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Erstes Kapitel.

 

Treu wollen wir den alten Bräuchen bleiben, – denn was ist Gesetz,
Als nur gewohntes Thun? – Was Religion –
(Ich meine, bei der einen Hälfte derer, die ihr folgen)
Als die gute Gewohnheit, der Gebrauch, der sie treibt,
Zu beten, wo und wie ihre Väter beteten?
Alles läuft auf den Gebrauch hinaus, – wir behalten den unsern.

Altes Schauspiel.

 

Wir verließen die Gesellschaft Magnus Troils bei dem Zechgelage und der Ausgelassenheit. Mordaunt, der, wie sein Vater, den festlichen Becher floh, nahm keinen Theil an der Fröhlichkeit, welche das Schiff unter den Gästen verbreitete, indem sie dasselbe, so wie die Pinnasse, die den Tisch umkreiste, ausladeten. In dieser trüben Stimmung war er eine um so leichtere Beute für den erzählungslustigen Halcro, der sich an ihn angeklammert hatte, wie die Krähe an das kranke Schaf, welches sich geduldig gefallen läßt, ihre Beute zu werden. Der Dichter säumte daher nicht, sich der Vortheile zu bedienen, welche ihm Mordaunts Geistesabwesenheit und dessen Abneigung, seine Zuflucht zu ernsthaften Vertheidigungsmaßregeln zu nehmen, gewährte. Mit der gewohnten Geschicklichkeit langweiliger Erzähler wußte er seine Geschichte zu dem Doppelten ihrer gewöhnlichen Länge auszuspinnen, indem er sich des Vorrechtes unbeschränkter Abschweifungen bediente, so daß die Erzählung, wie ein Pferd in starker Gangart, schnell fortzuschreiten schien, während sie in der Wirklichkeit in der Viertelstunde kaum eine Elle zurücklegte. Endlich hatte er jedoch die Geschichte seines freundlichen Wirthes, des Kleidermachers in Russel-Street, in allen ihren verschiedenen Richtungen und Abzweigungen – mit Einschluß einer kurzen Lebensbeschreibung von fünf seiner Verwandten, so wie einiger allgemeinen Bemerkungen über die Kleidung und Moden jener Zeit – abgehandelt, und nachdem er durch die Umgebungen und Außenwerke so weit vorgedrungen war, erreichte er endlich die Festung selbst, wie man das Kaffeehaus der schönen Geister füglich nennen könnte. Hier blieb er jedoch an der Schwelle stehen, um das Recht auseinander zu setzen, welches sein Wirth hatte, zuweilen in diesen wohlbekannten Musentempel einzudringen.

»Dieses Recht bestand,« sagte Halcro, »in den beiden Hauptpunkten, des Tragens und Ertragens; denn mein Freund Thimblethwaite war selbst ein witziger Kopf, und wurde nie über die Scherze empfindlich, womit die Spaßvögel, welche jenes Haus besuchten, um sich warfen, wie mit Raketen und Schwärmern bei einem Freudenfeste, und dann war er auch – obgleich mehrere von den witzigen Köpfen, ja, ich glaube der größte Theil von ihnen, mit ihm zu thun hatten – nie der Mann, der einem Genie wegen solcher Kleinigkeiten unangenehme Erinnerungen erweckt hätte. Und wenn Ihr, mein lieber Mr. Mordaunt, dieß auch für nichts als gewöhnliche Höflichkeit haltet, weil hier zu Lande von Leihen und Borgen nicht viel die Rede ist, weil es hier, Gott sei Dank, weder Gerichtsdiener noch Beamte des Sheriffs gibt, die einen armen Kerl bei den Ohren nehmen, und weil man hier keine Gefängnisse hat, in die man ihn setzen kann, wenn dieß geschehen ist, – so muß ich Euch doch sagen, daß so eine lammesartige Geduld, wie die meines armen, lieben, nun verstorbenen Hauswirths Thimblethwaite, in der Stadt London eine wahre Seltenheit ist. Ich könnte Euch Sachen erzählen, die mir und Andern mit den verwünschten Londoner Handwerkern begegnet sind, daß Euch die Haare zu Berge stehen müßten. – Aber was Teufel hat denn den alten Magnus so in Hitze gebracht? Es scheint ja, als ob er seine Stimme gegen den Nordwind versuchen wollte.«

Laut war in der That das Gebrüll des alten Udallars, als er, dessen Geduld durch die Verbesserungspläne, welche der Verwalter ihm jetzt ganz ungescheut aufdringen wollte, endlich erschöpft war, ihm (um uns eines Ossianischen Ausdruckes zu bedienen) antwortete, wie eine Woge am Felsen:

»Bäume, Herr Verwalter – sagt mir nichts von Bäumen. Ich bekümmere mich nichts darum, und wenn es auch keinen auf der ganzen Insel gäbe, der hoch genug wäre, um einen Narren daran zu hängen. Wir wollen keine andern Bäume haben, als die in unsern Häfen wachsen, – die guten Bäume, die Raaen zu Zweigen und Tauwerk zu Blättern haben.«

»Was nun aber die Austrocknung des See's von Braebaster betrifft, wovon ich Euch sagte, Mr. Magnus Troil,« antwortete der beharrliche Landwirth, »und welche, meiner Meinung nach, von so großer Wichtigkeit ist, so gibt es zwei Wege, nämlich ihn durch die Schlucht von Linklater oder den Bach von Scalemster abzuleiten. Hätte man beide gehörig nivellirt –«

»Es gibt noch einen dritten Weg, Mr. Jellowley,« unterbrach ihn der Wirth.

»Ich muß gestehen, daß ich keinen sehe,« erwiderte Triptolemus so treuherzig, wie es ein Spaßvogel von Jemand wünschen kann, den er necken will; »denn der sogenannte Braebaster-Hügel gegen Süden und eine Erhöhung gegen Norden, von der ich den Namen nicht im Kopfe behalten kann – «

»Sprecht mir nichts von Hügeln und Anhöhen, Mr. Jellowley – es gibt noch einen dritten Weg, den See auszutrocknen, und dieß ist der einzige Weg, der, so lange ich lebe, eingeschlagen werden soll. Ihr sagt, daß der Lord-Kämmerling und ich die gemeinschaftlichen Eigenthümer sind; – gut, so soll Jeder von uns einen gleichen Antheil Branntwein, Citronensaft und Zucker in den See schütten – eine der zwei Schiffsladungen werden wohl hinreichen; – dann werden wir alle die lustigen Udallars im Lande zusammenberufen lassen, und Ihr werdet in vierundzwanzig Stunden da den trockenen Boden sehen, wo jetzt der See von Braebaster ist.«

Ein lautes Beifallsgelächter, welches Triptolemus für einige Zeit wirklich zum Schweigen brachte, begleitete diesen zur Zeit und Ort so wohl passenden Scherz. Eine fröhliche Gesundheit wurde ausgebracht, ein lustiges Lied wurde gesungen, das Schiff entladete seine Süßigkeiten, die Pinnasse machte ihre fröhliche Runde, und das Duett zwischen Magnus und Triptolemus, welches durch seine besondere Lebhaftigkeit die Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft auf sich gezogen hatte, wurde jetzt wieder gemäßigter, und vermischte sich mit dem allgemeinen Gesumme der Tischgesellschaft, und der Dichter Halcro nahm Mordaunt Mertouns Ohr abermals in Beschlag.

»Wo blieb ich sieben?« sagte er mit einem Tone, der seinem ermüdeten Zuhörer deutlicher, als Worte es thun konnten, verrieth, wie viel von der unterbrochenen Erzählung noch übrig war. – »O, ich erinnere mich, wir standen gerade an der Thür des Kaffeehauses der schönen Geister – es wurde errichtet .....«

»Aber lieber Mr. Halcro,« sagte sein Zuhörer etwas ungeduldig, »ich möchte gern etwas von Eurem Zusammentreffen mit John Dryden hören.«

»Wie, mit dem herrlichen John? – Ja, ja – wo blieb ich denn – bei dem Kaffeehause der schönen Geister – nun, wir traten hinein – die Marqueure u. s. w. stierten mich an; Thimblethwaite, der ehrliche Kerl, war ein bekanntes Gesicht, ich könnte Euch davon eine Geschichte erzählen –«

»Ja, aber John Dryden –,« sagte Mordaunt in einem Tone, der alle weiteren Abschweifungen ernstlich zu verbitten schien.

»Ja, ja, der erhabene John, – wo blieb ich doch steh'n? – Ja, als wir nun dicht an der Thür standen, wo ein Mensch saß und Kaffee mahlte, und der Andere Taback in Pfennigpackete packte – eine Pfeife und eine Tasse kosteten gerade einen Penny – da bekam ich ihn zuerst zu sehen. Ein gewisser Dennis saß neben ihm, der ...«

»Nun, aber John Dryden, wie sah der aus?« fragte Mordaunt.

»Es war ein kleiner, dicker, alter Mann, mit seinen eigenen grauen Haaren und in einem schwarzen Anzuge, der ihm so glatt saß, wie ein Handschuh. Der ehrliche Thimblethwaite litt es nicht, daß Jemand anders des herrlichen Johns Kleider zuschnitt, als er selbst, und wie der mit einem Aermel umzugehen wußte, das versichere ich Euch. – Aber man hört hier auch nicht ein vernünftiges Wort; – hol' der Henker den Schotten; er und der alte Magnus sind schon wieder aneinander.«

So war es auch, und obgleich die Unterbrechung dießmal nicht einem Donnerschlage glich, womit man den früheren Stentorausruf des alten Udallars hätte vergleichen können, so war es doch ein heftiger und lärmender Streit, bei dem Frage und Antwort, Rede und Widerrede so schnell aufeinander folgten, wie die Töne, welche aus der Ferne ein scharfes und wohlunterhaltenes Musketenfeuer verrathen.

»Ich soll der Vernunft Gehör geben?« rief der Udallar; »wir wollen auf vernünftige Gründe hören und vernünftige Sachen reden, und wenn es nicht mehr mit der Vernunft geht, so sollt Ihr Verse noch in den Kauf bekommen. – Heda, mein kleiner Freund Halcro!«

Obgleich mitten in seiner besten Erzählung unterbrochen (wenn man eine Mitte bei einer Sache annehmen kann, die weder Anfang noch Ende hatte), so machte sich doch der Barde auf diesen Aufruf sogleich fertig, wie ein Corps leichter Infanterie, welches zur Unterstützung der Grenadiere kommandirt wird, sah ganz keck aus, schlug mit der Hand auf den Tisch, und gab seine Bereitwilligkeit zu erkennen, seinem gastfreundlichen Wirthe zu Hülfe zu eilen, wie es einem wohlbewirtheten Gaste ziemt. Triptolemus sah diese Verstärkung seines Gegners nicht ohne Besorgniß heranrücken, hielt, wie ein vorsichtiger General, mitten in dem Hauptangriffe, den er so eben auf die besondern Gebräuche von Shetland gewagt hatte, an, und sprach nicht eher wieder, als bis der Udallar ihn durch die höhnische Frage anreizte: »Nun, Mr. Yellowley, wo sind Eure vernünftigen Gründe, mit denen Ihr mich vor einem Augenblicke noch so bestürmtet?«

»Habt nur Geduld, werther Sir,« antwortete der Landwirth, »was könnt Ihr oder irgend Jemand zur Vertheidigung des Dinges aufbringen, was Ihr hier in diesem verblendeten Lande einen Pflug nennt? Wahrhaftig, selbst die wilden Hochländer in Caithneß und Sutherland können mit ihrem Gascroinh, oder wie sie es nennen, mehr ausrichten.«

»Aber was gefällt Euch denn daran nicht?« fragte der Udallar; »laßt hören, was Ihr dagegen einzuwenden habt. Er pflügt unser Land, und was wollt Ihr mehr?«

»Er hat aber nur eine Handhabe oder Stelze,« erwiderte Triptolemus.

»Und wer, zum Teufel,« fiel der Dichter ein, der etwas recht Beißendes sagen wollte, »würde wünschen, ein Paar Stelzen zu brauchen, wenn er mit einer gehen kann?«

»Oder sagt mir einmal,« fuhr Magnus Troil fort, »wie würde Neil von Lupneß, der einen Arm durch einen Fall von der Klippe von Neckbreckan verloren hat, einen Pflug mit zwei Handhaben regieren können?«

»Das Geschirr ist von rohem Seehundsfelle,« sagte Triptolemus.

»Es erspart uns gegerbtes Leder,« antwortete Magnus.

»Der Pflug wird von vier elenden Ochsen gezogen, die breit gespannt sind, und zwei Frauen müssen dem unglücklichen Werkzeuge folgen, und durch Schaufeln die Furche nachreißen.«

»Trinkt eins d'rauf, Mr. Yellowley,« sagte der alte Udallar, »und, wie man in Schottland sagt, beißt Euch deßhalb nicht auf den Daumen. Unser Vieh ist zu wild, um eins vor das andere zu spannen: unsere Leute sind zu artig und zu wohlerzogen, um ohne Frauengesellschaft an die Arbeit zu gehen; unsere Pflüge reißen unser Land auf; unser Land trägt uns Gerste; wir brauen unser Ale, backen unser Brod und theilen es gern mit Fremden. Eure Gesundheit, Mr. Yellowley!«

Dieß sagte er in einem Tone, woran man hörte, daß er den Streit damit entschieden haben wollte, deßwegen auch Halcro Mordaunt zuflüsterte: »Die Sache ist abgemacht, und nun wollen wir weiter von dem herrlichen John reden. Dort saß er nun in seinen schwarzen Staatskleidern (wofür er schon seit zwei Jahren das Geld schuldig war, wie mir nachher mein ehrlicher Wirth erzählte), und mit einem Auge im Kopfe – es war kein brennendes, versengendes Falkenauge, wie das, wovon wir Dichter immer so viel Wesens machen, sondern ein sanftes, schönes, denkendes, durchdringendes – ich habe in meinem Leben kein solches gesehen, es müßte denn das des Stephan Kleancogg, des Geigers, in Papastons Gewen sein, der ...«

»Ja, aber John Dryden,« sagte Mordaunt, der aus Mangel eines bessern Zeitvertreibes eine Art von Vergnügen darin zu finden anfing, den alten Herrn bei seiner Erzählung festzuhalten, wie man ein störriges Schaf einhegt, wenn man es einfangen will.

Halcro kehrte also zu seinem Gegenstande mit der gewöhnlichen Redensart zurück: »Ja, das ist wahr, der herrliche John; nun, er warf seine Augen, wie ich es vorhin beschrieben habe, auf meinen Wirth, sagte: nun, ehrlicher Tom, was hast du denn da mitgebracht; – und alle die schönen Geister, und die Lords und Herren, die sich um ihn zu versammeln pflegten, wie die Mädchen auf der Messe um einen Hausirer, machten uns Platz, und so kamen wir denn an den Kamin, wo sein gewöhnlicher Stuhl stand (im Sommer, hört' ich, wurde er auf den Balkon getragen, aber er stand am Kamin, als ich ihn sah), so ging denn Tom Thimblethwaite heran, mitten durch die Leute, keck, wie ein Löwe, und ich folgte ihm mit einem kleinen Packete unter dem Arme, das ich mitgenommen hatte, theils meinem Wirthe gefällig zu sein, da der gewöhnliche Markthelfer nicht bei der Hand war, theils damit es aussehen möchte, als ob ich hier Etwas zu thun hätte, denn Ihr müßt wissen, daß bei Will Niemand hereingelassen wurde, der nicht dahin gehörte. Ich habe Sir Charles Sedley einmal etwas sehr Gutes darüber sagen hören ...«

»Ja, aber Ihr vergeßt den herrlichen John,« sagte Mordaunt.

»Ja, den Herrlichen könnt Ihr ihn wohl nennen. Die Leute sprechen von ihrem Blackmore, Shadwell und dergleichen, die nicht werth sind, John die Schuhriemen aufzulösen. Nun, sagte er zu meinem Wirth, was habt Ihr da? – und dieser sagte, indem er sich tiefer verbeugte, als er vielleicht gegen einen Herzog gethan haben würde: er hätte es gewagt, herzukommen, um ihm den Stoff zu zeigen, den Lady Elisabeth zu ihrem Nachtkleide gewählt. – Und welche von Euern Gänsen ist es, die es unter ihren Flügeln verborgen hält? – Es ist eine Gans von den Orkney-Inseln, zu Eurem Befehl, Mr. Dryden, sagte Tim, dem der Witz zu Gebote stand, und er hat Euch einige Verse mitgebracht, damit Ihr sie durchsehen mögt. – Ist er solch' eine Amphibie? sagte der herrliche John, indem er das Papier nahm, und ich glaube, ich hätte lieber einer Batterie gegenüber stehen mögen, als das Geknister hören, das es machte, als es geöffnet wurde, obgleich er jene Worte gar nicht sagte, um Einen niederzudrücken; und nun sah er die Verse an, und sagte sehr aufmunternd und mit einer Art von gutmüthigem Lächeln (und wirklich hatte er, für einen fetten, ältlichen Mann, – denn ich möchte es freilich nicht mit Minna's oder Brenda's Lächeln vergleichen – das angenehmste Lächeln, das ich je sah), nun, Tim, sagte er: diese deine Gans kann unter deinen Händen noch zum Schwane werden, und dabei lächelte er ein wenig, und Alle lachten, und Niemand lachte lauter, als die, welche zu weit entfernt waren, den Scherz zu hören; denn Jeder wußte, daß wenn er lächelte, es Etwas gab, worüber man lachen konnte, und nahm dieß auf Treu und Glauben an, und der Witz verbreitete sich unter den jungen Templern und Witzlingen und Spaßvögeln, und nun war des Fragens kein Ende, wer wir wären, und ein französischer Patron wollte ihm erzählen, es wäre nur Monsieur Thimblethwaite, allein er kam so in's Gedränge mit seinem Dumbletate und Timbletaite, daß ich dachte, seine Erklärung würde so lange dauern, wie ...«

»Wie Eure Geschichte selbst,« dachte Mordaunt, allein der Faden der Erzählung wurde endlich durch die starke und entschiedene Stimme des Udallars abgeschnitten.

»Ich will nichts mehr davon hören, Herr Verwalter!« rief er aus.

»So erlaubt mir wenigstens, etwas über die Pferdezucht zu sagen,« sagte Yellowley mit einem Tone, als bäte er um Gnade. »Eure Pferde, mein theurer Herr, gleichen den Katzen an Größe, und den Tigern an Wildheit!«

»Was die Größe betrifft,« erwiderte Magnus, »so sind sie desto bequemer für uns, um hinauf- und herabzukommen (wie Triptolemus diesen Morgen die Erfahrung machte, dachte Mordaunt), und was die Wildheit angeht, so muß sie Niemand besteigen, der sie nicht zu reiten vermag.«

Das Gefühl der Selbstüberzeugung verhinderte den Landwirth, auf diese Bemerkung zu antworten; er warf Mordaunt einen bittenden Blick zu, als ob er um Verschwiegenheit wegen seines unglücklichen Falles bitten wollte, und der Udallar, der seinen Vortheil sah, obgleich er die Ursache noch nicht wußte, verfolgte diesen mit dem stolzen und strengen Tone, welcher einem Menschen natürlich ist, der sein ganzes Leben lang auf keinen Widerspruch zu stoßen und keinen zu dulden gewöhnt war.

»Bei dem Blute St. Magnus', des Märtyrers,« sagte er, »Ihr seid mir ein schöner Mann, Herr Verwalter Yellowley! Ihr kommt aus einem fremden Lande, versteht weder unsere Gesetze, noch unsere Sitten, noch unsere Sprache, und wollt Euch zum Beherrscher des Landes aufwerfen, und uns Alle zu Euren Sklaven machen?«

»Zu meinen Schülern, werther Sir, zu meinen Schülern!« sagte Yellowley, »und das nur zu eurem eigenen Vortheil.«

»Wir sind zu alt, um in die Schule zu gehen,« erwiderte der Shetländer. »Ich wiederhole Euch, wir wollen unser Korn säen und ernten, wie unsere Väter es thaten; wir wollen essen, was uns Gott gibt, und dabei unsere Thüre den Fremden öffnen, so wie die ihrigen es waren. Gibt es bei unserer Art und Weise Mangel, so wollen wir ihn nach und nach zu gehöriger Zeit zu verbessern suchen, aber des heiligen Täufers Tag ist für leichte Herzen und schnelle Füße. Und wer noch ein Wort von vernünftigen Gründen, wie Ihr es nennt, oder irgend Etwas, was dem ähnlich sieht, spricht, der soll eine Pinte Seewasser trinken, – ja, das soll er, aus dieser meiner Hand! Und so fülle mir das gute Schiff, den lustigen Seemann von Canton, noch einmal, für alle Die, welche dabei sitzen bleiben wollen; die Uebrigen mögen den Fiedlern nachgehen, die schon seit einer Stunde aufgespielt haben. Ich bin überzeugt, daß die Mädchen alle schon auf den Füßen sind. Nun, Mr. Yellowley, wir wollen Frieden machen, – aber Mann, du scheinst mir die Bewegung des lustigen Seemannes noch zu fühlen (denn in der That schien der ehrliche Triptolemus, als er aufstand, um dem Wirthe zu folgen, nicht ganz fest auf den Beinen zu stehen); aber das hat nichts zu sagen; wir wollen dir deine Landbeine schon wieder verschaffen, damit du mit den Mädchen noch etwas herumspringen kannst. Komm nur, Triptolemus, ich werde dich fest fassen, damit du mir nicht zu sehr trippelst, alter Triptolemus – ha, ha, ha!«

Mit diesen Worten segelte der Udallar, wenn gleich ein alter, von manchem Wetter heimgesuchter, doch stattlicher Schiffsrumpf, wie ein Kriegsschiff von dannen, das wohl hundert Seestürmen trotzte, und hatte seinen Gast, wie eine neue Prise, im Schlepptau. Der größere Theil der Gäste folgte dem Anführer mit lautem Jubel, obgleich einige tüchtige Zecher, welche die von dem Udallar angebotene Wahl annahmen, zurückblieben, den lustigen Seemann von seiner neuen Ladung zu befreien, wobei sie nicht ermangelten, auf die Gesundheit des abwesenden Wirthes und das Gedeihen seines Hauses zu trinken, – und so viele andere Wünsche, als sie erdenken konnten, um einen giltigen Vorwand zu haben, noch ein gefülltes Stutzglas des edlen Punsches zu leeren.

Die Uebrigen eilten nach dem Tanzsaale, einem Zimmer, welches ganz die Einfachheit der Zeit und des Landes bezeugte. Staatszimmer und Salons waren damals in Schottland, außer in den Häusern der Großen, ganz unbekannt, geschweige denn in Shetland; aber eine lange, niedrige, unregelmäßige Stube, welche zuweilen gebraucht wurde, um Waaren darin aufzubewahren, zuweilen dazu diente, unnützen Plunder auf die Seite zu schaffen, so wie zu tausend andern Zwecken, war der sämmtlichen Jugend von Dunroßneß und mehreren andern Bezirken als der Schauplatz des fröhlichen Tanzes bekannt, der mit solcher Lust stattfand, wenn Magnus Troil eines seiner vielen Feste gab.

Der erste Anblick dieses Tanzsaales würde einer modischen Tanzgesellschaft, zu Quadrillen oder Walzern zusammengekommen, sehr unangenehm aufgefallen sein. So niedrig wie wir das Zimmer so eben beschrieben, wurde es nur unvollkommen durch Lampen, Lichter, Schiffslaternen und eine Menge anderer »Candelabra« beleuchtet, eine Beleuchtung, welche nur dazu diente, ein trübes Licht auf den Fußboden und die Haufen von Waaren und allerhand Gegenstände zu werfen, die rundumher aufgethürmt lagen. Hier sah man nämlich Vorräthe für den Winter, dort Waaren zur Ausfuhr bestimmt; einige, der Tribut Neptuns, den die gestrandeten Schiffe bezahlten, deren Eigenthümer unbekannt geblieben waren, andere Gegenstände, welche der Eigenthümer des Hauses – der, wie die meisten Leute jener Zeit, Kaufmann und Grundeigenthümer zugleich war – für Fische oder andere Sachen, die auf seinem Gute erzeugt wurden, eingetauscht hatte. Alle diese Sachen, so wie die Kisten, Kasten und Ballen, welche sie enthielten, waren auf die Seite geschafft und aufeinander gethürmt worden, um Platz für die Tänzer zu gewinnen, welche so leicht und lebendig, als ob sie in dem glänzendsten Saale des Kirchspieles von St. James gewesen wären, ihre Nationaltänze mit eben so viel Anmuth als Beweglichkeit ausführten.

Die Gruppe der alten Männer, welche zuschauten, war einem Haufen bejahrter Tritonen nicht unähnlich, welche den Scherzen der Seenymphen zusehen; die Meisten hatten durch den Kampf mit den Elementen ein abgehärtetes Ansehen, und das zottige Haar und der Bart, welchen Mehrere von ihnen, nach alt-norwegischer Sitte, wachsen ließen, gab ihren Köpfen ganz den Charakter jener Bewohner des Meergrundes. Die jungen Leute dagegen waren sehr hübsch, schlank, wohlgebildet und wohlgebaut; die Männer mit langem, blondem Haar hatten, ehe das Wetter ihren Gesichtern die Spuren seiner Verheerung aufdrückte, eine frische, blühende Gesichtsfarbe, welche bei den Frauen zu einer ungemein zarten Röthe wurde. Ihr von Natur scharfes Ohr für die Musik machte, daß ihre Bewegungen mit den Tönen der Musik, die nicht zu den schlechtesten gehörte, vollkommen übereinstimmten, während die Alten – welche umherstanden, oder ruhig auf den Schiffskisten saßen, die ihnen zu Stühlen dienten, die Tänzer musterten – die Leistungen dieser Jugend mit dem verglichen, was sie in früheren Zeiten selbst gethan, oder durch Becher und Krug, die fortwährend umhergingen, begeistert, mit den Fingern schnalzten und mit den Beinen den Tact zur Musik schlugen.

Mordaunt sah auf diesen allgemeinen Schauplatz der Freude mit den wehmüthigen Gedanken, daß er, von seinem Platze verdrängt, jetzt nicht mehr die wichtigen Obliegenheiten eines ersten Tänzers oder das Amt eines Haupttonangebers bei den Vergnügungen verwalte, welche Cleveland, dem Fremden, zugefallen waren. Um jedoch diese Empfindungen zu verbergen, von denen er fühlte, daß es weder klug sei, ihnen Raum zu geben, noch männlich, sie merken zu lassen, näherte er sich seinen schönen Nachbarinnen, denen er sich bei Tische so angenehm zu machen gewußt hatte, in der Absicht, Eine von ihnen zum Tanze aufzufordern. Aber die furchtbare alte Dame, die Lady Glowrowrum, welche den Freudenergüssen ihrer Nichten bei Tische nur deßhalb nachgesehen hatte, weil es ihr damals nicht möglich war, ihnen Einhalt zu thun, war keineswegs geneigt, die befürchtete Erneuerung der Vertraulichkeit, welche Mertouns Aufforderung zur Folge haben konnte, zu gestatten. Sie übernahm es daher, im Namen ihrer beiden Nichten, welche mißvergnügt und schweigend neben ihr saßen, Mordaunt, nachdem sie ihm für seine Artigkeit gedankt hatte, zu versichern, daß ihre Nichten schon auf den ganzen Abend versagt wären. Als er indeß die Damen aus einiger Entfernung beobachtete, hatte er Gelegenheit, zu bemerken, daß das angebliche Versagtsein nur eine leere Ausflucht gewesen war, um seiner los zu werden, denn an der Hand des nächsten jungen Mannes, der sie aufforderte, sah er die beiden artigen Schwestern sich dem Tanze anschließen. Erzürnt über eine so augenscheinliche Zurücksetzung, und um es nicht auf eine zweite zu wagen, zog sich Mordaunt Mertoun ganz aus dem Kreise der Tänzer zurück, verlor sich in dem Haufen geringer Leute, welche im Hintergrunde des Zimmers als Zuschauer zusammengedrängt standen, und verdaute dort seine Kränkung, so gut er konnte – das heißt, sehr schlecht, – und mit aller Philosophie seines Alters – das heißt, mit gar keiner.


 


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