Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vorwort

Im Juli 1914 habe ich die Feder aus der Hand gelegt, um sie bis zum Jahre 1920 nicht mehr anzurühren.

Meine Schweigsamkeit entsprang nicht innerer Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Geschehnissen und allgemeinen Nöten, sondern der Tatsache, daß der Krieg mich schier verrückt gemacht hat. Die Natur stand Kopf. Alles, was mit Kultur, ja sogar nur mit Zivilisation zusammenhing, Erziehung, Kunst, Wissenschaft, Religion, entpuppten sich als Lack, Firnis, Maskerade und waren mir unerträglich bis zum Ekel. Angesichts der Hekatomben von Leichen erstarrte mir jeder Gedanke. Ich habe diejenigen bewundert, die noch ihre Stimme erheben konnten (insofern sie es durften!) gegen die Machthaber der Erde, die allen Sinn der Welt in Unsinn, alles Recht in Unrecht, Liebe in Haß, Gesetz in Willkür verwandelten. Wer das Land und seine Nation durch Lügen nicht entehrte oder nicht mindestens einige Menschen eines anderen Landes und einer anderen Nation umgebracht hatte, war kein wahrer Patriot. Ich war und bin der festen Überzeugung: hätte man nur zwei Jahre lang vor dem Kriege alle Zeitungen der Welt verboten, daß es nie zum Kriege gekommen wäre. Erst haßte, dann verachtete ich alle Schreibenden, die Politik machten. Damit hängt zusammen, daß ich selbst während sechs Jahren keine Silbe schreiben konnte. Um des Broterwerbes willen schrieb ich nie, und an den Verstand der Menschen konnte man nicht appellieren, denn die wenigsten hatten welchen.

Erst jetzt wage ich es, eine Gruppe ausgewählter literarischer Essays – die Früchte einer fünfundzwanzigjährigen Arbeit! – in einigen Bänden der Öffentlichkeit zu übergeben, und hoffe zaghaft, bei der Mitwelt wieder auf Interesse für Kunst und Literatur zu stoßen.

Auf der Hornisgrinde im Schwarzwald
August 1920

J. E. P.


 << zurück weiter >>