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Einundzwanzigstes Kapitel.

Wär' Muth und Liebe des Volks ein sichrer Schild,
    Nie hätte Frankreich Heinrichs Mord beklagt;
Könnt' Geist und Schönheit wandeln Haß in Mild',
    Wer hätte Mitleid Schottlands Ros' versagt?

Elegie in einem königlichen Mausoleum. –

Lewis.

Am Thor des Hofes von Schloß Lochleven erschien die ansehnliche Gestalt der Burgfrau. In ihrer Jugend hatten ihre Reize Jakob V. gefesselt, durch welchen sie Mutter des berühmten Reichsverwesers Murray geworden war. Als eine Tochter des Hauses Mar und als eine große Schönheit, war sie, ungeachtet ihres Verhältnisses zu König Jakob, von manchen Herren, die in Schottland einen Namen hatten, zur Ehe begehrt worden, und hatte endlich unter ihren Bewerbern dem Ritter Wilhelm Douglas von Lochleven den Vorzug gegeben. Aber mit Recht heißt es:

– – »Zuchtruthen werden
Für uns die Lieblingslaster« –

Die Stellung, welche die Frau von Lochleven jetzt einnahm, als Gattin eines Mannes von Rang und Einfluß, und als Mutter ehelicher Kinder, schützte sie nicht vor einem schmerzlichen Schamgefühl selbst in den Augenblicken, wo sie mit Stolz der hohen Gaben, der Macht und der Stellung ihres Sohnes, als obersten Lenkers des Reiches, gedachte. Immer fiel ihr dabei ein, daß er die Frucht eines verbotenen Umgangs sei.

»Hätte mir,« pflegte sie sich zu sagen, »Jakob die schuldige Gerechtigkeit widerfahren lassen, dann hätte ich mit ungetrübter Freude und ohne Demüthigung meines Stolzes in meinem Sohne den rechtmäßigen Beherrscher Schottlands erblickt, und zwar einen der fähigsten, so je das Scepter geführt haben. Das Haus Mar, dem Hause Drummond an Größe und Alter nicht nachstehend, würde mit Stolz unter seinen Töchtern eine Königin erblickt haben, anstatt mit dem Flecken behaftet zu sein, dem weibliche Schwäche nie entgeht, auch wenn der Buhle ein König ist.«

Die Wirkung dieser Gefühle auf ihr stolzes Herz drückte sich auf ihrem Gesichte aus. Zwischen Resten großer Schönheit erblickte man Züge, welche Unzufriedenheit und Trübsinn verriethen. Diese finstere Gemüthsstimmung war noch vermehrt durch ungewöhnlich strenge religiöse Ansichten, denen zufolge die Frau von Lochleven, die ärgsten Irrthümer der Katholiken nachahmend, die Wohlthaten des Evangeliums nur denjenigen zusprach, welche sich zu ihrer Lehre bekannten.

Die unglückliche Königin Maria, jetzt der gezwungene Gast, oder vielmehr die Gefangene dieser finsteren Frau, war ihr in jeder Beziehung zuwider. Frau von Lochleven konnte sie nicht lieben als die Tochter Mariens von Guise, der gesetzmäßigen Besitzerin von Jakobs Herz und Hand, deren sie sich ungerechter Weise beraubt erachtete, und mehr noch als die Bekennerin einer Religion, die sie ärger als das Heidenthum verabscheute.

So war die Dame, welche mit würdevoller Miene und scharfen aber schönen Zügen, den Kopf in eine schwarze Sammethaube gehüllt, den Steuermann fragte, wo Lindesay und Herr Robert Melville geblieben seien. Der Mann berichtete, was vorgefallen war. Sie lächelte spöttisch und sprach:

»Narren muß man schmeicheln, statt mit ihnen zu streiten. – Rudere zurück, entschuldige dich, so gut du kannst, sage, Herr von Ruthven sei bereits im Schlosse und warte mit Ungeduld auf den gnädigen Herrn von Lindesay. Geschwind, Randal! – aber halt! was ist das für ein Springer, den du mitgebracht hast?«

»Gnädige Frau, es ist der Junker, welcher den Dienst haben soll bei – –«

»Ah so!« fiel die Burgfrau ein, »der neue Diener; die Dienerin ist gestern angekommen. Ich werde eine gar ordentliche Haushaltung haben mit dieser Frau sammt Dienerschaft. Hoffentlich wird man bald andere Leute finden, sich mit einer solchen Last zu beladen. Fort, Randal – und Ihr, (zu Roland Graeme,) folgt mir in den Garten.«

Langsamen und würdevollen Schrittes ging sie voran in den kleinen Garten, welcher mit einer Mauer umgeben, mit Bildsäulen verziert, und mit einem Springbrunnen in der Mitte seine einförmigen Beete neben dem Hofe hin erstreckte, mit welchem er durch ein niedriges gewölbtes Portal in Verbindung stand. Auf dem beschränkten Raume seiner steifen Gänge lernte jetzt Maria Stewart die schwere Rolle einer Gefangenen spielen, welche ihr, eine kurze Unterbrechung abgerechnet, für den Rest ihres Lebens zugetheilt war. Auf ihrem langsamen Gange, der dem Zwecke der Erholung nur unvollkommen entsprach, folgten ihr zwei Dienerinnen. Der erste Blick, welchen Roland auf die erlauchte, reizende, gebildete und unglückliche Frau warf, verrieth ihm, daß er Niemand anders, als die vom Schicksale so hart betroffene Königin von Schottland vor sich hatte.

Ihr Gesicht und ihre Gestalt haben sich der Erinnerung der Menschen, so sehr eingeprägt, daß es noch jetzt, nach fast dreihundert Jahren, fast überflüssig ist, selbst den unwissendsten Leser mit den Hauptzügen ihres Antlitzes bekannt zu machen, in welchem sich der Ausdruck des Majestätischen, Anmuthigen und Glänzenden in einem Maße vereinigte, daß man kaum zu sagen weiß, ob sie besser die Königin, oder die Schönheit, oder das gebildete Weib bezeichneten.

Wer hat nicht, sobald der Name Maria Stewart genannt wird, ein so bekanntes Bild vor der Seele, wie das seiner Jugendgeliebten oder einer Lieblingstochter? Selbst Diejenigen, welche sich gedrungen fühlen, Alles oder zum größten Theil das zu glauben, was ihre Feinde ihr vorgeworfen haben, können nicht ohne Seufzen ein Antlitz betrachten, in welchem sich eher alles Andere ausspricht, als die schwarzen Verbrechen, die ihr bei ihren Lebzeiten zur Last gelegt wurden, und welche noch immer einen Schatten, wo nicht einen häßlichen Flecken auf ihr Andenken werfen.

Diese offene, ächt königliche Stirn, diese regelmäßigen und doch so anmuthigen Brauen, überwölbend ein lichtbraunes Augenpaar, welches tausend Geschichten zu erzählen scheint, die ächt griechische Nase, der regelmäßige Mund, geformt, wie um nichts Anderes zu sprechen, als was entzückend zu hören ist, das Kinn mit dem Grübchen, der herrliche Schwanenhals – bilden zusammen einen Kopf, dessen Gleichen uns nicht bekannt ist, bei irgend einem anderen Wesen auf den Höhen des Lebens, wo die handelnden Personen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Die Behauptung, daß die Abbildungen dieser merkwürdigen Frau einander nicht gleichen, will Nichts sagen, denn bei aller Verschiedenheit finden sich auf jedem die Hauptzüge, welche das Auge auf der Stelle als dem Bilde angehörig erkennt, welches unsere Phantasie sich entworfen hat, während wir ihre Geschichte zum ersten Male lasen, und welches sich durch zahlreiche Gemälde und Abdrücke derselben eingeprägt hat. Das schlechteste unter diesen können wir nicht sehen, ohne, trotz der mangelhaften Ausführung, sogleich zu sagen: Das soll die Königin Maria sein.

Wahrlich es ist kein geringer Beweis für die Macht der Schönheit, daß ihre Reize selbst nach so langer Zeit Gegenstand nicht nur der Bewunderung, sondern auch warmer und zarter Theilnahme geblieben sind. Wir wissen, daß es gerade den scharfsinnigsten Forschern, welche in neuerer Zeit die ungünstige Ansicht von Mariens Charakter gefaßt haben, zu Muthe war, wie dem Henker vor der Hinrichtung, der die schöne Hand Deren hätte küssen mögen, an welcher er ein grausiges Amt verrichten sollte.

Gehüllt in ein schwarzes Trauergewand und geschmückt mit allen Reizen des Gesichts, der Gestalt und Haltung, mit welcher die treue Ueberlieferung jeden Leser bekannt gemacht hat, ging Maria Stewart der Frau von Lochleven entgegen, welche sich bemühte, Widerwillen und Besorgniß unter dem Scheine achtungsvoller Gemüthsruhe zu verbergen. Sie hatte zu wiederholten Malen die Fertigkeit der Königin in verschleiertem aber tief verwundendem Spotte kennen lernen, mit welchem Weiber sich nachdrücklich für thatsächliche Unbill zu rächen wissen.

Es fragt sich, ob diese Gabe für ihre Besitzerin nicht eben so verderblich war, wie die vielen anderen glänzenden Eigenschaften dieser Unglücklichen. Denn während dieselbe ihr oft einen augenblicklichen Triumph über ihre Kerkermeister verschaffte, erbitterte sie diese um so mehr, so daß die verletzenden Bemerkungen und Anspielungen nicht selten mit empfindlichen Unannehmlichkeiten vergolten wurden, denen man Macht hatte sie zu unterwerfen. Es ist bekannt, daß ihr Tod beschleunigt worden ist durch einen Brief an die Königin Elisabeth, in welchem sie ihre eifersüchtige Nebenbuhlerin und die Gräfin von Shrewsbury mit dem bittersten Spotte überschüttet.

Als die Frauen einander nahe gekommen waren, sprach die Königin mit einer leichten Senkung des Kopfes, als Erwiderung auf die Verneigung der Frau von Lochleven:

»Wir sind heute beglückt. Wir genießen das Vergnügen der Gesellschaft Unserer freundlichen Wirthin zu einer ungewöhnlichen Stunde und während einer Zeit, die Uns bisher zu Unserer Erholung im engeren Kreise verstattet war. Doch Unsere gute Wirthin, weiß wohl, daß sie jederzeit freien Zutritt bei Unserer Person hat, und braucht nicht die nutzlose Förmlichkeit zu beobachten, Unsere Erlaubniß nachzusuchen.«

»Ich bedaure,« versetzte die Burgfrau, »daß mein Erscheinen von Ew. Durchlaucht als ein Eindrängen betrachtet wird. Ich komme bloß, anzuzeigen, daß Euer Gefolge so eben einen Zuwachs erhalten hat« (auf Roland deutend) – »ein Umstand, gegen welchen Frauen selten gleichgültig sind.«

»O ich bitte um Verzeihung, gnädige Frau, und ich verbeuge mich zur Erde mit Erkenntlichkeit für die Güte meiner Großen – oder soll ich sagen meiner Herrscher? – welche mir eine so ansehnliche Vermehrung meiner Dienerschaft verwilligt haben.«

»Allerdings,« entgegnete Frau von Lochleven, »haben sie sich bemüht, ihr Wohlwollen gegen Ew. Durchlaucht an den Tag zu legen, vielleicht auf die Gefahr hin, einen politischen Mißgriff zu machen, und ich hoffe, ihr Thun wird nicht mißdeutet werden.«

»Unmöglich!« sprach die Königin. »Die Gnade, welche der Tochter so vieler Könige, der Königin dieses Landes, die Bedienung durch zwei Kammerfrauen und durch einen Knaben verstattet, ist eine Huld, welche Maria Stewart nie genug anerkennen kann. Hm! Mein Gefolge wird eben so ansehnlich sein, wie das einer Dame vom Lande in Eurem Königreiche Fife hier, abgesehen von dem Mangel eines Kammerherrn und zweier oder vier Bedienten in blauen Röcken. Aber ich darf in meiner selbstsüchtigen Freude nicht die vermehrte Mühe und Unruhe vergessen, welche diese glanzvolle Vermehrung Unseres Gefolges Unserer gütigen Wirthin und dem ganzen Hause Lochleven verursachen wird. Diese wohlbedachte Sorge, merke ich, ist es, welche Eure Stirn verdüstert, würdige Frau. Allein beruhigt Euch. Die Krone Schottlands besitzt manch schönes Gut, und Euer liebevoller Sohn, mein nicht minder liebevoller Bruder, wird den guten Ritter, Euren Gemahl, eher mit dem besten darunter begaben, als daß Maria aus diesem gastlichen Schlosse darum entfernt werden sollte, weil Ew. Gnaden die Mittel fehlen zur Bestreitung des Aufwandes.«

»Die Douglas von Lochleven,« versetzte die Burgfrau, »wissen schon seit langen Jahren ihre Pflicht gegen den Staat zu erfüllen, ohne dabei Lohn im Auge zu haben, selbst wenn ihre Aufgabe beschwerlich und gefährlich ist.«

»Ei, nein, liebe Frau von Lochleven,« spottete die Königin, »Ihr seid gar zu ängstlich. Nehmt immerhin ein hübsches Gut an. Was anders sollte zum Unterhalte der Königin von Schottland an diesem ihrem Hoflager dienen, als ihre Krongüter? Wer anders sollte für die Bedürfnisse einer Mutter sorgen, als ein liebevoller Sohn, wie der Graf von Murray, welcher die Macht und die Neigung dazu in so hohem Grade besitzt? – Oder sagtet Ihr, die Gefährlichkeit Eurer Aufgabe habe Euer ruhiges gastliches Antlitz verdüstert? – Ohne Zweifel, ein Edelknabe bildet eine furchtbare Verstärkung meiner weiblichen Leibgarde, und ganz gewiß ist es darum, daß der gnädige Herr von Lindesay sich eben geweigert hat, sich in den Bereich einer solchen Macht zu wagen, ohne ein gehöriges Gefolge bei sich zu haben.«

Die Burgfrau fuhr zurück und schien betroffen zu sein. Maria richtete ihre schöne Gestalt empor und sprach, aus dem Tone ironischer Sanftmuth in den strengen Befehles übergehend, mit der vollen Würde einer Königin:

»Ja, Frau von Lochleven, ich weiß, daß Ruthven bereits in der Burg ist, und daß Lindesay am Ufer auf die Rückkehr Eurer Barke wartet, die ihn sammt Herrn Robert Melville herüber bringen soll. Was ist der Zweck ihres Erscheinens? Und warum werde ich nicht gebührender Maßen von ihrer Ankunft benachrichtigt?«

»Ihren Zweck, Madame!« antwortete die Frau von Lochleven, »müssen sie selber erklären. Eine förmliche Ankündigung wäre unnöthig, wo Ew. Durchlaucht Diener so trefflich die Horcher spielen können.«

»Arme Fleming,« sprach die Königin, sich zu ihrer ältern Dienerin wendend, »man wird dich vor Gericht stellen, verurtheilen und hängen als Spionin unter der Besatzung, darum, weil du zufällig durch den Saal gegangen bist, während meine liebe gnädige Frau von Lochleven aus voller Kehle mit ihrem Steuermanne Randal parlamentierte. Steck' schwarze Wolle in deine Ohren, Mädchen, dafern du sie länger am Kopfe behalten willst. Bedenke, daß auf Schloß Lochleven Ohren und Zungen nicht zum Gebrauche, sondern zum Zierrathe dienen. Unsere gute Wirthin kann für uns Alle ebensowohl hören, wie reden. Wir entheben Euch des ferneren Verweilens bei Uns, Frau Wirthin, und ziehen Uns zurück, um Uns zu einer Zusammenkunft mit Unseren empörten Großen vorzubereiten. Wir wollen das Vorgemach Unseres Schlafzimmers als Audienzsaal benutzen. – Ihr, junger Mann,« sprach sie zu Roland, die ironische Schärfe ihrer Ausdrucksweise in gutmüthigen Scherz verwandelnd, »Ihr, die Ihr Unsere ganze männliche Dienerschaft bildet vom Oberstkammerherrn bis zum geringsten Laufburschen, folgt Uns, auf daß Wir Unseren Hofstaat ordnen.«

Sie wandte sich um und schritt langsam dem Schlosse zu. Die Frau von Lochleven legte ihre Arme übereinander und lächelte grimmig, indem sie ihr nachsah.

»Deine ganze männliche Dienerschaft!« murmelte sie. »Wie wohl wäre dir, wenn dein Gefolge nie größer gewesen wäre!« Darauf wandte sie sich gegen Roland, dem sie im Wege gestanden, wich ihm aus und bemerkte: »Lauschest du schon? Mach', daß du zu deiner Gebieterin kommst und sag' ihr, wenn du willst, was du eben gehört hast.«

Roland eilte der Königin und ihren Dienerinnen nach durch ein Schlupfpförtchen, welches aus dem Garten in's Schloß führte. Die Gesellschaft ging eine Wendeltreppe hinauf in den zweiten Stock, welcher zum größten Theil aus drei ineinander gehenden Zimmer bestand. Diese waren der gefangenen Fürstin zur Wohnung angewiesen. Das erste war ein kleiner Saal oder ein Vorzimmer und führte in ein großes Wohnzimmer, hinter welchem sich dann das Schlafzimmer der Königin befand. Ein anderes kleines Gemach, welches ebenfalls mit dem Wohnzimmer in Verbindung stand, enthielt die Betten der Kammerfräulein.

Roland blieb, wie es ihm zukam, im vordersten Zimmer zurück, um etwaiger Befehle zu harren. Aus dem vergitterten Fenster sah er Lindesay und Melville mit Gefolge an's Land steigen und bemerkte, daß ihnen am Burgthor ein dritter Herr entgegenkam, welchem Lindesay mit seiner lauten rauhen Stimme zurief:

»Gnädiger Herr von Ruthven, Ihr seid uns zuvorgekommen!«

In demselben Augenblick vernahm er aus dem innern Gemach ein hysterisches Schluchzen und Ausrufungen des Entsetzens. Unverzüglich eilte er hinein, um Beistand zu leisten. Als er eintrat, sah er, daß die Königin sich in einen großen Sessel in der Nähe der Thür geworfen hatte und in einem heftigen Anfall von Mutterweh nach Athem schnappte. Die ältere Kammerfrau hielt sie in den Armen, die jüngere benetzte ihr Gesicht mit Wasser und mit ihren Thränen.

»Lauf, junger Mensch!« rief die ältere; »eile! rufe um Hülfe! sie fällt in Ohnmacht!«

Aber die Königin lallte: »Nicht vom Flecke! Niemand herbeigerufen! Es wird mir besser – ich werde gleich wieder bei Kräften sein.«

Und mit der Anstrengung eines Menschen, der für sein Leben kämpft, setzte sie sich auf in ihrem Sessel und bemühte sich, ihre ruhige Miene wieder zu gewinnen, während ihre Gesichtsmuskeln noch zuckten in Folge der heftigen leiblichen und geistigen Erschütterung.

»Ich schäme mich meiner Schwäche, ihr Mädchen,« sprach sie, die Hände ihrer Dienerinnen fassend. »Aber es ist vorüber und ich bin wieder Maria Stewart. Der wilde Ton der Stimme dieses Mannes, meine Kenntniß seiner Frechheit, der Name, den er genannt hat, die Absicht, in welcher sie kommen, darf wohl eine augenblickliche Schwäche entschuldigen – und mehr als augenblicklich soll sie nicht sein.«

Sie riß die Haube vom Kopf, welche während des Krampfanfalles sich verschoben hatte, und ließ ihr dichtes dunkelbraunes Haar herunterfallen. Mit ihren zarten Fingern durch dasselbe hindurchfahrend, stand sie von dem Sessel auf und stand da wie das lebendige Bild einer griechischen Seherin, mit einem Ausdruck von Kummer und Stolz, mit lächelndem Mund und thränenden Augen.

»Wir sind in schlechter Bereitschaft, Unsere rebellischen Unterthanen zu empfangen,« sprach sie; »indeß so viel wie möglich wollen wir Uns bemühen, Uns so vor ihnen zu zeigen, wie es ihrer Königin zukommt. Folgt mir, Mädchen. – Wie lautet dein Lieblingslied, Fleming?

Kommt, Mädchen, in mein Zimmer hier,
    Und schmückt mein nußbraun' Haar.
Wo eine Lock' jetzt kräuselt ihr,
    Zehnmal so viel einst war.

Ach!« fuhr sie fort, nachdem sie diese Verse eines alten Liedes hergesagt, »Gewalt hat mich des gewöhnlichen Schmuckes meiner Würde beraubt, und die wenigen Zierden, welche die Natur mir verliehen, sind durch Kummer und Angst zerstört.«

Doch während sie so sprach, fuhr sie abermals mit ihren Fingern durch das herrliche Haar, welches ihren königlichen Nacken und schwellenden Busen verhüllte, als ob sie doch bei all' ihrer heftigen Gemüthsbewegung das Bewußtsein ihrer unvergleichlichen Reize nicht verloren hätte.

Roland, auf dessen Jugend, Unerfahrenheit und lebhaftes Gefühl für Würde und Anmuth die Haltung einer so schönen und hochgeborenen Frau wie ein Zauber wirkte, stand staunend und theilnehmend wie festgebannt auf dem Flecke, und wünschte sein Leben aufs Spiel setzen zu können in einem so herrlichen Kampfe, wie der für Maria Stewart sein müßte.

Sie war in Frankreich erzogen worden, sie besaß eine ausgezeichnete Schönheit, sie hatte als Königin geherrscht, als Königin in Schottland, wo dem Herrscher Menschenkenntniß so nöthig war, wie die Lebensluft. Dabei war sie mehr als irgend ein Weib auf Erden scharfblickend und gewandt in Erkennung und Benutzung der Vortheile, welche ihre Reize ihr fast über Jeden gaben, der in den Bereich ihres Einflusses kam.

Sie warf auf Roland einen Blick, welcher ein Herz von Stein hätte erweichen können. »Armer Junge,« sprach sie mit halb wahrem, halb erkünsteltem Gefühl, »du bist Uns fremd, gesandt in diese traurige Gefangenschaft aus der Gesellschaft einer zärtlichen Mutter, Schwester oder Geliebten, mit welcher du lustig um den Maien tanzen durftest. Ich bedaure dich; aber du bist die einzige männliche Person in meinem Haushalt, willst du meinen Befehlen gehorchen?«

»Bis in den Tod, edle Frau,« antwortete Roland in entschlossenem Ton.

»Dann bewache die Thür meines Gemaches,« sprach die Königin; »wehre Jedem den Zutritt, bis Gewalt gebraucht wird, oder bis Wir gebührlich angekleidet sind zum Empfang dieser zudringlicher Besucher.«

»Ich will sie vertheidigen, bis sie über meinen Leichnam wegschreiten,« erwiderte Roland, in dessen Seele jede Bedenklichkeit vor dem Eindruck des Augenblicks zurückwich.

»Nicht so, guter Junge,« sprach die Königin, »nicht so, ich befehl' es dir. Wenn ich einen treuen Unterthan an meiner Seite habe, dann muß ich wahrlich sorgen, daß er mir erhalten bleibt. Stelle dich ihnen entgegen, bis sie sich schimpflicher Weise in die Nothwendigkeit versetzt glauben, Gewalt zu brauchen: dann aber, das befehl' ich dir, tritt zurück. Merk' dir das wohl.«

Und mit einem Lächeln der Gunst und der Hoheit wandte sie sich um und trat mit ihren Dienerinnen hinter sich in das Schlafgemach.

Die jüngere von diesen Dienerinnen blieb einen Augenblick zurück und gab dem Thürhüter einen Wink. Roland hatte schon lange bemerkt, daß es Katharine Seyton war, ohne von ihrem Anblicke überrascht zu werden, denn sogleich war ihm die geheimnißvolle Unterredung der beiden alten Damen in dem Frauenkloster eingefallen, und er hatte den Schlüssel zu derselben in seinem Zusammentreffen mit Katharinen auf diesem Schlosse gefunden. Der Anblick der Königin hatte ihn so sehr in Anspruch genommen, daß selbst das Gefühl eines jugendlichen Liebhabers davor zurücktrat. Erst als Katharine verschwunden war, fing er an zu überlegen, in welchem Verhältnisse sie zu einander stehen sollten.

»Sie hat ihre Hand in befehlender Weise gegen mich erhoben,« dachte er. »Vielleicht wollte sie mich in meinem Gehorsam gegen den Befehl der Königin bestärken; denn ich denke, sie konnte doch wohl nicht beabsichtigen, mich mit der Art von Züchtigung zu bedrohen, welche sie der Friesjacke und dem armen Adam Woodcock hat angedeihen lassen. Doch das wollen wir bald sehen. Mittlerweile wollen wir das Vertrauen rechtfertigen, welches diese unglückliche Königin in uns gesetzt hat. Ich denke, mein gnädiger Herr von Murray wird selber zugestehen, daß es Schuldigkeit eines treuen Kammerjunkers ist, seine Gebieterin gegen Zudringlichkeit zu schützen.«

Demgemäß trat er in das Vorzimmer, verschloß und verriegelte die Thür, welche zu der Treppe führte, und setzte sich nieder, um den Erfolg abzuwarten. Es dauerte nicht lange, so drückte eine starke Hand mit Heftigkeit auf die Klinke, stieß an die Thüre, schüttelte dieselbe, und endlich, als die Bemühungen ohne Erfolg blieben, rief eine rauhe Stimme:

»Aufgemacht da drinnen!«

»Warum und auf wessen Befehl,« fragte Roland, »soll ich die Gemächer der Königin von Schottland öffnen?«

Ein neuer vergeblicher Versuch, vor welchem Schloß und Riegel klirrten, bewies, daß der ungeduldige Besuch Lust hatte, ohne Rücksicht auf das Anrufen einzutreten. Endlich kam eine Antwort:

»Oeffnet die Thür, auf Eure Gefahr! Der Freiherr von Lindesay kommt, um mit Frau Marien von Schottland zu reden.«

»Der Freiherr von Lindesay, als ein schottischer Standesherr, muß abwarten, bis es seiner Herrscherin gefällt,« erwiderte der Thürhüter.

Ein heftiger Wortwechsel entspann sich jetzt zwischen den Außenstehenden. Roland unterschied deutlich die rauhe Stimme Lindesay's, der, wie es schien, die besänftigenden Worte Melville's zurückwies:

»Nein! nein! Ich sage dir, lieber häng' ich eine Petarde an die Thür, als daß ich mich von einem lüderlichen Weibe äffen und von einem frechen Laufjungen höhnen lasse.«

»Laßt mich doch wenigstens erst gütliche Mittel versuchen,« entgegnete Melville. »Gewalt gegen eine Frau würde Euren Schild auf ewig beflecken. Wartet, bis der gnädige Herr von Ruthven kommt.«

»Ich will nicht länger warten,« sprach Lindesay. »Es ist hohe Zeit, daß die Sache abgethan wird, und daß wir zu der Rathsversammlung zurückkehren. Du magst dein gütliches Spiel, wie du es nennt, versuchen, und ich will meinen Leuten sagen, daß sie die Petarde bereit machen sollen. Ich bin mit so gutem Pulver versehen, wie das, welches die Kirch' im Felde in die Luft gesprengt hat.«

»Habt doch um Gotteswillen Geduld!« entgegnete Melville, trat an die Thür und rief hinein: »Laßt die Königin wissen, daß ich, ihr treuer Diener, Robert Melville, sie bitte, um ihrer selbst willen und zur Verhütung schlimmer Folgen, die Thür zu öffnen und Herrn Lindesay zuzulassen, der eine Botschaft vom Staatsrath bringt.«

»Ich will Euren Auftrag an die Königin ausrichten und Euch ihre Antwort melden,« sprach Roland.

Er ging an die Thür des Schlafgemachs und klopfte leise an. Die ältere Kammerfrau öffnete, er theilte ihr einen Auftrag mit, und sie brachte bald die Weisung von der Königin, Herrn Robert Melville und den Freiherrn von Lindesay einzulassen. Roland kehrte in das Vorzimmer zurück und öffnete die Thür. Lindesay trat ein mit der Miene eines Kriegers, der sich mit dem Schwert seinen Weg in eine Festung gebahnt hat. Melville folgte ihm niedergeschlagen und langsamen Schrittes.

»Ich nehme Euch zum Zeugen,« sprach Roland zu Herrn Robert, »daß ich, wofern der ausdrückliche Befehl der Königin nicht das Gegentheil erheischt hätte, den Eingang nach besten Kräften und mit meinem besten Blute wider ganz Schottland vertheidigt haben würde.«

»Schweig', junger Mensch!« rief Melville ihm ungeduldig zu; »gieße nicht Oel in's Feuer. Dies ist nicht der Augenblick, mit deiner kindischen Ritterlichkeit zu prunken.«

»Noch immer ist sie nicht zum Vorschein gekommen,« sprach Lindesay, welcher bis zur Mitte des Wohn- oder Audienzzimmers vorgegangen war. »Wie nennt Ihr dies Possenspiel?«

»Geduld, gnädiger Herr!« erwiderte Herr Robert. »Die Zeit drängt nicht so sehr, und Herr Ruthven ist noch nicht herunter.«

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür des inneren Gemaches, und Königin Marie erschien mit einem ganz besonders anmuthvollen und majestätischen Wesen, wie es schien, nicht im Geringsten aufgeregt weder durch den Besuch, noch durch die Art und Weise, wie die Zulassung ertrotzt worden war. Ihre Tracht bestand in einem schwarzen Sammetkleid mit einem kleinen, vorn offenen Kragen, der ihr wohlgeformtes Kinn und ihren schönen Hals sehen ließ, den Busen aber verhüllte. Auf dem Kopfe trug sie ein Spitzenhäubchen, von welchem ein langer weißer Schleier in starken Falten über ihren Nacken herabhing. An ihrem Hals hing ein goldenes Kreuz, und an ihrem Gürtel ihr Rosenkranz von Gold und Ebenholz. Ihr auf dem Fuße folgten ihre beiden Kammerfrauen, und diese blieben während der ganzen Unterredung hinter ihr stehen.

Selbst Herr Lindesay, obwohl der roheste Edelmann jener rohen Zeit, hatte eine Anwandlung von Ehrfurcht, als er die unbefangene und majestätische Miene dieser Frau sah, welche er tobend in ohnmächtiger Wuth, oder aufgelöst in vergeblichen Schmerz, oder niedergebeugt von den Befürchtungen einer gestürzten Machthaberin zu finden erwartet hatte.

»Wir fürchten, Wir haben Euch aufgehalten, gnädiger Herr von Lindesay,« sprach die Königin, sich würdevoll verneigend in Erwiderung der mit Widerwillen gemachten Verbeugung des Freiherrn. »Aber Frauen empfangen nicht gern Besuch, ohne vorher einige Minuten auf die Toilette verwandt zu haben. Männer sind weniger an solche Umständlichkeiten gebunden.«

Der Freiherr warf einen Blick auf seine beschmutzte und unordentliche Kleidung und murmelte Etwas von einer eilfertigen Reise. Die Königin begrüßte höflich und, wie es schien, mit Freundlichkeit den Ritter Melville. Dann trat allgemeine Stille ein. Lindesay sah nach der Thür, als erwarte er mit Ungeduld seinen Mitgesandten. Die Königin allein schien unverlegen, und um dem Schweigen ein Ende zu machen, sprach sie mit einem Blicke auf sein ungeheures Schlachtschwert zu Herrn Lindesay:

»Ihr habt da einen zuverlässigen und gewichtigen Reisegefährten, gnädiger Herr. Ich denke, Ihr habt nicht erwartet, hier einen Feind zu finden, gegen welchen eine so furchtbare Waffe nöthig wäre. Es ist, dünkt mich, eine etwas sonderbare Zierde an einem Hofe, obwohl ich, – wie ich muß, zu sehr Stewart bin, um mich vor einem Schwerte zu fürchten.«

»Es ist nicht das erste Mal, Madame,« versetzte Lindesay, indem er das Schwert so drehte, daß das Ortband auf der Erde ruhte, und indem er die Hand auf den großen Kreuzgriff stützte, »es ist nicht das erste Mal, daß dies Gewehr sich in die Gegenwart des Hauses Stewart eingedrängt hat.«

»Möglich, gnädiger Herr,« erwiderte die Königin. »Es mag wohl meinen Vorfahren Dienste geleistet haben. – Eure Vorfahren waren treue Unterthanen.«

»Allerdings, Madame, hat es Dienste geleistet,« antwortete der Freiherr, »aber solche, wie sie Könige nicht gern anerkennen noch belohnen. Es war der Dienst, welchen das Messer dem Baume leistet, wenn es in's grüne Holz schneidet und ihm den überflüssigen Wuchs üppiger und unfruchtbarer Schößlinge nimmt, welche ihm die Nahrung entziehen.«

»Ihr sprecht in Räthseln, gnädiger Herr,« versetzte Maria; »ich hoffe, die Erklärung enthält nichts Beleidigendes.«

»Ihr mögt urtheilen, Madame,« antwortete Lindesay. »Mit diesem guten Schwerte ward Archibald Douglas, Graf von Angus, umgürtet an dem denkwürdigen Tage, wo er den Namen ›Häng'-der-Katz-die-Schell'-an‹ dafür erwarb, daß er aus der unmittelbaren Umgebung Eures Urgroßvaters, Jakobs des Dritten, einen Schwarm von Höflingen, Schmeichlern und Günstlingen wegriß und sie nachher auf der Brücke von Lauder aufhenkte, zur Warnung für solches Gezücht, wenn es sich je wieder dem schottischen Throne nahen sollte. Mit diesem nämlichen Gewehr erschlug derselbe unbeugsame Kämpe für Schottlands Ehre und Adel auf einen Hieb einen Höfling Eures Großvaters, Jakobs des Vierten, Spens von Kilspindie, welcher sich unterstanden hatte, in Gegenwart des Königs schimpflich von ihm zu reden. Sie kämpften am Falabach, und Häng'-der-Katz-die-Schell'-an hieb mit dieser Klinge das Bein seines Gegners so glatt weg, wie ein Schäferjunge einen dünnen Zweig von einem Schößling herunterschneidet.«

»Gnädiger Herr,« versetzte die Königin erröthend, »meine Nerven sind zu gut, als daß selbst diese fürchterliche Geschichte mich erschrecken könnte. Dürft' ich fragen, wie eine so hochherrliche Klinge vom Hause Douglas an das Haus Lindesay gekommen ist? – Ich dächte, sie hätte als eine heilige Reliquie aufbewahrt werden sollen von einer Familie, welche der Ansicht war, daß Alles, was sie gegen ihren König thun konnte, zum Besten des Vaterlandes geschehe.«

»Nein, edle Frau,« rief Melville, besorgt sich ins Mittel legend, »stellt dem Freiherrn nicht diese Frage. Und Ihr, gnädiger Herr, habt so viel Anstandsgefühl, um die Antwort zurückzuhalten.«

»Es ist Zeit, daß diese Frau die Wahrheit hört,« entgegnete Lindesay.

»Und seid versichert,« sprach die Königin, »daß sie sich durch keine Wahrheit zum Unwillen reizen lassen wird, die Ihr derselben sagen könnt. Es gibt Fälle, wo gerechte Verachtung stets die Oberhand behält über gerechten Unwillen.«

»So wisset denn,« antwortete Lindesay, »daß auf dem Felde von Carbery-hill, als der falsche, ehrlose Verräther und Mörder Jakob, weiland Graf von Bothwell, spottweise Herzog von Orkney genannt, den Zweikampf anbot mit einem der verbündeten Herren, welche kamen, ihm seinen verdienten Lohn zu geben, ich seine Herausforderung annahm und von dem edlen Grafen von Morton dies gute Schwert erhielt, um den Streit damit auszufechten. So wahr mir Gott helfe, wäre seine Keckheit um ein Haar breit größer, oder seine Feigheit um ein Haarbreit kleiner gewesen, dann wollt' ich mit diesem guten Stahl seinen verrätherischen Leichnam dermaßen ausgewirkt haben, daß die Hunde und Raben ihre Bissen zierlich vorgeschnitten gefunden haben sollten.«

Der Muth der Königin schwand beinahe bei Erwähnung des Namens Bothwell – eines Namens, an welchen sich eine solche Verkettung von Schuld, Schande und Unglück knüpfte Bothwell, Mörder Heinrich Darnleys, des Gemahls der Königin Maria und sein Nachfolger im Ehebett. Einen Monat nach der Vermählung Mariens mit Bothwell erschienen die schottischen Herren im Felde gegen diesen. Der erwähnte Zweikampf unterblieb auf Befehl der Königin.. Aber die gedehnte Ruhmrede Lindesay's gab ihr Zeit, sich zu sammeln und mit dem Ansehen kalter Verachtung zu erwidern:

»Es ist leicht, einen Gegner zu erschlagen, der nicht auf dem Kampfplatz erscheint. Aber hätte Maria Stewart ebensowohl ihres Vaters Schwert geerbt, wie ein Scepter, dann sollten die kühnsten Rebellen an jenem Tage sich nicht beschwert haben, daß Keiner kam, sich mit ihnen zu messen. Ew. Herrlichkeit wird mir verzeihen, wenn ich dies Gespräch abbreche. Eine kurze Beschreibung eines blutigen Kampfes ist lang genug, um die Neugier einer Frau zu befriedigen. Wenn mein gnädiger Herr von Lindesay uns nichts Wichtigeres vorzutragen hat, als die Thaten, welche der alte Häng'-der-Katz-die-Schell'-an verrichtet hat, und die Art und Weise, wie er selber jene Thaten nachgeahmt haben würde, dafern die Zeit es erlaubt hätte, dann wollen Wir Uns in Unser inneres Gemach zurückziehen, und Ihr, Fleming, sollt uns das Traktätlein Des Rodomontades espagnoles auslesen.«

»Verzieht ein wenig, Madame,« antwortete Lindesay, seinerseits erröthend. »Ich kenne Euren Witz zu lange, um deswegen hiehergekommen zu sein, damit Ihr seine Schneide auf Kosten meiner Ehre wetzen möchtet. Herr Ruthven und ich, wir haben uns mit Herrn Robert Melville zu Ew. Durchlaucht verfügt, um Euch aus Auftrag des Geheimen Rathes Etwas vorzulegen, welches die Erhaltung Eures Lebens und die Wohlfahrt des Staates betrifft.«

»Des Geheimen Rathes?« entgegnete die Königin. »Mit welcher Vollmacht kann er bestehen oder handeln, während ich, von der seine Gewalt aus fließt, hier in ungebührlicher Haft gehalten werde?– Doch einerlei! – Was die Wohlfahrt Schottlands betrifft, soll Marien Stewart stets willkommen sein, komme es von welcher Seite es wolle, – und was ihr eignes Leben anlangt, so hat sie dasselbe lange genug gehabt, um seiner müde zu sein, selbst im Alter von fünfundzwanzig Jahren. – Wo ist Euer Mitgesandter, gnädiger Herr? Was zaudert er?«

»Eben kommt er, edle Frau,« antwortete Melville, und in demselben Augenblick trat der Freiherr von Ruthven ein mit einem Packete in der Hand. Als die Königin seinen Gruß erwiderte, ward sie todtenbleich. Augenblicklich aber sammelte sie sich wieder, mit der vollen Kraft ihres Willens ihr Gefühl bemeisternd. Der Freiherr, dessen Erscheinen sie so heftig erschüttert zu haben schien, war begleitet von dem jüngsten Sohn des Ritters von Lochleven, von Georg Douglas, der in Abwesenheit seines Vaters und seiner Brüder, unter der Leitung seiner Großmutter, der älteren Frau von Lochleven, die Stelle eines Burgvogtes versah.


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