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Kopfleiste

3. Tierphotographie in der Wildnis bei Tag und Nacht.

Den Zauber des Eleléscho tunlichst auch im Bilde festzuhalten, erlernte ich, da mir die Gabe des Zeichnens versagt war, die Lichtbildnerei. Es galt die afrikanische Tierwelt im Lichtbilde »einzufangen«.

Das einfachste Rezept, einen Löwen zu fangen, ist jedem Leser bekannt. Man schaufelt die Sahara durch ein Sieb und – bemächtigt sich so auf mühelose Weise des Königs der Wüste. Photographieren läßt sich auf so einfache Weise der Löwe nicht. Wohl tausendmal und noch öfter bin ich gefragt worden, wie ich meine in »Mit Blitzlicht und Büchse« abgebildeten Löwen photographiert hätte. Das ist nicht so leicht zu beantworten.

Rast in der Steppe während eines photographischen Ausfluges.
(Auf dem Stativ einer der von mir benutzten Tele-Apparate F:20. Die neuerdings in der optischen Anstalt C. P. Poerz gebauten langbrennweitigen Fernapparate haben die Lichtstärke F:7 und gestatten dabei erheblich kürzere, bessere Augenblicksaufnahmen zu machen.)

Bevor ich mit meinen ersten Aufnahmen frei lebender Tiere 1900 in die Öffentlichkeit trat, waren mir nur einige wenige wohl gelungene Nachtaufnahmen amerikanischer Hirscharten in voller Freiheit bekannt, die ein amerikanischer Rechtsanwalt und begeisterter Jäger, Mr. Shiras, in langjährigen Bemühungen zustande gebracht hatte. Nach zahlreichen fruchtlosen Versuchen gelang es diesem unermüdlichen photographischen Jäger, einige in der Nähe des Flußbettes zur Nachtzeit äsende Hirsche auf die Platte zu bringen, während er sich in einem Boot den Fluß herabtreiben ließ. Im Vordergrunde seines Fahrzeuges hatte er mehrere Kameras aufgestellt. Kam er nun mit seinem Boote in den Bereich dicht am Wasser stehender Hirsche, so ließ er sein Blitzlicht aufflammen, und erzielte nach mannigfachem Mißgeschick im Laufe von, wenn ich nicht irre, zehn Jahren einige wenige interessante Bilder, die seinen Namen in den Vereinigten Staaten bekannt machten, auf einer Pariser Weltausstellung viel Aufsehen erregten und einer goldenen Medaille für würdig befunden wurden. Ferner kannte ich einige teleskopische Tieraufnahmen Lord Delameres aus Ostafrika. Die ebenfalls höchst interessanten Tierphotographien Edward North Buxstones, meines Wissens erst im Jahre 1902 veröffentlicht, waren mir selbstredend schon aus diesem Grunde fremd. Alle in Rede stehenden Tele-Aufnahmen sind ausnahmslos solche von stehendem oder sich nur sehr langsam bewegendem Wilde; Tele-Aufnahmen flüchtigen Wildes sind mir bis zur Veröffentlichung meiner Aufnahmen und auch bis zum heutigen Tage mit nur ganz wenigen Ausnahmen nicht bekannt geworden.

Der Verfasser in seinem Zelte.

An sich scheint ja eine Aufnahme aus dem Tierleben nicht schwierig. Schalten wir jedoch die vielen in den letzten Jahren veröffentlichten Tierbilder aus zoologischen Gärten, Menagerien, größeren und kleineren Tierparks, Gehegen und umzäunten Revieren aus, ebenso alle die Bilder, die vielleicht im Winter an den Futterstellen erzielt werden, endlich die leider nicht selten auftauchenden Fälschungen und Künsteleien, so werden nur sehr wenige wirklich das wilde Tierleben wiedergebende Bilder übrig bleiben, die irgend einen wissenschaftlichen Wert beanspruchen können. Bei solchen Aufnahmen muß der Aufnehmende mit seinem Namen die vollste Gewähr übernehmen, daß nichts daran verändert oder retouchiert worden ist, und daß die Aufnahmen tatsächlich unter völlig einwandfreien Umständen erzielt worden sind. Alle Aufnahmen, die dieser Gewähr entbehren, würde ich mit dem größten Mißtrauen betrachten. Sie würden freilich auch die Fachgelehrten und Sachkenner nicht so leicht täuschen können.

Aber welche Schwierigkeiten waren hier zu überwinden! Schon im Jahre 1863 unternahm es ein deutscher Forscher, der heutige Geheimrat Professor Dr. G. Fritsch, Tierphotographien in Südafrika herzustellen. Damals kannte man nur nasse Kollodiumplatten. Man muß staunen, daß es Herrn Fritsch gelang, alle Schwierigkeiten dieses umständlichen Verfahrens zu überwinden, fern von der Heimat und abgeschnitten von allen Hilfsmitteln. Es gelang ihm im Verlauf seiner Arbeiten sogar, die erste Trockenplatte auf ein afrikanisches Tier zu exponieren! Seiner Güte verdanke ich es, daß ich in meinem Buche: »Der Zauber des Eleléscho« die Nachbildung dieser historischen und darum gewiß wertvollen »Natururkunde« bringen konnte. Wir sehen eine erlegte Elenantilope, damals noch ein häufiges Mitglied der mittlerweile beinahe völlig ausgerotteten Tierwelt des Kaplandes: man muß Professor Fritsch gehört haben, um ermessen zu können, welch reiches Tierleben selbst in den sechziger Jahren noch die Steppen des Kaplandes durchflutete! So sind die von ihm damals gewonnenen Aufnahmen besonders interessant und bilden den Ausgangspunkt aller bis zum heutigen Tage der Wildnis abgerungenen Photographien der so reichhaltigen afrikanischen Tierwelt. Erst etwa vierzig Jahre später unternahmen es die bereits genannten englischen Reisenden und der Verfasser, diese Arbeiten planmäßig fortzusetzen.

Auf meiner dritten Reise im Jahre 1902 versuchte ich mittels zweier mir von der optischen Anstalt von C. P. Goerz zur Verfügung gestellten teleskopischen Apparate Fernaufnahmen von Tieren, auf die, der Wahrheit die Ehre zu geben, englische Reisende zuerst verfallen waren. Die Lichtstärke dieser Fernapparate war aber so gering, daß eine lange Belichtungszeit erforderlich war. So eignen sie sich in erster Linie zur Aufnahme sich nicht bewegender Objekte. Handelt es sich aber um die Aufnahme in Bewegung befindlicher Tiere, so muß man durch viele Versuche die Belichtungszeiten ermittelt haben, welche einerseits genügen, den erforderlichen Eindruck auf die Platte hervorzurufen, andererseits aber noch kurz genug sind, um die sich bewegenden Tiere nicht allzu verschwommen erscheinen zu lassen. Erfahrung und Übung allein können den photographischen Jäger zum Ziele führen. Nur so wird er es erreichen, dem Schlitzverschluß die nach den Umständen erforderliche Größe und Schnelligkeit zu geben. Ist dem Genüge getan, so erübrigt es sich nur noch, den an die Schulter genommenen Apparat auf die mehr oder minder flüchtigen Objekte zu richten und einem Gewehre gleich zu handhaben!

Auf diese weise wird man, ähnlich wie beim Schießen, den Einfluß der Eigenbewegung des Objektes ausgleichen. Mannigfache Schwierigkeiten ergeben sich da und liegen klar auf der Hand. So wird es sich, wie auch beim Schießen nach flüchtigem Wilde, um ein »Vorhalten« oder »Mitgehn« handeln. Das alles erfordert viele Übung. Zur Zeit, als ich mit den mir von C. P. Goerz gebauten Fernapparaten erfolgreich arbeitete, wurden dieser Anstalt eine ganze Reihe solcher Apparate, bis aufs kleinste genau derselben Bauart, als unbrauchbar von photographisch sehr erfahrenen Bestellern beanstandet! Hieraus lernt man viel leichter die Schwierigkeit des erfolgreichen Arbeitens mit Teleapparaten zu beurteilen, als durch langatmige Ausführungen.

Nur selten wird es möglich sein, zu Fernaufnahmen einen feststehenden (Stativ-)Apparat zu benutzen. In den meisten Fällen wird man die photographische Flinte an die Schulter nehmen müssen. Es ist leicht begreiflich, welch eine Reihe von großen Schwierigkeiten sich dabei ergibt, deren Überwindung nur durch lange eindringende Übung möglich ist. So auch erklärt es sich, daß wir, schnell sich bewegenden nahen Objekten mit dem Apparate folgend, notwendig einen unscharfen Hintergrund bekommen müssen, daß wir ferner mit diesen Apparaten sehr leicht »unterexponieren«. Auch ist es klar, daß man sowohl Schnelligkeit wie Schlitzverschluß zu jeder Aufnahme vorher einstellen muß: eine stete Fehlerquelle! Dagegen hat der Teleapparat den vorteil, daß man mit der Einstellung auf rund hundert Meter den meisten vorkommenden Aufnahmen gerecht wird. Handelt es sich aber um die Aufnahme beispielsweise in der Nähe aufgehender oder vorbeistreichender Vögel, so kommt zu den oben erwähnten Handgriffen noch der hinzu, die Entfernung nach Schätzung richtig einzustellen. Auch muß man selbstredend die Sonne mehr oder weniger hinter seinen Rücken zu bringen suchen, um brauchbare Aufnahmen zu erzielen. Ausschlaggebende Hauptsache ist aber die richtige Beurteilung der in den Tropen besonders schwer beurteilbaren Lichtverhältnisse. Die aktinische Wirkung des Lichtes auf die Platte steht durchaus nicht in sicherer Beziehung zu der physiologischen Wirkung der Lichtstrahlen auf unser Auge. Mit Recht bemerkt Dr. Kuhfal-Dresden an einer Stelle, daß photographische Aufnahmen höchst selten auch nur einen Teil jener sonnigen Lichtfülle ahnen lassen, die vielleicht wirklich über einer aufgenommenen Landschaft ausgebreitet war. Weitere Schwierigkeiten erwachsen aus dem Flimmern der vom heißen Boden aufsteigenden Luftwellen, aus den Widerstrahlungen der einzelnen Staubteilchen, die die Luft erfüllen, aus der oft weiten Entfernung von den tierischen Objekten und vielem andern mehr. So können sehr leicht Aufnahmen mißraten, deren Gelingen dem Aufnehmenden sehr wahrscheinlich schien. Sind das Aufnahmen, die dem Reisenden besonders erwünscht schienen, die selten und vielleicht nur einmal erreichbare Tiere betreffen, so ist das besonders schmerzlich! Ich rate deshalb, unter solchen Umständen stets möglichst viele Platten zu belichten, denn vielleicht kommt dem Tierbildner diese oder jene Tierart nie mehr vor die Platte.

Viele Aufnahmen kommen einfach deswegen nicht zustande, weil der Reisende im entsprechenden Augenblicke den Apparat nicht zur Hand hat. Es ist peinlich darauf zu achten, daß sich die Apparate stets in unmittelbarer Nähe befinden; wenige Augenblicke der Verzögerung, und eine selten oder nicht wiederkehrende Aufnahmegelegenheit ist versäumt. Sind nun auch in Afrika die bekannten Fehler falscher Einstellung, sei es der Entfernung, des Verschlusses oder des Mechanismus, welcher die Schnelligkeit der Aufnahme reguliert, unvermeidlich, so wird man zudem auch hier zuweilen vergessen, die Kassetten zu öffnen, wird eine Platte zweimal oder öfter belichten Vergleiche mein (zur Zeit vergriffenes) Buch: »Der Zauber des Eleléscho«. Leipzig, R. Voigtländers Verlag. und was dergleichen Versehen mehr sind. Dies alles ist eben menschlich, allzu menschlich! Abgesehen von allen diesen Dingen sei daran erinnert, daß es durchaus erforderlich ist, sich in einer freien Gesichtsebene zu den erwünschten Objekten zu befinden. Ein einziger zwischen dem Photographen und den Tieren befindlicher Baum, Strauch oder Ast, ja, ein einziges in unmittelbarer Nähe vor dem Objektiv befindliches Blatt kann eine hocherwünschte Aufnahme völlig verderben. Auch das Gewicht der Apparate ist ihrer Anwendung hinderlich. Es ist nicht jedermanns Sache, einen der schweren 13x18 cm-Teleapparate – eine Kanone im kleinen – zu handhaben; aber auch die Anwendung eines 9x12 cm-Teleapparates ist nicht so ganz einfach. Eine Hauptschwierigkeit besteht im Mitführen so schwerer Geräte auf Schritt und Tritt in der Wildnis, wo man oft nicht einmal imstande ist, auch nur das Allerunentbehrlichste, auch nur Wasser in genügender Menge mitzunehmen. – Auch ist große Vorsicht notwendig. Ein Ersatz der mehr oder minder empfindlichen Apparate dort drüben ist unmöglich, und doch drohen jeden Tag Unfälle, die den Instrumenten verderblich werden können.

Und endlich die photographische »Jagd« selbst!

Da gilt es langsames, anstrengendes und mühevolles Pirschen und Ankriechen auf sonnenglühendem Steppenboden oder in zum Ersticken heißer mit brütender Hitze erfüllter Sumpflagune oder Dickung.

Wenn auch dem Tierbildner, der ähnlich wie ich eine fremdländische Fauna auf die Platte zwingen will, tausendfältige Mühe und viele hunderttausend Schritte in der endlosen Steppe erspart bleiben werden, weil er auf meine und anderer Erfahrungen bereits zu fußen vermag, so wird er dennoch mit einigem Erstaunen bemerken, daß die photographische Jagd unendlich viel schwieriger ist, als die wirkliche. Nur Bruchteile von Sekunden bedarf der geübte Schütze, um eine todbringende Kugel zu entsenden, oft durch Dick und Dünn und kaum seines Zieles ansichtig geworden! Aber wie mancherlei günstige Umstände und Verhältnisse sind erforderlich, um als photographischer Schütze zum Ziele zu gelangen! Hier handelt es sich nicht nur darum, einzelne Objekte in richtiger Beleuchtung aufs Ziel zu nehmen, sondern wir haben gewissermaßen mit einem einzigen photographischen Schuß möglichst zahlreiche Exemplare des erwünschten Wildes zu erlegen. Es ist bemerkenswert, daß sich Gelegenheiten zu guten Aufnahmen gar nicht so selten bieten, aber nur zu oft in Augenblicken, die uns unvorbereitet finden, die vielleicht nicht wiederkehrende Gelegenheit erfolgreich zu benutzen. Wie viel hundert Zufälligkeiten spielen da hinein! Wochen und Monate vergehen, ehe wir des sehnlichst erwünschten Wildes ansichtig geworden sind. Wochen- und monatelang haben wir uns immer auf den jetzt eben eingetretenen Augenblick vorbereitet – nun aber, wie durch einen Zauber, scheinen wir gelähmt zu sein, handeln wir verkehrt. Wie schwierig ist es, das erwünschte Wild, richtig beleuchtet, gewissermaßen in richtiger Pose, vor sich zu haben! Ist schon die Erscheinung der betreffenden Tiere überraschend und erstaunlich, wenn wir sie breit vor uns in behaglicher Ruhe erblicken, so wächst die Fremdartigkeit der Erscheinung, sobald wir die Tiere spitz von vorne oder von hinten sehen, oder sobald wir nur einzelne Körperteile wahrnehmen und gewissermaßen erraten müssen, was wir vor uns haben! Nur planmäßige und unermüdliche Arbeit kann zum Ziele führen, und ich möchte dem photographischen Jäger raten, sich nicht nur mit den Apparaten auf das sorgfältigste an Ort und 5telle einzuarbeiten, sondern sie auch ähnlich einer Flinte stets zur Hand zu haben. Lasse ich meine vielfältigen Begegnungen mit der tropischen Tierwelt rückblickend im Geiste vorüberziehen, so kann ich mich sehr vieler Augenblicke erinnern, in denen selbst ein gewöhnlicher Handapparat mir wundervolle Aufnahmen auf nächste Entfernung verschafft haben könnte; – da aber wären freilich nicht selten, neben vielem anderen, Nerven von Stahl und Eisen Bedingung gewesen.

Häufig ist der Apparat überhaupt im kritischen Augenblick nicht zur Hand oder die Schnelligkeit des Verschlusses ist für den betreffenden Fall nicht eingestellt, der Apparat selbst nicht gespannt oder gebrauchsfähig. Zu alledem müssen wir bedenken, daß die Bromsilberplatte in ganz anderer Weise reagiert, wie unser Auge. Sie ist nicht imstande, die Farben in ihren Helligkeitswerten wiederzugeben, da auf die Platte nur das blaue und violette Licht wirkt. Die Anwendung orthochromatischer, für grüne, gelbe und rote Lichtstrahlen empfindlich gemachter Platten wäre nun in der Tierphotographie ganz besonders erwünscht! Es ist mir jedoch nicht gelungen, Tele-Augenblicksaufnahmen von Tieren mittels farbenempfindlicher Platten zu erzielen, da ich ihre Gesamtempfindlichkeit gegen weißes Licht zu sehr vermindert fand. Neuerdings sollen indessen panchromatische Platten hergestellt werden, die nur Belichtungszeiten von etwa 1/ 50 Sekunden erfordern, und ich möchte ihrer versuchsweisen Anwendung für Tieraufnahmen aus diesem Grunde dringend das Wort reden.

Erblickt aber unser Auge die Tierwelt in normaler Färbung, so gibt eine in solchen Augenblicken belichtete photographische Platte zuweilen durchaus nicht das Erwünschte. Daher hängt von der Beleuchtung der Erfolg von Tieraufnahmen ganz besonders ab. Zu einem wirksamen Bilde bedürfen wir möglichst gedrängt stehender oder sich bewegender Gruppen von Tieren; auf nahe Entfernung sieht man solche aber selbstredend recht selten. Unter Umständen kann auch dann eine überraschend gute Aufnahme gelingen, wenn man sie beispielsweise bei unter Bäumen stehenden Tieren nicht erwartet hat. Das rührt dann wohl von dem durch das Buschwerk reflektierten Blau des Himmels her, das die Bromsilberplatte günstig beeinflußt. – Nichts ist enttäuschender, wie eine Aufnahme aus dem fremdländischen Tierleben, von der wir vieles erhofft, die sich aber beim Entwickeln als mißglückt erweist. Anderseits liegt in allen diesen Schwierigkeiten ein so großer Reiz, daß er in mancher Beziehung wohl dem zweifelsohne außerordentlich großen Zauber der Jagd zur Zeit unserer Väter und Großväter entspricht. Unser heutiger Jagdbetrieb mit fernwirkenden Büchsen und weitreichenden Teleskopen gleicht ja auch nicht mehr im entferntesten der alten Jagd, bei der der Schütze nur eine Kugel zu versenden hatte, deren Flugbahn er nur durch lange Erfahrung im jeweiligen Falle richtig ermessen konnte. Dem Liebhaber kann die photographische Kamera dafür Ersatz gewähren, denn die Schwierigkeit und Gefahr ihrer Handhabung überwiegen zweifelsohne noch um ein Beträchtliches die Schwierigkeit und Gefahr der Handhabung unserer großväterlichen Büchsen ...

Wie sehr bedaure ich, nicht von Anfang an die erst heute durch viele mühsam errungene Erfahrungen verbesserten Apparate zur Hand gehabt zu haben!

Manch vergeblichen tierphotographischen Versuch habe ich in früheren Jahren unternehmen müssen, dessen ich noch mit stiller Wehmut gedenke. Nicht selten kam es vor, daß ich meine Apparate auf das eine oder andere plötzlich auftauchende Wild richtete – jedoch mit vollkommenem Mißerfolg. Die Erregung des Augenblicks bringt es mit sich, daß man nur allzu leicht irgend einen der notwendigen Handgriffe unterläßt, und im nächsten Augenblick ist das ersehnte Wild vielleicht auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Überschaue ich die Reihe der anfänglich von mir vergeblich aufgenommenen Objekte, so finde ich Löwen, Nashörner, Giraffen und Flußpferde nebst zahlreichen Antilopen und anderen Geschöpfen in bunter Reihenfolge auf nächste Entfernung vor mir. Was aber die mühsam zur Nachtzeit entwickelte Platte mir dann aufwies, war entweder nur ein verschwommener Schimmer des von mir am Tage Geschauten oder ein leeres durch irgend einen unglücklichen Zufall erzeugtes Nichts; desto größer war freilich auch die Freude, wenn hin und wieder mit einem kleinen Handapparat ein Bild wie das der badenden Nashörner gelang, das ich auch in diesem Buche veröffentliche.

Ich habe den Grundsatz befolgt, alle mir aus irgend einem Grunde wertvoll erscheinenden Platten möglichst bald im Zelte zur Nachtzeit zu entwickeln. Nur wenn es sich um Duplikate handelte, deren Originale ich bereit durch Selbstentwickeln mir gesichert hatte, sandte ich die unentwickelten Platten nach Europa. Hier kann dem Entwickeln nicht nur größere Aufmerksamkeit zugewandt werden, sondern man erspart sich auch in der Wildnis große Mühe und Arbeit. Denn was das Entwickeln photographischer Platten bei schlechten Wasserverhältnissen, feuchtem Klima oder glühend heißer Temperatur zu besagen hat, muß man erfahren haben! Gelingen wertvolle Aufnahmen, so rate ich nicht nur, sie bald zu entwickeln, sondern auch eine Anzahl Bromsilber-Kopien herzustellen. Diese werden in verschiedenen Lasten verpackt; das Original-Negativ aber schickt man baldmöglichst in die Heimat. So hat man alles Mögliche getan, um die vielleicht nicht wieder zu erreichende Aufnahme zu sichern. Geht das Negativ auf der weiten Reise in die Heimat verloren, so hat man noch die Bromsilberkopien, von denen mit Wahrscheinlichkeit, wenn auch einzelne Lasten verloren gehen, wenigstens irgend eine erhalten bleibt.

Unter allen Umstanden möge den photographischen Jäger, möge den Reisenden unter allen Schwierigkeiten das Gefühl leiten, daß jede photographische Aufnahme mehr bedeutet, als das Erlegen des betreffenden Wildes.

Von großem Interesse ist es zweifelsohne, daß meine Aufnahmen fliegender Vögel nicht nur Künstler, sondern auch Laien vielfach an die Werke der Künstler des fernen Ostens, an japanische Darstellungen des Vogelflugs erinnerten. Professor Doflein Doflein, Ostasienfahrt. 1906. sagt hierüber: »Die Naturbeobachtung der japanischen Tierdarsteller steht in einem Punkte sicherlich höher als diejenige ihrer westlichen Kunstgenossen: die schnellen, rasch vorübergehenden Bewegungen der Tiere sind mit staunenswerter Geschicklichkeit gesehen und wiedergegeben ... der japanische Maler hatte lange vor Erfindung der photographischen Apparate richtig gesehn ... Der Japaner scheint über eine sehr rasche Leitung in den Nervenbahnen vom Sinnesorgan bis zum Zentralnervensystem und von diesem zum Bewegungsapparat Einen zu mir nicht vorher bekanntem Zeitpunkt in Bewegung gesetzten Zeiger vermochte ich durch Druck auf einen Hebel in 0,150 Sekunden zum Stehen zu bringen. zu verfügen. Dafür ist uns seine Kunst ebensowohl ein Beweis, wie die Schießleistungen japanischer Artillerie auf bewegter See, wie ihre Fechtweise und ihre Art zu ringen« ...

Ich füge hier hinzu, daß ein erfolgreiches Arbeiten mit Teleapparaten nach meiner Ansicht nur unter obigen Bedingungen möglich ist; niemals wird ein mäßiger Schütze auf diesem Gebiete Erfolg haben!

Groß aber die Freude, irgend eine schöne und brauchbare »Natururkunde« errungen zu haben; sie ist um so größer, als die Schwierigkeiten der Aufnahme um so mehr wachsen, als es sich um seltene, scheue oder in Rudeln auftretende Wildarten handelt. Da spielt die Besiegung der Scheu und Vorsicht des Wildes eine ebenso große Rolle, wie unbedingte Ruhe beim Anlegen und Abdrücken der Apparate. Ein geübter Büchsenschütze, der auf flüchtiges Wild ohne allzu viel Eigenbewegung abzukommen versteht, eignet sich zu tierphotographischen Augenblicksaufnahmen besonders. Das geringste Zucken im Augenblicke des Abdrückens verdirbt die Aufnahme unter Umständen vollkommen, wegen der geringen Lichtstärke der Objektive und der dadurch bedingten, auch bei bewegten Objekten erforderlichen relativ langen Belichtungszeit.

Einen Vorteil ergeben diese bei Teleapparaten erforderlichen langen Belichtungszeiten: jene Unschärfe und Weichheit, die solchen Aufnahmen einen überaus bildartigen, künstlerischen Charakter gibt. Diese Unschärfe und Weichheit darf freilich ein gewisses Maß nicht übersteigen. Dabei ist dem Geschmack des Aufnehmenden und seiner Übung jede Gelegenheit gegeben, seine Eigenart sowohl, wie auch seine Ausdauer zu betätigen. Es sei noch erwähnt, daß derartige Aufnahmen gegen den Horizont selbstredend bedeutend kürzere Belichtungszeiten erfordern, als Aufnahmen in der Ebene und namentlich mit stark grünem Hintergrund. Ebenso sind Aufnahmen von Tieren auf dem in Ostafrika so häufigen rötlichen Lateritboden recht schwierig. Auch muß man sorgfältig auf die mehr oder minder starken, durch die Beleuchtung bedingten Schlagschatten achten. Was das Auge des Menschen beim lebenden Objekte durch Übung richtig und der Wahrheit entsprechend zu sehen vermeint, kann bei dem unter solchen Umständen hergestellten Lichtbilde ganz fremd und überraschend wirken.

Einige dieser Schwierigkeiten Die neuerdings zu Wildaufnahmen angewandten langbrennweitigen Objektive ermöglichen Aufnahmen auch bei schwächerem Licht und würden dem Verfasser bedeutend bessere Dienste geleistet haben als die ihm leider s. Z. von dritter Seite empfohlenen Tele-Konstruktionen. Solche langbrennweitigen Apparate konnte u. a. Kermit Roosevelt, Dr. Berger und Major Roth neuerdings erfolgreich in Afrika benutzen, ebenso der in meinen Fußstapfen wandelnde Amerikaner Dugmore. Letzterer arbeitete in den seit 10 Jahren bestehenden »Wildreservaten« in Britisch-Ostafrika, 1909 natürlich unter ausnahmsweise günstigen Umständen! fallen freilich fort, wenn man sich, wie es neuerdings geschieht, Objektive von langer Brennweite bedienen will. Solche stehen uns freilich mit sehr erheblicher Lichtstärke zu Gebote. Dafür aber haben sie andere Nachteile; namentlich ergeben sie bei näheren Objekten einen gänzlich unscharfen Hintergrund.

Fernaufnahmen aus dem Tierleben, handele es sich um Teleaufnahmen oder solche mit langbrennweitigen Objektiven, werden mehr oder weniger durch alle jene Umstände beeinflußt werden, die ich angedeutet habe. Es ist undenkbar, Aufnahmen auf hundert oder Hunderte von Metern ebenso deutlich, ebenso vollkommen zu schaffen, wie auf die gewohnten wenigen Meter. Raum und Zeit treten eben hier gebieterisch in den Weg.

Aufnahmen auf nahe Entfernungen von nur wenigen Metern werden bei Tage entweder gar nicht, oder nur so selten möglich sein, daß sie praktisch kaum in Frage kommen. Das führte mich auf den Ausweg der Blitzlichtaufnahmen bei Nacht. Konnte man das Sonnenlicht durch künstliches Licht ersetzen, so wurde man nicht nur unabhängig von der Sonne, sondern es wurde auch möglich, zur Nachtzeit die geheimsten Vorgänge des Tierlebens aufzuhellen. Anfänglich, als ich meine Idee ausführen wollte, stieß ich freilich auf Widerstand und Zweifel, selbst bei den von mir befragten und um Rat angegangenen Fachleuten.

So war ich auf meine erste Reise hinausgezogen in dem Wunsche, die ursprüngliche Wildnis kennen zu lernen. Ich wollte alles, was ich dort so ganz anders wie in den üblichen Darstellungen erschaute, irgendwie festhalten. Bei meinem zweiten, einjährigen Aufenthalt 1899 hatten sich die mittlerweile ersonnenen oder mir zugänglich gemachten technischen Hilfsmittel als vollkommen unzureichend erwiesen. Fast dasselbe war bei meinem dritten Aufenthalte der Fall gewesen, und sehr schwere Erkrankung kam noch dazu. Auch beim vierten Betreten der afrikanischen Küste erwiesen sich immer noch die mitgeführten technischen Hilfsmittel als so schwierig in Handhabung und Anwendung, daß selbst mein sonst nicht leicht vor einem Hindernis zurückschreckender Reisegefährte Prinz Johannes Löwenstein und mein Präparator Orgeich sich mehr wie einmal über die Erreichung des Zieles, das ich mir gesteckt hatte, schwarzseherisch äußerten.

Tatsächlich hatte ja auch noch niemand mit den jetzt von mir mitgeführten Apparaten in der Praxis irgend Erfolg gehabt! Es galt zunächst die Gewißheit zu erlangen, daß nun auch wirklich die Aufnahme allerschnellster Tierbewegungen, wie z. B. die eines nächtlichen Löwenüberfalls, möglich sei. Der Pangani-Urwald weiß manches von mißlungenen Versuchen zu erzählen. Wir experimentierten nächtlich hin und her. Dabei hatten manche meiner Leute die Rolle von Löwen und anderen Tieren zu spielen und wurden so allmählich zu geschickten und brauchbaren Statisten. Der Orientale oder der Neger wundert sich grundsätzlich über nichts, aber dennoch war dieses Arbeiten mit den gefährlichen Blitzlichtmischungen für die Schwarzen tatsächlich ein Ding zur Verwunderung. Das ungläubige Lächeln meines Karawanenführers steht mir noch deutlich in Erinnerung, als er von meinen »Löwenplänen« erfuhr.

»Ah, simba bali sana Bwana!« (Ja, aber die Löwen sind weit, Herr!) – so etwa war der Sinn seiner Ausführungen. Es sollte auch noch geraume Zeit dauern, und manche Enttäuschung sollte ich noch erleben, bis ich seine Zweifel entkräften konnte ...

Was gibt es da alles zu bedenken und zu berücksichtigen! Der starke Tau tropischer Nächte, ein plötzlicher Regenfall kann mit Leichtigkeit die Blitzlichtmischung unbrauchbar machen, falls sie nicht sehr gut gegen Feuchtigkeit abgeschlossen ist. Auch durch andere Ursachen kann die ganze Vorrichtung bis zur vollkommenen Unbrauchbarkeit beschädigt werden, oder Ereignisse mannigfacher Art, deren Aufzählung hier zu weit führen würde, können hindernd in den Weg treten. Einmal schleppten Hyänen die leinenen Sandsäcke der Apparate fort; Mangusten trugen die Aluminiumschieber der Kassetten in ihre »Burg«, einen Termitenhügel; die Termiten selbst nagten nächtlicherweile an den Apparaten. Soll die Aufnahme selbsttätig erfolgen, so treten noch vielerlei andere hindernde Möglichkeiten hinzu. Endlich bedeutet das für jede einzelne Aufnahme nötige Blitzlichtpulver einen Wert von mehreren Mark. Auch ist mit der Zertrümmerung oder dem Diebstahl der Apparate durch Eingeborene zu rechnen, wie ich es mehrfach erfuhr, und manches andere mehr. – Warnen möchte ich aber vor allen Dingen vor einem unvorsichtigen Umgehen mit der explosiven Mischung! Selbstredend können die zu verwendenden Bestandteile nur getrennt – und so ganz ungefährlich – mitgeführt werden. Über angebliche Ungefährlichkeit gewisser fertiger, mir aber nicht bekannter Gemische, und über die Möglichkeit ihres ungefährlichen Transportes vermag ich nichts zu sagen. (Ich warne ausdrücklich vor der Anwendung der von anderer Seite empfohlenen großen Mengen von Blitzpulver.) Explosionen in Europa und zahlreiche Unglücksfälle könnte ich als warnende Beispiele anführen. Für mich galt es, jedesmal die Bestandteile mittels eines Mörsers innig zu mischen, und das ist in allen Fällen ein recht gefährliches Unterfangen. Ein kleines Sandkörnchen in der Mischung genügt, um eine Entzündung zu veranlassen, und das bedeutet eine große Gefahr. Ich selbst und andere sind bei den Versuchen um ein Haar verunglückt, und es ist jedem Photographen bekannt, daß in den letzten Jahren die Arbeit mit Blitzlichtmischungen mehrere tödliche Unfälle gezeitigt hat.

Vor allen Dingen aber zeigte es sich, wie gesagt, daß die Einrichtung meiner Apparate noch vieles zu wünschen übrig ließ. Ihre Lichtdichtigkeit war nur eine bedingte, ihre Aufstellung zu Selbstaufnahmen nur in der kurzen tropischen Dämmerung möglich. Blitzlichtaufnahmen kann man auf zwei verschiedene Arten erreichen. Entweder löst der photographische Jäger selbst die Zündung aus: dann muß er zur Stelle und unausgesetzt aufmerksam sein; – oder man überläßt die Auslösung dem eine Schnur berührenden Tiere. Bevor ich meine photographischen Versuche anstellte, habe ich im dornengeschützten Versteck alle die Ereignisse, die ich später im Bilde festhielt, auch in unmittelbarer und fast körperlicher Berührung mit Löwen und anderem Wilde erlebt. Die Ausführung von Forschungsreisen inmitten einer wehrkräftigen Tierwelt wie der afrikanischen bedingt ja von vornherein eine gewisse Mißachtung der Gefahr. Die Nachtphotographie aber und der Nachtansitz, selbst auf Löwen, geschehen selbstverständlich nur in dorngeschütztem Versteck und sind bei weitem nicht so gefährlich, wie man glaubt. Gefährdeter ist man unbedingt beim Nächtigen unter Busch oder Baum mitten in der Steppe in Gesellschaft nur weniger Begleiter, wenn man von der Dunkelheit überrascht wird, wie mir das sehr häufig geschah. Dann tritt zu der Gefährdung durch Raubtiere, Elefanten und Nashörner noch die meist außerordentliche, die Wachsamkeit schwächende Ermüdung. Die vielleicht rabenschwarze Nacht hindert uns Ausschau zu halten, setzt aber die durch das kleine Lagerfeuer grell Beleuchteten heranschleichenden Feinden aus. – Immerhin ist das Wachen bei photographischen Nachtapparaten auch im geschützten Dornversteck eine recht aufregende Sache, und eine gute nächtliche Blitzlichtaufnahme erfordert unbedingt allerhand vorhergehende »Zwiesprachen« mit Löwen und anderem Wild auf unmittelbare Entfernung. – In dem interessanten Werke »Zu den Aulihans« von Graf Hoyos und in Graf Wickenburgs »Wanderungen in Ostafrika« findet der Leser interessante und authentische Berichte über nächtliche Löwenjagden, die sich mit meinen Erfahrungen decken. In jenem ersten Werke schildert Graf Coudenhove in anschaulichster Weise, wie sehr seine Nerven beim nächtlichen Erscheinen zahlreicher Löwen in so unmittelbarer Nähe gespannt waren. An dieser Stelle sei bemerkt, daß selbstredend nur Berichten zuverlässiger Reisender Glauben geschenkt werden darf, denn noch immer entstehen recht seltsame und deutlich den Stempel der Unwahrheit tragende Publikationen und Buch-Machwerke im In- und Auslande ...

Führe ich hier mit Freude die so überaus sympathische und wahrheitsgetreue Art und Weise an, wie ein Mann, dessen Mut über allen Zweifel erhaben, Graf Coudenhove, den Eindruck schildert, den er beim nächtlichen Ansitz auf Löwen an sich erfahren, so möchte ich hier einem anderen Jäger, dem Grafen Hans Palffy, das Wort geben dürfen. In »Wild und Hund« 1906 sagt er: »Ich mochte etwa zwei Stunden in die Finsternis gestarrt haben, ohne auch das nur auf fünfzehn Schritt liegende (von mir erlegte und als Köder für Löwen benutzte) Nashorn sehen zu können ... als ich plötzlich einen Lärm vernahm, als wäre ein schwerer Gegenstand zu Boden gefallen, und gleich darauf knurrte der Löwe beim Luder. Ich hörte deutlich, wie der König der Tiere an seiner, oder recte meiner Beute herumzerrte und zu fressen begann ... er zog sich zurück, um alle zehn oder zwanzig Minuten auf ein und derselben Stelle sein herrliches, mit Worten absolut nicht zu schilderndes Konzert anzustimmen. Stets mit leisem Schnurren beginnend, erhob sich seine mächtige Stimme bis zu einem donnerähnlichen Getön, welches mir unvergeßlich bleiben wird, was wohl das Schönste ist, was ich je gehört habe und hören werde« ...

Seien es nun ähnliche Situationen, sei es das Leben und Weben der mannigfaltigen tropischen Tierwelt, das den Jäger zur Nachtzeit umtönt, wenn er todmüde von weitem Marsch, fern vom Lager, vielleicht verirrt, unter einem Busche niedergesunken ist, – in allen Fällen sind es gewaltige Eindrücke, deren er so teilhaftig wird. Abgesehen von menschlichen Feinden können ihm diese Eindrücke nur noch in jenen Gegenden der Welt werden, in denen die ursprüngliche Tierwelt und namentlich die Raubtiere noch kaum vom Menschen gelichtet worden sind. Derartige Erfahrungen und Eindrücke aber dürfen dem photographierenden Jäger nicht fremd sein, damit er nicht nur mit sicherer Fühlung seine Apparate richten lerne, sondern vor allem den starken Trieb zu dem Versuche gewinne, allen nicht geringen, sondern recht großen Schwierigkeiten zum Trotz, der unwirtlichen Wildnis derartige Nachturkunden überhaupt abzugewinnen. Eins ist dabei gewiß: Allzu lange und allzu oft wird ein Jägersmann in den Tropen derartigem Unterfangen nicht stand halten, denn häufig versäumte Nachtruhe wird ihn, wie nicht leicht etwas anderes, in den malariadurchseuchten Gebieten nicht nur schwächen, sondern mit Sicherheit eines Tages töten ...

So ist es denn doppelt empfehlenswert, den wachenden Jäger, der ja ohnehin nur in sternklaren oder mondhellen Nächten mit Erfolg seinen Apparat zu bedienen vermöchte, durch eine mechanische Vorrichtung zu ersetzen. Die Anwendung einer selbsttätigen Auslösung erscheint vielleicht dem Laien auf den ersten Blick überaus einfach. Dem ist jedoch nicht so, denn es leuchtet ein, daß ein gespannter Faden von jedem beliebigen Tiere, jeder Fledermaus, jedem Nachtkäfer ausgelöst werden kann.

Den auf dem Wege der Blitzlichtphotographie zu erreichenden »Natururkunden« sind meines Erachtens sehr weite Grenzen gezogen!

Meine Aufnahmen beweisen bereits, daß ein Löwen-Ehepaar gemeinschaftlich – von zwei Seiten – den Angriff auf einen Stier vollführt, daß drei Löwinnen in unmittelbarer Nähe zusammen um die Mitternachtsstunde ihren Durst löschen. Mit ein wenig Glück könnte eine Platte belichtet werden, die uns ein oder zwei Dutzend Löwen zusammen zeigt, könnte ein wundervolles Bild entstehen, auf dem wir sehen, wie eine ganze Rotte von Löwen sich auf das erwählte Opfer stürzt. Was gibt es da für Möglichkeiten! Die einer wundervollen Aufnahme beispielsweise eines riesigen afrikanischen Elefantenbullen oder mehrerer solcher auf dem Wechsel an der nächtlichen Tränke ...

Noch nie ist ein solches Tier aus allernächster Entfernung, erwachsen, in seiner ganzen gewaltigen und überwältigenden Erscheinung, lebend und unverletzt auf die Platte gebracht worden. (Was ich bis jetzt in dieser Art sah, waren Aufnahmen angeschossener, keiner Gegenwehr fähigen Tiere!) Wer hat ein Rudel von Giraffen in ihren grotesken, fast unmöglichen Stellungen, in dieser Art aufgenommen, die durstige Zunge am Wasser kühlen sehen? Was wäre eine solche Aufnahme dieser aussterbenden Tierart wert?! Jede weitere auf unmittelbare Entfernung belichtete Platte, und wären es noch so zahlreiche, die uns das Leben des Königs der Tiere, des Löwen, getreu wiedergibt, wäre von großem wissenschaftlichen Werte. Allein dieser einen Tierart könnte ein Forscher sein Leben widmen. Aber jede »urkundtreue« Natururkunde, auch der kleinsten Bewohner der Wildnis, ist von großem Werte, um so mehr, wenn es sich um seltene, dem Erlöschen entgegengehende Arten handelt. Die Möglichkeiten sind zahlreiche. Ich meine, eine jede solche Aufnahme müßte weitaus den Reiz der Erlegung irgend eines jener Tiere überwiegen. Aber nicht nur für die Tierwelt Afrikas gelten meine Worte. Überall bieten sich dem Tierphotographen Tausende und aber Tausende höchst erstrebenswerte und wertvolle Ziele! Aber was müssen wir gerade heute im Jahre 1920 vielfach sehen? »Wilde« Tiere in der »Wildnis«, die nichts weiter sind als Fälschungen. Namentlich die Kinos leisten hier Erstaunliches bis zum an den Hinterbeinen angefesselten Nashorn, das Hunde in die Luft wirft, um dann von dem »kühnen« Meisterschützen durch eine »unfehlbare« Kugel getötet zu werden. Daß es vorher in einer Fallgrube gefangen wurde, zum Zwecke der kinematographischen Aufnahme, das freilich sieht nur der Kenner. Die an einem Bindfaden aus »ihrer Höhle« herausgezogene tote Riesenschlange, reiht sich als lebend dargestellt diesem Nashorne würdig an. Wer aber schafft neue wirkliche »Natururkunden«?

Wer zieht hinaus, uns den Riesenelch, den Riesenbären Alaskas im Lichtbild festzuhalten? Wer schafft authentische verbürgte Natururkunden des Lebens und Treibens der arktischen Tierwelt, der Eisbären, Walrosse und Robben?

Die Eiswüste der Pole müßte so gut ihre letzten Geheimnisse durch den in der Linse konzentrierten Lichtstrahl für alle Zeiten verraten, wie die unerforschten Gebirge Innerasiens uns die Wildschafe und Steinböcke im Bilde überliefern sollten. Jedes Tierparadies, das noch existiert, müßte seine letzten, allerletzten Geheimnisse preisgeben ...

Alles dies läßt sich freilich nicht so leicht erreichen, wie viele Menschen vielleicht glauben, etwa die Passagiere der Nordlanddampfer, die ungeduldig ans Land drängen, um Eisbären und Renntiere zu sehen, oder die in jedem Hyänengeheul einen Löwen hörenden »Afrikareisenden«. Aber hier wäre die Aufwendung großer Geldmittel wahrhaftig am Platz! Eine solche Aufwendung findet heute für manches andere Unternehmen statt, das auch in späteren Zeiten noch ebenso erfolgreich durchgeführt werden kann. Hier aber haben wir es mit täglich sich vermindernden Möglichkeiten zu tun, bis zur Stunde, wo es unrettbar zu spät ist.

Könnte man diesen Gedanken an die rechte Stelle bringen! – – –

 


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