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Widmung

Vergnüglich flüsternd ziehn des Neckars Wogen
Vorbei dem Ursitz deutscher Wissenschaft,
Hoch ob der Brücke schlanken Pfeilerbogen
hebt sich des Schlosses giebelstolze Kraft.
Ein Blütenschnee von Kirschen, Pfirsich, Flieder
Flockt duftverhauchend um das junge Grün,
Und prangt Altheidelberg im Lenzschmuck wieder,
Sorgt niemand viel sich um des Lebens Mühn.

In diesem Tal der weißen Blütenbäume
Kam mir des Ortes Genius oft genaht
Und fügte Scherz, Humor und heitre Träume
Zum Wissensernst der alten Musenstadt.
Er ging nicht steif in klassischen Gewanden,
Ging keck und flott und trank wie ein Student
Und glich nicht viel den neun antiken Tanten,
Die man im Mythus mit Apollo nennt.

Was Er mich lehrte, bracht' ich in den Engern,
Wo eine treubewährte Freundesschar
Neu Mittwoch in den Donnerstag zu längern
Bei goldnem Rheinwein oft beflissen war.
Da fiels nicht schwer, die Saiten hell zu schlagen,
Selbst würdige Pfarrherrn wurden singend laut,
Wenn uns ein Meister, dessen Tod wir klagen,
Mit kundiger Hand den Maientrank gebraut.

Zwei Kesselpauken dienten als Orchester
Und eines Ofenschirms gewalztes Blech,
Das dröhnte oft zum Rundgesange fester
Denn Meeressturm und wilden Heers Gezech.
Zum lustigen Wort fand sich die lustige Weise
Und oft scholl Beifall unsrer schlichten Art,
Als läg' in diesem Maiweinnippekreise
Waldmeisters Wunderhorn als Schatz verwahrt.

Als von der Neckarstadt, der ewig heitern,
Zur Ferne sich mein Lebenspfad gewandt,
Ward manch ein Schreibebrief noch aus dem Weitern
Mit Freundesgruß dem Engern zugesandt.
Von welschen wie von deutschen Landschaftbildern
hielt dies und das Erinnerung zurück
Gleich Blättern eines Skizzenbuchs: sie schildern
Harmloser Wanderlust verflüchtigt Glück.

Nun schau ich aus solidem Schwabenalter
Auf dieser Lyrik jugendtollen Schwung
Und reiche lächelnd meinen Liederpsalter
Den Zechern allen, die im Herzen jung.
Wer Spaß versteht, wird manchmal kräftigst lachen,
Und wen manch Lied schier allzudurstig däucht,
Der tröste sich: 's war anders nicht zu machen,
Der Genius Loci Heidelbergs ist feucht!

Im Mai 1867.


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