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Zwölftes Kapitel.
Der Klosterhof im Festschmuck. Ein bemoostes Haupt. Neue Gäste

Hilarius konnte nicht umhin, die Herren einander vorzustellen und geriet in sichtbare Verlegenheit, da dieselben als Bekannte sich begrüßten.

»Ich freue mich, Gelegenheit zu haben, Ihnen für manche Gefälligkeit persönlich danken zu können, die Sie mir im vorigen Winter und Frühjahre erwiesen haben«, sagte der Staatsanwalt, nachdem sie sich niedergelassen hatten.

Der Untersuchungsrichter erinnerte sich nicht gleich, wovon die Rede sei, bis der Staatsanwalt fortfuhr:

»Sie gaben mir so bereitwillig Auskunft über den Gang der Untersuchung bezüglich der Untat während des letzten Maskenballes. Ich will hoffen, dass nicht noch mehr so zudringliche Briefschreiber Sie belästigt haben, sonst war es um Ihre Geduld und kostbare Zeit geschehen!«

»Die Mühe war umso geringer, als die Ergebnisse der Untersuchung damals noch sehr spärlich und unbedeutend waren«, erwiderte der Untersuchungsrichter ernst und in Gedanken.

Hilarius wurde unruhig und sann auf eine schickliche Ableitung des Gespräches, als Herr Lohnhagen selbst bemerkte:

»Übrigens haben Sie mir meine geringe Mühe reichlich vergolten durch einige ausführliche Mitteilungen über den eben in Sonndorf behandelten Fall … Er ist wohl bereits zu Ende geführt? Wie hätte ich sonst das Vergnügen, Sie hier zu sehen?«

Der Staatsanwalt teilte das Wissenswerte in Kürze mit und fügte dann hinzu:

»Ich habe eben die Meldung erhalten, dass der Inquisit heute nach eingetretener Dämmerung in geschlossenem Wagen und mit entsprechender Bedeckung von Sonndorf hier eintreffen wird. Es ist Vorsorge getroffen, dass die Ankunft ganz in der Stille vor sich geht. Der Wagen wird an einem Gartenpförtchen halten, durch welches der Inquisit nach einer wohlverwahrten Zelle gebracht werden kann … Wenn es die Herren interessiert, den merkwürdigen Inquisiten unbemerkt zu sehen, so kann dies durch ein kleines, maskiertes Fenster geschehen, welches zur Zeit des bestehenden Klosters wahrscheinlich dazu gedient hat, die hier in Verwahrung gehaltenen Ordensmitglieder ungesehen zu beobachten.«

»Ich denke als Stellvertreter meines Vaters auch sonst Gelegenheit zu haben, den so tief Gefallenen zu sehen«, bemerkte Hilarius, an das nach dem Hofraum zeigende Fenster tretend, durch welches eben ein eigentümlicher Lärm heraufdrang … Der Lärm war durch die Ankunft eines neuen Gastes hervorgerufen, welcher wegen seiner grotesken Erscheinung Aufsehen erregte. Es war – wie Hilarius gemeldet wurde – ein sogenanntes bemoostes Haupt, das, n der Gaststube Posto fassend, durch die vertracktesten Redensarten und Renommistereien teils Heiterkeit erregte, teils Widerwillen hervorrief. Aus seinen Reden entnahm man, dass er einer der Gelobenden sei und nur, um sein Manneswort zu halten, den »Philistern« die Ehre seines Erscheinens zuteilwerden lasse. Gleichwohl verriet er sein Wohlbehagen darüber, als alter Kamerad vieler ausgezeichneter Männer von Rang, Titeln und Mitteln auftreten zu dürfen und begann sofort, seinen Gasthofkredit auf diese günstigen Beziehungen zu gründen, indem er, den Degenstock über den Tisch werfend und die langen Haarsträng hinter die Ohren streichen, auftragen ließ, was gut und teuer war.

Meinböck war selbst gekommen, den Gast zu melden und zu fragen, wie man sich demselben gegenüber verhalten solle.

Hilarius, durch diese Meldung peinlich berührt, fragte, ob der Fremde zufällig seinen Namen genannt habe.

Meinböck erwiderte: »Er nennt sich Strander. Er sagt: man möge seinen Spezi, dem Philister Altringer, nur melden, dass er da sei und sein Leben und Schicksal zu verteidigen wissen werde! Er habe nicht vergeblich mit dem Karzer Bekanntschaft gemacht und sei in Kneipen gegen die Schlechtigkeit der Welt nicht fruchtlos im Kampfe gelegen!«

Hilarius wendete sich verlegen weg und bemerkte halblaut: »Ein Strander war unter den Genossen!«

»Strander!« rief der Untersuchungsrichter verwundert. »Nach ihm habe ich mich eben erkundigen wollen!« Ist's möglich? Einer der begabtesten, rüstigsten Jugendfreunde – zum bemoosten Haupt geworden, als Bodensatz des Universitätslebens zurückgeblieben!«

Hilarius ersuchte Meinböck, den Gast auf gute Art zu vermögen, sofort ein Zimmer zu beziehen, damit sein längeres Verweilen in der Gaststube nicht weiteres Aufsehen errege, im Übrigen sei ihm zu kreditieren, was er genießen wolle.

Meinböck ging, und Hilarius wendete sich von dem Freunde und Untersuchungsrichter verlegen ab; er fühlte die Blicke derselben auf sich lasten.

Also war zu dem für sein Ideal Verlorenen ein neuer Gast gekommen, der, abgesehen von der Verlotterung trefflicher Körper- und Geistesanlagen, zum Ärgernis und Gespötte im Klosterhof diente! … Wehvoll legte es sich auf Hilarius' Gemüt, da er, in den Hofraum hinunterblicken, die bereits den ganzen Tag eifrig betriebene festliche Ausschmückung des Klosterhofes jetzt, bei Einbruch des Abends, noch unverdrossen fortsetzen sah. Alles half mit, von den im Hofraum massenhaft gehäuften Ästen und Zweigenunter der Einfahrt, die bereits in einen grünen, duftigen Laubgang verwandelt war, und vor das Tor zu tragen, wo ein Triumphbogen erbaut wurde.

Hilarius hatte diese festliche Ausschmückung nicht selbst anbefohlen, sondern nur geduldet, dass der vom Hause Heimann an die Diener ergangene schriftliche Auftrag ausgeführt werde … Ein ironisches Lächeln zuckte um Hilarius' Lippen bei dem Gedanken, dass der nun wiederholt so ostensibel angekündigte »Gelobende« Heimann selbst schwerlich zu den besonders Auserwählten zählen dürfte.

In diesem Augenblicke wirbelte ein Tusch von Blechinstrumenten, mehr grell als rein geblasen, vor dem Klosterhof, und alles eilte unter den Torbogen, um zu sehen, was den wieder Neues und Merkwürdiges sich dort begebe.


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