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XXXI.

Peregrine und Emiliens Bruder schlagen sich, und werden hierauf die besten Freunde. Ersterer trifft in der Garnison ein. Er findet seine Mutter so unversöhnlich als jemals, wird von seinem Bruder Gam beleidigt und züchtigt dessen Hofmeister dafür.

Um sich zu erheitern suchte sich Peregrine die schmeichelhaften Bilder der Freuden vorzumalen, die ihn in Frankreich erwarteten, und dies gelang ihm so gut, daß er binnen Kurzem und eh' er noch zehn Meilen zurückgelegt hatte, wieder vollkommen untergestimmt war.

Während er aber so schon im Voraus Frankreich durchreiste und sich dabei den übermüthigsten Hoffnungen hingab, sah er sich plötzlich in einem engen Wege, von Emiliens Bruder zu Pferde überrascht, der ihm eröffnete: er reite denselben Weg und freue sich in seiner Gesellschaft seyn zu können.

Widerwille gegen Pickle, vielleicht auch Eifer für die Ehre seiner Familie, hatten den jungen Mann veranlaßt, unserm Helden in der Absicht zu folgen ihn zu nöthigen, sich über die eigentliche Beschaffenheit seiner Verbindung mit Emilie zu erklären. Da Peregrine nun jetzt seine Begrüßung so unendlich kalt aufnahm, daß Jener vermuthen konnte, er ahne, warum er gekommen sey, so entdeckte er auch ohne weitere Einleitung seine Absicht und wandte sich mit den Worten an ihn: »Sir Pickle, ich möchte die Absichten erfahren, die Sie bewogen haben, einen Umgang mit meiner Schwester anzuknüpfen.«

»Und ich«, entgegnete Pickle stolz, »möchte wissen, welches Recht Sie haben, diese Frage an mich zu thun?«

»Das eines Bruders,« erwiederte Geoffry, »der sowohl für seine eigene Ehre als den guten Namen seiner Schwester besorgt ist. Haben Sie rechtliche Absichten, so werden Sie sich nicht weigern, sie mir zu entdecken.«

»Ich könnte nicht sagen, daß ich jetzt in der Stimmung wäre, mich mit Ihnen über die Recht- oder Unrechtmäßigkeit meiner Absichten zu unterhalten, um so weniger, da Sie es sich anmaßen wollen, ein Urtheil über mein Benehmen zu fällen.«

»Dies thue ich bei einem Jeden, der sich in meine Angelegenheiten mischt, und wenn ich glaube, daß ein solcher Unrecht handelt, so züchtige ich ihn wohl auch.«

»Züchtigen? wahrlich! diesen Ausdruck dürfen Sie sich nicht gegen mich bedienen.«

»Da irren Sie sich, ich darf Alles thun, was einem Gentleman erlaubt ist.«

»Wahrhaftig!« rief Peregrine, mit einem spöttischen Blicke auf Gauntlets nicht sonderlich reichen Anzug, »ein feiner Gentleman!«

Diese Unart, womit der übermüthige junge Mann auf die Armuth von Emiliens Bruder anspielte, entflammte dessen Zorn: er nannte seinen Gegner einen übermüthigen und unverschämten Glückspilz, und da Peregrine mit Worten ähnlicher Art hierauf erwiederte, so kam es bald so weit, daß sie sich förmlich herausforderten und dieserhalb beim ersten ihnen aufstoßenden Wirthshause anhielten, von wo sie sich dann auf das Feld begaben, um ihre Sache mit dem Degen in der Hand auszumachen.

Als sie hier wegen des Platzes übereingekommen waren, halfen sie sich einander die Stiefeln ausziehen und legten Rock und Weste ab, worauf Gauntlet sodann seinem Gegner sagte: man sähe ihn in der Armee für einen guten Fechter an, und wenn Sir Pickle vielleicht nicht sehr erfahren in dieser Kunst sey, so wollten sie lieber Pistolen nehmen. Peregrine war jedoch viel zu aufgebracht, um für diese Aufrichtigkeit dankbar zu seyn, und hatte eine viel zu hohe Meinung von seiner Geschicklichkeit, um sich den Vorschlag mit den Pistolen gefallen zu lassen; er verwarf demnach nicht allein dies Anerbieten, sondern setzte noch mit Hohn hinzu: Gauntlet hätte eigentlich verdient, daß er dessen Verwegenheit durch seinen Bedienten mit der Hetzpeitsche hätte belohnen lassen.

Diese abermalige empörende Beleidigung erbitterte den jungen Krieger ungemein; ohne seinen unverschämten Gegner einer weiteren Antwort zu würdigen, griff er ihn auf der Stelle mit dem Degen an, und obschon Peregrine die ersten beiden Stöße mit vieler Gewandtheit ausparirte, so bekam er doch den dritten in den Oberarm. Zwar war dies nur eine Streifwunde, allein das hervorquellende Blut schien Pickles Wuth nur noch mehr zu entflammen: mit Grimm und Uebereilung stürzte er sich jetzt auf seinen Gegner, der jedoch edel genug dachte, die ihm dadurch gegebenen Blößen nicht zu benutzen, und sich nur vertheidigungsweise verhielt. Beim zweiten Ausfalle fuhr Peregrinens Degen jedoch in eine Art von Netzwerk an Geoffrys Stichblatt, die Klinge sprang entzwei, und Peregrine sah sich dadurch ganz in der Gewalt seines Gegners.

Weit entfernt, sich seines erhaltenen Sieges auf eine übermüthige Art zu bedienen, steckte Gauntlet seinen Degen jetzt mit der Kaltblütigkeit eines Mannes wieder ein, dem dergleichen nichts Neues ist, und bemerkte blos dabei: es sey nicht wohlgethan, einer so schwachen Klinge sein Leben anzuvertrauen. Hierauf kleidete er sich wieder an und ertheilte, indem er sich langsam nach dem Wirthshause auf den Weg machte, noch den Rath: in Zukunft einem Gentleman in bedrängten Umständen mit mehr Ehrerbietung zu begegnen.

So sehr sich Pickle auch durch den Ausgang dieser Sache gekränkt fühlte, so mußte ihn doch das Benehmen des jungen Kriegers ergreifen, und dies um so mehr, da er jetzt wohl einsah, daß dieser durchaus Recht gehabt hatte. Der Muth und die Mäßigung, welche Gauntlet gezeigt, ließen ihn von diesem Augenblicke an Alles aus dem vortheilhaftesten Gesichtspunkte betrachten, und so sorgsam er sonst jeden Anschein von Demüthigung würde vermieden haben, so folgte er doch nun dem Sieger in der Absicht nach, ihm für sein großmüthiges Verfahren zu danken und um seine Freundschaft und um einen Briefwechsel mit ihm zu bitten.

Gauntlet war eben im Begriff fortzureiten, als Peregrine zu ihm trat und ihn bat, seine Abreise noch einige Augenblicke zu verschieben und ihm eine kurze, geheime Unterredung zu gönnen. Der junge Krieger legte diese Bitte jedoch falsch aus; er ließ sein Pferd stehen und folgte Pickle in eine Stube, wo er ein paar geladene Pistolen zu finden glaubte. Desto angenehmer war aber seine Ueberraschung, als Peregrine ihm hier in den edelsten Ausdrücken ein Compliment über sein braves Benehmen machte, und ihm ganz offen gestand, er hätte sich bisher in seinem Charakter geirrt, weswegen er ihn denn bäte, ihn mit seiner Freundschaft und einem Briefwechsel zu beehren.

Dieses Anerbieten wurde von dem jungen Militair, der Verstand genug besaß, die Sache aus dem richtigen Gesichtspunkte zu sehen und dessen Achtung gegen Pickle durch die unleugbaren Beweise gestiegen war, die dieser von seiner Herzhaftigkeit abgelegt hatte, mit Zuvorkommenheit angenommen, und als er jetzt von Peregrine hörte, auf welchem Fuße dieser mit seiner Schwester stände, da bot er sich nun eben so offen zum Vertrauten und Geschäftsträger der Liebenden an; ja, um seinem neuen Freunde einen überzeugenden Beweis seiner Aufrichtigkeit zu geben, entdeckte er ihm die Leidenschaft, die er für seine Cousine Miß Sophy hegte, doch setzte er dabei hinzu: vorläufig dürfe der Vater seiner Geliebten noch nichts davon erfahren, da dieser sonst leicht seiner Familie seinen Schutz entziehen möchte.

Peregrinens Herz fühlte sich schmerzlich bewegt, als er im weiteren Verlaufe des Gesprächs vernahm, daß der junge Mann, der einzige Sohn eines verdienten Officiers, fünf Jahre lang bereits beim Regimente war, ohne den Posten eines Subalternen erlangen zu können, wiewohl er sich stets ordentlich und brav betragen und die Achtung und Freundschaft seiner Oberen erworben hatte.

Gern hätte Pickle jetzt seine Baarschaft mit Gauntlet getheilt, allein aus Furcht, dessen Delikatesse zu beleidigen, wagte er sich nicht mit dem Antrage heraus, und beschloß erst auf einen vertrauteren Fuß mit seinem neuen Freunde zu kommen. Er drang zu dem Ende in Gauntlet, ihn nach dem Castell zu begleiten, wo er Einfluß genug zu besitzen glaubte, ihm eine gute Aufnahme verschaffen zu können. Geoffry dankte jedoch höflich für diese Einladung, und bemerkte, daß es ihm seine Zeit jetzt nicht erlaube, dies anzunehmen; doch versprach er, wenn erst Peregrinens Abreise nach Frankreich bestimmt seyn würde, ihn, wenn es irgend möglich wäre, in des Commodores Hause zu besuchen und ihn dann bis Dower zu begleiten. Nachdem dies abgemacht und Peregrinens Wunde gehörig verbunden worden war, nahmen beide Abschied von einander, und unser Held verfehlte dabei nicht, seiner theuern Emilie, so wie deren Freundin Sophy noch viele Empfehlungen sagen zu lassen. Den folgenden Nachmittag langte er aber im Castell an, wo er seine Freunde sämmtlich wohlauf und voll Vergnügen über seine Rückkehr fand.

Trunnion, der jetzt die Siebzig zurückgelegt und den das Podagra ganz zum Krüppel gemacht hatte, kam nur noch selten aus, und hatte, da er nicht sonderlich unterhaltend war, auch bei sich nur wenig Gesellschaft. Auf diese Art würde er nach und nach gleichsam ganz eingerostet seyn, wenn nicht Hatchway's Unterhaltung und das Keifen seiner Gemahlin, die in Folge ihres Stolzes, ihrer Frömmelei und ihres Cognactrinkens, mit einem wahren Tyrannenscepter über das Haus herrschte, ihn bisweilen aus seiner Lethargie auf eine heilsame Art aufgerüttelt hätte.

Der Wechsel der Bedienten in diesem Hause war die Zeit daher so schnell gewesen, daß eine und dieselbe Livree schon von Personen von allen Größen und Gestalten getragen worden war, und Trunnion hatte längst, nach vielen fruchtlosen Versuchen, seine Freiheit wieder zu gewinnen, sich der despotischen Macht der Dame unterworfen. Jetzt, da alle seine Glieder gelähmt und unbrauchbar waren, pflegte er öfters, wenn er seine Frau unten im Hause schelten und toben hörte, dem Lieutenant geheim zuzuflüstern: wie er wohl handeln wollte, wenn er nur den Gebrauch seiner kostbaren Gliedmaßen noch hätte. Hatchway war übrigens der einzige Mensch, den Mistriß Trunnions Launen verschonten, und hieran entweder die Furcht, er möchte sie lächerlich machen, oder vielleicht auch eine geheime Inclination Schuld.

Unter diesen Verhältnissen freute sich, wie man leicht denken kann, der alte Herr gewaltig über Peregrinens Ankunft, der schnell Mittel fand, sich so sehr bei seiner Tante in Gunst zu setzen, daß diese, so lange er im Hause war, sich ganz wie umgewandelt zeigte. Seine Mutter fand Peregrine dagegen noch immer unversöhnlich, und seinen Vater so sehr unter dem Pantoffel als jemals.

Gamaliel, der jetzt den Umgang seines alten Freundes, des Commodores, nur noch selten genoß, hatte sich seit einiger Zeit einen neuen Freundeszirkel erwählt, der aus dem Barbier, dem Apotheker, dem Advokaten und dem Acciseinnehmer des Kirchspiels bestand. Mit diesen Leuten brachte er seine Abende bei Tunley zu und hörte hier ihre philosophischen und politischen Zänkereien mit eben so viel Freude als Erbauung an, während seine Frau im Hause als unumschränkte Gebieterin waltete, mit großem Prunk in der Nachbarschaft Besuche ablegte und als ihr Hauptgeschäft die Erziehung ihres theuern Sohnes, Gam, betrieb.

Dieser Bursche war jetzt funfzehn Jahre alt und wegen seiner verkehrten Gemüthsart so allgemein bekannt, daß man ihn, trotz dem Einflusse und dem Ansehen seiner Mutter, sowohl in als außerhalb dem Hause ebenso haßte als verachtete. Mistriß Pickle hatte ihn unter die Aufsicht des Vicars gegeben, der im Hause mit wohnte und ihn, wie sein Schatten, bei allen seinen Excursionen begleitete. Zwar war dieser Hofmeister nur ein Mensch von geringer Herkunft und ohne Kenntnisse und Genie, allein er besaß dafür eine tüchtige Portion von Schmeichelei und knechtischer Unterwürfigkeit; ein paar Eigenschaften, die nicht ermangelten, ihm die Gewogenheit der Mutter in einem so hohen Grade zu erwerben, daß er in allen ihren Berathungen ebenso den Vorsitz führte, wie sein Oberer in denen der Mistriß Trunnion.

Eines Tages ritt dieser treffliche Hofmeister mit seinem Zöglinge, der den Landleuten ganz besonders verhaßt war, indem er sich gern ein Vergnügen daraus zu machen pflegte, ihre Hunde zu tödten und in ihre Verzäunungen einzubrechen, spazieren. Seines Buckels wegen hatte man ihm den Namen der Ritter vom Aste, oder auch Mylord Buckelinchen gegeben. Diese beiden Leutchen stießen nun jetzt in einem von Zäunen eingeengten Wege auf Peregrine, der ebenfalls zu Pferde war.

Kaum erblickte Gam hier seinen Bruder, gegen den ihm von Kindheit an ein bitterer Haß eingeprägt worden war, so beschloß er, ihn im Vorbeireiten zu beschimpfen, und begann damit, im vollen Galopp auf ihn anzusprengen. Peregrine, der jedoch sogleich die freundschaftliche Absicht seines Bruders merkte, setzte sich fest im Sattel und wich durch eine geschickte Lenkung seines Pferdes dem Zusammenstoß so weit aus, daß nur ihre Füße an einander trafen. Gam wurde hierdurch aus dem Sattel gehobenen, und lag im Augenblicke so lang er war im Kothe. Diesen Unfall des ihm anvertrauten Pfandes vermerkte der Hofmeister aber mit großem Aerger, und voll Zorn und Uebermuth nahte er sich nun Peregrine und hieb mit seiner Peitsche nach ihm. Nichts konnte diesem erwünschter kommen, als dieser Angriff, denn er erhielt dadurch die ersehnte Gelegenheit, einen speichelleckenden Buben züchtigen zu können, dessen Nichtswürdigkeit er schon längst gern bestraft hätte. Er spornte deshalb sein Pferd gegen den Vicar an und stürzte ihn ebenfalls aus dem Sattel und über einen Zaun weg; bevor der Hofmeister aber hier noch Zeit hatte, wieder auf die Beine zu kommen, sprang er ebenfalls vom Pferde, und begann nun ihn mit seiner Peitsche so kräftig zu bearbeiten, daß der Vicar vor Angst und Schmerz auf die Knie fiel und in den kriechendsten Ausdrücken um Verzeihung bat.

Während Peregrine aber noch beschäftigt war, dem Hofmeister sein Recht angedeihen zu lassen, hatte sich Gam wieder mit vieler Mühe aufgerafft und griff seinen Bruder nun von hinten an. Dies nöthigte Peregrine sich umzuwenden und diesem die Waffe aus der Hand zu reißen und sie zu zerbrechen; dann stieg er, ohne sich weiter mit ihm zu befassen, ruhig auf sein Pferd und ritt seines Weges fort.

Der Zustand, in welchem die Beiden nach Hause kehrten, brachte gegen den Sieger ein entsetzliches Geschrei zuwege; es hieß jetzt: Peregrine sey ein meuchelmörderischer Bube, der seinem Bruder aufgelauert hätte, um ihm das Leben zu rauben, und da der Vicar zur Vertheidigung seines Zöglings herbeigeeilt wäre, so hätte er auch diesem die unbarmherzigen Striemen ertheilt, die ihn drei ganze Wochen verhinderten, seinen kirchlichen Obliegenheiten nachzukommen.

Man verfehlte dabei auch nicht, Peregrine bei dem Commodore zu verklagen; doch dieser, besser unterrichtet von der Sache, billigte nicht allein das Benehmen seines Neffen, sondern setzte auch noch unter manchem Fluche hinzu: er wünsche, daß der Ritter mit dem Aste den Hals möchte gebrochen haben.


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