Ludwig Tieck
Hexensabbat
Ludwig Tieck

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Bei denen, die beständig leugneten, hatte man die Folter angewendet. Da sie gequält ebensowenig gestanden, fanden die Eiferer, das eigene Geständnis sei überflüssig, da die ganz zerknirschte Gertrud, sowie Armgart und Elsbeth, die sich völlig bekehrt hatten, mehr als genug freiwillig von allen jenen Verstockten aussagten, um von deren Mitschuld überzeugt sein zu können.

Als man nun endlich zum Urteilsspruch kam, waren viele der Meinung und zeigten, um diese zu verstärken, Briefe aus der Fremde vor, in denen ebenso geurteilt wurde: da, alles auch zugegeben und angenommen, was die Weiber in überreizten und verwirrten Zuständen von sich und andern ausgesagt haben, sie selbst, sowie ihre angeklagten Mitschuldigen doch weder Raub und Mord, noch Entheiligung der Hostie ausgeübt, oder irgend sonst ein todeswürdiges Verbrechen begangen, sondern von Phantasie, Neugier und Vorwitz verführt, vielmehr sich einer Versündigung hingegeben, für die in den Gesetzen noch keine Strafe ausdrücklich namhaft gemacht sei, da diese seltsame Begebenheit fast als die erste in ihrer Art betrachtet werden könne: so schiene es billig und gerecht, daß man einige mit Kirchenbuße, die Reicheren durch Geld zu bestrafen, allen aber aufzulegen habe, sich durch Fasten, Gebet und Wallfahrten nach heiligen Orten wieder zu reinigen, um als gesäuberte Glieder in die christliche Gemeinschaft wieder eintreten zu können.

Die Vernünftigeren unter den Richtern meinten die Sache dadurch entschieden zu sehn, und der Tollheit schon überflüssig nachgegeben zu haben. Der Bischof aber erhob sich in seinem frommen Eifer und rief: Nein, das soll unter uns hier nicht gesagt und gelehrt werden, daß dieser entsetzliche Abfall von Gott, dieses feierliche Verbündnis mit dem Satan, dieses Bekennen ketzerischer und ganz unchristlicher Lehren eine leichte und läßliche Sünde sei, die mit sanfter Strafe gebüßt werden könnte. Wahr ist es, wir hörten bis jetzt nur von diesem und jenem Magier, der sich dem Satan ergeben hatte, um abscheuliche Zwecke durchzusetzen, der durch diese oder jene Künste strebte, den Fürsten zu ermorden, den Feind des Landes zu begünstigen, sich am Gegner zu rächen, oder irgendeine vornehme Frau zur Gegenliebe zu nötigen. Meistenteils gebrauchten diese Bösewichter zu ihren verruchten Taten geweihte Hostien, um ihren Mord auszuüben. Diese Absicht weder, noch diese Entweihung hat sich aus den Bekenntnissen der hiesigen Sünder ergeben. Ich meine aber, sich gegen Gott und Christus aufzulehnen, seinem Bunde zu entsagen, und so schändlich des heiligen Sabbats zu spotten, wie es so oft auf diesem Hexensabbat geschah, sei Frevel, noch verruchter, als jene Entweihungen und Mordversuche. Freilich ist diese Sabbatfeier etwas Neues und Unerhörtes, aber unsre Nachkommen, die frommen Christen der künftigen Jahrhunderte müssen uns nicht eines frevlen Leichtsinnes bezüchtigen können. Furchtbar muß die Strafe, eindringlich die Warnung sein, damit die Bosheit geschreckt werde, die die Ermahnungen der Liebe nicht anhören will. Mein und unser aller hier Versammelten Stolz muß es sein, daß dieser Prozeß, die Untersuchung und das Wunder desselben, so wie es das erste große Beispiel eines so ungeheuren und verbreiteten Bündnisses ist, auch als ein Muster in der Führung, als ein Regulativ in der Bestrafung für alle künftige Zeiten dastehen muß. Denn wahrlich, wahrlich, ich sage euch, unendlich viele sind von diesem Gift, von dieser Krankheit angesteckt, und ich sehe im Geiste voraus, daß künftig in allen Ländern diese Schandtaten sich entdecken werden.

Alle Abergläubigen in der Versammlung stimmten ihm bei, und da der Graf Etampes ebenfalls äußerte, man dürfe die christliche Liebe nicht so unbedingt walten lassen, um so unerhörte Frevel der Strafe zu entziehen, so ging nach neuen Untersuchungen einige Tage später der strenge Vorschlag des Bischofs durch.

Als Advokat des Bischofs hatte sich in diesem Prozeß vorzüglich der junge Flamand tätig erzeugt. Er hatte sehr viel dazu mitgewirkt, daß endlich fast alle, die bis dahin immer noch leugneten, alles, oder doch das meiste eingestanden, dessen sie beschuldigt wurden. Nur Carrieux und Beaufort blieben fest.

Der Dechant, der aus Furcht eifrig zur Verdammung der Schuldigen mitgewirkt, erbat sich vom Bischofe die Erlaubnis, den alten Ritter in seinem Gefängnisse besuchen zu dürfen. Er hatte umsonst gewünscht, Labitte oder die Frau Catharina zu sehen, denn beides hatte ihm der Bischof strenge verweigert. Da jetzt aber der Dechant versprach, er wolle es durch diesen Besuch dahin bringen, daß auch Beaufort alles eingestehen so bewilligte ihm der strenge Bischof endlich sein Gesuch.

Der Ritter war erstaunt, den Dechanten in sein Gefängnis kommen zu sehn. Es ist sonderbar, fing er an, daß wir uns hier treffen; keiner von uns hätte dies wohl vor acht Wochen glauben können. Ihr Herren von der Geistlichkeit zeigt uns, was ihr vermögt, aber ihr benutzt eure Herrschaft auf eine Weise, daß euch doch alles den Gehorsam aufkündigen wird.

Ich kam, sagte der Dechant, zerknirscht und tief bekümmert, in guter Absicht zu Euch. Ich wünschte Euch zu retten, und das ist nur möglich, wenn Ihr alles eingesteht.

Elender! Wahnsinniger! rief der Greis in der höchsten Entrüstung; also auch an mir wollt Ihr die verächtlichen Künste versuchen, die Euer Bursch, der klägliche Flamand, bei den übrigen Gefangenen angewendet hat? Leben und Sicherheit verspricht er, wenn sie durch eine elende Lüge den ungeheuren Aberwitz eingestehen und bekräftigen wollen. Auch mein junger Sohn, so höre ich, hat die Ehre so sehr vergessen, um alles zu bekennen, was die Rasenden von ihm verlangen. Freilich muß der Bischof und die Knechte seines Gelichters es dahin zu bringen suchen, um nicht ganz von Schmach überkleidet vor der Welt dazustehn. Sein Aberwitz muß doch eine Art von Entschuldigung zu erringen suchen: und um nur eine kümmerliche Ehrenrettung zu finden, beredet er mich durch Euch, seinen verworfenen Knecht, ebenfalls in sein Lied einzustimmen. Aber vor wem kann ihn diese Maßregel schützen? Kein Verständiger jetzt, keiner in Zukunft wird etwas von diesen Fieberträumen glauben. Er kann und darf nicht weiter gehn, als er bis jetzt getan hat, und er muß schließen, mit Schande gebrandmarkt. Und darum ist es meine Pflicht, für meine beschimpften und gekränkten Mitbürger zu stehn, und mit meiner ganzen Kraft gegen diese elende Tyrannei zu kämpfen.

Verachtet mich, sagte der Dechant, alter, würdiger Greis, ich verdiene jede Schmach. Durch Überklugheit, durch List, die ich mir zutraute, habe ich mich zum Sklaven dieses Bischofes gemacht. Ich muß ihm dienen, wenn er mich nicht selbst schmählich aufopfern soll. So habe ich mir mit meiner eingebildeten Weisheit die Ketten selbst geschmiedet. Durch meine Leidenschaft für die Frau Catharina, meine Eifersucht: ihr wollte ich drohen und sie dadurch in meine Gewalt bekommen; Winke, Worte ließ ich gegen den Bischof fallen, dessen Einfalt ich Kurzsichtiger verachtete. Sein tückisches Gemüt hat jeden Laut aufbewahrt. Eine Raserei bemächtigt sich, wie aus der Luft herabgeweht, einiger alter Weiber, und sie sagen Unsinn aus, der sich immer mehr und mehr bei jeder neuen Frage zu einem wilden Märchen ausspinnt. Plötzlich ist das Entsetzen persönlich in unserm Hause, und alle meine Freunde sind in ein Netz verwickelt, das, wie es aus Luft gewebt, doch unzerreißbar ist. Glaubt mir, teurer Mann, ich bereue mein Tun, ja mein Leben, aber wir stehen der jämmerlichen Notwendigkeit Angesicht an Angesicht gegenüber; gebt nach, sagt zu allen Torheiten, die man Euch abfordern mag, ja, sonst seid Ihr verloren.

Tue er doch, rief Beaufort, sein Äußerstes! Was kann er ausrichten? Hand an mich legen? Das wagt der Verächtliche nicht. Sein Äußerstes, sein Frechstes war, daß er mich hieher zu schicken sich unterfing; nun muß er wieder umkehren, und nur Scham und Reue bleibt ihm übrig.

Der Dechant sah den Greis an, brach in Tränen aus, und stürzte dann zu seinen Füßen nieder. Er ergriff die Hand des Alten und küßte sie inbrünstig. Unter Schluchzen rief er: Nein! nein! auf dem Wege verderbt Ihr Euch und Euren Sohn! Bedenkt die Schande, die auf Euren Namen fällt, bedenkt das unaussprechliche Elend. Der Bischof läßt Euch mit fester Gelassenheit den Scheiterhaufen zuerkennen; rettet Euch und Euren jungen Sohn, wenn auch mit Verlust Eurer Habe. Nur durch ein unbeschränktes Eingestehn aller dieser eingebildeten Sünden könnt Ihr Euer Leben retten; denn alsdann tritt der Graf Etampes zu Eurem Besten gewißlich auf, der Euern Untergang nicht will, der Euch retten möchte, wenn Ihr diesen Weg einschlagt.

Wie? sagte der Ritter in tiefem Sinnen; Ihr sagt mir Wunder. Ich glaubte, der Prälat könne nie im Ernst daran denken, nur die ärmste dieser armen Weiber hinzurichten, – und Ihr denkt, er könnte selbst mich verderben wollen? Der Graf, der Herzog könnten, dürften dies irgend zugeben?

Der Geistliche hatte sich erhoben, setzte sich neben den Gefangenen, und nahm dessen Hand in die seinige. O mein teurer, teurer alter Freund, sagte er dann; lernt Ihr denn jetzt so spät erst die Menschen kennen? Der alte, schwache Herzog meint es mit aller Welt gut, aber alles geschieht doch immer, wie er es nicht will. Sein Vertrautester, der Graf, ist an seiner Statt, als Stellvertreter, hergesendet. Dieser, statt Euch und die Bürger zu schützen, hat mit Klugheit gleich die Miene angenommen, als wenn er in Liebe und Ehrfurcht für die Kirche an die Wichtigkeit dieses Prozesses und den Inhalt der Klagen glaube. Seit seiner Anwesenheit haben die Bettlerinnen erst die Wohlhabenden der Stadt und Euch angegeben. Sind diese überführt, so fällt ihr Gut dem Herzoge anheim, und, wie ich glaube, ist alles schon dem Busenfreunde, dem Günstlinge, zugesichert. Verharret Ihr nun und leugnet fest, so ist der Bischof gezwungen, nach seiner Überzeugung, Euch hinzurichten; gesteht Ihr alles, ohne irgend etwas auszunehmen, so kann er Euch wie ein verirrtes, armes Wesen behandeln, das Mitleid verdient, und er erläßt Euch mit christlicher Gnade den Scheiterhaufen. Der Graf ist nicht blutdürstig und kein Unmensch, so habsüchtig er auch sein mag; er bittet dann, aus Mitleid für Eure Verirrung, kräftig vor, und Ihr seid gerettet.

Beaufort war sehr nachdenkend geworden. Freilich, sagte er endlich, fällt, unter diesen Umständen, diese Hexengeschichte wie eine plötzliche große Erbschaft, vor die Füße dieses Grafen nieder; meines Freundes, wie er sich so oft nannte. Soll es nun einmal ein Bluthandel werden, so bedinge ich mir aber auch das Leben meines Sohnes mit ein, der ja schon alles gestanden hat, und dem man, als einem jungen Manne, der der Verführung ausgesetzt ist, noch leichter vergeben kann. Dechant, könnt Ihr mir auf Euer Gewissen versichern, daß, wenn ich bekenne, mein Sohn mit mir gerettet ist, so will ich mich fügen und zu allem ja sagen.

Ich glaube es versichern zu können, sagte der Dechant. Er umarmte den Ritter, und ging, einigermaßen beruhigt, zu seinem Bischofe, der die Nachricht, daß sich der versteckte Sünder endlich bekehrt habe, mit großer Freude vernahm.


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