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Achtundzwanzigstes Kapitel.

Unmäßigkeit ist wohl auch Tyrannei,
Hat manchen Thron frühzeitig leer gemacht
Und viele Könige zum Fall geführt.

Macbeth.

Als Oberst Everard mit dem höchsten Unwillen den Besuch verließ, welchen Sir Henry Lee ihm in seiner guten Laune abzustatten anbot, und die früher erwähnte Beleidigung in seinem Herzen kochte, unterhielt sich der kaum von seiner heftigen Leidenschaft erholte alte Ritter mit seiner Tochter und seinem Gaste. Als er sich dann einiger waidmännischen Verrichtungen erinnerte, rief er den Bevis, ging aus und ließ die beiden jungen Leute zusammen.

»Nun,« sagte der verliebte Prinz zu sich selbst, »nun, da Alexis nicht mehr von ihrem Löwen bewacht wird, möchte ich doch sehen, ob sie wirklich von dem Tigergeschlechte ist. – So, Sir Bevis hat seinen Posten verlassen,« sagte er laut; »ich dachte, die alten Ritter, die er als ein strenger Wächter wohl vorstellen kann, hielten eine strengere, aufmerksamere Wache.«

»Bevis weiß, daß seine Gegenwart und sein Schutz ganz und gar unnöthig sind,« sagte Alexis; »und übrigens hat er andere Pflichten zu erfüllen, die jeder wahre Ritter der Beschäftigung vorzieht, den ganzen Morgen am Toilettetisch einer Dame zu verlieren.«

»Was Sie da sagen ist Hochverrath gegen alle treue Zuneigung,« sagte der galante Fürst. »Der leichteste Wunsch einer Dame sollte für einen treuen Ritter wichtiger sein, als selbst der Dienst seines Herrschers. Ich wünschte, Alexis, daß Sie mir nur das geringste Ihrer Verlangen ausdrückten, und Sie sollten sehen, wie sehr ich zu gehorchen weiß.«

»Sie sagten mir ja nicht einmal heute Morgen wie viel Uhr es sei,« erwiederte die junge Dame, »und als ich mich nach den Flügeln der Zeit erkundigte, hätte ich mich erinnern sollen, daß die Galanterie der Männer so flüchtig ist, wie die Zeit selbst. Wissen Sie, was Ihr Ungehorsam mich und andre gekostet haben mag? Braten und Geflügel können zu Asche verbrannt sein, denn ich übe die alte häusliche Pflicht aus, die Küche zu besuchen; oder ich kann das Gebet versäumt oder bei einem Rendezvous zu spät gekommen sein, und nur durch die Nachlässigkeit des Louis Kerneguy, der mir nicht sagte, wie viel Uhr es ist.«

»Ach,« erwiederte Kerneguy, »ich bin einer von den Verliebten, welche keine Abwesenheit ertragen können, – ich muß immer zu den Füßen meines schönen Feindes liegen – denn wie die Romanzen es uns lehren, so ist dieses das Mittel, die Schöne und Grausame zu gewinnen, welcher wir Herz und Leben gewidmet haben. – Sprich für mich, gute Leier,« fügte er hinzu, indem er das Instrument ergriff, »und zeige ob ich meine Pflicht nicht kenne.«

Er sang mit größerem Geschmack als Richtigkeit ein leichtes französisches Lied, welches einige von den Witzlingen oder Dichtern seines fröhlichen und umherschweifenden Gefolges in englische Verse übertragen hatten.

»Ein Stündchen bei dir! – wenn beim Morgenthau
Aurora vergoldet das nächtliche Grau;
Was stimmet die Seele zu heiterer Lust
Wenn Kummer und Schmerzen belasten die Brust?
Was macht, daß ich leicht jetzt die Sorgen ertrage
Und herbe Erinn'rung vergangener Tage? –
Ein Stündchen bei dir!

Ein Stündchen bei dir! wenn der Sonne Gluth
Um Mittag mir raubet die Kraft und den Muth;
Sprich, was vergütet dir, rüstiger Held,
Die sauere Arbeit auf staubigem Feld?
Was kühlet wohl mehr mir, als Keller und Eis
Die Hitze des Bluts und den triefenden Schweiß?
Ein Stündchen bei Dir!

Ein Stündchen bei dir! wenn die Sonne sich neigt,
Und die Pflicht dann des Tages, die drückende schweigt;
Was scheucht dann so Arbeit, wie Sorge und Müh'
Hinweg bis zur morgenden dämmernden Früh?
Dann denk ich an Druck nicht und nied'ren Gewinn,
O sprich, was verändert so sehr mir den Sinn?
Ein Stündchen bei dir!«

»Es gibt noch einen vierten Vers,« sagte der Sänger, »aber ich will ihn Ihnen, Fräulein Alexis, nicht vorsingen, weil einige der Spröden vom Hofe ihn nicht liebten.«

»Ich danke Ihnen, Mr. Louis,« antwortete die junge Dame, »sowohl für den Gesang, welcher mich erfreute, als für die Verschweigung dessen, was mich beleidigen konnte; obgleich ich ein Landmädchen bin, so nehme ich doch insofern die Hofsitte an, daß ich das zurückweise, was die bessere Klasse verschmäht.«

»Ich wünschte,« antwortete Louis, »daß Sie fest in der Meinung wären, alles Das anzunehmen, was die Hofdamen nicht verschmähen.«

»Und was würde die Folge sein?« sagte Alexis mit vollkommener Ruhe.

»In diesem Falle,« sagte Louis, verlegen wie ein General, welcher findet, daß seine Vorbereitungen zum Angriff den Feind weder in Furcht, noch in Verwirrung bringen – »In diesem Falle müßten Sie mir es verzeihen, schöne Alexis, wenn ich gegen Sie eine wärmere Sprache, als blos die der Galanterie gebrauchte – wenn ich Ihnen sagte, welchen großen Antheil mein Herz an dem nimmt, was Sie als bloßen Zeitvertreib betrachten – wenn ich ernstlich eingestände, daß es in Ihrer Macht steht, mich zu dem glücklichsten oder unglücklichsten Menschen zu machen.«

»Mr. Kerneguy,« sagte Alexis mit derselben unerschütterlichen gleichgiltigen Nachlässigkeit, »wir wollen uns einander verstehen. Ich bin mit den hochadeligen Sitten wenig bekannt, und sage Ihnen offen, daß ich doch ungern für ein thörichtes Landmädchen genommen werden möchte, die aus Unwissenheit oder Eitelkeit ein jedes zierliche Wort bewundert, das ein Jüngling gegen sie gebraucht, der für jetzt nichts Besseres zu thun hat, als solche falsche Complimente zu münzen und in Umlauf zu bringen. Aber die Furcht, ländlich, zurückgezogen und schüchtern zu scheinen, darf mich nicht zu weit hinreißen; und da ich die genaueren Gränzen nicht kenne, so will ich Sorge tragen, hier Einhalt zu thun.«

»Ich hoffe Madam,« sagte Kerneguy, »daß, wie streng Sie mich auch richten mögen, Ihre Gerechtigkeit mich nicht zu hart für ein Verbrechen strafen wird, dessen Beweggrund nur in ihren Reizen liegt.«

»Hören Sie mich aus, Sir, wenn es Ihnen gefällig ist,« fuhr Alexis fort; »ich habe Ihnen zugehört, als Sie en berger sprachen – ja, meine Gefälligkeit ging so weit, Ihnen en bergère zu antworten – denn ich glaube nicht, daß außer dem Lächerlichen etwas Anderes aus einem Gespräche zwischen Myrtill und Cloe erfolgen kann; und der Hauptfehler des Styls ist eine übertriebene lästige Nichtigkeit und Affectation. Aber wenn Sie niederknieen, mir Ihre Hand anbieten, und in einem ernstlicheren Tone sprechen, so muß ich Sie daran erinnern, wer wir sind. Ich bin die Tochter des Sir Henry Lee, Sir, und Sie sind oder scheinen Mr. Louis Kerneguy, der Page meines Bruders, ein Flüchtling, welcher Obdach sucht in dem Hause meines Vaters, der sich durch Ihre Beherbergung einer bedeutenden Gefahr unterwirft, und dessen Familie Sie also mit Ihrer störenden Aufdringlichkeit nicht beunruhigen sollten.«

»Wollte Gott, schöne Alexis,« sagte der König, »daß Sie der Bewerbung, die ich keineswegs im Scherz, sondern sehr ernstlich mache, und von der meine Glückseligkeit abhängt, nichts weiter entgegen zu stellen hätten, als den niedrigen und zweifelhaften Stand des Louis Kerneguy! – Alexis, du hast die Seele deiner Familie, und mußt nothwendigerweise die Ehre lieben. Ich bin ebensowenig der leichtfertige schottische Page, den ich meinen Zwecken gemäß spielen muß, als der tölpelichte Bauernbube, dessen Manieren ich am ersten Abend unserer Bekanntschaft annahm. So arm diese Hand scheint, so kann sie doch über eine Krone verfügen.«

»Heben Sie sie,« sagte Alexis, »für ein ehrgeizigeres Fräulein auf, Mylord – denn das muß wohl Ihr Titel sein, wenn der Roman wahr ist. Ich würde Ihre Hand nicht annehmen, und könnten Sie über ein Herzogthum verfügen.«

»In einem Sinne, liebenswürdige Alexis, haben Sie weder meine Macht, noch meine Zuneigung überboten. Es ist Ihr König – es ist Carl Stuart, der mit Ihnen spricht! – Er kann über Herzogthümer verfügen, und wenn die Schönheit sie verdienen kann, so ist es gewiß Alexis Lee. Ach nicht doch – stehe auf – kniee nicht – dein Souverain sollte vor dir knieen, Alexis, denn er ist dir tausendmal mehr ergeben, als der Wanderer Louis es zu gestehen wagen durfte. Ich weiß, daß meine Alexis in den Grundsätzen der Liebe und des Gehorsams zu ihrem Souverain auferzogen wurde, und daß sie nach Recht und Gnade ihm keine solche Wunde beibringen wird, wie die Verwerfung seiner Bewerbung ihm schlagen würde.«

Trotz aller Bemühung des Königs, sie daran zu verhindern, war doch Alexis auf ein Knie niedergefallen, bis sie mit ihren Lippen die Hand berührte, die er ausstreckte, um sie aufzuheben. Aber nach dieser Huldigung erhob sie sich, faltete die Arme auf ihrem Busen – blickte demüthig aber gesetzt, ruhig und wachsam und so vollkommen ihrer selbst mächtig, so wenig geschmeichelt von der Mittheilung, die der König als allmächtig und unwiderstehlich betrachtete, um sich, daß er kaum wußte, in welchen Ausdrücken er jetzt sein Verlangen einkleiden sollte.

»Du bist stille – du schweigst,« sagte er, »o meine schöne Alexis. Hat der König nicht mehr Einfluß auf dich als der arme schottische Page?«

»In einem Sinne besitzt er jed'möglichen Einfluß,« sagte Alexis; »denn ihm stehen zu Gebote meine besten Gedanken, meine besten Wünsche, mein innigstes Gebet und meine ergebenste Treue, die, so wie die Männer vom Hause Lee es stets mit ihrem Schwerte bezeugten, auch die Frauen im Nothfalle mit ihrem Blute besiegeln werden. Aber die Pflichten eines treuen und ergebenen Unterthans abgerechnet, ist der König der Alexis noch weniger, als der arme Louis Kerneguy. Der Page hätte nach einer ehrenvollen Verbindung streben können – der Monarch kann nur eine befleckte Krone bieten.«

»Sie mißverstehen mich, Alexis – Sie mißverstehen mich,« sagte der König verdrießlich; »setzen Sie sich, und hören Sie mich an – setzen Sie sich doch, was fürchten Sie denn?«

»Ich fürchte nichts, Mylord,« antwortete Alexis. »Was kann ich vom Könige von Großbritannien fürchten – ich, die Tochter seines getreuesten Dieners, und unter dem Obdache meines Vaters? Aber ich denke an den Abstand zwischen uns, und obschon ich mit Meinesgleichen scherzen kann, so muß ich doch in Gegenwart meines Königs in der pflichtmäßigen Stellung eines Unterthans erscheinen, außer wenn seine Sicherheit es erheischt, öffentlich seiner Würde nicht zu huldigen.«

Obgleich Carl noch jung und kein Neuling bei solchen Scenen war, so überraschte ihn doch ein Widerstand, wie er ihn bei ähnlichen Gelegenheiten selbst im ungünstigen Fall noch nie getroffen hatte. In den Manieren und in dem Betragen der Alexis sprach sich weder Zorn, noch beleidigter Stolz, noch wirkliche oder geheuchelte Verachtung aus. Sie stand da, wie es schien, ruhig vorbereitet, einen Gegenstand zu bereden, den man im Allgemeinen nur mit Leidenschaft entscheidet – Sie schien keine Lust zu haben, aus dem Zimmer zu entfliehen, sondern entschlossen zu sein, die Bewerbungen des Liebhabers mit Geduld anzuhören; aber ihre Haltung und ihr Betragen verrieth, daß sie diese Gefälligkeit nur aus Achtung vor den Befehlen des Königs erweise.

»Sie ist ehrgeizig,« dachte Carl; »wenn ich ihrer Liebe zum Ruhm schmeichle, wird es mir besser gelingen, als mit der leidenschaftlichen Sprache. – Ich bitte, setzen Sie sich, meine schöne Alexis,« sagte er, »der Liebhaber bittet, – der König befiehlt es Ihnen.«

»Der König,« sagte Alexis, »kann die ceremoniösen Huldigungen aufheben, die man seiner Würde schuldig ist; aber er kann den Unterthan seiner Pflichten, selbst durch einen ausdrücklichen Befehl, nicht entheben. Ich stehe hier, so lang es Ew. Majestät gefällt, mich anzureden. – Ein geduldiger Zuhörer, wie die Pflicht es gebietet.«

»Wisse also einfaches Mädchen,« sagte der König, »daß du, indem du meine angebotene Neigung und meinen Schutz annimmst, weder ein Gesetz der Tugend, noch der Moralität verletzest. Diejenigen, welche zur Königswürde geboren werden, sind vieler Genüsse des häuslichen Lebens beraubt, – vorzüglich dessen, welcher vielleicht der theuerste und kostbarste ist – der Macht, nach eigenem Willen die Gefährtin ihres Lebens zu wählen. Sie müssen nach politischen Berechnungen heirathen, und sehr oft sind ihre Gemahlinnen dem Gemüthe, der Person und der Anlage nach gerade diejenigen, welche am wenigsten passen, sie glücklich zu machen. Darum hat also die menschliche Gesellschaft Mitleid mit uns und knüpft unser unfreiwilliges und oft unglückliches Eheband mit leichteren und geschmeidigeren Ketten als diejenigen, welche andere Männer fesseln, bei denen der Knoten des Ehebündnisses, da er freiwillig geflochten ward, auch verhältnißmäßig verbindender ist. Seitdem also der alte Heinrich diese Mauern baute, waren Priester und Prälaten, Adelige und Staatsmänner daran gewöhnt, daß eine schöne Rosamunde das Herz eines zärtlichen Monarchen beherrscht und ihn für die Stunden des Zwanges und des Prunkes entschädigt, die er einer boshaften, eifersüchtigen Eleonore widmen muß. An solchen Verbindungen knüpft die Welt keinen Tadel; sie drängt sich zu den Festen, um die Schönheit der liebenswürdigen Esther zu bewundern, während die herrschsüchtige Wasti ihrer einsamen Herrschaft überlassen wird; sie bestürmen den Palast, um ihren Schutz zu erflehen, dessen Einfluß im Staate bei weitem größer ist, als der der stolzen Gemahlin; ihre Kinder stehen dem höchsten Adel im Range gleich, und bewähren ihren Ursprung wie der berühmte Langschwerd, Graf von Salisbury, seine Abstammung von Königswürde und Liebe. Aus solchen Verbindungen entstehen die höchsten und reichsten Adelsgeschlechter, und die Mutter lebt in der Größe ihrer Nachkommen geehrt und gesegnet, wie sie starb, beweint und bejammert in den Armen der Liebe und der Freundschaft.«

»Starb Rosamunde auf diese Weise, Mylord?« sagte Alexis. »Die Sage berichtet, daß sie von der beleidigten Königin vergiftet ward – vergiftet, ohne daß ihr die Zeit blieb, Gottes Barmherzigkeit für die Menge und die Größe ihrer Fehler anzuflehen. Oder lebt ihr Andenken etwa auf diese Weise fort? Ich habe gehört, daß, als der Bischof die Kirche Godstowe reinigte, ihr Grabmal auf seinen Befehl niedergerissen und ihre Gebeine in ungeweihten Boden geworfen wurden.«

»Das waren rauhe, alte Zeiten, meine theuerste Alexis,« antwortete Carl; »jetzt sind weder die Königinnen so eifersüchtig, noch die Bischöfe so streng. Wisse übrigens, daß in dem Land, wohin ich die Liebenswürdigste ihres Geschlechtes führen möchte, andere Gesetze bestehen, die von einem solchen Knoten selbst das geringste Aergerniß entfernen. Es gibt eine Art der Ehe, welche, indem sie allen Ceremonien der Kirche Genüge leistet, das Gewissen freispricht; wodurch die Braut der Vorzüge der Würde ihres Gatten nicht theilhaftig wird, und so auch der König die Pflichten gegen seine Unterthanen nicht verletzt. So könnte Alexis Lee in jeder Hinsicht die gesetzmäßige Gattin Carl Stuarts werden, mit der einzigen Ausnahme, daß ihre Privatverbindung ihr keine Ansprüche auf den Titel einer Königin von England gibt.«

»Es wird meinem Ehrgeiz genügen,« sagte Alexis, »wenn ich Carl als König sehe, ohne darnach zu streben, weder öffentlich seine Würde, noch im Geheimen seinen königlichen Glanz und Luxus zu theilen.«

»Ich verstehe dich, Alexis,« sagte der König beleidigt, aber nicht böse. »Du lachst über mich, daß ich als ein Flüchtling wie ein König spreche. Ich gebe zu, daß es eine Gewohnheit ist, die ich angenommen habe, und von der mich selbst das Unglück noch nicht heilen konnte. Aber meine Sache ist noch nicht so verzweifelt, als du glauben magst. Ich habe immer noch zahlreiche Anhänger in diesen Königreichen, und meine Alliirten müssen, ihres eigenen Interesses wegen, meine Sache ergreifen. Spanien, Frankreich und andere Nationen haben mir Hoffnung gegeben; und ich vertraue darauf, daß das Blut meines Vaters nicht umsonst vergossen sein, noch ohne gehörige Rache trocknen wird. Mein Zutrauen ist auf ihm, von dem die Fürsten ihre Würden tragen, und was du auch von meiner gegenwärtigen Lage denken magst, so habe ich doch vollkommenes Vertrauen darauf, daß ich eines Tages auf dem Throne von England sitzen werde.«

»Gott möge das gewähren,« sagte Alexis; »und damit er es gewähren möge, bedenken Sie doch endlich, Fürst, ob Ihr jetziges Betragen Ihnen wohl seine Gunst zusichern wird. Denken Sie an das, was Sie einem mutterlosen Mädchen anempfohlen haben, die gegen Ihre Sophistereien keine bessere Vertheidigung hat, als was das natürliche Gefühl weiblicher Würde ihr einflößt. Wird wohl der Tod meines Vaters, der die Folge Ihrer Unvorsichtigkeit sein würde, wird wohl die Verzweiflung meines Bruders, dessen Leben so oft in Gefahr schwebte, um das Ew. Majestät zu retten, wird wohl der Schimpf des Hauses, das Ihnen ein gastfreundschaftliches Obdach bot, den Lebenslauf Carl II. verherrlichen? Sind das Dinge, welche Ihnen die Gunst Gottes wieder zuwenden werden, dessen Zorn gegen das Haus Ihrer Ahnen nur zu sichtbar ist? Wird es Ihnen die Zuneigung des englischen Volkes wieder erwerben, in dessen Augen solche Thaten ein Abscheu sind? – Ich überlasse es Ihrem eigenen königlichen Gemüthe, das zu bedenken.«

Carl schwieg überrascht von der Wendung des Gespräches, die sein eigenes Interesse der Befriedigung seiner Leidenschaft schroffer gegenüberstellte, als er es dachte.

»Wenn Ew. Majestät,« sagte Alexis, indem sie sich tief verbeugte, »nichts weiter zu befehlen haben, so ist es mir wohl erlaubt, mich zurückziehen zu dürfen?«

»Verweile einen Augenblick, sonderbares, unbegreifliches Mädchen,« sagte der König, »und beantworte mir nur eine Frage. Ist es denn die Niedrigkeit meiner gegenwärtigen Lage, die meinen Antrag verächtlich macht?«

»Ich brauche nichts zu verbergen, mein gnädigster Herr,« sagte sie, »und meine Antwort soll so klar und deutlich sein, wie die Frage, welche Sie mir vorlegten. Wenn ich mich von einer lasterhaften, unverständigen und undankbaren Thorheit hätte hinreißen lassen, so hätte es nur dadurch geschehen können, daß ich von jener Leidenschaft verblendet gewesen wäre, welche die Thorheit und das Verbrechen viel häufiger zum Vorwand nehmen, als sie in Wirklichkeit besteht. Kurz, ich hätte, wie man sagt, verliebt sein müssen – und das könnte nur in Einen meines Standes geschehen, aber gewiß niemals mit meinem Souverain, er besitze nun blos den Titel oder die wirkliche Herrschaft des Königreichs.«

»Doch war Royalismus immer der Stolz, ich möchte fast sagen die herrschende Leidenschaft Ihrer Familie,« sagte der König.

»Und wie vertrüge sich das mit Royalismus,« sagte Alexis, »wenn ich es duldete, daß mein erlauchter Herrscher nach einer Sache strebt, die eben so unehrenvoll für ihn wie für mich ist? Sollte ich ihn als ein getreuer Unterthan bei einer Thorheit unterstützen, die seiner Wiedereinsetzung ein weiteres Hinderniß in den Weg werfen würde, und selbst wenn er auf seinem Throne säße, seiner Sicherheit gefährlich sein könnte?«

»Dann,« sagte Carl unzufrieden, »hätte ich besser gethan, meinen Charakter als Page beizubehalten, als mich als Souverain zu zeigen, was meinen Wünschen noch mehr entgegen zu sein scheint.«

»Meine Güte soll sich noch weiter erstrecken,« sagte Alexis. »Ich hätte so wenig für den Louis Kerneguy gefühlt, wie jetzt für den Erben von Britannien; denn die Liebe, die ich zu verschenken habe (und sie ist nicht von der Art, wie ich in Romanen gelesen und in Gesängen gehört habe), ist schon einem Anderen zu Theil geworden. Das thut Ew. Majestät wehe – es thut mir leid – aber die bittersten Arzneien sind oft die heilsamsten.«

»Ja,« antwortete der König etwas gereizt, »und die Aerzte sind so vernünftig, von ihren Patienten zu erwarten, daß sie sie schlucken würden, als wäre es Honigseim. Es ist also wahr, das verbreitete Gerücht von dem Vetter Oberst; und die Tochter des getreuen Lee hat ihr Herz einem rebellischen Schwärmer zugewendet?«

»Meine Liebe ward gegeben ehe ich wußte, was die Worte Rebell und Schwärmer heißen wollten. Ich entzog sie nicht; denn ich bin überzeugt, daß unter den großen Spaltungen, welche das Königreich zertheilen, die Person, auf welche Sie anspielen, Ihre Partei irrig, aber gewiß nach dem Ausspruch ihres Gewissens ergriffen hat; sie behauptet also immer noch die höchste Stelle in meiner Zuneigung und Achtung. Mehr kann ich nicht gewähren, und mehr wird er auch nicht fordern, bis eine glückliche Wendung den Bürgerkrieg beendigt, und mein Vater sich wieder mit ihm versöhnt. Innig bete ich, daß es durch Eurer Majestät schnelle und einstimmige Wiedereinsetzung geschehen möge.«

»Sie haben einen Grund gefunden,« sagte der König, »mir selbst den Gedanken an einen solchen Wechsel der Dinge verhaßt zu machen; auch haben Sie, Alexis, kein aufrichtiges Interesse, dafür zu beten. Im Gegentheil sehen Sie nicht, daß Ihr Geliebter, der Arm in Arm mit Cromwell geht, seine Macht theilen kann, oder vielmehr muß? Ja, wenn Lambert ihm nicht zuvorkömmt, so kann er sogar Cromwell stürzen und an seiner Statt regieren. Und glauben Sie nicht, daß er Mittel finden wird, den Stolz der royalistischen Lee's zu betäuben, und eine Verbindung zu Stande zu bringen, wofür Alles schon viel besser vorbereitet ist, als für die Heirath der Tochter des Cromwell und des nicht minder royalistischen Erben von Fauconberg?«

»Eure Majestät,« sagte Alexis, »hat endlich Etwas gefunden, um sich zu rächen – wenn nämlich das, was ich sagte, Rache verdient.«

»Ich könnte einen noch kürzeren Weg zu Eurer Verbindung bezeichnen,« sagte Carl, ohne ihre Bekümmerniß zu berücksichtigen, oder um vielmehr das Vergnügen der Wiedervergeltung zu genießen. »Angenommen, daß Sie Ihrem Obersten ein paar Worte sagen lassen, daß sich hier ein gewisser Carl Stuart befindet, der gekommen wäre zur Störung der Heiligen in ihrer friedlichen Regierung, die sie durch Beten und Predigen, durch Lanzen und Flinten erlangt haben – nehmen wir an, er verstände die Kunst, ein Dutzend Soldaten herzubringen, die in jetziger Zeit hinreichend wären, das Schicksal des Königserben zu entscheiden. – Glauben Sie nicht, daß der Besitz eines solchen Schatzes ihm von den Rumpfmännern oder von Cromwell eine solche Belohnung zusichern wird, daß Ihr Vater seine Einreden gegen die rundköpfige Verbindung zurücknimmt, und die schöne Alexis und ihren Vetter, den Oberst, zum Ziel ihrer Wünsche gelangen läßt?«

»Mylord,« sagte Alexis mit glühenden Wangen und funkelnden Augen – denn auch sie hatte ihren Antheil an der erblichen Hitze ihrer Familie – »das übersteigt meine Geduld. Ich habe, ohne mein Gefühl auszudrücken, mir selbst die schimpflichsten Meinungen andichten lassen; – ich habe mich gerechtfertigt, daß ich es verweigere, die Maitresse eines heimathlosen Fürsten zu sein, als entschuldigte ich mich, einen Antheil an seiner wirklichen Krone zurückzuweisen. Aber können Sie glauben, daß ich unbewegt und stille die verleumden hören werde, die mir theuer sind? Ich werde es nicht thun, Sir, und säßen Sie da, umgeben von allen Schrecknissen der hohen Sternkammer Ihres Vaters, so sollten Sie mich hören, den Abwesenden und den Unschuldigen vertheidigend. Von meinem Vater sag' ich nichts, außer, daß er ohne Vermögen, ohne Einkommen, ja fast ohne beherbergendes Obdach und die allernöthigsten Lebensbedürfnisse ist, weil er Alles dem Dienste seines Königes aufopferte. Er hätte es nicht nöthig gehabt, Verrath und Niederträchtigkeit auszusinnen, um sich Reichthümer zu verschaffen. Er hatte genug an seinen eigenen Besitzungen. Was aber den Markham Everard betrifft – der kennt die Selbstsucht nicht – der würde selbst um den Besitz des großen Englands, und trüge es Peru's Schätze in seinem Busen und ein Paradies auf seiner Oberfläche, keine That begehen, die seinen Namen beschimpfen, oder Anderer Gefühle beleidigen würde. – Ihro Majestät – Könige dürfen sich ihn zum Beispiel nehmen. – Für jetzt, Mylord, entferne ich mich.«

»Alexis, Alexis – verweile!« rief der König aus. »Sie ist fort. – Das muß Tugend sein – wirkliche, uneigennützige, Alles überwältigende Tugend – oder es gibt nichts der Art auf Erden. Doch werden Wilmot und Villiers kein Wort davon glauben, sondern die Geschichte zu den übrigen Wundern von Woodstock rechnen. – Das ist ein seltenes Mädchen, und ich gestehe ein, um den Ausdruck des Obersten zu gebrauchen, daß ich nicht weiß, ob ich ihr vergeben und Freund sein, oder auf bittere Rache denken soll. Wäre es nicht des verwünschten Neffen – des puritanischen Obersten wegen, so würde ich einem so edlen Mädchen gerne Alles verzeihen. Aber ein rundköpfiger Rebell mir vorgezogen. – Der Vorzug mir in's Gesicht gestanden und mit der Behauptung gerechtfertigt, daß Könige ihn zum Beispiel nehmen könnten – das ist Galle und Wermuth. Wäre der alte Mann diesen Morgen nicht dazu gekommen, so hätte der König ein Beispiel, und zwar ein strenges, bekommen oder gegeben. Es war ein toller Zweikampf, den ich mit meinem Range und mit meiner Verantwortlichkeit wagte – und doch hat mich das Mädchen so böse auf sich und so neidisch auf ihn gemacht, daß ich es kaum zum zweitenmal vermeiden würde, wenn sich die Gelegenheit darbieten sollte. – Ha, wer kömmt da?«

Die Ausrufung beim Schlusse des königlichen Selbstgesprächs wurde durch den unerwarteten Eintritt einer andern Person des Drama's verursacht.



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