Friedrich Wilhelm Nietzsche
Fragmente Juli 1882 bis Herbst 1885, Band 4
Friedrich Wilhelm Nietzsche

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[Juni - Juli 1883]

[Dokument: Heft]

10 [1]

in dem ich emporstrebte gegen meine Last, verjüngte ich mich: und gerade als ich härter in mir wurde, lernte ich noch die Anmuth.

erfinderisch in den kleinen Schlauheiten und lüstern nach Käufern warteten sie: mit abgemagerten Seelen und arm an Hoffnungen.

10 [2]

Wild warf sich mein Strom in Irrnisse und unwegsame Schluchten: aber wie sollte es zugehen, daß ein Strom nicht zum Meere käme?

Einen See fand ich, einen Einsiedler und Selbstgenügsamen: aber mein Strom warf sich in diesen See (und) riß ihn mit sich zum Meere.

10 [3]

wie Cäsar. unbeweglich.

Ihr kennt mich nicht

Ich gab euch die schwerste Last – daß die Schwächlinge daran zu Grunde gehen – zur Züchtung.

Nicht Mitleiden!

Ich will mich und euch formen und verwandeln

wie ertrüge ich's sonst!

als mein Ich euch träumte

10 [4]

Wehe dem Menschen und Übermenschen, der nicht eine Höhe hat, welche auch noch über dem Mitleiden ist!

Die kleinste Kluft steht zwischen mir und dir: aber wer schlug je Brücken über die kleinsten Klüfte!

Gespräch mit dem Höllenhund. (Vulkan)

Auf Asche schreite ich empor den Aschenberg gen Abend: lang und länger wird mein Schatten.

Im veilchenblauen Meer liegt fern ein Kahn: der Schiffer kreuzt sich, der mich schreiten sieht

Jetzt fährt zur Hölle Zarathustra – sagt er schaudernd: lange schon rieth ich auf dies Ende!

Du irrst, Fischer, ganz und gar! Der Teufel holt mich nicht: doch Zarathustra holt sich jetzt den Teufel.

10 [5]

deine Knie beten an, aber das Herz weiß nichts davon.

Erlösung zu bringen

Dort ist die Gräberinsel, dort sind auch die Gräber meiner Jugend: dahin will ich einen immergrünen Kranz des Lebens tragen.

Meiner Jugend gedachte ich heute ich gieng meine Gräberstraße auf Trümmern saß ich zwischen rothem Mohn und Gras – auf meinen eigenen Trümmern.

zur Insel der Abgeschiedenen fahrend auf schlafendem Meere

Noch lebst du, altes geduldiges Eisenherz: und in dir lebt auch noch das Unerlöste, Ungeredete meiner Jugend.

10 [6]

Jesus – wie ein süßer Geruch.

Die Erhaltung des Geschlechts ist garantirt aber was liegt daran!

Und wenn du kein Vogel bist, so hüte dich, dich über einem Abgrunde zu lagern.

Ich kann nicht mehr abwärts zu euch: mein Auge selber schwindelt und blindet, den Weg zu sehen, den ich aufwärts ging.

10 [7]

Schwarz und schwärzend ist die Kunst der Tarantel: Taranteln aber heiße ich die Lehrer der "schlimmsten Welt"

10 [8]

Dem Leben hatte ich abgesagt: zum Nacht- und Grabwächter war ich worden auf der Bergburg des Todes.

Da droben hütete ich seine Särge in dumpfen Gewölben: voll standen sie von solchen Siegeszeichen: aus gläsernen Särgen blickte mich das überwundene Leben an.

Ich selber bin der Wind der die Thore aus einander bricht zu Todtenkammern. Ich selber bin der Sarg voller bunter Bosheiten und Engel<s>fratzen, ich selber bin das Gelächter des Lebens in mitternächtlicher Todtenkammer.

10 [9]

dieser jauchzt darob, daß Rache noch in der Gerechtigkeit geübt ist: und jener daß in der Rache noch Gerechtigkeit geübt werde. (Dühring und der Corse)

Wenn es Götter gäbe: wie hielte ich es aus, kein Gott zu sein! Aber es giebt keine Götter.

10 [10]

So geschah mir einst: ich träumte meinen schwersten Traum, und ich dichtete träumend mein düsterstes Räthsel.

Aber siehe, mein Leben selber deutete diesen Traum. Siehe, mein Heute erlöste mein Sonst und den in ihm gefangenen Sinn.

Und so geschah's zuletzt auch: dreimal scholl Donner durch die Nacht zu mir, es heulten drei Mal die Gewölbe.

Alpa, rief ich, Alpa, Alpa. W<er> t<rägt> <seine> A<sche> z<u> B<erge>? Welch überwundenes Leben kommt zu mir, dem Nacht- und Gräber<Hüter?>

Als ich euch träumte, tr<äumte> ich meinen schwersten Traum.

Also will ich euer Schrecken sein – eure Ohnmacht und euer Wachwerden.

10 [11]

Preis der Kühlen Vernunft

der Schaffende preist Armut des Geistes und Skepsis

süßer Geruch

Hochsommer

Der Muth zum Fordern des Außerord<entlichen> ist seltener als der Muth, es zu leisten.

Stärke und Länge des Entschlusses und Genügsamkeit (Einsicht in die irdische Unvollk<ommenheit>

10 [12]

Süß und matt wie der Geruch alter Mädchen ihr Gelehrten.

Ihr Erlöser, was versteht ihr denn vom Menschen!

Und warum wollt ihr nicht euch – zu mir ködern?

Aber keine Stimme antwortete.

Ach, ihr wißt nicht wie ich Einsamer den Stimmen gut bin. Trunken bin ich worden noch über häßliche Stimmen.

Alpa! schrie ich, so rede doch Stimme. Alpa! schrie meine Furcht und Sehnsucht aus mir.

<Eine Stimme> Die von Menschen her ein Wind oder ein Vogel d<avon> zu mir trug.

10 [13]

Wie leicht nimmt man die Last einer Entschuldig<ung> auf sich, so lange man nichts zu verantworten hat.

Aber ich bin verantwortlich.

10 [14]

Ihr Mitleidigen, wenn ihr euch aus der Höhe zu den Menschen herabwerft, was darf euch an gebrochenen Gliedmaßen gelegen sein!

10 [15]

Aber es schwieg, furchtbar und doppelt schwieg es. Ach, ihr kennt sie nicht, die doppelte Stille, die Herzverschnürende!

Alpa! schrie ich. Alpa! Alpa! Die Furcht vor der doppelten Stille schrie aus mir.

10 [16]

Gebückt im dumpfen dunklen Schachte arbeiten, das ist den Gefangenen das härteste Loos.

10 [17]

Wohin er gieng? Wer weiß es?

Aber gewiß ist's daß er untergieng.

Ein Stern erlosch im oeden Raum.

Das Unvergängliche – das ist nur ein Gleichniß, und die Dichter lügen zu viel.

Sie wissen auch zu wenig und sind schlechte Lerner: so müssen sie schon lügen.

Und am liebsten ist ihnen das Reich der Wolken: da setzen sie ihre bunten Bälge darauf und heißen sie Götter,

Und wenn sie in einem Garten liegen unter Bäumen oder an einem Felsenhang vor den Blumen einsam reden, so meinen sie ihre zärtl<iche> Empf<indung> sei Erkenntniß.

Sie glauben alle daß die Natur in sie verliebt sei und horche immer herum auf ihre Schmeichelreden.

10 [18]

Wagt doch euch selber zu glauben! Wie soll man euch sonst glauben! Wer sich selber nicht gl<aubt> lügt immer!

Wollen befreit! – so lehre ich euch F<reihet> d<es> W<illen>s

10 [19]

Dies Lachen zerbrach mich, und zerriß mir die Eingeweide, und schlitzte mir das Herz auf.

Starker Wille? Einen langen Willen brauche ich, ein herzenshartes ewiges Entschlossensein.

10 [20]

Alles Schaffen ist Umschaffen – und wo Schaffende Hände wirken, da ist viel Sterben und Untergehen.

Und nur das ist Sterben und in Stücke gehen: ohne Erbarmen schlägt der Bildner auf den Marmor.

Daß er das schlafende Bild aus dem Stein erlöse, darum muß er ohne Erbarmen sein: – darum müssen wir Alle leiden und sterben und Staub werden.

Aber wir selbst sind die Bildner auch in dem Dienst seines Auges: oft erzittern wir selber vor der Schaffenden Wildheit unserer Hände.

10 [21]

Wer von euch Dichtern hat nicht seinen Wein verfälscht? Manch giftiger Mischmasch birgt sich in euren Kellern.

Wollt ihr den Regenbogen sehen und die Brücke des Übermenschen? Eben jetzt ist es Zeit.

Noch rauscht die Wetterwolke, aber schon scheint die Sonne wieder.

10 [22]

Prophezeiung.

Einst werde ich meinen Sommer haben: und es wird ein Sommer sein, wie in hohen Bergen.

Ein Sommer, nahe dem Schnee, nahe dem Adler, nahe dem Tode.

10 [23]

Das ist dein Unverzeihlichstes: du hast die Macht und willst nicht herrschen.

Siehst du denn nicht, wessen sie alle am meisten bedürfen. Das ist der, welcher befehlen kann.

Wille – – –

10 [24]

Ihr seid hungrigen Geistes: so nehmt mir diese Wahrheit flugs zum Imbiß: das Unvergängliche – das ist nur ein Gleichniß.

10 [25]

der Übermensch völlig über die bisherige Tugend hinaus, hart aus Mitleid, – der Schaffende, der ohne Schonung seinen Marmor schlägt.

Zur letzten Rede Zarathustra's.

10 [26]

Das große Spiel zu spielen – die Existenz der Menschheit dransetzen, um viell<eicht> Etwas Höheres zu erreichen als die Erhaltung der Gattung.

Z<ur> l<etzten> Red<e>

10 [27]

ich erreiche euch spät – wie die griechischen Künstler erst jetzt.

Aesch<ylus>

10 [28]

Gespräch mit dem Feuer-Hund

Hohn über sein Pathos

gegen die Revolution

10 [29]

Hohn über Revolutionen und Vesuve. Etwas von der Oberfläche

10 [30]

Euch treibt noch kein starker Wind und Wille

Zu steif seid ihr mir noch und zu gerade im Rücken

Ach, daß ihr erst gebläht und rund wie ein Segel über die See gienget, zitternd im Ungestüm eures Willens!

Dann sollt ihr mir schön heißen und recht gerüstet!

10 [31]

Nun ist die Zeit erhitzt, Brand ist ihre Luft – nun gehen alle nackend, Gute und Böse! ein Fest des Erkennenden ist diese Welt ohne Kleider.

Staaten zerbersten

Erdbeben

alles wird sichtbar

Taine

Was macht die Erde beben: die stillen Worte der Heiligen

Sturm-Bosheit.

Jauchzen, daß alles sichtbar wird und birst.

Es wird mir so wohl!

Ende aller Sitten und Heimlichkeiten.

Götterdämmer –

Es giebt nichts Ewiges!

10 [32]

Kalt strömt tiefe Erkenntniß, eiskalt sind ihre tiefsten Brunnen: so ist es Labsal heißen Händen und Handelnden.

10 [33]

Ich liebe das Brausen des schlechten Rufes, wie das Schiff die von ihm aufgeregte Welle. Ich gehe leichter, wenn um mein Kiel der Weg – – –

10 [34]

Aber wie ich von euch aufwachte und zu mir kam, also sollt auch ihr von euch aufwachen – und zu mir kommen!

Erlöser? Binder und Bändiger nenne ich euch!

mit bescheidener Hand dem Quell zu nahen

10 [35]

Wahrlich, ich sage euch: nur wo Gräber sind, da waren auch immer Auferstehungen!

Rede dein Wort und zerbrich an ihm. Was liegt an dir!

10 [36]

Allen Reinlichen bin ich hold:

euch, den Mittlern und Mischern, euch Halb- und Halben sage ich das: ihr seid nicht reinlich

wie könnt' ich euch Versöhnern hold sein!

10 [37]

Noch gab es keine Übermenschen. Nackt sah ich Beide, den größten und den kleinsten Menschen: und Beide fand ich noch – allzumenschlich!

10 [38]

Ihr spielt, und ihr wollt, daß man eurem Spiele zuschaut – euch Alle heiße ich Schauspieler.

Ob ihr euch Dichter oder Tänzer oder Diener des öffentlichen Nutzens und des Volkes Stimme nennt –

Ob ihr lehrt oder malt oder tönt oder "Schwarz auf Weiß" spielt: – einen Namen wollt ihr euch machen.

Mutter Eitelkeit

Der Gegensatz solcher, die ihren Namen auswischen und ihren Kopf verstecken möchten – daß ihre Aufgabe sie nicht sehe und an ihnen vorüberlaufe.

10 [39]

und nur wenn ich mir zur Last bin, fallt ihr mir schwer.

10 [40]

  1. Gelächter über sittliche Weltordnung. "bezahlt"
  2. Tanzlied
  3. Traum.
  4. Feuerhund
  5. Mittler.
  6. Preis der kühlen Vernunft
  7. Büßer des Geistes.
  8. Viele Gesellschaften (an die Eroberer Gründer)
  9. Dichter Genies Schauspieler
  10. Gelehrte
  11. unter Stücken wandeln!
  12. Philosophen
  13. Gleichheits-Socialisten
  14. Freisprecher
  15. Pessimisten

10 [41]

10 [42]

10 [43]

Hauptlehre: die Natur ist wie der Mensch: irrt usw. Vermenschlichung der Natur.

10 [44]

Also, schließe ich, ist der Glaube an die Zeit, gut für die Gesundheit. (Pessimisten zuletzt)

Drei Einsamkeiten giebt es: die des Schaffenden, des Wartenden und die der Scham.

Ich weiß das Wort und Zeichen des Übermenschen: aber ich zeige es nicht, ich zeige es mir selber nicht.

Was thatet ihr? ("Fest des Lebens") "So ist es aus dem Geiste Zarathustra's"

Die Lehre zuerst vom Gesindel gut geheißen, zuletzt von den höchsten Menschen.

Wir wollen wie Z<arathustra> leben, in Scham vor einer großen Wahrheit.

10 [45]

I Act. Die Versuchungen. Er hält sich nicht für reif. (Ausgewähltes Volk)

Einsamkeit aus Scham vor sich

II Act. Zarathustra incognito dem "großen Mittage" beiwohnend

Wird erkannt

III. Act. Katastrophe: alle fallen ab nach seiner Rede. Er stirbt vor Schmerz.

IV Act. Leichenfeier "Wir tödteten ihn"

überredet die Gründe

10 [46]

Zu 1). Er weigert sich. Endlich durch die Kinderchöre in Thränen.

Ein Narr!

2 Könige führen den Esel.

Zu 2) Als der Zug nicht weiß, wohin sich wenden, kommen die Gesandten aus der Peststadt. Entscheidung. Wie im Wald. Feuer auf dem Markte symbol<ische> Reinigung.

Vernichtung der Großstadt das Ende

ich will die Frommen verführen.

10[47]

Zarathustra auf den Ruinen einer Kirche sitzend Act 4

der Mildeste muß der Härteste werden – und daran zu Grunde gehen.

Mild gegen den Menschen, hart um des Übermenschen willen Collision.

anscheinende Schwäche.

er prophezeit ihnen: die Lehre der Wiederkehr ist das Zeichen.

Er vergißt sich und lehrt aus dem Übermenschen heraus die Wiederkehr: der Übermensch hält sie aus und züchtigt damit.

Bei der Rückkehr aus der Vision stirbt er daran

 


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