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Der Tanz der Greisen

Ein höllischer Spielmann stieg ins Land:
»Du greisig Gerümpel, aus Hütte und Wand!
Heraus! und tanzt das Herz euch in Brand!«

Und sie kamen mit Weh und mit Ach geächzt,
Mit belferndem Schmälen hervorgekrächzt –
Und keiner ist, der nach Tanzen lechzt.

Die Männlein und Weiblein mit wackelndem Kopf,
Mit in die Schultern gerutschtem Schopf –
Ein Trottel hier und dort ein Tropf.

Mit kleinen Schritten kommen sie her,
Die Rücken hangen wie Reben schwer,
Sie trippeln und treten und sputen sich sehr. –

Und er tut hervor eine Flöte bunt
Und setzt sie lachend an den Mund
Und macht die Backen zum Blasen rund.

Und ein Lied, aus wirbelnder Tollheit gewirrt,
Die alten Knochen zum Drehen kirrt,
Bis eine wilde Tanzlust schwirrt.

Manch' Weibleins Hüfte umreift ein Arm,
Und mählich tanzt sich in wilden Alarm
Der losgelöste Greisenschwarm. –

Da bringt ein mantelumhangener Mann
Einen Haufen junger Dirnen heran:
»Ist wer, der mit diesen tanzen kann?«

Und es bleiben starr im wühlenden Drehn,
Im tollen, huschelnden Röckewehn
Die Paare mit einem Male stehn.

Und eh' es noch möglich und noch einer denkt,
Sind die Männlein hastig abgeschwenkt,
Und jeder an einem Dirnlein hängt.

Musik mit heller, greller Wut
Peitscht den greisen Tummlern das greise Blut.
Und sie recken die Hälse und halten sich gut.

Und sie schmiegen sich zierlich und wiegen sich nett
Und fassen die Dirnen zum frechen Duett,
Einander vorüber, als gält's eine Wett'.

Da lachte der Fremde im Mantel auf –
Den Mantel ab! und hinein in den Hauf
Mit den blinkernden Knochen und dran und drauf!

Und er redet dem höllischen Spielmann ins Ohr,
Und gieriger rennen die Klänge vor,
Und auf einmal singt der tanzende Chor:

»Noch einmal, eh' uns die Grube paßt,
Das taumelnde, tolle Leben gefaßt! –
Was tut's denn, daß der Tod unser Gast!

Tod! erst nimm den schlotternden Nachbar mein,
Und solltest du dann noch hungrig sein,
Dann schlucke die alten Weibsen ein!
Doch mich laß noch tanzen und mich laß noch sein!«


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