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13. Kapitel

Der Sturm auf die Krakauer Vorstadt, nach der Seite der neuen Welt zu, war blutig und nicht sehr erfolgreich, aber insofern doch von Nutzen, daß er die Aufmerksamkeit der Schweden etwas von Kmiziz ablenkte und diesem eine kleine Pause zur Erholung bot. Die Polen drangen bis zum Palast Kasimirowski vor, ohne jedoch die Position behaupten zu können.

Aehnlich erging es ihnen beim Palais Danillowski und beim Danziger Hause. Es fielen wieder ein paar hundert Mann. Doch machte der König zu seiner Freude die Wahrnehmung, daß selbst die Mannschaften des allgemeinen Aufgebots mit flammender Begeisterung in den Kampf gingen und durch das Mißlingen des Angriffs durchaus nicht entmutigt wurden, sondern vielmehr die Lust zu neuen Kämpfen in ihnen entfacht worden war.

Das größte Ereignis jener Tage war aber die Ankunft Johann Samojskis und Herrn Tscharniezkis. Der erstere führte dem Heere ein Regiment auserlesenster Füsiliere und etliche schwere Geschütze zu, der andere war gekommen, um Anteil an der Belagerung Warschaus zu nehmen, nachdem er im Einverständnis mit Herrn Sapieha einen Teil des litauischen Heeres samt den Podlachischen Freiwilligen unter das Oberkommando Johann Skrzetuskis gestellt, und diesem die Ueberwachung der Bewegungen Douglas' übertragen hatte. Man hoffte nun allgemein, und auch Tscharniezki teilte diese Hoffnung, daß man zum letzten erfolgreichen Sturm auf die Stadt schreiten könne.

Man pflanzte die angekommenen schweren Geschütze auf die von Kmiziz eroberte Bastion und brachte in kurzer Zeit die schwedischen Granatschleudern zum Schweigen. Von da ab übernahm das Kommando auf der Bastion der General Grodzizki, Kmiziz kehrte zu seinen Tartaren zurück. Doch ehe er noch sein Quartier erreichen konnte, erreichte ihn der Befehl, nach Ujazdowo zu kommen.

In Gegenwart des ganzen Generalstabes erteilte der König ihm eine große Belobigung, in welche die Herren Tscharniezki, Sapieha und Lubomirski, sowie die Kronenhetmane auf das lebhafteste einstimmten. Er aber stand strahlenden Angesichts in zerrissenen, beschmutzten Kleidern vor den Herren, hocherfreut, daß es ihm gelungen war, die Bastion zu halten und den Ruhm der Einnahme derselben für sich errungen zu haben. Unter den vielen Glückwünschen, die er empfing, freuten ihn besonders die von Wolodyjowski und Sagloba.

»Du kannst dir gar nicht vorstellen, Andrusch,« sagte der kleine Ritter, »welch großes Wohlgefallen der König an dir hat. Ich war gestern im Kriegsrat zugegen, Herr Tscharniezki hat mich mitgenommen; man sprach von der Erstürmung Warschaus, dann über die Nachrichten von den Gräuelthaten, welche Pontus und die Schweden in Litauen verüben. Es wurde beraten, wie man diesem Unheil abhelfen könnte. Herr Sapieha war der Ansicht, das Beste sei, ein paar Reiterfahnen unter dem Kommando eines Mannes dorthin zu schicken, der für Litauen das werden könnte, was Tscharniezki für Kronpolen geworden ist. Da sagte der König gleich: ›Ich kenne nur einen, der das zu vollbringen imstande ist, – Babinitsch!‹ Die anderen gaben ihre Zustimmung.«

»Ich würde sehr gern nach Litauen und besonders nach Smudz gehen,« erwiderte Kmiziz; »wollte selbst den König darum bitten, nur wollte ich erst die Einnahme Warschaus abwarten.«

»Morgen soll Generalsturm sein,« sagte nähertretend Sagloba.

»Ich weiß es; wie geht es Ketling?«

»Wer ist das? Ihr meint wohl Haßling?« verbesserte der alte Ritter.

»Er ist es! Das ist auch ganz gleich, denn er hat, wie die meisten Engländer und Schotten, zwei Namen. Das kommt in fast allen anderen Nationen vor.«

»Es ist wahr!« sagte Sagloba. Der Spanier hat für jeden Tag der Woche einen anderen Namen. Euer Troßbube hat mir gesagt, daß jener Haßling oder Ketling gesund ist: er hat schon gesprochen, geht umher, das Fieber scheint ihn verlassen zu haben.«

»Wart ihr nicht bei ihm?« frug Kmiziz.

»Ich hatte keine Zeit,« antwortete Wolodyjowski. »Wer hätte auch vor der Einnahme der Festung Sinn für anderes.«

»Gehen wir jetzt zu ihm.«

»Legt euch lieber schlafen,« sagte Sagloba.

»Es ist wahr; ich möchte wohl, denn ich kann kaum noch aufrecht stehen.«

In seinem Quartier angekommen, befolgte Herr Andreas den Rat Saglobas um so lieber, als er Haßling schlafend vorfand. Dafür kamen abends die beiden Freunde nach ihm zu sehen; sie setzten sich alle dreie in die luftige Sommerlaube, welche die Tartaren ihrem » bagadyr« errichtet hatten. Die beiden Kiemlitsch bedienten die Herren und schenkten den alten hundertjährigen Met ein, welchen der König Kmiziz gesandt. Der Abend war warm. Haßling, sehr bleich und abgemagert, schien Leben und Kraft aus dem kostbaren Getränk zu schlürfen. Sagloba schnalzte mit der Zunge und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Ha! wie dort die Kanonen donnern,« sagte hinaushorchend der junge Schotte. »Morgen wollt ihr zum Sturme vorgehen ... wohl euch Gesunden! ... Gott segne euch! Ich bin ein Fremdling und diente, wo die Pflicht mich band, doch euch wünsche ich alles Beste. Ach, ist das ein Met! Ich fühle mich neubelebt.«

Während er so sprach, warf er sein langes goldiges Haar zurück in den Nacken und richtete die blauen Augen zum Himmel empor. Sein Gesicht war wunderschön; es trug einen noch fast kindlichen Ausdruck. Sagloba blickte ihn ganz gerührt an.

»Ihr sprecht so gut Polnisch, Herr Kavalier, wie jeder von uns. Bleibt bei uns, lernt unser Vaterland lieben; ihr thut damit ein gutes Werk und der Met wird euch nie fehlen. Für eine ehrenvolle Anstellung für den braven Soldaten wird auch gesorgt werden.«

»Besonders, da ich auch von Adel bin. Mein voller Name lautet nämlich Haßling-Ketling of Elgin. Meine Familie stammt aus England, wenn sie auch in Schottland ansässig ist.«

»Es ist so weit in euer Vaterland, weit über das Meer und wir leben bei uns ganz anständig,« versetzte Sagloba.

»Ich fühle mich auch ganz wohl hier!«

»Aber uns ist nicht wohl jetzt; wir sitzen wie auf Nadeln,« warf Kmiziz ein, der schon lange ungeduldig auf dem Stuhle hin- und herrückte. »Wir brennen vor Begierde zu hören, was sich in Tauroggen zugetragen, und ihr unterhaltet euch über Stammbäume.«

»Fragt mich und ich werde antworten,« sagte Haßling.

»Habt ihr das Fräulein Billewitsch oft gesehen?«

Das blasse Gesicht Haßlings überzog sich mit einer feinen Röte.

»Ich sah sie alle Tage.«

Kmiziz blickte ihm scharf in das Gesicht.

»Wart ihr denn so vertraut mit ihr? Warum errötet ihr? Wie kam es, daß ihr alle Tage bei ihr waret?«

»Ich hatte ihr einige kleine Dienste geleistet; sie wußte, daß ich ihr ergeben war. Ihr werdet das im Verlaufe des Gespräches erfahren, jetzt laßt mich erzählen.«

»Die Herren wissen wohl nicht, daß ich mich nicht in Kiejdan befand, als der Fürst-Stallmeister dorthin kam und das Fräulein nach Tauroggen entführte. Zu welchem Zwecke er das that, weiß ich nicht zu sagen; man sprach so verschieden davon. Kaum waren sie in Tauroggen angekommen, da merkte aber sogleich ein jeder, daß er bis über die Ohren verliebt in sie war.«

»Gott strafe ihn dafür,« rief Kmiziz.

»Er gab Festlichkeiten, wie sie früher dort niemand gesehen. Ringstechen und Turniere; man konnte glauben, daß tiefster Friede im Lande herrsche. Dazwischen jagte ein Brief, ein Bote den anderen, vom Kurfürsten und vom Fürsten Janusch. Wir hatten gehört, daß der letztere von Sapieha und den Konföderierten hart bedrängt sei, doch wir blieben ruhig in Tauroggen. An der Grenze wartete das Heer des Kurfürsten, zum Zuge nach Litauen bereit, wir aber blieben ruhig sitzen, denn der Fürst konnte sich nicht von dem Fräulein trennen.«

»Darum also kam Boguslaw dem Vetter nicht zu Hilfe?« sagte Sagloba.

»So ist es! Paterson und andere ihm nahestehende Personen sagten dasselbe. Einige waren ungehalten, andere freuten sich, daß die Radziwills zu Grunde gehen sollten. Sakowitsch vertrat den Fürsten in allen öffentlichen Angelegenheiten; er empfing die Briefe und beantwortete dieselben, beratschlagte mit den Gesandten, der Fürst selbst sann nur darauf, wie er neue Vergnügungen schaffen sollte. Er! dieser Geizhammel – warf das Geld mit vollen Händen fort; er ließ auf eine halbe Meile im Umkreise den ganzen Wald niederlegen, damit das Fräulein eine bessere Aussicht haben sollte, kurz, sie wandelte auf Blumen und wurde so fein behandelt, wie eine Prinzessin von Geblüt. Das Fräulein wurde von vielen bedauert, denn man sagte: ›Die ganzen Vergnügungen sind nur zu ihrem Verderben ersonnen. Heiraten wird der Fürst sie doch nicht, aber wenn er imstande ist, ihr Herz zu gewinnen, dann hat er seinen Zweck erreicht.‹ Es zeigte sich aber bald, daß das Fräulein nicht zu denjenigen gehörte, welche durch Glanz und Schimmer aus Abwege zu führen waren.«

»Das weiß ich besser, als alle anderen!« rief Kmiziz aufspringend.

»Wie nahm denn das Fräulein Billewitsch die Huldigungen auf?« frug Wolodyjowski.

»Anfangs mit artiger Miene, obgleich man ihr dennoch anmerkte, daß ein geheimer Kummer an ihr nagte; sie mochte wohl auch der Meinung sein, daß alle die Maskeraden, Kavalkaden und Turniere zu den alltäglichen Gewohnheiten des Fürsten gehören. Endlich merkte sie doch, daß alles nur ihretwegen veranstaltet worden. Der Fürst hatte eines Tages, weil er gar nicht mehr wußte, was er zum Ergötzen des Fräuleins ausfindig machen sollte, ein Kriegsschauspiel veranstaltet; er ließ eine in der Nähe Tauroggens befindliche Ansiedelung in Brand setzen und die Brandstätte von seinen Füsilieren verteidigen, während er mit einigen Reitern sie zu stürmen bemüht war, selbstverständlich auch Sieger blieb. Siegestrunken und Liebestrunken zurückgekehrt, soll er dem Fräulein zu Füßen gefallen sein und sie um Gegenliebe angefleht haben. Es ist nicht bekannt geworden, was alles für Versprechungen er ihr gemacht haben mag, genug, von diesem Tage an war ihre Freundschaft zu Ende. Sie verschanzte sich hinter ihren Oheim, den Herrn Schwertträger von Reußen und ließ ihn Tag und Nacht nicht von ihrer Seite, der Fürst aber ...«

»Fing ihr an zu drohen, nicht wahr?« unterbrach ihn Kmiziz.

»Ei, woher denn! Er verkleidete sich als griechischer Hirte; er spielte den Philemon. Eilboten mußten ihm aus Königsberg die Kostümvorlagen holen, die Schleifen und Perücken beschaffen. Er spielte den Verzweifelten, ging mit der Laute unter ihren Fenstern umher und spielte Liebeslieder. Er ist mit einem Wort ein schlauer Verführer; man sagt von ihm, daß keine ihm widerstehen könne, obgleich er mit allen nur sein Spiel treibe. Diesesmal aber liebt er mit wahnsinniger Leidenschaft, worüber ich mich gar nicht wundere, denn das Fräulein gleicht mehr einer überirdischen Göttin, denn einem irdischen Wesen.«

Haßling errötete wieder, aber Herr Andreas bemerkte das jetzt nicht, denn Freude und ein gewisser Stolz erfüllten ihn, als er mit untergestemmten Armen Sagloba und Wolodyjowski anblickte.

»Wir kennen sie, nicht wahr? Sie ist die leibhaftige Diana!« sagte Wolodyjowski.

»Ach was! Diana reicht ihr nicht das Wasser,« rief Kmiziz.

»Darum sagte ich: ›Es ist kein Wunder!‹« versetzte Haßling.

»Das ist alles gut, nur daß ich ihm für seine Liebesglut die Haut ein wenig mit glühenden Zangen zwicken und Hufeisen unter seine Sohlen bringen möchte ...«

»Unterbrecht doch nicht alle Augenblicke,« sagte Sagloba. »Wenn ihr ihn in euren Händen habt, dann könnt ihr Folterqualen für ihn ersinnen, jetzt laßt einmal Haßling ausreden.«

»Ich hatte oftmals die Wache vor der Thür seines Schlafzimmers,« fuhr Haßling fort. »Wie oft hörte ich, wie er sich auf dem Lager wälzte, ohne Schlaf finden zu können, stöhnend und Selbstgespräche haltend. Er hat sich sehr verändert, abgezehrt ist er; vielleicht steckte schon damals die Krankheit in ihm, der er später verfiel. Plötzlich verbreitete sich im Schlosse das Gerücht, daß der Liebeswahn des Fürsten so weit gehe, daß er das Fräulein ehelichen wolle. Als der Fürstin Janusch Radziwill das zu Ohren kam, entstand viel Aergernis zwischen ihr und Boguslaw, denn wie ihr wißt, sollte laut früherem Vertrage Boguslaw die Prinzessin Janusch ehelichen, sobald sie ihre Volljährigkeit erreicht haben würde. Er aber wollte nichts mehr davon wissen. Die Fürstin Griseldis entbrannte in heftigem Zorn, reiste mit ihrer Tochter nach Kurland ab, und noch am Tage ihrer Abreise hielt er um die Hand des Fräuleins an.«

»Was? er wollte sie wirklich ehelichen?« riefen die Ritter wie aus einem Munde.

»Ja! Zuerst hielt er bei dem Schwertträger um sie an, der nicht weniger darüber erstaunt war, als ihr Herren, und nicht an die Ernsthaftigkeit des Antrages glauben wollte. Als er endlich überzeugt war, da geriet er vor Freude außer sich, denn die Ehre mit den Radziwills in verwandtschaftliche Beziehungen zu treten, dünkte ihm unbändig groß. Paterson behauptet zwar, daß die beiden Geschlechter ohnehin miteinander verwandt seien, daß die Verwandtschaft nur von den Radziwills niemals anerkannt worden war.«

»Weiter! weiter!« drängte Kmiziz ungeduldig.

»Beide begaben sich nun zu dem Fräulein mit jener Ostentation, wie sie bei so feierlichen Gelegenheiten üblich ist. Der ganze Hof war in grenzenloser Aufregung, Die Nachrichten, die von dem Fürsten Janusch eingingen, lauteten sehr schlimm, doch nur Sakowitsch allein las die Briefe, der Fürst beachtete weder die ihm vorgelegten Schriftstücke noch Sakowitsch selbst, der in Ungnade gefallen war, weil er von der Heirat mit dem Fräulein ernsthaft abriet. Die einen bei Hofe erzählten sich, daß nicht zum erstenmal ein Radziwill eine gewöhnliche Adlige heirate, daß schließlich aller Adel gleiche Rechte habe, daß die Ahnen der Billewitsch bis in die römischen Zeiten reichten. Das sagten alle diejenigen, welche sich schon im voraus die Gunst der künftigen Herrin sichern wollten. Andere waren der Ansicht, der Antrag sei nur eine List des Fürsten, Er wolle dadurch dem Fräulein näher treten, um, wie das bei Verlobten so genau nicht genommen wird, sie gelegentlich ihrer Tugend zu berauben.«

»So wird es auch gewesen sein! Nicht anders!« bemerkte Sagloba.

»Auch ich glaube das letztere,« sagte Haßling. »Doch hört weiter, was sich zutrug. Während die Meinungsverschiedenheiten bei Hofe noch ausgefochten wurden, hatte das Fräulein alle Zweifel bereits gelöst, sie hatte den Auftrag des Fürsten rundweg abgelehnt.«

»Gott segne sie dafür!« sagte Kmiziz.

»Sie hatte also die Ehre abgelehnt!« fuhr Haßling fort. Es genügte, den Fürsten zu sehen, um es sogleich zu erraten. Die Höflinge waren wie vom Donner gerührt. Er, der von Prinzessinnen umworben worden, dem keine widerstand, er konnte den Widerstand der einen nicht ertragen. Es war gefährlich ihm jetzt unter die Augen zu treten. Wir alle waren überzeugt, daß er nicht länger zögern würde, sie zu vergewaltigen.«

»Am folgenden Tage wurde der Schwertträger von Reußen nach Tilsit gebracht, das schon in Kurpreußen liegt. An demselben Tage bat das Fräulein den vor ihrer Thüre wachthabenden Offizier, ihr eine geladene Pistole zu geben. Der Offizier versagte ihr die Bitte nicht, denn er fühlte als Edelmann und als Mann von Ehre tiefes Mitleid mit dem unglücklichen Mädchen und eine hohe Bewunderung für ihre Schönheit und Standhaftigkeit.«

»Wer war jener Offizier?« frug Kmiziz.

»Ich!« antwortete Haßling trocken.

Herr Andreas umarmte ihn so stürmisch, daß der junge Schotte, welcher noch schwach war, vor Schmerz aufschrie.

»Das thut nichts!« rief Kmiziz. »Ihr seid mir lieb wie ein Freund, ein Bruder. Fordert von mir, was ihr wollt, es soll euch gewährt sein.«

»Ich möchte nur eine Weile ruhen,« bat Haßling schwer atmend.

Man ließ ihn still sitzen, er drückte nur schweigend die Hände, welche Wolodyjowski, Sagloba und Kmiziz ihm reichten. Endlich hatte er sich etwas erholt und da er sah, wie sie alle vor Neugier brannten, begann er von neuem:

»Ich warnte sie auch vor betäubenden Getränken. Man wußte allgemein, daß der fürstliche Medikus betäubende und sinnberauschende Tinkturen zu bereiten verstand. Aber unsere Befürchtungen waren überflüssige, denn Gott nahm sie in seinen Schutz. Er warf den Fürsten auf das Krankenlager und zwar ganz plötzlich in dem Augenblick, wo er sich anschickte, sie mit Gewalt zu zwingen. Es brach über ihn herein wie der Blitz und hielt ihn einen Monat lang fest gebannt. ›Ein Fingerzeig Gottes!‹ sagten alle. ›Ein Fingerzeig Gottes!‹ mochte auch er auf seinem Schmerzenslager denken; vielleicht hatte die Krankheit die bösen Gelüste in ihm ertötet, vielleicht wollte er sie sicher machen und die Wiederkehr seiner Kräfte abwarten, kurz, er ließ sie in Ruhe, als er sich zu erholen begann, ja er ließ sogar den Schwertträger wieder aus Tilsit holen. Gesund ist er aber nicht mehr geworden, denn das kalte Fieber plagt ihn bis auf den heutigen Tag. Endlich mußte er dann doch den Feldzug zum Entsatze Tykozins antreten, welcher ihm die Niederlage von Janowo brachte. Nach seiner Rückkehr befiel ihn das Fieber heftiger denn je, zudem berief ihn der Kurfürst zu sich. Unterdessen vollzog sich in Tauroggen etwas Wunderbares, beinahe Lächerliches, denn der Fürst kann sich seitdem nicht mehr auf die Treue auch nur eines einzigen seiner Offiziere oder Höflinge verlassen, es sei denn auf diejenige der Greise, welche schlecht sehen oder schwerhörig sind.«

»Was ist denn geschehen?« frug Sagloba.

»Während des Feldzuges nach Tykozin, noch vor der Niederlage bei Janowo, hatte man ein Fräulein Anna Boschobohata Krasienska auf ihrer Reise nach Grodno aufgefangen und nach Tauroggen gesandt.«

»Da haben wir den Kuchen!« rief Sagloba.

Und um das Bärtchen Wolodyjowskis zuckte es zornig, endlich sagte er:

»Herr Kavalier, berichtet mir nur nichts Schlechtes von ihr, oder ihr würdet es nach eurer Wiederherstellung mit mir zu thun bekommen.«

»Das könnte ich nicht, auch wenn ich wollte, denn sie thut nichts Schlimmes. Laßt euch aber sagen: Wenn das Fräulein eure Verlobte ist, so sorgt ihr schlecht für sie; ist sie eure Verwandte, dann müßt ihr sie genau genug kennen, um mich nötigenfalls zu widerlegen. Genug! es währte kaum eine Woche, da waren alle Männer bei Hofe, alte und junge, so verliebt in sie, daß sie für nichts anderes mehr Sinn hatten, als für sie. Und sie hat es ihnen nur mit dem rätselhaften Blick ihrer Augen und ihrer bezaubernden Anmut angethan.«

»Sie ist es! Wie sie leibt und lebt!« murmelte Wolodyjowski.

»Seltsam!« sagte Haßling. »Das Fräulein Billewitsch ist ihr an Schönheit doch gleich, dennoch, es geht von dieser eine so große unnahbare Würde aus, wie von einer regierenden Fürstin; man liebt sie und betet sie an, aber man wagt nicht, die Augen zu ihr zu erheben, geschweige denn auf eine Erwiderung seiner Liebe zu hoffen. Ihr werdet selbst schon die Erfahrung gemacht haben, daß es zweierlei Frauen giebt, Vestalinnen und solche, die man nur anzusehen braucht, um schon Verlangen nach ihnen zu haben ...«

»Mein Herr!« rief Wolodyjowski drohend.

»Habt euch doch nicht, Herr Michael!« sagte Sagloba. »Er spricht die Wahrheit. Habt ihr euch nicht selbst wie ein junger Hahn die Beine um sie verrenkt und die Augen verdreht, daß man nur das Weiße von ihnen sah? Und ist es etwa nicht wahr, daß sie gern kokettiert? Habt ihr es nicht an die hundertmal selbst von ihr gesagt?«

»Lassen wir das Thema,« sagte Haßling. »Ich wollte nur erklären, wie es kommt, daß das Fräulein Billewitsch nur von einigen geliebt wird, die ihre wirklich unerreichbare Vollkommenheit zu schätzen verstehen – hier errötete er wieder – und dem Fräulein Borschobohata alle Herzen zufliegen. Ihr könnt glauben, wahrhaftig, es ist zum Lachen! Wie eine ansteckende Krankheit hat die Liebe alle Männer befallen; Zänkereien, Duelle waren an der Tagesordnung und um was? Um ein Nichts! denn keiner konnte sich einer Gunstbezeigung des Fräuleins rühmen, jeder dachte nur, daß es ihm mit der Zeit gelingen müsse, sie für sich zu gewinnen.«

»Daran erkenne ich sie!« murmelte Wolodyjowski wieder.

»Dafür haben beide Mädchen einander sehr lieb gewonnen,« fuhr Haßling fort. »Eine folgt der anderen auf Schritt und Tritt und da das Fräulein Borschobahata in Tauroggen unumschränkte Herrin ...«

»Was sagt ihr?« fuhr der kleine Ritter auf.

»Unumschränkte Herrin ist – oder ist sie es etwa nicht? Sie regiert alle, denn auch Sakowitsch ist so verliebt in sie, daß er vorzog, als Kommandant von Tauroggen zurückzubleiben, anstatt mit ins Feld zu ziehen. Sakowitsch aber ist absoluter Herrscher auf allen Besitzungen des Fürsten, durch ihn regiert das Fräulein Anna.«

»So sehr liebt er sie?« sagte der kleine Ritter gedehnt.

»Und er hofft am meisten, sie zu gewinnen, denn er ist aus sich selbst zu Macht und Reichtum gelangt.«

»Und Sakowitsch heißt er?«

»Mir scheint, ihr wollt euch seinen Namen gehörig einprägen?«

»Ei ... gewiß!« sagte Wolodyjowski scheinbar gleichgültig, während es so zornig in seinem Gesicht zuckte, daß es Sagloba kalt überlief.

»Ich habe mir noch hinzuzufügen, daß, wenn Fräulein Borschobohata dem Sakowitsch befehlen würde, den Fürsten zu verraten und ihr und dem Fräulein Billewitsch zur Flucht zu verhelfen, er es ohne Bedenken thun würde. So viel ich aber weiß, zieht sie vor, den Fluchtversuch hinter seinem Rücken zu machen, ihm zum Trotz ... wer kann wissen ... ein Offizier, ein Landsmann von mir – aber nicht Katholik – hat mir anvertraut, daß der ganze Fluchtplan von dem Schwertträger und den beiden Fräulein schon entworfen, sämtliche Offiziere in die Verschwörung verwickelt sind ... daß er binnen kurzem ins Werk gesetzt werden soll ...«

Hier hielt Haßling erschöpft inne, die Kräfte drohten ihn zu verlassen. Er beeilte sich, noch schnell hinzuzusetzen:

»Und das war das Wichtigste, was ich euch zu sagen hatte.«

Wolodyjowski und Kmiziz schlugen die Hände über dem Kopfe zusammen.

»Wohin wollen sie denn fliehen?«

»In die Steppe und durch die Steppe nach Bialowiersch ... Mir fehlt der Atem! ...«

In diesem Augenblick trat eine Ordonnanz von Herrn Sapieha ein, welche den Herren Wolodyjowski und Kmiziz ein viereckig gefaltetes Papier überreichte. Kaum hatte Wolodyjowski einen Blick hineingeworfen, da sagte er:

»Es ist ein Befehl des Königs, schon jetzt unsere Stellungen für die morgige Schlacht einzunehmen.«

»Hört ihr's, wie die Kartaunen donnern?« rief Sagloba.

»Morgen! Morgen!« sprach Kmiziz.

»Uf! es ist heiß!« sagte Sagloba. »Es wird ein böser Tag zum Stürmen. Der Kuckuck hole diese Hitze. Heilige Mutter ... es wird manch einer trotz der Hitze kalt werden ... bewahre du alle diejenigen, welche ihre Patronin anrufen ... Ah! wie das brüllt! ... Ich bin zu alt, um mit zum Sturme zu gehen, in offener Schlacht, das ist etwas anderes.«

Da trat wieder eine Ordonnanz ein.

»Ist Herr Sagloba hier?« frug der Soldat.

»Hier bin ich! Was soll es?«

»Se. Majestät der König befiehlt, daß Ew. Liebden morgen bei Sr. Allerhöchsten Person bleiben sollen.«

»Ha!« rief da der Alte. »Sie wollen mich von der Schlacht zurückhalten, denn sie wissen, daß ich der erste auf den Mauern wäre beim Klange der Sturmtrompete. Der gute Herr! Ich möchte ihn nicht kränken, da er meiner so gedenkt; doch ich weiß nicht, ob ich es aushalte. Sobald ich Pulver rieche, kann ich der Lust nicht widerstehen, dreinzuhauen. Der gute König! Hört ihr's? Man bläst schon zum Sammeln! Auf morgen denn, auf morgen! Der heilige Petrus bekommt Arbeit; er wird heute auch schon sein Himmelsbuch bereit legen müssen! ... Uf! Uf! Morgen!«


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