François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Einundfünfzigstes Kapitel

Wie bei dem Eiland Stibitzki auf Pantagruels Befehl die Musen salutiert wurden

Unter fortwährend gutem Wind und solchen lustigen Gesprächen entdeckte und sah Pantagruel in der Ferne ein gebirgiges Land, zeigte es dem Xenomanes und frug ihn: »Seht Ihr dort vorn den hohen Felsen mit zwei Hörnern, der dem Berg Parnaß so ähnlich sieht?« – »Gar wohl«, versetzte Xenomanes, »es ist das Eiland Stibitzki. Wollt Ihr da landen?« – »Nicht doch«, sprach Pantagruel. – »Ihr tut auch wohl dran«, sprach Xenomanes, »es ist nichts Sehenswertes da; das Volk sind eitel Diebe und Räuber. Doch ist dort bei dem rechten Horn der schönste Brunnen von der Welt und ein ziemlich großer Wald dabei. Euer Schiffsvolk kann da süßes Wasser und Holz einnehmen.«

»Das heiß ich doch«, rief Panurg, »einen guten Rat und ein verständig Wort! Ha da da da! Nur nie gelandet, wo es Dieb' und Räuber hat! Ich kann Euch sagen: Das sind Räuber-Inseln, Buschklepper-Mörder-Strauchhahn- und Banditen-Inseln! Recht die Hefe aller Hundelöcher! O nur hier, nur hier nicht landen, ich bitt' Euch drum! Folgt, wenn nicht mir, doch mindestens dem Rate dieses lieben, klugen Xenomanes. Hol mich die Pest! Die sind ärger als Kannibalen und fräßen uns alle lebendig auf. Um Gottes willen, landet nicht! Horch! Bei Gott! Ich hör' schon das fürchterliche Sturmgeläut, wie einst in Bordeaux die Gaskonier wider die Zöllner und Grenzer – oder es gellt mir die Ohren. Ho! Frisch angeholt! Fort! Vorwärts! Vorwärts!«

»Nur immerzu gelandet, nur gelandet!« schrie Bruder Jahn, »nur zu, zu, zu! So sparst das Schlafgeld; zu! Wir haun sie all in Grund und Boden. Nur gelandet!« – »Den Teufel auch!« wehklagte Panurg, »dieser Teufelsmönch hier, dieser mönchische Tollhausteufel, fürchtet sich vor gar nix. Er ist tollkühn wie alle Teufel und kümmert sich nicht um andre Leut; denkt, alle Welt müßt' Mönch wie er sein.« – »Ei, so fahr doch«, fuhr Bruder Jahn ihn an, »in tausend Legionen Teufel, alter Lauskerl, daß sie dir das Gehirn zerhobeln und Klopffleisch draus hacken! Dieser Teufelsnarr ist so feig und schuftig, daß er sich alle Stunden vor leidiger Hundesangst bescheißt. Wenn dich leere Angst so plagt, so land nicht mit, so bleib doch hie beim Troß oder kriech unter einen Unterrock.« – Bei diesen Worten verschwand Panurg aus der Gesellschaft und verbarg sich in die untersten Speisekammern unter die Brösel und Brotkrümlein.

»Ich spür' in meiner Seele«, sprach Pantagruel, »ein dringendes Abmahnen, wie von einer Stimm aus weiter Ferne, das mir gebeut, dort nicht zu landen. Jederzeit, sooft ich solcherlei Bewegnis in meinem Geist verspürte, hab ich mich wohl befunden, wenn ich das, wovon mich's abhielt, unterließ und abschlug; und so hab ich auch im Gegenteil mich wohl befunden, wenn ich das tat, wozu mich's trieb.« – »Das ist ja schier«, sprach Epistemon, »wie der Dämon des Sokrates, von dem die Akademiker so viel erzählen.« – »Aber horcht!« sprach Bruder Jahn, »wenn die Kerle jetzt Wasser holen – Panurg spielt drunten den Wolf im Stroh. – Wollt ihr ein Mordsgelächter haben, so laßt die Kanone dort an der Back abbrennen. Es geschieht zur Salutierung der neun Musen auf diesem Antiparnassischen Berg. Das Pulver verdirbt uns so nur drin.« – »Wohl gesprochen!« rief Pantagruel. »Holt mir den Meister Bombardier.« – Der Bombardier erschien sogleich. Da befahl ihm Pantagruel, die Kanone abzufeuern und für alle Fäll neu zu laden. Die Bombardierer der andern Schiffe, Ramberger und Galonen des Geschwaders brannten gleichfalls beim ersten Schuß vom Schiffe des Pantagruel jeder sein größtes Feldstück ab. Fürwahr, das gab ein schönes Gerumpel.


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