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50. Abschied

Es war eine schöne, ja eine selige Zeit, die unsere Freunde auf Eden verbrachten.

Immer besser lernten sie die verklärten Menschen dort oben kennen, immer höher sie schätzen, und im Umgang mit diesen durch und durch edlen Wesen schien es ihnen, als streiften sie selber alle irdischen Mängel mehr und mehr ab.

Auch rein körperlich hatten sie dieses Gefühl; denn so gesund, wohl und frisch, so geistig angeregt und lebendig hatten sie sich in ihrem Leben nie gefühlt, wie in den Wochen und Monaten, die sie hier zubrachten.

Noch mehrere Reisen unternahmen sie und wurden mit den schönsten landschaftlichen Reizen, mit der Tier- und Pflanzenwelt vertraut.

Eines Tages aber erklärte Flitmore, es sei nun Zeit, an den Abschied zu denken, und, da man keinen Kometen zur Heimreise benützen könne, müsse man sich darauf gefaßt machen, daß diese mehrere Jahre dauern könne.

Gabokol, Bleodila, Fliorot und Glessiblora suchten vergeblich unsere Freunde zu überreden, länger zu verweilen, oder, noch besser, ihren Aufenthalt dauernd nach Eden zu verlegen.

»Wenn Gott will, ist dies nicht unser letzter Besuch hier«, sagte Flitmore: »das nächstemal bringen wir euch dann allerlei irdische Dinge mit, die euch zwar nicht bereichern aber doch interessieren können. Nun aber ruft uns die Pflicht: unsere Entdeckungen, namentlich die Möglichkeit eines Verkehrs mit fernen Welten, sind für unsere Brüder auf Erden von größter Wichtigkeit: wir dürfen ihnen das nicht verloren gehen lassen.«

Alle, besonders aber Heinz, wunderten sich, daß Heliastra allein keinen Versuch machte, sie zum Dableiben zu bewegen; ja, den jungen Friedung berührte dieser Umstand besonders schmerzlich: er hatte doch so gute Freundschaft mit dem Mädchen geschlossen, so daß der Gedanke an die Trennung ihm beinahe das Herz brechen wollte.

Als Gabokol nun sah, daß die Abreise seiner Gäste beschlossene Sache sei, sagte er:

»Wie ihr erzähltet, hat ein Komet euch hierher geführt. Ich habe ja dein Weltschiff genau angesehen und kennen gelernt, Freund Flitmore, aber es hat einen bedenklichen Mangel: Durch die Fliehkraft wird es von den Weltkörpern abgestoßen, ihr besitzt aber kein Mittel, die Fahrt zu lenken und müßtet es daher dem Zufall überlassen, ob ihr in euer Sonnensystem zurückkehren werdet oder euch noch weiter von ihm entfernt.

Ich will dein Fahrzeug mit der Parallelkraft ausrüsten; die Einrichtung nimmt höchstens acht Tage in Anspruch. Die Parallelkraft hat für euch ganz bedeutende Vorzüge: erstens könnt ihr im Raum die Geschwindigkeit eurer Fahrt mit ihrer Hilfe wesentlich steigern, zweitens widerstrebt sie weder der Fliehkraft noch der Anziehungskraft, sie kann also ausgenützt werden sowohl so lange dein Strom eingeschaltet, als auch wenn er abgestellt ist. Der dritte und wichtigste Vorteil aber ist, daß du deiner Sannah eine beliebige Fahrtrichtung geben, also geradewegs auf euer Sonnensystem zusteuern kannst. Gott kann euch ja selbstverständlich auch ohne diese Naturkraft so schnell und sicher heimführen, wie er euch hierherlenkte; aber er will, daß wir die Mittel benutzen, die seine Güte uns gab und erkennen lehrte.«

»Du nimmst eine schwere Sorge von meinem Herzen«, erwiderte Flitmore; »ich verhehlte mir nicht, welche vielleicht unüberwindlichen Schwierigkeiten der Mangel an Lenkbarkeit meines Fahrzeuges uns auf der Rückfahrt bereiten werde. Nun lernte ich ja bei euch die wunderbaren Eigenschaften der Parallelkraft kennen und verstehe jetzt auch damit umzugehen. Wenn du als erfahrener Mann die Einrichtung übernehmen willst, so steigerst du noch die Dankbarkeit, die wir dir und euch allen schulden.

Und dann habe ich noch eine Bitte: wie du weißt, enthält meine Sannah sehr große Räume. Auf der Hinfahrt dienten sie vor allem der Aufspeicherung großer Sauerstoffvorräte behufs Erneuerung der Luft.

Nun haben wir ja die Erfahrung gemacht, daß das Weltschiff sich im Raum mit einer eigenen Lufthülle umgibt, die sich selbständig erneuert. Dagegen müssen wir für reichliche Speisevorräte sorgen, da unter Umständen die Rückfahrt mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann ...«

»Seid ohne Sorge!« unterbrach ihn Bleodila: »Allen Frauen der Stadt wird es eine Freude sein, eure Vorratsräume mit Mehl, Gemüse- und Obstkonserven, sowie mit Milch, Butter, Käse und Eiern anzufüllen, daß ihr zehn Jahre daran zu zehren habt; ihr wißt, daß wir Verfahren kennen, durch welche selbst Eier und Milch sich jahrelang frisch erhalten.«

»Auch Honig und Holz sollt ihr haben, da unser Baumholz ja so schmackhaft und nahrhaft ist, wie die Früchte und sich auch ohne besondere Behandlung hält und sein köstlicher Saft euch einen unerschöpflichen Trank bietet«, setzte Fliorot hinzu.

»Nun, dann sind wir wohl geborgen, wenn Gottes Gnade uns begleitet, wie ich nicht zweifle«, sagte Mietje mit feurigem Dank.

Jetzt trat Heliastra vor: »Auch ich habe eine Bitte auf dem Herzen«, sagte sie, während eine holde Röte ihr Antlitz durchleuchtete: »Eine Bitte an euch, liebe Freunde: nehmt mich mit auf eure Erde!«

Alle standen starr. Auch Gabokol und Bleodila, Fliorot und Glessiblora waren völlig aus der Fassung.

Heinz aber durchflutete es wie ein unausdenkbares Glück; doch gleich darauf dachte er, es sei ja zu schön, um wahr zu werden, und weder dürften sie das liebliche Mädchen seinem glücklichen Planeten entführen, noch würden seine Eltern es je von ihren Herzen reißen können.

Mietje war die erste, die es aussprach: »Kind, liebes Kind, wie dürften wir es wagen, dich ins Ungewisse mitzunehmen und aus deinem Paradies in das Elend unserer Erde zu entführen.«

Heliastra lächelte: »Wißt ihr nicht, daß Gott überall ist? Wo ist da das Ungewisse? Und sehet, das ist meine Sehnsucht, der brennende Wunsch meines Herzens, euer Schicksal zu teilen und euch zu helfen, das Leid eurer Erde zu mildern.«

»Es ist ein edles Ziel, das meine Tochter sich setzt«, sagte Gabokol nachdenklich: »Es muß Gott wohlgefällig sein.«

»Nein, nein!« rief Heinz schmerzlich: »Gott weiß, wie mir das Herz blutet, wenn ich von dir scheiden soll; aber hier bist du glücklich und glücklich sollst du bleiben und nie in die Welt der Leiden kommen. Gerne will ich mich mein Leben lang in Sehnsucht nach dir verzehren, wenn ich dich nur glücklich weiß!«

»So sehr hast du mich lieb?« fragte Heliastra und ihre Himmelsaugen leuchteten ihn an.

»Ja, über alles bist du mir wert: nie werde ich dich vergessen!«

»Und meinst du, ich werde noch glücklich sein, wenn du nicht mehr bei mir bist? Mein Glück ist fortan auf eurer Erde, dort laßt es mich finden. Oder ist es unmöglich, daß ich deine Gattin werden könnte?«

»Du! Meine Gattin? Du wolltest aus deinen Sternenhöhen herabsteigen, mich armseligen Erdensohn unaussprechlich glücklich zu machen? Aber nein! Es darf ja nicht sein!«

»Ich sehe wohl, wie es steht«, sagte nun Gabokol wieder, »und ich sehe, was Gottes Wille ist. Ja, Gott fordert von uns ein Opfer, das er noch von keinem auf unserem Planeten gefordert hat. Heliastra, du willst uns den Schmerz fühlen lehren, der uns bisher unbekannt gewesen! Aber sollte Gott nicht alles von uns fordern dürfen, dem wir alles verdanken? Die sich lieben, sollen miteinander verbunden bleiben, das ist der höchste Gotteswille. Und wenn es uns auch schmerzt, wie wollten wir solch unerhörten Frevel begehen, wider Gottes Willen zu handeln?«

»Gabokol hat recht«, sagte Bleodila mit Tränen in den Augen. »Eure Ankunft und euer Hiersein war uns Freude; euer Scheiden bringt uns Schmerz, größeren als wir je geahnt! Wußten wir denn, was Schmerz ist, denen auch das Scheiden im Tod nur ein Vorausgehen in die höhere Seeligkeit bedeutet? Nun, so sei uns Heliastra, so jung sie ist, als eine in die Seeligkeit Vorangegangene. Willst du sie haben zu deinem Weib, junger Freund, so dürfen wir sie nicht zurückhalten.«

Heinz wußte nicht, wie ihm war, als er seine Arme ausbreitete und die leichte Elfengestalt sich an ihn schmiegte.

»So willst du immer bei mir bleiben?« flüsterte er, sie zaghaft küssend.

»Immer bei dir!« sagte sie mit heller Glockenstimme und strahlte ihn warm an.

Während der nächsten Tage richtete Gabokol die Sannah, die Flitmore herabgelenkt hatte, für die Parallelkraft ein, flickte auch das Loch, das ihr der Meteorit beigebracht hatte. Die Bewohner der Stadt zogen inzwischen unaufhörlich in Scharen herbei, um die Innenräume mit unerschöpflichen Vorräten zu füllen, namentlich auch mit allerlei Sämereien für die Erde, obgleich Schultze stark bezweifelte, daß dort die Wunderpflanzen Edens gedeihen könnten.

Dann wurde die feierliche Hochzeit von Heinz Friedung mit Heliastra gefeiert und der greise Priester der Stadt gab das Paar im Namen des allmächtigen Gottes zusammen und segnete es ein.

Die ganze Stadt nahm Teil an dieser außerordentlichen Feier und zwar nicht nur äußerlich, sondern mit liebenden und fürbittenden Herzen. Alle bewunderten Heliastras Entschluß und wünschten ihr Gottes reichsten Segen dazu.

Dann wurde ein Freudenfest gefeiert, wie es bei solchen Anlässen üblich war. Zum Schlusse, als der Rosenmond dem blauen Monde Platz machte, nahm die rosige Gattin Abschied von ihren Freundinnen und Bekannten.

Am andern Morgen verabschiedete sie sich auch von den Ihrigen, deren Gottvertrauen und Fügsamkeit in den göttlichen Willen ihnen half, den Trennungsschmerz getrost zu überwinden.

Auch unsere Freunde nahmen herzlichen, dankbaren und gerührten Abschied.

Heliastra aber war voll strahlender Freudigkeit, als sie mit ihrem Gatten das Fahrzeug betrat, das sie führen sollte in die Welt ihrer Sehnsucht, die Welt, wo es Schmerzen zu lindern und Tränen zu trocknen gibt.

»Gott sei mit euch und lasse euch wiederkehren!« riefen die Zurückbleibenden den Scheidenden nach, als die Sannah, von der Fliehkraft getrieben, emporschoß, und Heinz und Heliastra aus der offenen Luke ein letztesmal herniederwinkten.


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