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B. Unsere Politik und die Aufgaben der Partei

Eine richtige und konkrete Analyse der Situation muß ihren Niederschlag auch in der Aufgabenstellung der Partei und ihren politischen Losungen finden. Heute steht als zentrale Aktionslosung, der Massenkampf gegen die Durchführung der faschistischen Diktatur. Hier müssen wir um jeden Schritt, um jede Handbreit des Bodens, den der Faschismus erobern will, kämpfen und die wirtschaftlichen und die politischen Rechte der Arbeiterklasse verteidigen. Wir können deshalb nicht mechanisch gegenüberstellen den Sturz und die Verhinderung der faschistischen Diktatur.

 

Die Losung der Volksrevolution

Wie steht es mit der Frage der Volksrevolution? In der heutigen Situation, wo wir Tendenzen einer revolutionären Krise in Deutschland entstehen sehen, aber alle Bedingungen dieser revolutionären Krise noch nicht vorhanden sind, kann die Losung der Volksrevolution nicht als kurzfristige Aktionslosung angewandt werden. Heute ist die Losung der Volksrevolution eine zentrale, zusammenfassende Propagandalosung, das strategische Hauptziel, zu dem wir die Massen auf der Linie unseres sozialen und nationalen Freiheitsprogramms voranführen und sammeln. Es ist klar, daß mit der revolutionären Entwicklung eine Propagandalosung zur unmittelbaren politischen Aufgabe werden kann.

Bedeutet die Losung der Volksrevolution eine Verwischung der klaren, klassenmäßigen Zielsetzung unserer revolutionären Aufgaben? Keineswegs! Die Losung der Volksrevolution ist ausschließlich ein Synonym der proletarischen Revolution, eine populäre Formulierung, die dabei die Lehre Lenins in sich schließt, daß das Proletariat unter Führung der revolutionären Partei sich die Werktätigen in Stadt und Land zu Bundesgenossen machen muß. Ich glaube, Genossen, daß in der Partei manche Unklarheiten über die Bedeutung der Losung Volksrevolution bestehen. Deshalb ist es notwendig, die Stellung Lenins in dieser Frage heranzuziehen und auch zu prüfen, wieweit diese Losung vom Standpunkt des Marxismus notwendig und richtig ist. Dabei stoßen wir auf die Tatsache, daß schon Marx selber den Begriff Volksrevolution verwendet. Im April 1871, als Marx einen Brief an Kugelmann schrieb, sprach er über die Erfahrungen der Pariser Kommune mit der Formulierung, daß die Zerbrechung der bürokratisch-militärischen Staatsmaschinerie die Vorbedingung jeder wirklichen »Volksrevolution« bilde. Lenin knüpft hierin in seinem Buch »Staat und Revolution« an und schreibt:

»Besondere Beachtung verdient die außerordentlich tiefsinnige Bemerkung von Marx, daß die Zerstörung der bürokratisch-militärischen Staatsmaschinerie die Vorbedingung jeder wirklichen Volksrevolution bilde. Die russischen Plechanowisten und Menschewisten, die als Marxisten gelten möchten, könnten am Ende diesen Ausspruch von Marx als falschen Zungenschlag hinstellen. Sie haben aus dem Marxismus ein so armseliges liberales Zerrbild gemacht, daß für sie außer einer Gegenüberstellung von proletarischer und bürgerlicher Revolution nichts anderes existiert, und selbst diese Gegenüberstellung wird von ihnen unglaublich starr aufgefaßt.«

Lenin behandelt dann noch weiter den Gedanken der Volksrevolution und rollt vor allem die Frage des Proletariats und der Bauernschaft auf. Wir wollen jedoch vor allem noch ein anderes Zitat aus dem Artikel Lenins: »Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution« betrachten, der im Juni 1905 geschrieben wurde. Es ist ja selbstverständlich, daß Lenin, wenn er allgemein von Sozialdemokraten spricht, die revolutionäre, russische Sozialdemokratie, d. h. die bolschewistische Partei, also die heutigen Kommunisten damit meint. In diesem Artikel heißt es:

»Wer die proletarischen Aufgaben in der demokratisch-bürgerlichen Revolution einengt, der verwandelt den Sozialdemokraten aus einem Führer der Volksrevolution in einen Leiter eines freien Arbeiterverbandes. Ja, der Volksrevolution. Die Sozialdemokratie kämpfte und kämpft mit vollem Recht gegen den bürgerlich-demokratischen Mißbrauch des Wortes Volk. Sie fordert, daß durch dieses Wort nicht das Nichtverstehen der Klassengegensätze im Volke verdeckt werde. Sie besteht unbedingt auf der Notwendigkeit der vollständigen Klassenselbständigkeit der Partei des Proletariats. Sie teilt aber das ›Volk‹ nicht in ›Klassen‹, damit sich die fortschrittliche Klasse in sich selbst verkapsele, sich auf ein enges Maß beschränke, seine Aktivität durch Erwägungen kastriere, wie ›damit sich die ökonomischen Machthaber der Welt nicht abwenden‹, sondern damit die fortschrittliche Klasse, ohne durch die Halbheit, Unbeständigkeit, Unentschlossenheit der Zwischenklassen zu leiden, mit um so größerer Energie, mit um so größerem Enthusiasmus für die Sache des ganzen Volkes, an der Spitze des ganzen Volkes kämpfe.« Und es heißt dann weiter in diesem Artikel, was gewissermaßen eine praktische Ausführung des Begriffs Volksrevolution darstellt:

»Das Proletariat muß den demokratischen Umsturz vollenden, indem es die Bauernmasse mit sich vereinigt, um den Widerstand der Selbstherrschaft gewaltsam zu brechen und die Unbeständigkeit der Bourgeoisie zu paralysieren. Das Proletariat muß den sozialistischen Umsturz ausführen, indem es sich die Massen der halbproletarischen Elemente der Bevölkerung anschließt, um den Widerstand der Bourgeoisie mit Gewalt zu brechen und die Unbeständigkeit der Bauernschaft und Kleinbourgeoisie zu paralysieren.«

Die Volksrevolution als strategische Hauptlosung, bedeutet also nicht nur eine populäre Formulierung für den Begriff der sozialistischen proletarischen Revolution, sondern zu gleicher Zeit auch eine stärkere Einbeziehung der breiten Mittelschichten in der gegenwärtigen Situation in die revolutionäre Klassenfront. Die Verpflichtung erwächst für uns, diese Einbeziehung der Werktätigen mit entschlossener Initiative in Angriff zu nehmen. Das gilt für die Klein- und Mittelbauern, für den städtischen Mittelstand und nicht zuletzt auch für die Arbeit unter den Beamten und Angestellten.

Haben wir auf diesem Gebiet nicht Schwächen? Ja, solche Schwächen gibt es sogar bei Fragen, wo der Klasseninhalt absolut klar ist. Sogar bei der Einbeziehung der Angestellten in die revolutionäre Front ist leider in unseren Reihen bisweilen eine Ideologie vorhanden, die Angestellten als »bessere Menschen« anzusehen. Selbst, wenn die Angestellten ihrerseits eine solche Ideologie haben, dürfen wir nicht darauf eingehen, sondern müssen auch ihre klassenmäßige Rolle sehen und den Versuch machen, sie zu Klassenkämpfern zu erziehen.

 

I. Unser Massenkampf gegen den Faschismus

Genossen, ich komme jetzt zu der Frage einer genauen Konkretisierung dieser politischen Linie. Die Hauptgefahr von Abweichungen in der jetzigen Situation ist selbstverständlich der rechte Opportunismus. Jede Abschwächung unseres Massenkampfes, jeder Tempoverlust gegenüber der revolutionären Entwicklung, jede Unterschätzung der revolutionären Perspektive wäre der schwerste politische Fehler. Aber auch andere Fehler könnten der Partei gefährlich werden. Wenn z. B. die Partei Ueberspitzungen in der Aufgabenstellung zuließe, könnte das dazu führen, daß wir auf die provokatorischen Pläne der Bourgeoisie und Sozialdemokraten hineinfallen und uns zu einem verfrühten Kampf provozieren lassen würden. Solche Ueberspitzungen liegen z. B. in dem Artikel des Genossen Sepp in der »Internationale« vor, der am Schluß, hinsichtlich der organisatorischen Formen unseres Kampfes, schwere Uebertreibungen bringt. Obwohl die falschen Auffassungen und Ueberspitzungen des Genossen Sepp bereits auf einer Redakteur-Konferenz durch den Genossen Heinz Neumann entschieden zurückgewiesen waren, finden sich in diesem Artikel Sepp's wieder die gleichen Uebertreibungen. Es heißt dort z. B.:

»... daß die Arbeiterdelegiertenkonferenzen, die zu ihren ausführenden Organen die Aktionsausschüsse und die revolutionären Vertrauensmänner haben, in den Augen der breitesten Massen zu einer politischen Vertretung, zu einem politischen Organ des proletarischen, des revolutionären Lagers werden.«

In dem Zusammenhang gibt es einzelne Auffassungen, die schon jetzt eine politische Delegiertenbewegung, gewissermaßen im Sinne von Keimen von Sowjets, schaffen wollen. Dies ist unrichtig. Wir müssen Fehler aus der Vergangenheit, die wir erkannt haben, unter allen Umständen vermeiden. Ich erinnere an folgende Tatsache, die nicht allgemein bekannt ist: Als im Jahre 1924 in Deutschland nach der Oktober-Niederlage von 1923 die Frage gegenüber der Komintern gestellt wurde, ob es richtig war, die Betriebsräte als Ersatzorgane für die Sowjets zu bezeichnen, gab es heftige Meinungsverschiedenheiten. In Wirklichkeit bedeutet es selbstverständlich eine Herabsetzung und Kompromittierung des Begriffs Sowjets in der Ideologie der Massen, wenn man die Betriebsräte als einen Ersatz für Sowjets ausgibt. Das gleiche ist der Fall, wenn man heute davon spricht, daß diese neuen Formen der Einheitsfront bereits Keime von Sowjets seien. Das bedeutet eine Verwässerung der Frage der Sowjets, die wir unter keinen Umständen zulassen dürfen.

Völlig falsch ist auch die Auffassung, daß es z. B. beim Ruhrkampf richtig gewesen wäre, nicht die vorhandenen vorbereitenden Kampfleitungen in Streikleitungen umzuwandeln, sondern an ihre Stelle Delegiertenkonferenzen und antifaschistische Aktionsausschüsse zu setzen. Diese ganzen Tendenzen erinnern an die Losung der Menschewiki in der russischen Revolution, als sie »allgemeine Arbeiterkomitees gegen den Zarismus« an Stelle der vielfältigen Organisationsformen des proletarischen Klassenkampfes setzen wollten.

Worum handelt es sich in Wirklichkeit bei unseren neuen Einheitsfrontorganen gegen den Faschismus? Wir haben eine große Welle des antifaschistischen Kampfwillens weit über den Rahmen der Partei hinaus. Hier bestehen die günstigsten Voraussetzungen für die proletarische Einheitsfront. Wir haben als entscheidende Massenorgane in den Betrieben die Betriebswehren des Kampfbundes gegen den Faschismus, so wie wir die Jugendstaffeln und auf den Stempelstellen die Erwerbslosenstaffeln haben. Um über den Rahmen des Kampfbundes hinauszustoßen, sowohl in der Mobilisierung der Massen für die antifaschistische Front, als auch in der Zersetzung der faschistischen Front, stellen wir die Frage der Wahl von Delegierten zu antifaschistischen Delegiertenkonferenzen und die Aufgabe, auf diesen Konferenzen örtliche und bezirkliche Aktionsausschüsse gegen den Faschismus zu bilden. Das ist der Charakter und die Aufgabenstellung dieser neuen Organisationsform. Wenn man die Frage stellt, wie weit wir darüber hinaus mit den bestehenden Einheitsfrontorganen und Organisationsformen nicht mehr auskommen, so möchte ich demgegenüber darauf hinweisen, daß z. B. der revolutionäre Vertrauensleutekörper, wie wir ihn auf dem Weddinger Parteitag forderten, in der Praxis noch leider keineswegs ausgebaut ist. Hier müssen wir sofort den Aufbau in den Betrieben einleiten. Ebenso entsprechen die wenigen RGO.-Betriebsgruppen noch durchaus nicht den Anforderungen ihrer Aufgaben. Statt diese Organe wirklich auszubauen, gibt es Genossen, die sich neue Organe ausdenken. Es ist klar, daß die Partei diesen Weg nicht beschreiten wird. Eine andere Frage ist die Notwendigkeit, in der Massenmobilisierung gegen die Terrorakte der Nazis eine entschlossene Wendung zu offensiver Taktik zu vollziehen. Es darf keinen Terrorakt der Nazimörder mehr geben, ohne daß die Arbeiterschaft überall sofort mit offensivstem, wehrhaftem Massenkampf antwortet. Was bedeutet diese Gegenaktion? Sie bedeutet: 1. eine politische Sicherheit im Proletariat, sie bedeutet 2., daß die sozialdemokratischen Arbeiter zu uns Vertrauen bekommen, weil sie merken, wir sind da und geben Antwort. 3. bedeutet das, daß die Front des Faschismus zersetzt und dezimiert wird. 4., daß wir unsere Kaders gemeinsam mit der Massenfront rüsten, schmieden und stählen für höhere Aufgaben in der Revolution. Genossen, ich glaube, auf diesem Gebiet ist eine wirklich ernste Wendung notwendig.

 

II. Einheitsfront und der Kampf um die Gewinnung der Arbeiter

Genossen! Wir kommen zur Frage der Einheitsfrontpolitik und des Kampfes um die Gewinnung der entscheidenden Schichten der Arbeiterklasse. Wir müssen diese Frage in diesem Zentralkomitee etwas ausführlicher behandeln, weil wir mit der Möglichkeit zu rechnen haben, daß bei einer weiteren Verschärfung der Situation und größeren Kämpfen unsere Partei ihre Arbeit nicht mehr in den Formen der Legalität vollziehen kann. In einem solchen Fall käme es erst recht darauf an, den Massenkurs der Partei fortzusetzen und die Verankerung der Partei in den Massen so fest und unantastbar zu machen, daß alle Anschläge des Klassenfeindes wirkungslos werden. Es ist nun klar, daß die Einheitsfrontpolitik den ausschlaggebenden Hebel zur Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse darstellt. Wenn wir an diese Frage herangehen, ist es notwendig, sich an die verschiedenen Schwankungen und Abweichungen zu erinnern, die es in der Frage der Einheitsfrontpolitik in unseren Reihen gegeben hat. Wir hatten z. B. die Ruth-Fischer-Zeit mit ihren schweren ultralinken Fehlern, einer Ablehnung der Einheitsfrontpolitik und Isolierung der Partei von den Massen. Dann kam der offene Brief von 1925 und wenn wir die Zeit von damals bis heute nehmen, so haben wir in dieser Periode große und kühne Fortschritte zu verzeichnen. Später versuchten dann die Versöhnler, das Hauptgewicht der Einheitsfrontpolitik von unten nach oben zu verschieben und die Beschlüsse des Essener Parteitages zu revidieren. In derselben Linie lag ja auch Ewerts Fragestellung: »Zwingt die Bonzen!« Später gab es dann im vergangenen Frühjahr bei unseren Auseinandersetzungen mit dem Genossen Merker den entgegengesetzten Fehler zu bekämpfen, nämlich das Unverständnis der Methoden der Gewinnung sozialdemokratischer Arbeiter. Selbst in unseren engeren Kreisen bestanden damals Meinungsverschiedenheiten über den Passus in der Resolution unseres Märzplenums 1930, in dem es folgendermaßen heißt:

»Das Plenum des ZK. konstatiert die Notwendigkeit, viel stärker als bisher für die Herstellung der revolutionären Einheitsfront von unten, für die Isolierung der sozialfaschistischen Führerschaft und die weitgehende Einbeziehung der sozialdemokratischen Arbeiter in die revolutionäre Kampffront zu wirken.«

und jetzt kommt die Stelle, über die Meinungsverschiedenheiten entstanden:

»Zur Erfüllung dieser Aufgaben ist es erforderlich, zwischen der konterrevolutionären Führerschaft der SPD., den unteren Betriebsfunktionären und den einfachen sozialdemokratischen Betriebsarbeitern und Erwerbslosen zu unterscheiden.«

War das richtig? Natürlich, das war im vorigen Jahre und das ist heute richtig! Heute ist das schon für jeden eine glatte Selbstverständlichkeit.

Wie ist die jetzige Lage? Auch hinsichtlich der Einheitsfrontpolitik mit den sozialdemokratischen Arbeitern haben wir jetzt eine neue und günstige Situation. Einerseits finden wir die vollständige Krise der reformistischen Theorie, andererseits in den Reihen der SPD.- und SAJ.-Mitgliedschaft zahlreiche Erscheinungen einer inneren Gärung, Zersetzung und Rebellion. Deshalb stellen wir heute die kühne Aufgabe: Liquidierung des Masseneinflusses der SPD. und Liquidierung der SAJ. als Massenorganisation überhaupt.

Warum diese scharfe Fragestellung? Mit der Zuspitzung der Klassensituation, dem Vorhandensein von Elementen einer revolutionären Krise, müssen wir uns überlegen, wo wir anzusetzen haben, um die revolutionäre Entwicklung vorwärts zu treiben. Genossen! Dabei ist es klar, daß zwar der Hauptfeind des Proletariats im Rahmen des Klassenkampfes gegen die Bourgeoisie, gegen den Kapitalismus in Deutschland, heute der Faschismus ist, daß aber zugleich das Haupthindernis für die proletarische Revolution im Lager der Arbeiterklasse die SPD. darstellt. Darum müssen wir in der Werbung und Gewinnung von Arbeitern aus dem gegnerischen Lager unsere Hauptstoßkraft gerade auf dieses Haupthindernis konzentrieren, was natürlich nicht bedeutet, daß wir unsere Arbeit besonders unter den Unorganisierten, ebenfalls unter den christlichen Arbeitern und antikapitalistischen werktätigen Nazianhängern vernachlässigen dürfen. Das war ja gerade die große Bedeutung des Wahlsieges am 14. September, daß wir damals ins Lager des Reformismus einbrachen und der SPD. etwa eine Million Stimmen abnehmen konnten. Die Sozialdemokratie verliert heute immer mehr an politischer Achtung. Mit der Verengerung der arbeiteraristokratischen Basis des Reformismus vollzieht sich der dauernde historische Abstieg der SPD. Hier müssen wir die erfolgreich begonnene Offensive fortsetzen und weitere Millionen sozialdemokratischer und in ihrer Peripherie befindlicher Arbeiter gewinnen. Warum diese Frage heute so stark stellen? Bedeutet das etwa eine Vernachlässigung der politischen Arbeit unter den Unorganisierten, die zweifelsohne das Hauptreservoir darstellen, oder etwa der christlichen und nationalsozialistischen Arbeiter? Keineswegs! Alles geht in den großen Strom der ideologischen revolutionären Bearbeitung, die wir intensiver zu leisten haben. Wir müssen hierbei die politische Bedeutung, die Gegenstoßkraft erkennen, die heute noch die Sozialdemokratische Partei, die reformistischen Gewerkschaften und sonstigen vom Sozialfaschismus beherrschten Massenorganisationen im Kampfe gegen die proletarische Revolution darstellen. Andererseits gibt es in der Sozialdemokratischen Partei und den Gewerkschaften und in vielen Massenorganisationen schon einige revolutionäre Elemente. Mit ihnen muß es uns gelingen, die ganze Situation zu verschärfen und das Lager der proletarischen Revolution zu verstärken.

 

Die Krise der reformistischen Theorie

Die beste Voraussetzung für Verschärfung unseres prinzipiellen Kampfes gegen die SPD. bietet die theoretische Krise der Sozialdemokratie und darüber hinaus der II. Internationale. Die Fragestellung, die wir heute viel schärfer aufrollen müssen, die heute in Deutschland auf der Tagesordnung steht, lautet: wer in Wirklichkeit die Front des Marxismus vertritt. Wir wissen es, aber Millionen wissen es leider nicht. Millionen Massen werden täglich angespornt und gefüttert im Kampfe gegen den Marxismus. Das ist eine schon gefährliche Basis, weil durch die niederträchtige, klassenverräterische Politik der sozialdemokratischen und reformistischen Führer, die die Bourgeoisie bewußt dem »Marxismus« in die Schuhe schiebt, in den Augen von vielen Millionen auch der Marxismus diskreditiert wurde. Wenn wir das ungeheure historische Problem stellen, daß wir die revolutionäre Situation organisieren müssen, dann ist es unsere Aufgabe, in erster Linie in den Millionenmassen das Vertrauen zu der großen gewaltigen Idee des Marxismus wieder zu wecken. Das aber können wir nur, wenn wir die ganze antimarxistische Theorie der Sozialdemokratie und des Reformismus enthüllen und ihren theoretischen Bankrott klarstellen. Erinnert euch, Genossen, welche neue »Theorie« die Sozialdemokratie im Laufe der letzten Jahre an Stelle des Marxismus erfunden hat und was davon übrig geblieben ist.

Bekanntlich produzierte Hilferding auf dem Kieler SPD.-Parteitag im Mai 1927 die Theorie von der jetzigen Periode als der Zeit »eines friedlichen Hineinwachsens in den Sozialismus.« Eine »Transformationsperiode« sei gegeben auf Grund des »organisierten Kapitalismus, das heißt des Monopolkapitalismus, der allmählich die Anarchie des Kapitalismus der freien Wirtschaft beseitige«. Den Beweis dafür sollten die Vereinigten Staaten mit ihrer dauernden Prosperität liefern.

Aus dieser ökonomischen Fragestellung der reformistischen Theorie ergab sich die soziale Fragestellung, die gleichfalls ein ganzes »theoretisches« Gebäude im krassesten Gegensatz zu den marxistischen Lehren darstellt. Die Lage der Arbeiterklasse sollte sich in der Transformationsperiode gleichmäßig mit der riesenhaften Konzentration des Kapitals und der Rationalisierung verbessern. Während Marx das »Allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation« aufgestellt hat, wonach die »Akkumulation des Kapitals der Akkumulation von Elend« entspricht, erklärten die sozialdemokratischen Theoretiker, dieses marxistische Gesetz sei nicht stichhaltig und von der Geschichte des Kapitalismus längst widerlegt. Die kapitalistische Rationalisierung müsse von der Arbeiterklasse unterstützt werden, ja noch mehr, das sei eine zentrale Aufgabe der Gewerkschaften in der Transformationsperiode, da die Rationalisierung auch den Arbeitern Nutzen bringe. Hinzu kam, daß die Lohntheorie von Marx durch die sogenannte Tarnow'sche Theorie von der angeblichen Nützlichkeit der hohen Löhne für die Kapitalisten ersetzt wurde. Und schließlich die famose Wirtschaftsdemokratie – die Mitverwaltung der »Vertreter der Arbeiter« an der kapitalistischen Wirtschaft sei der »Weg zum Sozialismus«.

Dieses ganze theoretische System wurde auch nach der Seite der politischen Fragestellung ausgebaut. Ganz offen erklärte man, daß der demokratisch-kapitalistische Staatsapparat nicht mehr im Sinne von Marx und Engels als »Ausführungsorgan der Ausbeuterklasse zur Unterdrückung der Ausgebeuteten« angesehen werden dürfe. Hilferding nannte »den Parlamentarismus« noch auf dem Magdeburger Parteitag der SPD. im Jahre 1929 »den einzigen Weg, der die Arbeiterklasse zur Eroberung der Staatsmacht und zur Verwirklichung des Sozialismus führt. Die Arbeiterklasse hat deshalb das höchste Interesse an der Erhaltung des Parlamentarismus, auch durch zeitweilige Opfer, wie groß sie auch sein mögen«. Natürlich wurde auch mit dieser Theorie die Begründung für die Koalitionspolitik gegeben, insofern Koalitionsregierungen den notwendigen Uebergang zum Sozialismus darstellen sollten.

Genossen, ich frage: Was ist von diesem ganzen theoretischen Gebäude des Reformismus übriggeblieben? Der »organisierte Kapitalismus«, der die Krisen aushalten sollte, hat die Weltwirtschaftskrise nur verschärft. Das amerikanische »Paradies« mit der Dauerkonjunktur existiert nicht mehr. Die Lage der Arbeiterklasse ist durch den Monopolkapitalismus, durch die kapitalistische Rationalisierung und trotz aller reformistischen »Theorien«, wie der »Tarnowschen Lohntheorie« oder »Wirtschaftsdemokratie«, ungeheuerlich verschlechtert worden. Heute wagt es fast kein Reformist mehr, diese alten Theorien aufzuwärmen. In ihren theoretischen Organen erwähnen sie mit keiner Silbe mehr, daß hohe Löhne die Wirtschaft ankurbeln. Sie sprechen von Lohnsenkung und faseln dabei nur von der Notwendigkeit des Preisabbaus. Ueber die Wirtschaftsdemokratie, die zum Sozialismus führe, lohnt sich kein Wort zu verlieren. Kein Reformist wagt heute über diese Frage noch zu sprechen. Die Rationalisierung hat statt Wohlstand Massenelend und Millionenerwerbslosigkeit gebracht. Was schließlich die Koalitionspolitik anbetrifft, so können sich heute auch die sozialdemokratischen Arbeiter nicht mehr der Tatsache verschließen, daß die Koalitionsregierungen, wie z. B. die Preußenregierung, Schrittmacher des Faschismus sind. Es ist also buchstäblich kein halber Stein mehr von dem theoretischen Gebäude des Reformismus übriggeblieben.

 

Abrechnung mit Kautsky

Die ganze theoretische Krise der II. Internationale, ihre ideologische Fäulnis und ihr konterrevolutionärer Sumpf äußern sich am deutlichsten in ihrer Stellung zur Sowjetunion. Nehmen wir z. B. Herrn Kautsky. Trotzdem er selbst in den Reihen seiner eigenen Freunde nicht mehr ernst genommen wird, wagte er es, vor einigen Monaten ein Buch herauszugeben: »Der Bolschewismus in der Sackgasse«. Bezeichnend an diesem Buch ist die krasse Tatsache, daß Kautsky selbst seinen eigenen Verrat an seinen früheren theoretischen Behauptungen darin feststellt. Ich will hierzu nur ein Zitat aus dem Buch herausgreifen. Es heißt dort:

»Ich war sehr überrascht, als mir gegenüber vor kurzem ein Parteigenosse seiner Begeisterung über die Sozialisierung der Landwirtschaft Ausdruck gab, die jetzt in Rußland vollzogen werde. Das sei eine der grandiosesten Taten der Weltgeschichte. Und er vermeinte, ich müßte von dieser riesenhaften Umwälzung besonders beglückt sein, da ich doch seit jeher für den Großbetrieb in der Landwirtschaft als Ausgangspunkt ihrer Sozialisierung eingetreten sei. Durch diese Beglückwünschung fühlte ich mich einigermaßen kompromittiert.«

Was zeigt diese Stelle in dem Kautskyschen Buch? Einmal die Wirkung der grandiosen Entwicklung des sozialistischen Aufbaus auf die unteren Schichten der Sozialdemokratie, wie dies Kautsky hier selber zugeben muß und zu gleicher Zeit zeigt dieses Zitat den tiefen Verrat Kautskys an seinen eigenen theoretischen Erkenntnissen aus der Vergangenheit. Er schämt sich dieser Vergangenheit, obwohl sie vom Standpunkt des konsequenten Marxismus sehr belastet ist, da ja Kautsky schon seit Jahren vor dem Kriege der Hauptvertreter des schwankenden Zentrismus war. Aber trotzdem fühlt er sich heute kompromittiert, wenn er an jene Vorkriegszeit erinnert wird, wo er noch nicht im Lager der offenen Konterrevolution stand.

Was zeigt das Buch Kautskys im übrigen? Es ist ein einziges Dokument der antibolschewistischen Kriegshetze im Dienste der Imperialisten. Herr Kautsky fordert so offen den gewaltsamen Sturz der Sowjetmacht, daß selbst solche geschworenen Feinde des Proletariats, solche Konterrevolutionäre wie der Menschewistenführer Abramowitsch oder Dan aus demagogischen Gründen von ihm abrücken. Natürlich ist Abramowitsch nicht besser als Kautsky. Wir dürfen nicht die Frage stellen, wer von ihnen der bessere oder schlechtere Konterrevolutionär ist, aber wir müssen die Tatsache sehen, warum Abramowitsch gegen Kautsky in dieser Frage auftrat. Der sozialistische Aufbau in der Sowjetunion ist eine solche grandiose Tatsache, daß selbst die meisten Konterrevolutionäre und politischen Gauner gezwungen werden, in dieser Frage vorsichtig und demagogisch zu lavieren, um in ihrer eigenen Front Beruhigung zu schaffen. Deshalb die Kritik von Abramowitsch und Dan an Kautsky und seiner Kriegshetze. Auf diese Kritik antwortet nun Kautsky in der Januar-Nummer der »Gesellschaft«, des theoretischen Organs der SPD., in einem Artikel: »Sozialdemokratie und Bolschewismus«. Dort heißt es:

»Ist es möglich, daß an stelle der Hölle, die das jetzige Sowjetrußland darstellt, noch etwas Schlimmeres kommt? Kann ein Sturz der Diktatur etwas anderes bringen als eine Milderung der Hölle, zumindest vermehrte Bewegungsfreiheit? Für meine Phantasie wenigstens ist es nicht möglich, etwas Furchtbareres zu ersinnen, als den heutigen Zustand Sowjetrußlands. Ich empfinde es höchst schmerzlich, wenn die Wucht unseres Angriffs gegen die unerbittlichen Schrecknisse der Diktatur dadurch geschwächt wird, daß man uns fürchten läßt, es wäre noch Schlimmeres möglich, wenn sie stürzt ... Real sind bloß die Erschwerungen unserer Propaganda gerade bei der unwissenden, zum Kommunismus neigenden Jugend, wenn man die von den Kommunisten genährte Illusion ernst nimmt, der Bolschewismus sei immer noch eine revolutionäre Partei, vertrete einen Zustand des Staates und der Gesellschaft, den jeder sozialistische Revolutionär zu schützen hat. Gerade die Zerstörung dieser Illusion ist unsere Aufgabe.«

Das ist der Konterrevolutionär Kautsky. Soweit ist es schon mit der II. Internationale gekommen. Das wagen selber nicht einmal die bezahlten Tintenkulis der Bourgeoisie zu schreiben.

 

Die Gärung in der Sozialdemokratie

Dieser konterrevolutionären Versumpfung der Führer steht die wachsende Radikalisierung der Massen gegenüber. Welche hauptsächlichsten Erscheinungen haben wir auf diesem Gebiet zu verzeichnen? Da ist einmal die Teilnahme der sozialdemokratischen Arbeiter und auch unterer Funktionäre an den Wirtschaftskämpfen. Seite an Seite mit der RGO. gegen den Streikbruch und Verrat ihrer Führer.

Zweitens müssen wir hier den antifaschistischen Kampfwillen bei den sozialdemokratischen Arbeitern verzeichnen. In kleineren Orten und auch schon in Großstädten treten ganze Abteilungen der SPD., manchmal sogar des Reichbanners an unsere Genossen oder an die Genossen des Kampfbundes gegen den Faschismus heran, zum gemeinsamen Kampf gegen die Nazis. Selbstverständlich hat hierbei unsere strategisch-politische Wendung eine große Belebung gebracht und alarmierend in den Millionenmassen gewirkt.

Ein drittes entscheidendes Faktum sind die ersten organisatorischen Formen einer Gruppenbildung in der SPD. Wir haben da einmal in Breslau, wo bekanntlich die SPD-Mitglieder ein Reichsbanner-Rollkommando aus ihrer Versammlung herausprügelten, den sogenannten Sozialistischen Kampfbund, ganze Gruppen, in denen der jetzt zu uns übergetretene Genosse Müller eine Rolle spielte.

Wir haben im Ruhrgebiet die Zeitschrift »Roter Kämpfer«, die illegal herausgegeben wird und um die sich verschiedene oppositionelle Gruppen im Reich gebildet haben. Wir haben schließlich in Berlin die Angelegenheit mit den Jungordnern, die die SAJ. organisiert hatte, wobei es zu dem schweren Konflikt mit dem Reichsbanner und dem Bezirksvorstand kam. Ueberhaupt ist die Lage bei der SAJ. schon viel weiter fortgeschritten. Dort haben wir vielfach Uebertritte ganzer Ortsgruppen zu verzeichnen. Im ganzen kann man sagen, daß unsere Partei viel zu wenig Kenntnis von diesen Vorgängen im sozialdemokratischen Lager hat.

Die Hauptgefahr vom Standpunkt der proletarischen Revolution wäre jetzt die Bildung einer neuen USPD., auf die die Brandler-Leute spekulieren. Wir müssen eine solche verhängnisvolle Entwicklung durch unsere Entlarvung und offensivste Bekämpfung der Zentristen, der »linken« SPD.-Führer, als die gefährlichsten Feinde innerhalb der Sozialdemokratie verhindern. Innerhalb der SPD. treten die »linken« Strömungen unter verschiedenartiger Flagge überall stärker in Erscheinung. Hier müssen politisch unsere Methoden wesentlich verbessert werden, besonders in Sachsen und dort, wo solche neuen Tatsachen bekannt sind. Wir müssen viel stärker heran an die oppositionellen Arbeiter in der Sozialdemokratie.

Welche neuen Methoden ergeben sich dabei für uns? Die Hauptsache ist, daß wir die oppositionellen sozialdemokratischen Arbeiter nicht mehr einfach sich selbst überlassen dürfen. Wir müssen eine Wendung zur Massendiskussion durchführen. Die Losungen: Keine SPD.-Versammlung ohne KPD.-Referenten! und: Keine SPD.-Mitgliederversammlung ohne kommunistische Beeinflussung! müssen unbedingt praktisch durchgeführt werden. Die Formen sind naturgemäß überall verschieden. In kleineren Orten wird man es sogar durchsetzen, daß Kommunisten in sozialdemokratischen Mitgliederversammlungen sprechen können. Eine weitere wichtige Frage ist, daß wir unsere Gegnerarbeit nicht mehr ressortmäßig, sondern als Aufgabe der Gesamtpartei betreiben müssen. Wir müssen es verstehen, die wichtigsten Diskussionsfragen, zum Beispiel die Frage des »kleineren Uebels«, dabei in elastischer und beweglicher Weise in den Vordergrund zu rücken. Und schließlich ein weiterer entscheidender Punkt: unsere Sprache, die in der Presse und Agitation viel mehr von Kraftbewußtsein und Siegesgewißheit getragen sein muß. Ein wichtiges Problem ist auch die Frage der Gegenüberstellung der sozialistischen Wirtschaft der Sowjetunion und der kapitalistischen Profitwirtschaft.

 

Wir sind die Partei der marxistischen Front

Damit komme ich zu dem entscheidenden Problem: nämlich der offensiven Stellung der Frage des Marxismus. Die Bourgeoisie konstruiert im Kampf gegen den Marxismus eine angebliche »marxistische Front« aus Kommunisten und Sozialdemokraten, die in Wirklichkeit ja gar nicht besteht. Die SPD.-Führer sind selbstverständlich geschworene Feinde des Marxismus. Anders die sozialdemokratischen Arbeiter. Sie haben gewiß kein marxistisches Bewußtsein, keine marxistische Klarheit, aber gefühlsmäßig stehen sie zum Marxismus.

Aber wir müssen die wirkliche marxistische Massenfront erst schaffen, indem wir die Fahne des Marxismus immer stärker und offensiver entfalten. Das muß auch in unserer Agitation stärker zum Ausdruck kommen.

Was ist jener »Marxismus«, gegen den die Bourgeoisie und die Nazis hetzen? Was meinen sie damit? Der hungernde Erwerbslose, dem sie Unterstützung rauben, der ausgeplünderte Betriebsarbeiter, dem sie den Lohn kürzen, die Arbeiterfrau, der sie das Fleisch vom Tische reißen, die Jugend, die sie zur Arbeitsdienstpflicht zwingen wollen, – diese alle sind mit »Marxismus« gemeint, wenn die Kapitalisten vom Kampf gegen den Marxismus reden!

Das alles ist unsere Klassenfront!

Wir sind die Partei der marxistischen Front!

 

Unser Kampf gegen die Hitlerpartei

Ueber die Gewinnung der christlichen und unorganisierten Arbeiter will ich an dieser Stelle nichts sagen, weil es sich hier hauptsächlich auch um eine Aufgabe der RGO. handelt. Aber eine besondere Stellungnahme erfordert die Behandlung der Nazifront. Die Hitlerpartei, die von den Bankiers und Industriellen ausgehalten wird, versucht »Opposition« zu treiben, aber eine »Opposition« nur mit Phrasen, nur in Worten, nur in Zeitungsartikeln usw. Sie entlarven sich immer mehr als die Agenten des deutschen Kapitals und der englisch-italienischen Imperialisten. In der Praxis organisieren sie den Streikbruch. Sie unterstützen durch ihren Mordterror, nicht etwa gegen die Kapitalisten, sondern gegen die deutsche Arbeiterschaft, die volksfeindliche Politik der Brüningregierung. Sie sind die offenen Einpeitscher und Verfechter der faschistischen Politik der deutschen Bourgeoisie. Ich habe schon über die Notwendigkeit der Verstärkung unseres wehrhaften Massenkampfes gegen den SA.-Terror gesprochen. Dieser kann selbstverständlich nur auf der Grundlage einer verstärkten ideologischen Offensive zur Gewinnung der werktätigen Anhänger der Hitlerpartei vonstatten gehen.

Betrachten wir kurz die Politik der Hitler-Partei in den letzten Monaten: ihren Verrat in Sachen des Youngplanes, ihr Einschwenken in die Völkerbundspolitik, ihre Knechtseligkeit gegenüber Mussolini, ihre Antisowjethetze, die praktisch einer Stützung Pilsudski-Polens und Söldnerdiensten für das Weltfinanzkapital gleichkommt, ihre Bekenntnisse für den Kapitalismus und das Privateigentum, ihre Hetze gegen die Streiks der Arbeiterschaft im Solde des Unternehmertums und zuletzt ihren Kampf gegen den Bolschewismus oder, wie sie provokatorisch sagen, gegen das »Untermenschentum«.

Auf Grund dieser Politik muß es uns möglich sein, einen mächtigen Einbruch in die Front des Nationalsozialismus zu erreichen. Unsere Aufgabe ist, jedes Eindringen der Nazis in die Arbeiterklasse, trotz aller sozialdemokratischen Liebesdienste für den Faschismus, zurückzuschlagen und die antikapitalistisch gestimmten Arbeiter, Angestellten, Mittelständler, die bei ihnen stehen, loszureißen. Hier brauchen wir eine entschlossene Wendung.

Wir müssen mit aller Klarheit aufzeigen, daß wir die Partei sind, die die nationale Befreiung des deutschen Volkes, ohne Eroberungskrieg, ohne Unterdrückung fremder Völker, durch die proletarische Revolution zu verwirklichen vermag. Sie, die Nazis, sind die Partei der Revanche, wir sind die Partei des Friedens! Wir führen den Kampf gegen die imperialistische Unterdrückung der Minderheiten, sei es im Pilsudski-Polen oder Mussolini-Italien oder in Frankreich; aber wir führen ihn gemeinsam und in tiefster Solidarität mit den polnischen, italienischen und französischen Arbeitern. Wir brauchen nur das Beispiel des kühnen Auftretens unseres Genossen Tunkel, der als deutscher kommunistischer Landtagsabgeordneter nach Polnisch-Oberschlesien ging und dort in Dutzenden von Gruben zur Arbeiterschaft sprach, zu erinnern. Hier zeigt sich der krasse Unterschied zwischen unserer Politik und der Hitler-Partei: Sie dreschen Phrasen, wir schicken unsere Abgeordneten nach Pilsudski-Polen, um den Pilsudski-Terror im eigenen Lande zu bekämpfen und die Verbrüderung zwischen deutschen und polnischen Arbeitern zu demonstrieren. Die Resolution, die der heutigen Plenartagung des ZK. vorliegt, nimmt zu dieser Frage klar und unzweideutig Stellung. Es heißt dort:

»Wir führen den Kampf gegen den Faschismus unter der Fahne unseres Freiheitsprogramms mit den Losungen des Kampfes für die soziale und nationale Befreiung. Dabei gilt es, alle Grundfragen der deutschen Politik im Sinne der proletarischen Revolution aufzurollen und das Freiheitsprogramm entsprechend der Verschärfung des Klassenkampfes weiter zu entwickeln. Wir müssen die zügellose Kriegsrüstungs- und Abenteurerpolitik des deutschen Faschismus, seine mörderische Hetze für den Interventionskrieg gegen die Sowjetunion, wie auch für den Revanchekrieg, vor den Massen entlarven und demgegenüber klar das Banner des Internationalismus unserer Partei entrollen. Unter allen Werktätigen gilt es, die Ideologie der Solidarität mit den französischen und polnischen Arbeitern tatkräftig zu propagieren. Gegen die chauvinistische Hetze der Faschisten stellen wir unsere Losungen des Kampfes gegen den Weltimperialismus, unsere Forderung, daß keine Nation unterdrückt werden soll. Wir sind die einzige Friedenspartei, die einzige Partei, die alle Grundfragen der deutschen und der internationalen Politik ohne Eroberungskrieg, ohne Knechtung und Bedrohung fremder Völker lösen kann.«

Auf der Linie dieser Politik mit der Waffe unseres Freiheitsprogramms, das wir immer und immer wieder popularisieren müssen, werden wir die Faschisten schlagen und hunderttausende Anhänger von ihnen loslösen.

 

III. Die Lehren der Streikkämpfe und die Aufgaben der RGO.

Die Stärkung und der Ausbau der RGO. wird immer mehr zur zentralen Tagesaufgabe der Partei. Hier ist die stärkste Methode zur Gewinnung der bisher fernstehenden, unorganisierten und organisierten Arbeitermassen gegeben. Hier haben wir die wichtigste Stoßkraft für den Kampf gegen die Durchführung der faschistischen Diktatur. Denn selbstverständlich ist jeder Lohnkampf heute ein politischer Kampf. Wir müssen Schluß machen mit der Fragestellung von der sogenannten Politisierung der Wirtschaftskämpfe. Es handelt sich vielmehr darum, den politischen Charakter, den die Kämpfe schon in sich tragen, herauszuarbeiten und zu entwickeln. Unrichtig ist auch die Meinung, daß der politische Massenstreik nur aus ökonomischen Streiks hervorwachsen könne. Das ist nicht richtig – wie Danzig zeigte –, aber es ist klar, daß jeder Lohnkampf, jeder ökonomische Streik, den Boden für den politischen Massenstreik auflockert.

Und nun einige Worte zu den ersten Lehren des Ruhrkampfes und des oberschlesischen Streiks. Diese Streiks stellen ohne Zweifel eine prinzipiell höhere Stufe des Kampfes dar, deren Bedeutung weit über die Kämpfe von Mansfeld, des Berliner Metallarbeiterstreiks usw. hinausgeht. Warum ist das so? Einmal haben wir die Massen völlig allein und selbständig herausgeführt, obwohl die reformistischen Gewerkschaften von vornherein offen in der Front gegen den Streik standen und nicht erst, wie in Mansfeld und Berlin, im Verlaufe des Kampfes zum Streikbruch übergingen. Damit bedeuten diese Kämpfe einen neuen Erfolg, der der RGO. Achtung beim Proletariat verschafft hat. Als zweites kommt hinzu, daß wir bei diesen Kämpfen neue wesentliche Erfahrungen hinsichtlich des Termins für den Streikbeginn machten. Wir vermochten eine Ueberrumpelung des Gegners durchzusetzen. Den angreifenden Berggewaltigen wurde der rechtzeitige schnelle Gegenangriff der Bergarbeiter entgegengestellt. Die Arbeiterklasse lernt, daß sie sich nicht das Gesetz des Handelns vom Gegner vorschreiben lassen darf.

Schließlich die glänzende Rolle der Frauen und der Jugend, wie auch der Erwerbslosen in diesen Streiks. Und zuletzt die offene Entlarvung der Nationalsozialisten als bewaffnete Streikbrechergarden, wobei sie sich stellenweise blutige Köpfe von der Arbeiterschaft geholt haben. Das Polbüro wird über diese Kämpfe noch eine besondere Resolution in nächster Zeit herausbringen.

Andererseits können und müssen wir heute schon einige Schwächen feststellen. Das ist einmal das Verhältnis zwischen den parteilosen Arbeitern und unseren Funktionären. Unsere Genossen hatten sich auf eine Anzahl fester Schächte konzentriert, die sie als absolut streikfertig betrachteten. Nachher stellte sich heraus, daß von diesen Schächten einige nicht in den Streik traten, wohl aber andere, von denen man es nicht erwartet hatte. Ein weiterer Mangel besteht in der ungenügenden politischen Vorbereitung des Streiks. Wir haben den bevorstehenden polizeilichen Terror den Massen nicht genügend aufgezeigt, so daß auch die Abwehrkraft der Massen gegen skrupellosen Terror nicht genügend entwickelt war. Eine weitere Frage ist eine ungenügende Einstellung des ganzen Reiches auf die Solidaritätsaktionen. Im Wurmrevier, Waldenburg, Mitteldeutschland, Sachsen und Saargebiet gab es keinen gleichzeitigen Kampf. In Oberschlesien setzte der Streik zu spät ein. Eine andere Schwäche sind die Mängel in der Herausbildung aktiver Streikführer. Es fehlten die wirklichen Kader und festen Leitungen. Die roten Betriebsräte waren ungenügend in die Organisierung des Kampfes einbezogen. Es gab ferner auch in der politischen Leitung des Bezirks Schwächen, nachdem Genosse Florin durch seine Krankheit ferngehalten war.

Ein wichtiger Punkt ist die ungenügende organisatorische Vorbereitung für den roten Bergarbeiterverband. Dann noch zuletzt die Tatsache, daß es im Kampfgebiet selbst keine genügende Solidaritätsbewegung der übrigen Arbeiterschichten, mit Ausnahme des Hafenarbeiterstreiks in Duisburg, gab.

Trotz dieser selbstkritischen Bemerkungen kann selbstverständlich die gewaltige positive Rolle des Ruhrstreiks in keiner Weise geschmälert werden. Dieser Kampf eröffnet eine neue Periode in der revolutionären Gewerkschaftsbewegung. Verglichen mit den früheren Kämpfen entspricht er der höheren Aufgabenstellung des V. RGI.-Kongresses gegenüber dem IV. RGI.-Kongreß. In diesem Sinne war der Berliner Metallarbeiterstreik eine gewisse Vorstufe für Ruhr. Aber Ruhr war ein bedeutender prinzipieller Schritt weiter.

 

Die Frage der roten Verbände

Genossen, ich möchte in diesem Zusammenhang an die berühmten Worte des Genossen Stalin im Präsidium des EKKI am 19. Dezember 1928 erinnern, wo er trotz des Geheuls der Rechten und Versöhnler bereits in klarer Voraussicht die Perspektive des Entstehens von roten Gewerkschaften in Deutschland entwickelte. Genosse Stalin sagte damals:

»Aus der Tatsache, daß wir in den reformistischen Gewerkschaften arbeiten müssen – vorausgesetzt, daß diese Gewerkschaften tatsächlich Massenorganisationen sind, folgt noch keineswegs, daß wir unsere Massenarbeit auf die Tätigkeit in den reformistischen Gewerkschaften beschränken, daß wir zu Sklaven der Normen und Forderungen dieser Verbände werden sollen. Wenn die reformistische Führung mit dem Kapitalismus verwächst (siehe die Resolutionen des VI. KI.-Kongresses und des IV. Kongresses der RGI.), und die Arbeiterklasse einen Kampf gegen den Kapitalismus führt, kann man behaupten, daß der Kampf der von der Kommunistischen Partei geführten Arbeiterschaft ohne ein gewisses Sprengen des bestehenden reformistischen Gewerkschaftsrahmens geschehen kann? Es ist klar, daß man derartiges nicht behaupten kann, ohne einem Opportunismus zu verfallen. Vollkommen denkbar wäre daher eine solche Situation, in der es notwendig werden kann, parallele Massenorganisationen der Arbeiterklasse zu schaffen, entgegen dem Willen der sich an die Kapitalisten verkaufenden Bonzen. Eine solche Situation haben wir bereits in Amerika. Es ist durchaus möglich, daß auch in Deutschland die Entwicklung in dieser Richtung verlaufen wird.«

Damals wagten uns die Versöhnler hier im ZK. die Frage vorzulegen: »Wie steht ihr zu Stalin?« Wir gaben ihnen eine scharfe Antwort damals und geben sie ihnen heute: das Resultat, die Tatsachen, die RGO.-Arbeit und die roten Verbände sind unsere Antwort! Natürlich ist es klar, daß diese nur auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung entstehen können, wenn die Spaltungs- und Streikbruchpolitik des Sozialfaschismus schon besonders krasse Formen angenommen hat. Von entscheidender Bedeutung ist dabei selbstverständlich nach wie vor die Arbeit an der innergewerkschaftlichen Front der reformistischen Verbände, wo es immer noch etwa 5 Millionen organisierte Arbeiter gibt. Hier müssen wir lernen und verstehen, die Manöver, die die Bourgeoisie bei ihrer faktischen Arbeitsgemeinschaft mit der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie durchführt (wobei sie den Reformisten bisweilen sogar kleinere Streiks gestatten, wie in Bielefeld oder Hannover), vor den Massen stärker zu entlarven. Die kommunistische Fraktionsarbeit in den roten Gewerkschaften darf nicht unterlassen werden. Die Tatsachen in der Tschechoslowakei und Frankreich warnen uns. Die roten Verbände müssen energisch und offensiv überall den Arbeitern helfen und deren Kämpfe unterstützen, wodurch ihr Wachstum beschleunigt wird. Die Mitglieder der roten Verbände müssen aus verschiedenartigen Gründen die Oppositionsarbeit in den reformistischen Gewerkschaften systematisch beobachten und aufs stärkste fördern.

 

Erwerbslose – Angestellte – Betriebsrätewahlen

Ein Hauptkapitel der RGO.-Arbeit ist die Frage der Erwerbslosen. Nur wir sind imstande, Depressions- und Verzweiflungsstimmungen unter diesen Millionenmassen zu verhindern. Wir können leider eine starke Vernachlässigung unserer Erwerbslosenarbeit, mit wenigen Bezirksausnahmen, feststellen. Das Wichtigste ist, die Erwerbslosen immer wieder in die politischen Kampagnen einzubeziehen, sie auch an den Streiks, am politischen Leben überall teilnehmen zu lassen, damit die Arbeiterklasse nicht in zwei Teile zerfällt. Auf diese Weise verflechten sich immer stärker die Bewegungen und Kämpfe der Erwerbslosen mit den Millionen im Betrieb stehenden Arbeitern. In diesem Sinne müssen wir den 25. Februar als internationalen Kampftag der Arbeitslosen gemeinsam mit den im Betrieb stehenden Arbeitern machtvoll vorbereiten. Völlig gilt es, mit der versöhnlerischen Ideologie zu brechen, die in einer gewissen Unterschätzung der revolutionären Bedeutung der Arbeitslosen besteht. Für uns sind sie in der Tat eine entscheidende Sturmtruppe für die proletarische Revolution.

Ich komme nun zu der Frage der Angestellten. Es gibt in Deutschland ungefähr 4 Millionen. Zweidrittel haben ein monatliches Einkommen unter 200 Mark. Bei weiblichen Angestellten ist es viel niedriger, es beträgt durchschnittlich ungefähr 100 Mark. Diese Tatsachen zwingen uns, die große Passivität hinsichtlich der Angestelltenarbeit der Partei zu liquidieren und mit der Ideologie aufzuräumen, als ob das »bessere Leute« wären. Die Industrie- und Handelsbüros, die Warenhäuser und Banken sind heute starke Reservoirs der Nazi. Deshalb heran an die Büros, an die Warenhäuser und Banken! Mehr Mut und Elastizität unserer Arbeit unter diesen Schichten, bei denen die Not des öfteren sehr groß ist.

Einige ganz kurze Bemerkungen zu den Betriebsrätewahlen. Sie sind noch stärker als je zuvor politische Wahlen. Gegenüber dem vorigen Jahr gilt es vor allem die Einheitsfrontpolitik in stärkerem Maße zur Durchführung zu bringen. Unsere Hauptlosungen müssen sein: Gegen die Kapitalsoffensive! Schafft rote Hochburgen gegen den Faschismus! Kampf gegen die Brüning-Diktatur! Das Wichtigste ist bei den Betriebsrätewahlen die Stellungnahme und Mobilisierung der Belegschaften für die Durchführung besonderer, konkreter, betrieblicher Kampfprogramme. Ueberhaupt müssen wir die Wahlen nicht im Sinne terminmäßiger Wahlarbeit, sondern als wirkliche aktive Mobilisierung der Belegschaften für den Wirtschaftskampf und alle andern politischen Fragen durch die sofortige Wahl von vorbereitenden roten Wahlausschüssen fördern und beleben. Ueberall muß die Belegschaft den Verrat der reformistischen, christlichen und gelben Betriebsräte anprangern. Die roten Betriebsräte müssen offen Rechenschaft über ihre Tätigkeit vor der Gesamtbelegschaft ablegen, wobei offene Selbstkritik nur unsere Verbundenheit mit den Arbeitern erhöhen kann. Die Aufstellung neuer Kandidaten wird durch die Belegschaft notwendig und sehr oft zweckmäßig sein. Nehmt überall den schärfsten offensivsten Kurs gegen die stärkeren Bemühungen der Nazis, in die Betriebs- und Arbeiterratsfunktionen einzudringen. Säubert die Betriebe von den Faschisten!

Zum Schluß noch einige allgemeine Bemerkungen über die RGO.: Es ist klar, daß sie als Ganzes viel stärker politisch in den Vordergrund treten muß. Wo ist z. B. der Kampf des Reichskomitees der RGO. gegen den Faschismus in den Massen spürbar? Wo merkt man die zentrale Auseinandersetzung mit der klassenverräterischen Politik des ADGB.? Auch hier gilt es vorzustoßen und Versäumtes nachzuholen. Die RGO. hat heute die größte Entfaltungsmöglichkeit und sie muß zu einer wahren Millionenbewegung in Deutschland werden.

 

IV. Fortschritte und Mängel in der Parteiarbeit

Wenn wir die Bilanz unserer Arbeit nach dem 14. September ziehen, so sehen wir eine Reihe von großen Erfolgen der Partei: Die außerparlamentarischen Massenkämpfe, die neuen Streiks, die antifaschistische Massenkampfwelle, das organisatorische Wachstum der Partei und der Jugend, wobei wir z. B. in der Partei vom August bis Ende November vorigen Jahres bereits an abgerechneten Mitgliedern eine Steigerung um über 35 Prozent erzielt hatten. Im Dezember sind die eingelieferten Ergebnisse noch besser. Im Jugendverband ist zahlenmäßig das Wachstum ebenfalls sehr befriedigend, nur sind die Abrechnungsverhältnisse noch schlecht. Auch in der Frauenarbeit haben wir neue starke Erfolge, wie der Reichskongreß der werktätigen Frauen bewiesen hat.

Auf der anderen Seite gibt es auch starke Mängel. Einige Wahlen nach dem 14. September zeigten einen gewissen Tempoverlust gegenüber unseren Gegnern. Das konnte in den meisten Fällen vermieden werden. Wir haben ferner eine allzu schematische Anwendung der Politik der Partei, die Rundschreiben werden schematisch übernommen, ohne genügende Konkretisierung und selbständige Initiative der Bezirke und der unteren Organisationen. Wir müssen das, was im Volksleben vorgeht, das Fühlen und Denken der Werktätigen viel stärker beobachten und daraus lernen. Kleine und große Probleme mehr verbinden mit unserer revolutionären Ideologie.

Ich will nun einige Beispiele anführen, über die Art der besonderen Abweichungen und Fehler, die sich in der Parteipraxis in letzter Zeit ergeben haben. Dabei ist die Tatsache unbestreitbar, daß der rechte Opportunismus und der Opportunismus in der Praxis die Hauptgefahr ist. Wie äußern sich die rechtsopportunistischen Fehler? Wir haben da einmal Fehler, die einen ideologischen Opportunismus zum Ausdruck bringen, z. B. eine Leugnung der revolutionären Perspektive der Entwicklung, in der sich nichts anderes ausdrückt als Depressionsstimmungen opportunistischer Natur. Solche Fälle gibt es, wenn auch ganz vereinzelt. Ein zweites Beispiel ist die Frage des opportunistischen Zurückweichens vor der Staatsgewalt und vor dem Mordfaschismus. Wir wissen, daß z. B. in Finnland solche Tendenzen zum Ausdruck kamen, daß die illegale Kommunistische Partei sich so abkapselte, daß sie die Verbindung mit den Massen verlor. Deshalb ist es notwendig, alle Tendenzen eines Zurückweichens vor der Staatsgewalt und ihren Anschlägen auf die revolutionäre Bewegung, jede Kapitulationspolitik sowie jede Abschwächung des wehrhaften Massenkampfes gegen den Faschismus von vornherein mit eisernem Besen auszufegen. Ein dritter Hauptpunkt ist der Opportunismus bei Streiks. Hier will ich nur ein Beispiel aus dem Ruhrkampf erwähnen. Auf einer Schachtanlage erklärte der Betriebsratsvorsitzende, der ein Parteigenosse war, am dritten Streiktag den Bergarbeitern, er sei sich klar, daß er damit gegen die politische Linie seiner Partei verstoße, aber er empfehle doch die Rückkehr in den Betrieb. Der Erfolg war natürlich eine Abbröckelung der Streikfront.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich neben den rechts-opportunistischen Fehlern auch sogenannte »linke« Fehler. Nehmen wir z. B. Ostpreußen. Dort finden wir in der Presse eine nicht richtige Behandlung in verschiedenen Artikeln zur Frage der Landarbeiter. Man stellte dort eine Zeitlang zu isoliert in den Vordergrund die Organisierung des Roten Landarbeiterverbandes und nicht die entschiedene Vorbereitung der Kampfaktion der Landarbeiter gegen ihre Ausbeuter. Die ostpreußischen Genossen stellen die Frage umgekehrt als es richtig ist. Sie sagen: erst Schaffung des Verbandes, dann Kampf der Landarbeiter. Was für Illusionen! Besonders in der stärksten Mobilisierung und der Durchführung des Kampfes der Landarbeiter entsteht ja erst recht und weit mehr die Grundlage für die Organisierung und den Ausbau des roten Verbandes.

Oder nehmen wir eine andere Frage: in Schlesien war bekanntlich besonders stark die Hochwasserkatastrophe. Die Partei griff mit einer Reihe entscheidender Anträge im Preußischen Landtag ein. Aber wie fand das seinen Niederschlag in unserer schlesischen Zeitung? Daraus hätte man eher schließen können, daß die kommunistischen Anträge von der Brüning-Regierung berücksichtigt wurden, als daß wir die Helfenden waren. Diese Frage war den Genossen offenbar nicht »hochpolitisch« genug.

Oder noch ein anderes Beispiel. In Berlin die Tatsache des Remarque-Films, bei welcher Gelegenheit die Nazis eine große Mobilisierung ihrer Anhänger versuchten. Wir haben leider in dieser Frage eine schwache und keine offensive Stellung eingenommen. Wir haben die Bedeutung einer solchen, verhältnismäßig »unpolitischen« Frage vom Standpunkt des Lebens der Massen einfach unterschätzt.

Oder nehmen wir die Brüning-Reise, die vielfach von den Massen gestört wurde, wo bekanntlich ein Betriebsratsmitglied, der Genosse Becker, der unserer Partei angehört, in einer offiziellen Sitzung in Schlesien plötzlich aufstand und gegen die Hungerregierung Brüning, im Beisein von Brüning und seinen eingeladenen Gästen, das Wort ergriff und seine Politik aufs schärfste anprangerte. Von unseren Redakteuren wurde diese Sache nur ein einziges Mal und dabei noch nebensächlich beleuchtet. Die Nazis hätten von solch einer Angelegenheit längere Zeit gelebt, wir begnügen uns mit der »bescheidenen« einmaligen Widergabe. Und doch war es ja eine wirklich interessante und seltene Tatsache: Brüning sagt, es sei nicht richtig, wenn im deutschen Volke die Behauptung aufgestellt werde, sein Kabinett sei eine Hungerregierung – bei diesen Worten steht plötzlich ein Kommunist auf und hält eine scharfe Anklagerede gegen die Hungerregierung Brüning, bis er von der Polizei unter Führung eines Offiziers dort herausgeschleift wird. Aber unsere Redakteure fühlen nicht den Widerhall dieses Vorfalles bei den Massen und sie verzichten deswegen auf die Popularisierung dieses Falles.

Diese Beispiele ließen sich noch beliebig vermehren. Wenn wir z. B. unsere Presse zur Hand nehmen, finden wir bisweilen, glücklicherweise selten, unglaubliche Entgleisungen, auch in ideologischer Hinsicht, wo sich eine direkte Verbürgerlichung bei vereinzelten Genossen leider bemerkbar macht.

Noch einige zusammenfassende Bemerkungen über den Charakter der opportunistischen Abweichungen. Ich nannte schon die gegenwärtig entscheidende Abweichung, das Zurückweichen vor dem Mord-Faschismus. Das zweite ist der noch starke Gewerkschaftslegalismus und die ungenügende selbständige Rolle der roten Betriebsräte. Eine dritte Frage ist unsere Arbeit in den Parlamenten, wo wir viel stärker der revolutionären Entwicklung Rechnung tragen müssen. Und zuletzt das Problem, daß wir die gewisse innere Passivität und falsche Bescheidenheit angesichts unserer großen Aufgaben überwinden und stärker und leidenschaftlicher als die Partei des herannahenden Sieges in Erscheinung treten.

 

Neue Kaders, neue Funktionäre!

Einiges noch zur Frage der organisatorischen Probleme, die vor der Partei stehen. Welches sind die Hauptmängel? Von entscheidender Bedeutung für die Durchführung unserer Politik sind die Betriebszellen. Die schnellste Inangriffnahme der Gründung neuer Betriebsgruppen, Aufrichtung und die Erweiterung unserer Betriebszellen durch neue revolutionäre Elemente aus den Betrieben und die politische Belebung der Arbeit unserer Betriebszellen und ihrer Leitungen steht als erste und notwendigste Aufgabe vor der Gesamtpartei. Der Ausbau des Vertrauensleutekörpers und der Funktionäre der RGO. in den Betrieben muß energisch in Angriff genommen werden. Ein zweites Problem ist das zu langsame Wachstum und die noch immer ungenügende Stärke der RGO. und der neuen roten Verbände. Eine dritte Frage die ganz unbefriedigende Auflagenziffer unserer Parteipresse. Viertens die Verdoppelung unserer Mitgliederzahl vom August 1930 bis zum 1. April 1931, bei stärkster Orientierung auf die Gewinnung neuer Mitglieder aus den wichtigsten Betrieben in ganz Deutschland. In allen diesen Punkten müssen wir ohne Zweifel mit offener bolschewistischer Selbstkritik die Ursachen aufdecken, um diese Schwächen möglichst schnell und intensiv zu liquidieren. Andererseits steht auch die Frage unseres Funktionärapparates, die Verbesserung der Leitungen in der Gesamtpartei. Hier ist ein äußerst wichtiges Problem die Zusammensetzung der Partei in bezug auf die Verankerung in den entscheidenden Großbetrieben. Dem allgemeinen günstigen Aufstieg der Partei steht eine völlig ungenügende Zahl unserer Betriebszellen und ein mangelndes politisches Leben in den Betriebszellen gegenüber. Man muß das überall so offen und so kraß stellen, wenn wir ernsthaft daran gehen wollen, endgültig diese große Schwäche in unserer Partei zu überwinden.

Mit den wachsenden Aufgaben und den höheren Anforderungen, die an uns gestellt werden, kommen wir mit den jetzigen Kaders, mit den bisherigen führenden Funktionären unserer Partei nicht mehr aus. Wir müssen dafür sorgen, daß jeder Genosse seine Pflicht erkennt, wenn neben ihm ein anderer, aktiver Genosse auftaucht, der vielleicht sogar stärkere Fähigkeiten besitzt, als er selbst, diesen Genossen auch individuell in seiner Entwicklung zu fördern und nicht etwa zurückzuhalten, wie es des öfteren leider geschieht. Unsere Genossen müssen viel mehr ideologische und auch individuelle Hilfe von unseren Leitungen erhalten. Mit der Hebung des allgemeinen theoretischen Niveaus werden wir einen stärkeren Zuwachs an neuen, reiferen Elementen bekommen.

Dazu noch eine praktische Frage. Wir haben an den wichtigsten Stellen, wenn auch nicht überall, das System, daß die neuen Mitglieder noch kein Parteibuch bekommen, sondern nur Karten. Erst nach einem Jahr erhält das neue Mitglied sein Parteibuch. Ist diese Methode richtig? Ich bin überzeugt, daß sie ein schwerer Fehler ist. Eine solche äußerliche Kennzeichnung der neuen Mitglieder kann eine wirkliche politische Kontrolle doch nicht ersetzen, aber man teilt die Partei dadurch in zwei Arten von Parteigenossen. Selbstverständlich haben die neuen Genossen das Bedürfnis, daß das Jahr möglichst schnell herum ist, damit sie ihr Parteibuch bekommen. Es ist unbedingt notwendig, mit diesem veralteten Gebrauch sofort Schluß zu machen. Sonst werden wir auch die wichtigen Aufgaben der Massenwerbung, die vor uns stehen, keineswegs lösen können.

Vor uns steht die Aufgabe der Verdoppelung der Mitgliederzahl der Partei und des Kommunistischen Jugendverbandes, bei gleichzeitiger Ueberwindung der Fluktuation, Erhöhung der Gesamtauflage der Presse, stärkste Förderung der Betriebszeitungen und der revolutionären Gewerkschaftspresse. Ich bin sicher: Die Partei ist stark genug, diese Aufgabe zu lösen!

 

Politischer Massenstreik

Der politische Massenstreik ist für die jetzige Etappe der Entwicklung die entscheidende Kampfmethode des Proletariats. Aus welchem Anlaß ein politischer Massenstreik entfesselt wird, dafür lassen sich keine Normen und feste Regeln aufstellen. Er kann aus wirtschaftlichen Streiks erwachsen. Aber er kann ebenso gut einen unmittelbar politischen Anlaß haben, wie das Danziger Beispiel jetzt, der Streik nach dem Kapp-Putsch seiner Zeit und vieles andere lehrt. Wirtschaftliche Streiks, deren politischen Charakter wir ins Bewußtsein der Massen heben müssen, bereiten den Boden für große politische Massenstreiks vor. Wir müssen alles daran setzen, die Massen für diese wuchtige, heute ausschlaggebende Waffe des politischen Massenstreiks zu erziehen.

Ein entscheidendes Problem ist selbstverständlich bei der heutigen Situation und den Perspektiven der revolutionären Entwicklung die Wehrhaftmachung des Proletariats. Hier stehen die allergrößten und neue Aufgaben vor der Partei. Unsere Klassenfeinde helfen uns dabei. Wenn Severing seine Worte von den »härteren Waffen« als Drohung gegen die Arbeiterklasse schleudert, wenn Hitler und Goebbels ankündigen, daß sie »Köpfe rollen lassen« wollen, so zeigen diese Aeußerungen dem Proletariat am besten, was ihm blüht, wenn es nicht wehrhaft sich selbst zu schützen und seine Todfeinde zu überwinden vermag. Die Arbeiter erklären heute schon: Wir lassen uns nicht mehr schlagen! Diese Stimmung ist besonders stark gegenüber dem Mordfaschismus. Die KPD. schafft eine Sicherheit und Festigkeit der Arbeiter im Kampfe gegen den Faschismus und stößt dabei auf die Zustimmung der breitesten Massen. Heute ist die Empörung im Proletariat schon so groß, daß man fast sagen kann: Wenn die KPD. diesen Kampf vernachlässigen würde, würden die Massen ihrerseits spontan dazu übergehen, auf jede neue faschistische Bluttat mit antifaschistischen Strafexpeditionen zu antworten.

Genossen, die großen historischen Aufgaben, die vor uns stehen, belasten uns mit gewaltiger Verantwortung. Man muß überall auf die Stimme der KPD. hören! Dafür genügt nicht allein eine richtige Politik, nicht allein die beispiellose einheitliche Geschlossenheit unserer Partei, sondern auch die stärkere Verantwortung des einzelnen Kommunisten in den proletarischen Massen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die innere politische Festigung, die Autorität der Partei von unten bis oben bedeutet auch politische Festigung, Vertrauen und Autorität nach außen unter den Massen. Die Beschleunigung der revolutionären Entwicklung hängt in erster Linie von uns ab. Dabei geht es nicht nur um das Interesse der deutschen Arbeiter, sondern auch um die Fragen der Kommunistischen Internationale und der Verteidigung der Sowjetunion.

Die KPSU. zeigt im Ringen und Siegen des sozialistischen Aufbaues dem ganzen Weltproletariat heroische Leistungen. Ihr historisches Werk muß ein vorwärtstreibendes Vorbild auch bei der inneren Mobilisierung unserer Reihen sein. Wir erklären unsere unverbrüchliche Solidarität mit der Tagung und den Beschlüssen des ZK. und der ZKK. der KPSU. Wir begrüßen ihre Beschlüsse gegen die Rechten wie gegen den Block Szyrzow-Lominadse. Die Einheit der WKP. stählt unsere Einheit. Unsere Erfolge sind auch ihre Erfolge. Ihr grandioser sozialistischer Sieg fördert unseren Sieg. Diese leninistische Verbundenheit mit der KPSU. spiegelt lediglich unsere bolschewistische Klassenlinie wider, die die beste Garantie und die unerläßliche Voraussetzung für die siegreiche Erfüllung unserer revolutionären Aufgaben ist.


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