnet, den liebet von Herzen, mit Mut.
Daß ihn eure Hut
Beschirme, behüte,
Mit Liebe und Güte
Frei von Unmut.

Ohn' meine Schuld ist mir ungnädig gesinnt.
Zu deren Ehren dem Schild ich gedient.
Nun hab ich gegen Zürnen und Herzensschwere
Keine andere Wehre,
Als den Trost allein
Daß die Liebe mein
Nicht größer kann sein.

Ihrem Haß widersetz ich meine Geduld;
So hilft mir im Kampf meine Lieb bar von Schuld.
Meine Wehr gegen die Falschheit soll sein meine Treue.
Gar süß ohne Reue.
Mein Kampfeskleid,
Gegen Niedrigkeit
Mir die Treue beut.

Mit meiner Ausreise ritt mancher Ritter hochgemut diesen Sommer. Turnieren war damals noch Ritterssitte, mit der man auch den Frauen diente. Viel wurde in den Landen da und dort turniert und ich habe bei keinem Turniere gefehlt. Ich war immer froh und hochgemut. Sommer und Winter ritt ich fröhlich umher.

Ein neues Lied sang ich zur Sommerszeit, wenn die Vögel im Wettstreit jubilieren und wenn der saftreiche Wald von grünem Laub ist wohlgestalt und wenn hat angelegt die Heid von lichter Farb ihr Sommerkleid, mit schönen Blumen reich durchstickt, und von des Taues Perl geschmückt.

Auch dieser Sommer verging mit Ritterschaft und Ritterspiel. Wieder wurde viel turniert, wieder diente ich ritterlich meiner Frowe, und als die Winterszeit nahte, sang ich ein Lied zu ihren Ehren. Das Lied mußte allen Frohgemuten gefallen.

Wie ich diesen Winter meiner Frowe diente, wie ich in trüben Tagen durch sie froh wurde – wenn ich euch all dies sagen wollte, so würde euch die Rede zu lang werden. Deshalb ich es lieber für mich behalte.

Auf eine meiner Weisen wurde gar viel getanzt. Ein hochgemuter Mann, der ein guter Tänzer ist, mag wohl holden Gruß von den Frauen erlangen.

Wieder war der Sommer reich an Freuden, mit Ritterschaft erfüllt, so daß ein jeder Speer, den man zu kaufen erhielt, zerbrochen wurde.

Diesen Sommer tat mir meine Frowe ein übel Ding an. Könnte ich es sagen, so würden die Edlen mir helfen klagen, daß eine so vornehme Frau derart gegen ihren Freund handeln konnte. Sie tat mir so schweres Leid, daß ich noch heute an ihm trage. Als uns also der Herbstreif den grünen Wald verdarb, und die Heide ihr Kleid verlor, das der Mai ihr gegeben; als der Sommer vergangen war, vor dem Winter flüchtend von uns schied, sang ich ein Klagelied:

 

Ein Tanzwîse.

Ihr edlen Frauen, ihr so reinen minniglichen Weib –
Bei euch klag ich an, meiner hehren Frowe Leib.
Die hat mich so beraubet der Freuden in allen meinen Tagen,
Daß ich durch ihre Schulden muß immer stärker klagen.

Ich klage, daß sie meinen Dienst noch immer nicht kennen will,
Trotzdem ich ihr in Treuen gedienet habe viel.
Daß sie so hohes Lob von vielen Zungen fand.
Da half mein Dienst dabei! – Doch sie es nicht verstand.

Mord und Raub, der beiden klag ich an die Frowe mein.
Es ist ein Mord, es ist ein Raub (was könnt es anders sein),
Daß sie mich hohen Mutes ohn' Fehdebrief überfällt,
Dadurch dem Herzen mein all seine Freud' vergällt.

Die Räuberin hat mir so hohen Raub genommen,
Der schwer in seiner Ganz, zu mir wird wieder kommen.
Vergütet sie auch die Freude, die sie wohl vergüten mag.
So hab ich doch verloren dabei manch schönen Tag.

Ich hab von ihr erlitten, mehr Schmerzen als ich sage.
Und sehnsuchtsvolle Leiden, die ich in Tugend trage.
Oweh, soll nur zum Schaden die worden sein geboren,
Die ich statt jedes Weibes, zur Liebsten hab' erkoren?

Wenn ich auch noch will schweigen, aus Zucht und Liebeswahn,
So sollt ihr mir doch glauben, so hat sie an mir getan,
Daß, wenn ich klagen wollte euch meine Herzensnot,
Vielleicht auch ihre Wang' vom Schämen würde rot.

Und wollt es jemand schlichten, das würd' mehr freuen mich
Als daß ein schlimmer Zorn gegen sie beschwere mich.
So daß von ihr Ungut ich sprach vielleicht in meinen Wehen –
Denn was sie mir dann noch täte, so war es doch geschehen.

Als meine Frowe dies Lied hörte, tat sie, was ich noch immer beklagen muß und doch niemanden sagen kann, mir noch heute im Grunde meines Herzens weh tut. Oweh, daß ich je in meinem Zorn gegen sie sprach, was mir mancher Mund verweisen wird, dem nicht recht bekannt ist, welche Missetat sie gegen mich beging. Da sie diese üble Tat nicht bedauerte, schied ich aus ihrem Dienste. Wer Dienste tut, die man nicht lohnen will, der ist ein törichter Mann. So war mein Dienst an ihr verloren. Ich aber sang voll Zorn:

 

Eine Tanzweise.

Oweh! Oweh! Verloren ich han,
Was ich nicht vergessen kann
Jemals mehr!
Freude und meine besten Tage
Sind dahin mit sehnender Klage.
Ach – Oweh!
Soll mein Leben
Klagenden Sorgen sein ergeben?
Solche Not
Ist der Tod.

Wo mein Dienst war bereit
Mit gar reiner Stätigkeit
Meine Tage –
Da gibts leider Lohnes nicht.
Noch auch auf solchen Zuversicht.
Weh der Klage
Und Oweh!

Hätt ich doch noch Wahn wie eh'
So möcht ich.
Freuen mich.
Als ihre Güte sie an mir bewies,
Daß sie mich ihr dienen ließ
Meine Zeit,
Da mußt' ich fürwahr gestehen,
Daß mir wäre wohl geschehen
Ohne Streit.
Nun ist so krank
Ihr Lohn und auch ihr Dank
Daß er mir
Schadet und ihr.

Mich schmerzet, daß ich meine Jahr
Hab vertan also gar
Um ein Weib,
Das mir nicht mal einen Tag
Völliglich vergüten mag,
Seit ihr Leib
Und ihr Mut
Nicht wie einstens sind so gut.
Als sie mich
Bracht' an sich.

Sie war sicherlich auch gut,
Voller Schönheit wohlgemut
Als ich mir
Nahm zum Ziel den holden Leib.
Dem dient ich statt andrem Weib,
Ihr zur Zier,
Daß ihr Nam'
Zu Ehren kam.
Doch ihr Dank
Ist nur zu krank.

Mit diesem Liede tat ich kund, daß ich aus ihrem Dienste geschieden sei. Oweh, daß sie die Untat beging, deretwegen ich sie verließ und daß ich übles von ihr sprach. Ich weiß wohl, daß edle Frauen mir nicht grollen werden, wenn ich von meiner Frowe übles sage. Könnt' ich es verschweigen, so tat ich es. Aber sie hat es selbst gewollt. Ihre Untat machte mir solchen Schmerz, daß ich es nicht tragen konnte. Ich mußte davon singen und sprechen.

Dies Lied wurde viel gesungen. Als es die Wandelbare vernahm, sank ihr Hochmut. Sie zürnte und war verstimmt; daß ich so von ihr gesungen hatte, schmerzte sie. Darnach aber geschah noch mehr. Gegen den Winter sang ich eine Tanzweise, gerade von der rechten Länge. Die handelte von der Stätigkeit.

 

Eine Tanzweise.

Treue ist all der Welt eine Ehr',
Wohl dem, der sie Übt zu jeder Zeit,
Sie ist für alle Tugend eine Lehr',
Die Krone aller Würdigkeit.
Wenn die Stäte bei ihr steht.
Was bedarf's der Tugenden mehr.
Der, der diese beiden hat?

Daß jemand die Tugenden scheide.
Dies will rechte Minne nicht.
Minne will sie haben beide.
Sie hat beid' in stäter Pflicht.
Es sei Schaden oder Gewinn,
Es sei lieb oder es sei leide –
Sie kommt nicht los von ihn'n.

Minne nirgends sich erhaltet
Ohne Treu und stäten Mut.
Wer sie nicht beisammen haltet,
Wie's so mancher Falscher tut.
Dann ist Minne nie dabei.
Unfug treibet, wer so waltet,
Saget, daß das Minne sei.

Dabei merk' ich, daß die Hehre –
Der ich lang gedienet han
Doch nun diene nimmermehre, –
Treu an mich nicht wenden kann.
Hätt' sie Treue erzeiget mir,
Wärs 'ne wundersame Märe –
Da die Treue fremd ist ihr.

Minne hat an sie mich bunden,
Ließ sie ganz von Banden frei.
Das hab ich zu Leid empfunden.
Wer in solchen Banden sei
Der rette rasch aus ihnen sich.
Ich habe mich dem Strick entwunden
Allzu spät: Darob klage ich.

Das Lied dünkte manchen gut und machte doch gar ungemut jene, die einst meine Frowe hieß. Doch das focht mich nicht an.

Und ich sang ein Lied mit hohen und schnellen Noten nach einer ganz neuen Weise. Mancher Spielmann sagte mir darob Dank.

 

Dies ist der Leich: Eine Art Lied.

Gott füge mir es gute,
Ich bin noch in dem Mute,
Daß ich will bei guten Weiben
Mit Dienst ohne Falsch immer bleiben.
Dafür weiß ich einen Rat,
Der allen hochgemuten Mannen die Kraft einer Tugend hat:
Ich rat' euch, Ehre gehrender Mann
In Treuen, so gut wie ich es kann.
Wollt ihr dauernde Freude han.
So seid den Frauen Untertan
In Treuen, ohne falschen Mut.
Ihre Gut' ist also rechte gut.
Wer ihnen mit Treue Dienste tut,

Den können sie wohl machen froh.
Der Welten Heil an ihnen liegt:
Ihre Güt' ist hohe Zeit der Freud,
Ihre Schönheit so viel Freuden leiht,
Daß davon die Herzen steigen hoh.
Würdigkeit
Ohne Leid
Können sie wohl Freunden geben.
Wer besitzt
So viel Witz
Der soll nach ihrer Huld kühn streben.
Ihnen zinsen all sein Leben:
Das rat ich bei der Treue mein.
Wer will an Ehren selig sein.
Und reich an hohem Mut',
Der soll mit Treue gutes Weib,
Lieben wie den eigenen Leib.
Ein Gut vor jedem andren Gut
Ist der Weiber Güte und ihre Schönheit schöner als alles Schöne.
Ihre Schönheit, ihre Güte, ihre Würdigkeit ich immer gerne kröne.
Auf ihrer Schönheit und auf ihrer Güte ruhen Heil und Wonne mein.
Wär' guter Frauen Schönheit nicht, gar selten möcht mir sein
Irgend ein Ehren zehrender Mut.
Wohl mir, daß sie sind also gut.
Daß man hat von ihrer Güte
So hohen Trost für sehnend Leid!
Ihre Schönheit, ihre Güte, ihre Würdigkeit,
Gibt mir gar hoch Gemüte.
Mein Mut steht hoch nach Weibes Gnad.
Was macht es, daß die eine hat
Verübt gegen mich 'ne Missetat?
Fürwahr, dafür kann werden Rat,
Was sie mir einst hat angetan.
Das will ich gerne wissen lan
Mit Zucht, wie ich es eben kann,
Auf ihre Gnad' 'nem guten Weib.
Ich hab ihr zehn und noch drei Jahr
Gedienet ohne Wanken gar.
Bei meiner Treue, es ist wahr.
Daß in der Zeit mein sehnender Leib
Nie gewann
Solchen Wahn,
Von dem meine Stäte würde krank.
All meine Gier,
Gehörte ihr,
Schlicht, mit Treue ohne Wank.
Nun fährt einher ihr Habedank.
Der dreht herum sich wie ein Rad
Oder wie ein Marder, den man hat
An eine Lein' gebunden.
Könnt ich, wie sie, unstätig sein,
So hätt' ich nach dem Willen mein
An ihr eine Frau gefunden.
Eh' daß ich meine Stäte brach', die ich hab gegen gute Weiben,
Wollt' ich der Falschen Huld lieber immer frei bleiben.
Ich muß in der stäten Frauen Dienst ohne Lohn verderben,
Oder ich muß ihrer stäten Herzen Liebe also erwerben.
Daß mich dann träfe niemals Wank.
Von ihnen. Ihren hohen Dank,
Vermag ich den zu erringen.
So hab ich alles, was ich will,
Süße Augenweide, Herzensspiel,
Viel Wonne an allen Dingen.
Nun, was bedarf mein sehnender Leib
Der Gedanken mehr, wenn ich ein Weib
Zur Frowe finde so gemut.
Daß sie vor Nachred' sich hat behut
Und immer nur das Beste tut?
Der soll mein Dienst gerne sein bereit.
Immer mehr
Nach meiner Gehr
Ohne Falsch mit Stätigkeit.
Davon wird mir Würdigkeit.
Und also freudenreicher Sinn,
Daß ich versorget immer bin.
Mit allen diesen Dingen.
Find ich sie, so soll ich so ritterlich nach ihrer Huld da ringen,
Daß mir von ihrer Stätigkeit mein Lied muß fröhlich klingen.
Sie muß aber, auf die Treue mein,
Ganz frei vom Wankelmute sein,
Denn nicht mehr laß ich mich zwingen
Oder in Kummer bringen.
Dann hört mich keiner mehr eines falschen Weibes Lob sprechen oder singen.

Der Leich war gut zum Singen. Manche schöne Frau las ihn gerne, da er von ihrer Würdigkeit sprach. Zur gleichen Zeit sang ich auch eine Tanzweise.

Als ich dies Lied gesungen hatte, traf ich eine Frau, der man viel Tugend nachsagte. Die bat mich, zu Ehren der guten Frauen, von meinem Zorne gegen die, die einst meine Herrin gewesen, zu lassen. Da ließ ich es sein, schalt sie nicht mehr, diente ihr aber auch nicht weiter. Vom Frauenlobe aber hörte ich doch nicht auf.

 

Ein Tanzwîse.

In dem wonnesüßen Maien,
Wenn der Wald gekleidet steht,
Sieht man wandeln oft zu zweien
Deren Sinn nach Liebe geht.
Sie sind miteinander froh –
Das ist recht; die Zeit will's so.

Wo sich Lieb zu Liebe findet.
Hohen Mut die Liebe leiht.
In der beiden Herzen grünet
Es mit Freuden alle Zeit.
Wo man Lieb bei Liebe sieht,
Trauer von dort weit entflieht.

Doch wo Zwei einander meinen lieben
Herzelichen, ohne Wank,
Und sich beide so vereinen,
Daß ihr Lieb ist ohne krank,
So hat sie Gott zusammengegeben
Auf ein wonnigliches Leben.

Stäte Liebe heißet Minne!
Liebe, Minne sind mir Ein.
Die kann ich in meinem Sinne
Nicht recht bilden um zu Zweien.
Liebe muß mir Minne sein.
Immer in dem Herzen mein.

Wo ein stätes Herze findet
Stäte Liebe, stäten Mut,
Da von selbst sein Trauern schwindet.
State Liebe ist also gut.
Daß sie stäte Freude leiht
Stätem Herzen jederzeit.

Könnt' ich stäte Liebe finden,
Der wollt ich so treue sein.
Daß ich damit überwinden
Wollte gar die Sorge mein.
Stäte Liebe mag ich gern.
Und unstäte gern entbehr'n.

So war ich frei, und sang zur Sommerszeit, als Berg und Tal geziert waren, der Wald ein grünes Dach hatte, einen fröhlichen Reihen mit süßen, tönenden Worten.

Als der Reigen gesungen ward und der Sommer ein Ende nahm, kam ich dorthin, wo ich die Fraue fand, die mir das Versprechen abgenommen, meine frühere Herrin nicht mehr zu schelten. In Züchten saßen wir zusammen, ich ritt mit ihr aus, wir scherzten und als ich von dort schied, dichtete ich das folgende Lied:

 

Eine Tanzweise.

»Fraue schöne, Fraue rein,
Fraue selig, Fraue gut.
Ich glaub: Euch die Minne klein
Wenig sorgt. Drum seid ihr hochgemut.
Wird erst der Minne Zwang euch kund –
Euer kleiner roter Mund
Lernet seufzen zu der Stund!«

»Herre sagt mir, was ist Minne?
Ist sie Weib oder ist sie Mann?
Dessen ward ich noch niemals inne
Saget an, wie ist's getan?
Das sollt ihr mir künden gar,
Was sie sei und wie sie fahr.
Daß ich mich vor ihr bewahr.«

»Frau, die Minn' ist so gewaltig,
Daß ihr dienet alles Land:
Ihr' Gewalt ist mannigfaltig.
Nun mach ich ihre Sitt' bekannt.
Sie ist übel, sie ist gut,
Wohl und weh – sie beides tut:
Seht, also ist sie gemut.«

»Herre, kann die Minne wenden
Trauern und auch sehnend Leid,
Hohen Mut in Herzen senden,
Fügen Zucht und Würdigkeit?
Hat sie dazu die Gewalt,
Wie's aus euren Reden hallt,
Ist ihr Glück gar mannigfalt.«

»Frowe, ich will euch von ihr mehr
Sagen. Ihr Lohn ist wonniglich:
Sie gibt Freude, sie gibt Ehr,
Und ihr Mut ist tugendlich.
Augenwonne, Herzensspiel,
Gibt sie, wem sie lohnen will.
Dazu hoher Wonnen viel.«

»Herre, wie soll ich erreichen
Ihren Lohn und Habedank?
Sollt' ich da von Sorg erbleichen
Müssen, war mein Leib zu krank.
Leides kann ich nicht ertragen –
Wie soll ich ihren Lohn erjagen?
Herre, das sollt ihr mir sagen.«

»Holde Frowe, du sollst mich meinen
Tief von Herzen, wie ich dich.
Und uns beide so vereinen
Daß wir beide sind ein Ich.
Wie du mein, so bin ich dein!«
»Herre, das kann wohl nicht sein.
Bleibt nur euer – ich bleib mein.«

Sinnreich war dies Lied. – Manchen schien es ausgelassen. Nun ging es wieder dem Sommer zu. Früh und spät hörte man die Vöglein singen. Und da zwang mich Weibesgüte auch zum Gesange.

Dann aber widerfuhr mir eine Sache, die mich nicht nur hochgemut machte, sondern auch hochgemut erhielt.

Was das war, das will ich sagen.

Ich dachte für mich hin, daß man seine Jahre verschwendet, wenn man nicht einer Fraue dient – daß damals, als ich einer Herrin diente, meine Seele stolz und hochgemut war, daß meine Zeit in Freuden verging, es daher gut wäre, eine Frowe zu wählen. Als ich das so bedachte, mir überlegte, wer die sein könnte, der ich meinen Dienst widmen sollte, fielen mir nacheinander all jene ein, die ich in den verschiedenen Ländern gesehen hatte. Da erinnerte ich mich einer – die war schön, gütig, von edlen Gebärden und guten Sitten, keusch, kühn und von anmutiger Gestalt. Und so viel ich auch noch grübelte – ich fand keine, die der irgendwie überlegen gewesen wäre. Und so nahm ich sie denn zur Frowen in mein Herz auf, ritt bald zu ihr und tat ihr meinen Entschluß kund. Was sie mir antwortete, das sag ich euch nicht. Aber ich verließ sie hochgemut und sang das folgende Lied.

 

Ein Tanzwîse.

Hoher Mut, nun sei empfangen
In meinem Herzen tausend Stund!
Von niemand laß ich dich belangen.
Du bist mir ein zu guter Fund.
All meine Freude war zergangen:
Das Trauern hat mir die genommen:
Die ist mit dir mir wieder kommen.

Hoher Mut, wo ich dich hab' gefunden.
Dorthin neig' ich mich immer mehr.
Denn mit dir hab ich verwunden
Trauern, das mir tat gar schwer.
Das ist mir durch dich verschwunden.
Wohl mir, wohl mir, daß ich dich je
Wieder in meinem gehrenden Herzen seh.

Hoher Mut, dich hat gesendet
Mir ein Weib, das Ehre hat.
An die hab ich mich gewendet,
Und dies war der Minne Rat.
Unter Schilden Speer verschwendet
Werden für sie durch meine Hand,
Die dich zu mir her hat gesandt.

Hoher Mut, du und die Minne,
Sollt mir helfen dienen ihr
Ohne Falsch mit reinem Sinne:
So mag's wohl gelingen mir.
Wird sie meiner Treue inne.
So tut mir viel Freuden kund,
Ihr kleiner heißer süßer Mund.

Hoher Mut, nach deiner Lehre
Will ich werben um ihren Leib.
Sie hat Schönheit, sie hat Ehre,
Ist ein reines, süßes Weib,
Hoch geboren, gar sanft und hehre,
Gut, auch kühn in rechter Weis:
Der Gestalt gebühret Preis.

Hoher Mut, du sollst nicht allein
Vogt in meinem Herzen sein:
Mit dir hat die Stätt' gemein
Die viel liebe Herrin mein.
Sie ist gut und süß und rein,
Hat die Minne mit sich bracht,
Haben zum Hause sich mein Herz gemacht.

Hoher Mut, dem Herz gelinget
Es, zu werden wieder jung.
An die Brust es freudig springet
Hoch mit manchem frohem Sprung.
Werte Liebe drinnen singet,
Die mir selten lasset Ruh,
Wie mein Mut hoch stehen tu.

Dieses Lied machte ihr Freude. Es gefiel ihr, daß jeder Absatz mit den Worten: »Hoher Mut« begann, denn so etwas hatte sie noch nie gehört. Sie sprach: »Das Lied ist lieblich und meisterhaft gedichtet. Es läßt sich gut darnach tanzen und gibt den Herzen hohen Mut.«

Wie ich ihr noch weiter gedient habe, wie sie gütig gegen mich war, das will ich für mich behalten. Nur dies will ich sagen, daß ich ihr Lob zu allen Zeiten sang und ihre Worte mich oft froh gemacht haben. Oft konnte ich bei ihr sitzen, allerlei mit ihr sprechen. Froh war ich, sie zu sehen und sang ihr dies Lied zum Abschiede.

 

Ein Tanzwîse.

Da eine wirkliche Uebersetzung den Reiz der Reime zerstört hätte, habe ich an einigen Stellen die Worte des Liechtensteiners beibehalten und verweise auf die Anmerkungen. Hrsg.

Wisset, Frowe wohlgetan,
Daß ich auf Gnade han
Herz und Leib an euch verlan. verloren
Das riet mir ein lieber Wahn.
Auf seinen Rat hab's ich getan
Und will es nicht abegestan. davon nicht abkommen
Das laßt mir zu Gut ergan. zugut kommen

»Seid zum Dienst ihr mir bereit.
Tut ihr das um Lohn mit Recht,
So laßt mich erkennen das
Wie der Dienst wohl ist gestalt.
Dessen ich mich soll nehmen an,
Wie der Lohn geheißen sei,
Der euch soll von mir geschehen.«

Frowe, ich will in all meinen Tagen
So nach eurer Gnade jagen,
Daß es euch muß wohl behagen,
Den Mut durch euch hohe tragen
Und an Freuden nicht verzagen,
Euer Lob der Welten sagen.
Nach dem Lohn erst später fragen.

»Seid ihr froh, dazu bereit
Mir zum Dienste, wie ihr sprecht,
So frommt es euch selber baß, besser.
Daß mir selbst wohl tausendfalt
Hört mit Schmeicheln nur auf. Dann
Mir fehlt der Spiegel auch dabei
In welchem ich mein Leid soll sehen.« Die zweite und die vierte Strophe reimen sich zeilenweise.

Euer Lob so Inhalt hat
Daß es leicht zu Hofe gaht,
Besser als jeder Königsstaat,
Ohne Furcht allda bestaht.
»Lieber Herre, teurer Mann,
Eure Zung' ist allzu frei.
Das ist spotten, darf ichs sagen.«

Gar mancher verstand, wie es bei Toren oft geschieht, das Lied nicht. Der es verstand, der lobte es sehr. Sonderbar war es gedichtet, die Reime waren meisterlich gesetzt, die Weise konnte nicht besser sein.

[In dem Texte findet sich hier eine größere Lücke, deren Umfang verschieden berechnet wird. Jedenfalls ist sie ziemlich bedeutend, den wir finden nun Ulrich von Liechtenstein auf seiner zweiten Fahrt, die er als König Artus unternahm].


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