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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Will Watkins läßt sich noch immer vernehmen. Er überspringt eine Wache und handelt noch einen Fall ab, der ein recht schlimmer zu sein scheint.

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Der Kürze halber muß ich nun für unsern Freund, den Silberlöffel, das Wort ergreifen und meinen Lesern mittheilen, daß er in seinem neuen Schiffe einen schwerbewaffneten Sklavenhändler fand, der nach der afrikanischen Küste ging, um ein großes Kargo schwarzer Menschheit einzunehmen, welches hauptsächlich dazu bestimmt war, die Güter des Don Diego Mantez, eines älteren Bruders unseres wohlbekannten Freundes, welcher der Eigenthümer und Befehlshaber des Schiffes war, zu bevölkern. Die englischen Deportirten wurden nicht viel besser als Sklaven behandelt, obschon's die Damen gut genug hatten und im Saus und Braus lebten.

Don Diego war wenigstens zehn Jahre älter als sein Bruder, und damals von ziemlich leidender Gesundheit; auch entdeckte William Watkins bald, daß sein Charakter von dem seines blutdürstigen und verschmitzten jungen Bruders sehr verschieden war. Don Diego mißbilligte völlig das Verfahren mit den Verwundeten an Bord, und die raffinirte Barbarei, die Prise nachher zu verlassen; aber er war damals so leidend, daß er sich kaum zu schleppen vermochte, also auch nicht Kraft für das Kommando oder für Gegenvorstellungen besaß.

Aus der Erzählung des Löffels schien hervorzugehen, daß der massige spanische Sklavenhändler fast an der ganzen afrikanischen Küste hinunterlief, aber wegen seiner tiefen Wassertracht in der Regel genöthigt war, an den verschiedenen Niederlagen der Menschenwaare alsbald wieder die weite See zu suchen. Die Deportirten hatten eine schwere Dienstzeit, denn jedem Unteroffizier oder fähigern Seemanne mußte einer dieser armen Unglücklichen als weißer Sklave dienen. Sie erhielten dafür keine andere Belohnung, als Schläge und das Privilegium, sich von dem Abfalle der Schiffsvorräthe zu nähren. Die Folge dieser Behandlung war, daß sie jede Gelegenheit ersahen, um zu desertiren – ein Schritt, der sie entweder unter den Waffen der Neger fallen oder ihrer eigenen Unmäßigkeit und dem ungesunden Klima zum Opfer werden ließ. Es schien jedoch, daß der Bräutigam der Lordmajorin für große Dinge aufbewahrt blieb, da er mit mehr als mit Doktor Sontheys Fluch von Kehama gesegnet war. Augenscheinlich konnte ihn weder das Feuer verbrennen, noch das Wasser ertränken, weder der Mangel aushungern, noch das gelbe Fieber seinen Tod herbeiführen; aber wie hätte auch der Held des gekrönten Dichters oder der meinige durch Feuer, Wasser, Schwert oder Pest zu Grunde gehen können, wenn es ihnen vorbehalten war, den Galgen zu zieren? – Das Sprüchwort ist zwar alt, aber unausbleiblich wahr. William Watkins kämpfte sich daher fort, um wahrscheinlich für das allgemeine Wohl zu sterben, wie er sein ganzes Dasein über für das eigene gelebt hatte.

Als der spanische Sklavenhändler mit vollzähliger Ladung die Küste verließ, befanden sich nur noch fünfzehn männliche und sieben weibliche Deportirte an Bord, da von den dreißig letzteren alle Uebrigen gestorben waren. Krankheit, Wollust und zügellose Unmäßigkeit hatten ihr verhängnißvolles Werk an ihnen geübt.

Ich weiß nicht, ob sich der Löffel durch seine poetische Einbildungskraft nicht zu jener anmuthigen Redefigur, die man Hyperbel nennt, verlocken ließ, aber er betheuerte rund heraus, daß die Santo Caritada in ihrem Räume mehr als fünfzehnhundert Neger enthielt. Da außerdem die Engländer damals begonnen hatten, diesem Verkehr mit den Söhnen Hams ernstliche Hindernisse in den Weg zu legen, so war die Ladung von ungeheurem Werthe, weshalb das Schiff jede Unterbrechung durch englische Kreuzer zu vermeiden suchte. Es hielt daher seinen Kurs sehr südlich und gelangte endlich unter die Inselgruppe des stillen Oceans.

Während aller dieser Vorgänge bekamen die Sklaven oder die Mannschaft Don Diego nur sehr wenig zu Gesichte. Man hörte jedoch allgemein, daß er in der Genesung begriffen, wiewohl noch immer sehr schwach sei. Er begab sich daher auf der ersten grünen unbewohnten Insel, an welcher das Schiff anlegte, mit seinem Bruder Don Mantez an's Land, ließ ein Zelt aufschlagen und blieb daselbst mit einigen Offizieren und Matrosen beinahe vierzehn Tage. Der Sklavenhändler benützte diese Zeit zum Einnehmen von Holz und Wasser, zum Lüften der Räume für die Neger, welche sich jetzt Bewegung machen durften, und zur Versorgung des Schiffes mit so vielen Pflanzenstoffen, als sich beischaffen ließen. Dieser vorsichtige Schritt, welcher dem Vernehmen nach auf Don Diego's ausdrücklichen Befehl geschehen war, übte die wohlthätigsten Wirkungen, und die Santa Caritada wurde dadurch, trotz ihrer Ueberfüllung, ein ziemlich gesunder Aufenthalt.

Mit erneuerter Gesundheit und wiederbelebter Geisteskraft kehrte Don Diego an Bord zurück.

Bei diesem Theile der Erzählung, von den Matrosen »Garn« genannt, ließ sich der Ruf: »Steuerbordwache, ho!« vernehmen. Die Zuhörer hatten jedoch an dem Vortrage des Löffels so großes Interesse genommen, daß sie sammt und sonders beschlossen, nicht nach ihren Hängmatten hinunterzugehen, so daß dem Städter der hohe Genuß zu Theil wurde, sich bis lang nach Mitternacht sprechen hören zu können. Von dem ganzen Auditorium fühlte ich am wenigsten Neigung, das sederunt aufzulösen, denn so kann man es wohl am passendsten nennen, da wir Alle entweder saßen, oder auf dem Boden lagen. In der That war es mir, als höre ich auf das Orakel meines eigenen Geschickes.

Nehmen wir übrigens die Geschichte von William Watkins wieder auf. Er erzählte uns mit vielen Londoner Redefiguren, die bisweilen mit einer verständigen Bemerkung, hin und wieder auch mit einem Gefühlsausbruche, der seinem Herzen Ehre machte, abwechselten, wie die Santa Caritada nach der Erfrischung der Mannschaft westwärts segelte, ferner, wie den Don Mantez eine seltsame Vorliebe befiel, sechs der schönsten und kräftigsten Sklaven dazu abzurichten, daß sie die Ruder seines Gig nach europäischer Weise führten; unter letzteren habe sich auch Jugurtha, mein lieber, verstümmelter Jugurtha, befunden. Dem Berichte des Londoner zufolge, pflegte Don Mantez, bloß mit seinem Seitengewehr und seinen Pistolen bewaffnet, während der Windstille und leichten Winden sich weit von dem Schiffe weg zu wagen, dabei sich augenscheinlich der Gnade seiner schwarzen Genossen preisgebend. Durch seine hinterlistige Güte hatte er ihre einfachen Naturen gewonnen, so daß sie in kurzer Zeit sehr anhänglich an ihn wurden.

»Aber nun, Gennelmen, muß ich euch die Schuftigkeit mittheilen, die dahinterstak. Unser Don begann eine Vorliebe für mich zu fassen – vielleicht gefiel ihm der Blick meines Auges oder etwas Patentes an mir – kurz, er machte mich zu seinem gewöhnlichen Genossen und zum außerordentlichen Beischiffsführer seines schwarzen Bootes. Auch las ich bald genug von seinem Welsch auf, um ihn und seine Spitzbüberei zu verstehen, so daß ich mich, wenn ich ihn rasirte, oft versucht fühlte – –«

»Holla! das heißt hoch aufgedonnert! Nein, macht das den Seesoldaten weiß, nicht aber den Matrosen. Zum Henker auch, wie sollt' es kommen, daß der Schiffer Euch nicht zu kennen scheint?«

»Mister Bobstay, ein Gennelman, der sich wie ein Gennelman zu benehmen versteht, würde sich nicht so weit vergessen, die Wahrheitsliebe eines andern Gennelman, den er als Gennelman kennt, zu verdächtigen. Ha, Sir – r – r, wißt Ihr, daß ich zu Chalk Farm wegen weit weniger einen niedergeschossen habe? Wie sollte mich der Schiffer kennen, da er jetzt so stolz ist, um sich kaum die Mühe zu nehmen, Jemand anzusehen? Der glattgesichtige blasse Deportirte von zwanzig, welcher noch obendrein so schön war, wie der Narzissus, jener junge Schnipp, der sich aus Liebe zu sich selbst in einen Zwirnwickel abhärmte, nachdem er sein eigenes Gesicht auf der glatten Seite seines Bügeleisens gesehen hatte – ich sage, solch' ein Mann, wie ich damals war, und solch' ein Mann, wie ich jetzt bin, haarig wie ein Dachs, braun wie ein Theekessel und das Gesicht voll Furchen. Kenne ich mich doch kaum selbst mehr an etwas Anderem, Ben, als an dem Tone meiner Stimme. Nein, als ich auf den Kai zu Barcelona zu dem Schiffer hinaufging und ihm voll in's Gesicht stierte, hatte er nicht mehr Erinnerung von mir, als eine Katze von ihrer Großmutter. Dennoch könnte ich ihm ein oder das andere Wörtchen in's Ohr flüstern, daß er aus der Haut fahren möchte, und ich thät's auch, wenn ich nicht wüßte, daß ich in der nächsten Minute dafür über Bord springen müßte. Don Mantez, Kinderchen, ist just der Mann, der nicht mit sich spaßen läßt. Ja, betrachtet ihn nur, so ruhig er auch am Morgen seine Hände in dem Becken waschen mag, klebt doch das Blut eines Bruders daran – –«

»Eines Bruders?« lautete der unterdrückte Ausruf sämmtlicher Anwesenden. Selbst Bounder gab ein tiefes, dumpfes Geheul von sich, als theile er instinktartig das Entsetzen über diese Eröffnung.

»Ja, Kameraden, ich sagte, das Blut eines Bruders – und selbst das unvernünftige Thier da scheint mich zu verstehen. Aber stille, und rückt ein wenig näher; wir müssen flüstern. Wir näherten uns schnell der westlichen Küste von Südamerika, und nun bemerkte ich, daß die beiden Brüder immer zärtlicher gegen einander wurden, indem sie sich jeden Morgen nach dem Brauche dieser garstigen Spanier mit einem Kusse begrüßten. Und dann hieß es immer: ›mein lieber Diego, bist du besser? Soll ich dies thun? Und ist es meinem guten, edeln Bruder genehm, daß dies geschehe?‹ Kurz, er schmeichelte und schmeichelte ihm wie ein Irländer einer leeren Flasche, in welcher sich noch einige Tröpflein des Stoffs befinden. Nun, ich dachte, daß sie nun bald in der Nähe ihres Pattermonys kommen würden – schätz wohl, keiner von euch weiß, was dies ist, da ihr nicht, wie ich, an einem Kollege erzogen worden seid. Es will nämlich heißen, ihr Besitzthum, wo sie, wie es scheint, der Neger elendiglich bedürftig waren, und in der That, sie hatten auch jetzt deren genug, so daß sie übereinkamen, die übrigen landauf- und landabwärts zu verkaufen. Aus dem Gespräche der beiden Brüder hätte man meinen sollen, sie könnten vermittelst des schwarzen Haufens sogar die Steine unter ihren Füßen in Gold verwandeln.

»Gut; als wir Alle erwarteten, das Festland von Südamerika anzuthun, kamen wir eines Tages aus die schönste und zierlichste Inselgruppe, die ich nur je gesehen habe. Und der Wind war so sanft, so glatt und so einladend – er that den Wangen und der Stirne so wohl, wie eine angenehme Lüge dem Ohre – und so legten wir das Schiff bei, und Don Diego stieg mit seinem Bruder, Jeder mit einer Vogelflinte bewaffnet, in das Gig, worauf wir geradenwegs dem Ufer zuruderten. Ach, Himmel! was das für ein schöner Platz war! Das Hornsey-Gehölz ist ein Schweinstall dagegen, und die Kensington-Gärten nicht weiter, als ein kleiner Kothklumpen in einem Blumentopf. Die Kräuter dufteten so lieblich, wie die Parfümerieläden in Bond-Street, und sogar der Sand an dem Gestade, auf den wir sprangen, roch wie ein Damenmuff.

»›Bleibt mit den Negern im Boot, William Watkins,‹ sagte Don Mantez, ›und habt Acht, daß ihr es flott erhaltet.‹ ›Sehr wohl, Sir,‹ sage ich, und trete wieder in's Gig, welches ich um eine Bootslänge vom Ufer abfahren lasse. Aber gebt Acht, Gennelmen, ihr werdet bald die Büberei entdecken. Der amphibische Schuft wendet um und sagt, als ob er sich eines Besseren besonnen hätte, denn Alles war zum Voraus abgemacht: ›Ihr könnt umhergehen, mein guter Freund Watkins, und einige Ananas und Orangen auflesen; aber wohlgemerkt, haltet Euch in Rufweite des Boots – und tragt da mein Gewehr in's Dickicht.‹ Er gab mir recht ostensibel seine Vogelflinte und schaute auf die Leute im Schiffe, welche mich ansahen. ›Aber seht Euch vor, uns nicht zu nahe zu kommen, wenn Ihr uns feuern hört, denn sehr wahrscheinlich werden wir etwas zu schießen bekommen.‹

»Ich steige an's Land, trage pflichtgemäß sein Gewehr und gebe ihm's nachher wieder. Dann komme ich wieder zurück, weil ich anfangs nicht weit vom Ufer weggehen wollte, und dann sah ich die Brüder ganz liebend, wie Brüder sollen, mit einander in das tiefe Grün der schönen Wälder gehen. Nun, ich denke, es muß Blumen, Pflanzen und Bäume in Gott des Allmächtigen Land geben, und wenn dies der Fall ist, so kann der Platz nicht viel anders sein, als derjenige, in welchen die beiden Brüder hineingingen.

»Gut, ich blieb eine Stunde – zwei Stunden – drei Stunden – Niemand kam zurück. Da machte ich dann anfangs in der Nähe des Ufers einen Spaziergang im Kreis, und wie denn Kreise gern zu thun pflegen, so wurde jeder weiter, als der andere; aber ich sah Niemand, und Niemand kam – so wurde es dunkel, und mit dem letzten Kreis, den ich in's Innere zu machen gedachte, kam ich unter einen allmächtigen Felsen zu stehen, die buntesten Farben daran und oben lauter Blumen und Früchte. Ich wunderte mich über die Schönheit, als – paff – eine Kugel, eine einzelne Kugel dahergeflogen kam, und das Blei klatschte gegen den Fels hinter mir, wie ebenso viel Wasser; und der Felsen splitterte ab, so daß mir das Gestein gegen Stirn und Kopf flog und mir das Blut über das Gesicht strömte.

»Ich stand bolzgerade da und machte Augen, wie ein gestochenes Schwein. Aber ich sah, wie mein Don sein Gewehr wieder lud, und da war ich so versteinert über diese tückische Handlungsweise, daß ich mich nicht von der Stelle rühren konnte. Wie ich denn bemerkte, daß er sein höllisches Gewehr wieder auf mich anlegte, so hielt ich es für Zeit, etwas zu thun. Ich fiel daher der vollen Länge nach nieder und reckte mich steif aus, wie ein todtes Schaf. Gut, der freche spanische Sünder kommt herauf und gibt mir einen Stoß mit dem Fuß, den ich nicht wie ein Gennelman zu ahnden gedachte, weil wir so weit von Chalk Farm ab waren, und dann stößt er mich mit seinem Gewehrlauf umher, gibt mir denselben hart in die Rippen, und ich sehe durch meine halbgeschlossenen Augenlider, daß er just im Begriffe ist, den Drücker zu rühren. Das war eine Situation, weit interessanter als angenehm, wie der Mann an dem Pranger sagte – und ich wollte just sagen: ›laßt's bleiben!‹ aber ich that's nicht, denn wenn ich's gethan hätte, wär's mir wohl hübsch versalzen worden. So ließ er von mir; aber dennoch ging er nicht nach dem Boote zurück. Da ging dann ich nach dem Boote hinunter, ließ es mit dem Schnabel an's Land kommen, sprang in die Sternschoten und nahm so pathetisch das Ruder in die Hand, als hätte man nicht eben aus mich geschossen, wie auf einen fremden Hund mit Schaum vor dem Munde. Kameraden, ich bin ihm Eins schuldig.

»Kurze Zeit nachher kommt Don Mantez ohne sein Gewehr herunter, schreiend und heulend, so daß man's auf der schweigenden, sich kräuselnden See ganz gut bis an Bord des Schiffes hören konnte: – ›Mein Bruder! oh, mein Bruder! Was soll ich für meinen Bruder thun? Der Schurke Watkins hat meinen Bruder erschossen.‹ So duckte ich mich dann nieder, weil ich ihn mit den Armen so wild umherfahren sah und keinen gelegentlichen Stoß in die Rippen zu kriegen wünschte. ›Rudert vorwärts, ihr schwarzen Spitzbuben!‹ rief er: ›rudert einwärts,‹ sagte er; ›aber wo ist der elende Derserteur Watkins, der den Kapitän getödtet hat?‹ ›Hier, Sir, Euch zu dienen,‹ sage ich, hinter ihm aufspringend. Was der für Augen machte! Endlich mußte er doch etwas sagen. ›,Man hat auf Euch geschossen,‹ sagte er. ›Ja, Sir,‹ sage ich. ›Eine sehr geheimnißvolle Geschichte,‹ sagte der kaltblütige Meuchelmörder. ›Durchaus nicht,‹ sage ich; ›ganz einfach.‹ ›So habe ich Euch also nicht auf meinen Bruder schießen sehen?‹ ›Nein,‹ sage ich. ›Nun, er stürzte einen Abgrund hinunter, als ob wirklich Jemand nach ihm geschossen hätte.‹ ›Wirklich?‹ sage ich; ›nun, das müßt Ihr am besten wissen.‹ ›Oh,‹ sagte er, ›ist nur ein Versehen;‹ und dabei drückte er mir die Faust voll Dublonen. ›Man hat nicht auf Euch geschossen, sondern Ihr seid bloß über einen Steinhaufen gefallen.‹ ›Oh, 's ist ganz so; ich erinnere mich jetzt,‹ sage ich. ›Aber,‹ sagte er, ›wenn Ihr's zufälligerweise vergessen solltet‹ – und er begann nach dem silbernen Handgriff eines langen scharfen Messers zu langen. ›Fürchtet nichts, Sir,‹ sage ich. ›Ah, wir verstehen einander,‹ sagte der Don. ›Vortrefflich,‹ sage ich. Und so gingen wir an Bord, wo es gewaltig viel Wesens gab. Man bemannte Boote, zog mit Waffen, Laternen, Fackeln und Lichtern aus – Alles, um den armen Don Diego zu sehen, der in einen Abgrund hinuntergefallen war. Nun, Don Diego wollte sich nicht finden lassen; und in meinem Leben nie habe ich irgend Jemand gesehen, der sich den Verlust des besten der Brüder so zu Herzen nahm, wie der Schiffer – das hättet ihr mit ansehen sollen, ihr pfeifenden Spatzen. Die Kajüte war schwarz behangen, der Don rieb sich die Augen den ganzen Tag, und der Geistliche las Messen für die Seele des Todten, bis die Zunge in seinem Munde rasselte, wie ein Häuflein trockener Erbsen in einer Armenbüchse.

»Wie dies übrigens sein mag, ich kam sehr in Gunst, aber nicht sobald thaten wir die erste beträchtliche Stadt an – ich glaube, Juncal hieß sie – als er mich in ganz höflicher Weise aufforderte, an's Land zu gehen. Frage ich ihn, ob er sein Gewehr mit sich nehmen wolle, und dann sieht er köstlich kurios drein und sagt: ›nein.‹ Auf alle Fälle ging es diesmal nicht in die Wälder. Ich schmuggelte mir eine Pistole von dem Geschützmeister, worauf wir ganz freundlich Arm in Arm nach einer Branntweinbude gingen. Wir hatten dort ein Zimmer für uns, und da sagte er zu mir: ›Ihr wißt, daß Ihr ein verwünschter Bösewicht seid,‹ was eine große Lüge war, ›und wir können nicht länger mit einander segeln. Aber da sind zweihundert Dublonen für Euch,‹ sagte er, ›weil ich einem Sünder, wie Ihr seid, eine Gelegenheit zur Reue geben will. Und so rathe ich Euch denn, zu einem Priester zu gehen, und wenn Ihr wirklich von Euren gottlosen Wegen ablassen wollt, so könnt Ihr nichts Besseres thun, als ein wenig von diesem Geld zu Messen für die Seele meines lieben Bruders zu verwenden.‹ Und dann bekreuzte er sich zuerst, worauf er seine Augen zu fegen begann. ›Aber wohlgemerkt, wenn ich Euch künftig je im Bereich von zwanzig Meilen um mich finde, so soll es mir leid thun, in die Unkosten von einigen Unzen Goldes zu Seelenmessen für Euch versetzt zu werden.‹ Ich stand dann auf und sagte ihm, ich würde mich vor mir selbst schämen, einen so edelmüthigen Mann um meinetwillen in weitere Auslagen zu versetzen. Dann verließ er mich und empfahl mich dem kostbaren Schutze der Jungfrau Maria und aller heiligen Engelschaaren.«

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