Magnus Gottfried Lichtwer
Fabeln
Magnus Gottfried Lichtwer

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Der Apfelbaum und der Nelkenstock.

            Ein großer Apfelbaum, der immer Durst empfand,
Ward einem Nelkenstock, der ihm zur Seite blühte,
Gar aus der Weise gram, weil ihm des Gärtners Hand
Bisweilen Wasser gab, wenn er vor Hitze glühte.

    Nein! sprach der Neidhart einst mit Hohn,
    Du bist wohl eines Junkers Sohn,
Den Andre Tag vor Tag aus Pflicht bedienen sollen;
    Doch gib es mir nur sicher zu,
Es läßt recht lächerlich, wenn kleine Herr'n, wie du,
    Als große Fürsten leben wollen.
Ich dächte wohl, mein Stamm, den stets die Sonne sengt,
Sey zehnmal eher werth, daß er einmal besprengt,
Und aus des Gärtners Krug vor dir getränket werde.

O, sprach der Nelkenstock, dich tränkt ja schon die Erde,
    Dich tränkt die feuchte Witterung,
Die geben dir genug zu deiner Sättigung;
Was mir Erquickung gibt, das würde dich verderben,
Die viele Feuchtigkeit nützt deiner Wurzel nicht,
    Genug, wenn sie ihr nicht gebricht,
    Von mehrern würde sie ersterben.

* * *

    So strebt der Neid nach fremder Ehre,
Die öfters sein Verderben wäre.

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