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Achtes Kapitel.

Ein Kapitel voll Verlust für sämmtliche Betheiligte außer dem Leser, wiewohl Tom im Anfang mit seinem Witze wuchert und den vollen Werth seiner Anstrengungen erhält. Wir schließen den schlimmsten Handel, den wir je in unserem Leben geschlossen haben. – Wir verlieren unser Fährgeld, unser Boot und unsere Freiheit. – Lauter Verlust und kein Gewinn. – Zwei Guineen Beweisgründe sind keine zwei Pense werth, außer aus dem Halbdeck eines Kriegschiffes.

»Jakob,« sagte Tom zu mir und ruderte seinen Kahn an den Steg neben den meinigen, in welchem ich bei einem von Herrn Turnbull's Büchern saß; »Jacob, erinnerst du dich, daß morgen meine Lehrzeit aus ist? Ich habe meine sieben Jahre abgerudert, und wenn die Sonne aufgeht, bin ich stromfrei. Wie lange hast du noch zu dienen?«

»Ungefähr fünfzehn Monate, so viel ich mich erinnern kann, Tom. – Boot, Sir?«

»Ja; Schlagruder, mein Junge; aber flink, ich habe Eile. Wie steht die Fluth?«

»Nächstens Ebbe, Sir; aber gegenwärtig todt Wasser. Tom, sieh, ob du Stapleton nicht finden kannst.«

»Pah! Laß ihn, Jacob; ich will mit dir fahren. Jones, sag' der alten Menschennatur, sie soll auf mein Boot Acht geben,« fuhr Tom zu einem Fährmann von unserer Bekanntschaft fort.

»Ich glaubte, du wolltest sie besuchen,« sagte ich zu Tom beim Abstoßen.

» Sie kann meinetwegen nach Jericho gehen,« versetzte Tom; »sie ist schlimmer als eine Wetterfahne.«

»Was, seid ihr wieder entzweit?«

»Ja wohl entzweit – 's ist Alles zwei – wir sind zwei Narren. Sie ist zu launig, ich bin zu verliebt; sie macht mir's zu arg, und ich nehme mir's zu sehr zu Herzen, 's ist aber all eins

»Ich glaubte, es sei Alles zwei, Tom.«

»Aber zwei können zu eins werden, Jacob, mußt du wissen.«

»Ja, durch den Pfarrer, aber du bist kein Pfarrer.«

»Und doch bin ich jetzt etwas dergleichen,« versetzte Tom, der das andere Ruder führte; »denn du bist ein guter Küster, und ich sitze hinter dir.«

»Das ist nicht übel,« bemerkte der Herr auf der Spiegelbank, den wir bei unserem Zwiegespräche vergessen hatten.

»Ein Fährmann würde aber einen schlechten Pfarrer abgeben, Sir,« versetzte Tom.

»Wie so?«

»Er würde nicht ausüben, was er predigte.«

»Abermal, wie so?«

»Weil er sein ganzes Leben lang nach der einen Seite steht, und nach der anderen rudert.«

»Sehr gut, – sehr gut in der That.«

»Nein, Sir, gut in der Ausübung, aber nicht gut in der That – das ist die Schwierigkeit.«

»Allerdings eine Schwierigkeit, in einem Kahn eine so regelmäßige Kette von Erwiderungen zu finden.«

»Nun, Sir, wenn ich heute eine regelmäßige Kette bin, so werde ich morgen eine unregelmäßige Uhr sein.«

»Wie so, mein Junge?«

»Weil morgen meine Zeit um ist.«

»Nimm das, mein Bursche,« sagte der Herr und warf Tomen eine halbe Krone zu.

»Danke, Sir; mögen Sie bei unserem nächsten Zusammentreffen mehr Witz haben, als jetzt.«

»Was meinst du damit?«

»Mehr Witz, um Ihr Geld zu behalten, Sir – das ist Alles.«

»Vermuthlich glaubst du, ich habe nicht viel.«

»Was, Sir, Witz oder Geld?«

»Witz, Bursche.«

»Nein, Sir, ich denke, Sie haben beides; denn Witz haben Sie so eben bezahlt, und das würden Sie schwerlich gethan haben, wenn Sie nicht übriges Geld hätten.«

»Aber ich meine eigenen Witz.«

»Niemand hat eigenen Witz; denn wenn er ihn entlehnt, so ist's nicht sein Witz, und wenn er ihn selbst hat, so ist's Mutterwitz, also wieder nicht sein Witz.

Wir landeten bei der Londoner Brücke, und der Herr bezahlte mir meine Fahrt.

»Guten Tag, Junge,« sagte er zu Tom.

»Fahren Sie wohl, denn Sie haben Ihr Fahren wohl bezahlt,« versetzte Tom, seinen Arm ausstreckend, um ihm aus dem Boote zu helfen. »Nun, Jacob, diesen Morgen habe ich mehr mit meinem Kopfe verdient, als mit meinen Händen. Möchte wissen, womit man in die Länge am weitesten kommt.«

»Unstreitig mit dem Kopf, Tom; aber am besten ist's, Kopf und Hände wirken zusammen.«

Hier wurden wir unterbrochen. – »Fährmann, wollt Ihr ein gutes Fährgeld verdienen?« rief ein kleiner, nicht allzureinlicher, vierschrötiggebauter junger Mann von dunkler Gesichtsfarbe, der oben an der Treppe stand.

»Wohin, Sir?«

»Nach Gravesend, ihr Spaßvögel, wenn ihr das Salzwasser nicht fürchtet.«

»Das ist ein langer Weg, Sir,« erwiederte Tom; »und was das Salzwasser betrifft, so brauchen wir Salz für unsere Suppe.« » Das sollt Ihr haben, Bursche, und ein Glas Grog in den Kauf.«

»Ja; aber's ist noch kein Kauf geschlossen, Sir. Jacob, willst du fahren?«

»Ja, aber nicht unter einer Guinee.«

»Nicht unter zwei Guineen,« flüsterte mir Tom zu. »Haben Sie große Eile, Sir?« fuhr er gegen den jungen Mann fort.

»Ja, teufelmäßige Eile; ich verliere sonst mein Schiff. Was fordert Ihr?«

»Zwei Guineen, Sir.«

»Ganz gut. Kommt nur herauf in's Wirthshaus und holt mein Gepäcke.«

Wir holten seine Habseligkeiten, schifften sie ein und fuhren mit der Ebbe den Strom hinunter. Unser Kunde war sehr mittheilsam und sagte uns, er sei Steuermannsgehülfe auf der Immortalité, einer Vierzigkanonenfregatte, die vor Gravesend liege und am nächsten Morgen nach den Dünen abfahren werde, um dort den Befehl zum Absegeln zu erwarten. Wir nahmen die Ebbe mit uns, und Nachmittags hatten wir die Fregatte im Angesicht, deren blaue Flagge stolz über dem Hackebord flatterte. Der Wind staute die Ebbe auf und verursachte ein bedeutendes Wogengedränge. Ehe wir noch die Fregatte erreichten, hatten wir eine ordentliche Menge Wasser geschöpft, und als wir uns anlegten, stampfte der Kahn mit dem Koffer in seinem Buge so heftig, daß wir zu sinken fürchteten. In dem Augenblicke, als das Seil an dem Koffer befestigt wurde, um ihn auf's Schiff zu winden, kam das Langboot mit den Wassertonnen an die Fregatte; und sei es nun Zufall oder Absicht gewesen, – ich vermuthe das Letztere – der Midshipman, der sie steuerte, stieß an unser Boot an. Es wurde eingerannt und füllte sich alsbald. Tom und ich stürzten in's Wasser, und wir liefen Gefahr, zwischen dem Langboot und der Fregattenwand zerquetscht zu werden; aber die Matrosen, welche sich in dem Boote befanden, drückten es mit ihren Rudern weg und zogen uns heraus, während unser Nachen bis zum Rand in's Wasser sank und nach dem Spiegel der Fregatte hinabtrieb.

Sobald wir uns ein wenig abgeschüttelt hatten, erklommen wir die Schiffswand und baten einen von den Offizieren, ein Boot, auszuschicken, um unsern Nachen aufzufangen.

»Sprecht mit dem ersten Lieutenant, dort ist er,« war die Antwort.

Ich ging zu der bezeichneten Person hin und begann:

»Wenn Sie die Güte haben wollten, Sir –«

»Was zum Teufel wollt Ihr?

»Ein Boot, Sir, um – «

»Ein Boot? Was Henkers wollt Ihr damit?«

»Unsern Kahn auffangen, Sir,« unterbrach ihn Tom.

»Fangt ihn selbst auf,« erwiederte der erste Lieutenant und ging weg, um den Matrosen auf dem Takelwerk zuzurufen.

»Ihr auf dem großen Mars, hackt Eure Stage ein. Flink, die Raaen niederer! Marinesoldaten und Hinterwache, das Langboot klar gemacht. Hochbootsmannsmate!«

»Hier, Sir.«

»Pfeift den Marinesoldaten und der Hinterwache zum Klarmachen des Langbootes.«

»Sehr wohl, Sir.«

»Aber wir werden unser Boot verlieren,« Jacob, sagte Tom zu mir. »Sie haben's eingerannt, nun müssen sie's auch wieder herausfangen.«

Tom ging zum Steuermannsgehülfen, den wir an Bord gebracht hatten, und theite ihm unsere Verlegenheit mit.

»Meiner Seel', darf kein Wort sagen. Bin selbst in der Klemme, weil ich über Urlaub ausgeblieben. Warum, zum Teufel, habt Ihr nicht Sorge für Euren Kahn getragen und vorwärts geschoben, als Ihr das Langboot kommen sahet?«

»Wie konnten wir das, da man eben den Koffer aufwand?« »Sehr wahr. Thut mir leid um Euch, aber muß nach meinem Koffer sehen.«

Mit diesen Worten eilte er die Gangtreppe hinunter.

»Ich will's noch einmal versuchen,« sagte Tom, vor den ersten Lieutenant tretend. »Ein harter Fall für uns, Sir, Boot und Brod zu verlieren,« bemerkte Tom, an seinen Hut greifend.

Da die Marinesoldaten und die Hinterwache jetzt regelmäßig beschäftigt waren, hatte der erste Lieutenant unglücklicher Weise mehr Muße, uns in's Auge zu fassen. Er heftete einen forschenden Blick auf uns und ging nach dem Hinterdeck, um zu sehen, ob der Nachen noch sichtbar sei. In diesem Augenblicke kam der Steuermannsgehülfe, der sich bis jetzt noch nicht gemeldet hatte.

»Tom,« sagte ich, »hier ist ein Nachen hart an der Fregatte; wir wollen Hinabsteigen und selbst nach unserm Boote sehen.«

»Warte noch einen Augenblick, ob sie uns nicht helfen – und jedenfalls müssen wir unser Geld haben,« versetzte Tom; und wir gingen beide nach dem Hinterdeck.

»An Bord gekommen, Sir,« sagte der Steuermannsgehülfe, demüthig seinen Hut berührend.

»Sie sind über Urlaub ausgeblieben, Sir,« versetzte der erste Lieutenant, »und nun muß ich wegen ihrer Fahrlässigkeit ein Boot ausschicken, um den Nachen aufzufangen.«

»Wenn's Ihnen gefällig wäre, das sind zwei ganz hübsche Bursche,« bemerkte der Steuermannsgehülfe; »würden Kapital Vortopmatrosen abgeben. Das Boot ist's Nachschicken nicht werth, Sir.«

Dieser Wink, den der Gehülfe dem ersten Lieutenant gab, um seine Gunst wieder zu gewinnen, war nicht verloren.

»Wer seid Ihr, Bursche?« fragte der Lieutenant.

»Schiffleute, Sir.«

»Schiffleute? so! War das Euer eigenes Boot?«

»Nein, Sir,« erwiederte ich; »es gehörte dem Mann, bei dem ich diene.«

»So! nicht Euer eigenes Boot? Also seid Ihr ein Lehrling?«

»Ja, Sir, wir sind beide Lehrlinge.«

»Zeigt mir Eure Lehrbriefe.«

»Wir haben Sie nicht bei uns.«

»Wie kann ich dann wissen, daß Ihr Lehrlinge seid?«

»Wir könnten es beweisen, Sir, wenn Sie es wünschen.«

»Ich wünsche es nicht, aber jedenfalls wird es der Kapitän wünschen.«

»Wollen Sie gütigst nach dem Boot senden, Sir? Es ist uns beinahe schon aus dem Gesichte.«

»Nein, Bursche, ich kann des Königs Boote nicht zu einem solchen Dienste verwenden.«

»Dann wollen wir selbst gehen, Tom,« sagte ich, und wir gingen nach dem Vorderdeck zu, um den Schiffmann zu rufen, der neben der Fregatte lag und auf seinen Rudern saß.

»Halt – halt – nicht so schnell. Wohin wollt Ihr, Bursche?«

»Unser Boot auffangen, Sir.«

»Ohne meine Erlaubniß?«

»Wir gehören nicht zur Fregatte, Sir.«

»Nun ich denke, ihr werdet bald genug dazu gehören, denn Ihr habt keinen Schutz.«

»Wir können nach unsern Lehrbriefen schicken, die bis morgen früh hier sein werden.«

»Das könnt Ihr thun, Bursche, wenn's Euch beliebt; aber Ihr könnt nicht verlangen, daß ich Alles glauben soll, was ihr mir sagt. Nun, zum Beispiel, wie lange hast du noch zu dienen, Junge? fragte er Tom.

»Morgen ist meine Zeit um, Sir.«

»Morgen um! Nun so werde ich dich bis morgen zurückhalten und dann pressen.«

»Wenn Sie mich jetzt zurückhalten, Sir, so bin ich heute gepreßt.«

»O nein! du bist nur zurückgehalten, bis du deinen Lehrbrief aufweisest, das ist Alles.«

»Nein, Sir, ich bin während meiner Lehrzeit gepreßt.«

»Nicht im Mindesten, und ich will es dir beweisen. Du gehörst nicht zum Schiffe, bis du zum Empfange deiner Lebensmittel in unsern Büchern eingezeichnet bist; nun werde ich dich heute nicht einzeichnen, also bist du nicht gepreßt

»Dann werde ich auf jeden Fall vom Hunger gepreßt,« versetzte Tom, der nie eine Gelegenheit zu Witzen versäumen konnte.

»Nein, auch das sollst du nicht, denn ich werde Euch beiden von der Konstabelkammer aus ein gutes Mittagessen schicken, dann seid Ihr also durchaus nicht gepreßt,« versetzte der Lieutenant, über Tom's Erwiederung lachend.

»Auf jeden Fall werden Sie mir erlauben, zu gehen,« sagte ich, denn ich wußte, daß die einzige Rettungsaussicht auf einer Verwendung des Herrn Drummond's beruhte, den ich um Beistand anrufen wollte.

»Pah! Unsinn; Ihr müßt beide in demselben Boote rudern, wie früher. Ich habe eine große Vorliebe für Euch gefaßt, meine Jungen, und kann mich unmöglich dazu entschließen, mich von Euch zu trennen.«

»Es ist hart, auf diese Weise sein Brod zu verlieren,« erwiederte ich.

»Wir werden wieder Brod für Euch schaffen und ihr werdet's ziemlich hart finden,« versetzte der Lieutenant lachend; »'s ist wie Kiesel.«

»Also bitten wir um Brod, und Sie geben uns einen Stein,« sagte Tom; »das ist wider die Schrift.«

»Ganz richtig, Bursche; aber die Sache ist die, alle Schriften in der Welt bemannen keine Fregatte. Matrosen müssen wir haben, und diese nehmen wir, wie, wo und wann wir können. Noch hat kein Gebot; wenigstens nöthigt sie uns, alle Gebote zu übertreten. Und im Ganzen ist's gar nichts Hartes, dem König ein paar Jahre zu dienen und seine Taschen mit Prisengeldern zu füllen. Wie wär's, wenn Ihr freiwillig einträtet?«

»Wollen Sie uns erlauben, auf eine halbe Stunde an's Land zu gehen, um darüber nachzudenken?« versetzte ich.

»Nein, ich fürchte, die Mäkler rathen Euch ab. Aber ich will Euch bis morgen Bedenkzeit geben, und dann bin ich auf jeden Fall des Einen von Euch gewiß.«

»Danke für meine Person,« erwiederte Tom.

»Bist sehr willkommen,« erwiederte der erste Lieutenant, als er lachend die Hüttentreppe zum Mittagessen hinabging.

»Wir sitzen fest, Jacob,« sagte Tom. als wir allein waren. »Verlaß dich darauf, dießmal ist's kein Mißverstand.«

»Ich fürchte nichts,« erwiederte ich, »wenn wir nur einen Brief an deinen Vater oder Herrn Drummond fortbringen könnten. Er würde uns gewiß helfen. Aber der schmutzige Geselle, der dem Lieutenant den Wink gab, sagte, die Fregatte segle morgen früh ab; dort ist er, wir wollen mit ihm sprechen.«

»Wann segelt die Fregatte?« fragte Tom den Steuermannsgehülfen, der auf- und abging.

»Mein guter Bursche, es ist an Bord eines Kriegsschiffes nicht gebräuchlich, den Offizieren solche unverschämte Fragen vorzulegen. Es ist hinreichend für dich, zu wissen, daß wenn die Fregatte segelt, du die Ehre haben wirst, mitzusegeln.«

»Ganz gut, Sir,« versetzte ich, über diese Antwort erbost, »auf jeden Fall werden Sie aber die Güte haben, uns unser Fährgeld zu bezahlen. Wir haben durch Sie unsern Kahn verloren und vielleicht auch unsere Freiheit; wir wollen unsere zwei Guineen.«

»Zwei Guineen! Zwei Guineen wollt ihr? Wie?«

»Ja, Sir; über diesen Preis sind wir übereingekommen.«

»Nun, ihr müßt bemerken, meine Leute,« sagte der Steuermannsgehülfe, einen Daumen in jedes Armloch seiner Weste steckend, »es bedarf einer kleinen Erörterung in Bezug auf diese Angelegenheit. Ich versprach Euch zwei Guineen als Färgen, aber nun gehört ihr zu einem Kriegsschiff; – ihr seid also nicht länger, was ihr vordem gewesen. Ich bezahle meine Schulden stets ehrlich, wenn ich die rechtmäßigen Gläubiger finden kann, aber wo sind die Färger?«

»Hier sind wir, Sir.«

»Nein, Bursche, Ihr seid jetzt Matrosen auf einem Kriegsschiffe, und das ändert die Sache.«

»Aber wir sind es noch nicht, Sir, wenn es auch die Sache ändern würde, so sind wir noch nicht gepreßt.«

»Gut, aber ihr werdet's vielleicht morgen sein; auf jeden Fall wollen wir sehen. Wenn es Euch gestattet wird, wieder an's Land zu gehen, so schulde ich Euch zwei Guineen; und wenn Ihr als Matrosen auf dem Kriegsschiffe zurückgehalten werdet, nun, dann habt Ihr blos Eure Schuldigkeit gethan, wenn Ihr einen Eurer Offiziere herunter gerudert habt. Ihr sehet, Bursche, ich sage nichts, als was recht und billig ist.«

»Gut, Sir, aber als Sie uns mietheten, waren mir Färger,« versetzte Tom.

»Sehr wahr – das wart Ihr; aber bedenket, daß die zwei Guineen erst verfallen waren, nachdem Ihr Euch Eures Dienstes entledigt hattet, das heißt, nachdem Ihr an Bord gekommen waret. Als Ihr aber an Bord kamet, wurdet Ihr gepreßt und seid somit Matrosen auf einem Kriegsschiff. Ihr hättet Euer Fährgeld verlangen sollen, bevor Euch der erste Lieutenant fest hielt. Sehet Ihr die Gerechtigkeit meiner Bemerkungen nicht ein?«

»Könnt's nicht sagen, Sir,« antwortete Tom, »aber das sehe ich ein, daß wir wenig Aussicht auf Bezahlung haben.«

»Du hast Beurtheilungskraft,« versetzte der Steuermannsgehülfe; »und nun rathe ich Euch, den Gegenstand fallen zu lassen, sonst könntet Ihr mich dahin bringen, daß ich Euch auf Kriegsschiffmanier bezahle.« »Wie ist die, Sir?«

»Ueber Gesicht und Augen, wie die Katze den Affen,« erwiederte der Steuermannsgehülfe und entfernte sich langsam.

»'s geht so nicht, Tom,« sagte ich, über die Abgeschmacktheit der Beweisgründe lachend.

»Ich fürchte, es geht überall nicht, Jacob. Indeß mache ich mir nicht viel daraus. Ich habe einige Lust, die Welt zu sehen und vielleicht ist's jetzt so gut, als ein anderes Mal; aber es thut mir leid um dich, Jacob.«

»'s ist meine eigene Schuld,« versetzte ich und versank in eine jener Träumereien, denen ich mich in der letzten Zeit so häufig hingegeben hatte. Ich beweinte meine Thorheit, eine Unabhängigkeit angestrebt zu haben, die jetzt mit dem Verluste meiner Freiheit endete.

Wir froren in Folge der erhaltenen Taufe und hungerten überdies gewaltig. Der erste Lieutenant vergaß jedoch sein Versprechen nicht; er sandte uns ein gutes Mittagessen nebst zwei Gläsern Grog, und wir hielten unsere Mahlzeit zwischen einem Paar Kanonen unter dem Halbdecke. Wir hatten einiges Geld in der Tasche und kauften Papier von den Bumbootleuten, welche die Matrosen auf dem Verdecke mit allerlei Bedürfnissen versahen. Ich schrieb an Herrn Drummond und Herrn Turnbull, so wie an Marie und den alten Tom, und bat die beiden letztern, uns im Falle wir zurückgehalten werden sollten, unsere Kleider nach Deal zu schicken. Tom schrieb an seine Mutter, um sie zu trösten, und versprach ihr, nüchtern zu bleiben, weil er ihr, wie er sagte, keinen bessern Trost gewähren könne. Nachdem wir diese Briefe der Bumbootfrau anvertraut hatten, welche uns feierlich versprach, sie auf die Post zu besorgen, hatten wir nichts Angelegentlicheres zu thun, als uns nach einer Schlafstätte umzusehen. Unsere Kleider waren am Leibe getrocknet und wir gingen auf dem Halbdeck auf und nieder; aber keine Seele sprach mit uns oder schenkte uns auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Auf einem neubemannten Schiffe, das eben segelfertig ist, herrscht unter der Mannschaft ein allgemeines Gefühl der Selbstsucht. Viele, wo nicht die Meisten, waren gleich uns gepreßt worden und beschäftigten sich in ihren Gedanken mit ihren Verhältnissen und der Veränderung ihrer Aussichten. Andere ordneten ihre Angelegenheiten mit ihren Weibern oder Verwandten, während sich die große Masse der Matrosen, noch nicht durch Kriegszucht geregelt oder durch gegenseitige Bekanntschaft zusammengehalten, in einem Zustande des Zwiespaltes und der Absonderung befand, in welchem natürlich Jeder für sich selbst sorgte, ohne sich um seinen Nachbar zu bekümmern. Deßhalb erwarteten und erhielten wir auch keine Theilnahme; wir waren mitten in dem lärmenden Treiben allein. Ein ungebrauchtes Topsegel, das für den Augenblick zwischen zwei Kanonen steckte, bot uns die größte Bequemlichkeit, die wir finden konnten. Wir nahmen es in Besitz, und von geistiger und körperlicher Anstrengung ermüdet, fielen wir bald in einen festen Schlaf.


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